Wer nun will hören wo er bleibt,
Den Aventür von Haus vertreibt,
Der mag großer Wunder viel
Vernehmen, eh er kommt ans Ziel.
Laßt reiten Gahmuretens Kind.
Wo nun getreue Leute sind,
Die wünschen Heil ihm und Gedeihn:
Er muß nun leiden hohe Pein;
Dazwischen Freud und Ehre.
Eins schuf ihm Herzensschwere:
Er mied ein Weib, die er besaß,
So edel, daß kein Mund je las
Oder meldete die Märe,
Daß Eine schöner, beßer wäre.
Gedanken an die Königin
Trübten ihm den frohen Sinn:
Er hätt ihn längst schon ganz verloren,
Wär er nicht herzhaft geboren.
Selbst trug das Ross den Zaum empor
Ueber Blöcke, Sumpf und Moor;[305]
Nicht führt' es seines Reiters Hand.
Uns macht die Aventür bekannt,
Er ritt denselben Tag so weit,
Ein Vogel hätte Arbeit,
Wollt er's auf einmal überfliegen.
Will mich die Märe nicht betriegen,
So glich sein Ritt kaum so dem Flug
Des Tages, da er Ithern schlug,
Und später, als er von Graharz
Ritt in das Königreich Brobarz.
Hört nun wo er Herberg nahm.
An einen See er Abends kam,
Fischer ankerten daran;
Ihnen war das Waßer unterthan.
Wohl hören mochten sie sein Fragen,
Unfern vom Gestade lagen
Sie noch, da sie ihn reiten sahn.
Einen sah er in dem Kahn
In so herrlichem Gewande,
Dienten ihm alle Lande,
Es wäre schwerlich noch so gut.
Von Pfauenfedern war sein Hut.
An diesen Fischer wandt er sich,
Und ermahnt' ihn bittentlich,
Daß er ihm riethe, Gott zu Ehren[306]
Und seine Zucht zu bewähren,
Wo er träfe Herberg an.
Zur Antwort gab der traurge Mann.
Er sprach: »Herr, nicht bekannt ist mir,
Daß dreißig Meilen weit von hier
Das Land bebaut und urbar sei.
Ein Haus nur kenn ich nahebei;
Zur Herberg darf ich es empfehlen;
Ihr könnt kein andres heute wählen.
Dort wo die Felsen enden
Müßt ihr zur Rechten wenden.
Kommt ihr dahin, der Graben
Läßt euch nicht weiter traben.
So heißt die Brücke senken,
Wollt ihr zum Burghof lenken.«
Er that wie ihm der Fischer rieth;
Mit Urlaub er von dannen schied.
Der sprach: »Wenn ihr euch nicht verirrt,
So bin ich selber euer Wirth;
So danket wie wir euch verpflegen.
Nur hütet euch vor falschen Wegen:
Ihr könntet bei der Halde
Irr reiten leicht im Walde;
Unlieb geschäh mir doch daran.«[307]
Da hub sich Parzival hindann
Und fand mit wackerm Traben
Den Weg bis an den Graben.
Da war die Zugbrück aufgezogen,
Die Burg um Feste nicht betrogen,
Wie auf der Drechselbank gedreht.
Beschwingt nur oder vom Wind geweht
Dränge man hinein mit Sturm.
Mancher Saal und mancher Thurm
Stand da in wunderbarer Wehr:
Und zögen alle Völker her,
Sie gäben drin um solche Noth
In dreißig Jahren noch kein Brot.
Ein Knappe hatt ihn wahrgenommen,
Und frug ihn, wo er hergekommen,
Und was er suche vor dem Wall?
»Der Fischer,« sprach da Parzival,
»Hat mich zu euch hergesandt.
Ich neigte dankend seiner Hand,
Da sie mir Herberg hier geschenkt.
Er will, daß ihr die Brücke senkt,
Daß ich reite zu euch ein.«
»Herr, ihr sollt willkommen sein.
Da der Fischer es versprach,
Man beut euch Ehr und Gemach,[308]
Ihm der euch sandte zu Gefallen,«
Sprach der Knapp und ließ die Brücke fallen.
In die Burg ritt der Kühne,
Auf weiten Angers Grüne
Unzerstampft im Ritterspiel;
Kurzen Grases stand da viel.
Da ward nicht oft turniert, gestritten,
Mit Panieren hin und her geritten
Wie auf dem Anger zu Abenberg.
Selten war solch fröhlich Werk
Da geschehn in langer Zeit:
Sie hatten Noth und Herzeleid.
Der Gast jedoch des nicht entgalt:
Ihn empfiengen Ritter jung und alt;
Kleine Junker volle Zahl
Sprang ihm nach dem Zaum zumal;
Ein Jeder thäte gern das Beste.
Sie hielten ihm den Stegreif feste,
Dieweil er abstieg von dem Ross.
Ritter führten ihn ins Schloß
Wo sie ihm schufen gut Gemach.
Unlange währt' es darnach
Bis er mit Zucht entwappnet ward.
Da sie den Jungen ohne Bart[309]
Ersahen also minniglich,
Glücklich pries ihn männiglich.
Um Waßer bat der junge Mann:
Da er den Rost sich hindann
Gewaschen von Gesicht und Händen,
Da schien er Jung und Alt zu blenden
Wie eines zweiten Tages Helle:
So saß der wonnige Geselle.
Ein Mantel ward ihm hingebracht,
Aus arabschem Stoff gemacht
Und alles Tadels ledig gar:
Den legt er an, der Degen klar.
Die Schnur blieb unverbunden dran:
Da gefiel er Allen, die ihn sahn.
Da sprach der Kammerwärter klug:
»Repans de Schoi wars, die ihn trug,
Meine Frau, die Königin.
Er sei euch von ihr geliehn,
Denn euch ist noch kein Kleid geschnitten.
Wohl mocht ich sie's mit Ehren bitten,
Denn ihr seid ein werther Mann,
Wenn ichs recht ermeßen kann.«
»Gott lohn euch, Herr, daß ihr mir traut.
Wenn ihr recht mich beschaut,[310]
So war das Glück mir immer hold:
Gottes Kraft giebt solchen Sold.«
Man schenkt' ihm ein und pflegt' ihn so,
Die Traurgen waren mit ihm froh;
Ein Jeder bot ihm Lieb und Ehr.
Da war auch aller Fülle mehr
Als er zu Pelrapäre fand,
Das von Kummer schied des Helden Hand.
Sein Rüstzeug war beiseit getragen:
Das wollt er jetzo schier beklagen,
Da er Scherzes hier sich nicht versah.
Allzu vorlaut mahnte da
Ein immer wortreicher Mann
Den edeln Fremdling wohlgethan
Zum Wirth, als spräch er es im Zorn.
Das Leben hätt er schier verlorn
Von dem jungen Parzival.
Da er sein Schwert von lichtem Stahl
Nicht mehr bei sich liegen fand,
Da zwang er so zur Faust die Hand,
Daß den Nägeln Blut entschoß
Und ihm den Aermel übergoß.
»Nicht doch, Herr,« sprach die Ritterschaft,
»Dieser Mann uns gern zu lachen schafft,[311]
Wie traurig wir auch anders sei'n;
So mögt ihr wohl ihm freundlich sein.
Ihr habt nichts andres vernommen,
Als der Fischer sei gekommen.
Geht hin, ihr seid sein werther Gast;
Schüttet ab des Zornes Last.«
Hundert Kronen niederhiengen
In dem Saal, zu dem sie giengen,
Mit vielen Kerzen besteckt;
So war auch rings überdeckt
Mit kleinen Kerzen die Wand.
Hundert Ruhebetten fand
Man an den Seiten aufgeschlagen,
Darauf hundert Kissen lagen.
Je vier Gesellen trug ein Sitz;
Die Plätze unterschied ein Schlitz.
Davor ein Teppich bilderhell:
Le Fils dü Roi Frimutel
Besaß doch Reichthum unermeßen.
Eines Dings war nicht vergeßen:
Sie hatte nicht das Gold gedauert,
Von Marmor waren aufgemauert
Drei viereckge Feuerrahmen.
Da brannt ein Holz, daß man mit Namen
Nannte lignum aloe.[312]
Wer hat so große Feuer je
Hier gesehn zu Wildenberg?
Es war fürwahr ein kostbar Werk.
Der kranke Wirth selber hat
Vor der mittlern Feuerstatt
Auf einem Spannbett Platz genommen.
Zum Bruche war's gekommen,
Zwischen ihm und der Freude;
Sein Leben war ein morsch Gebäude.
In den Saal gegangen
Ward da gar wohl empfangen
Von dem, der ihn dahin gesandt,
Parzival der Weigand.
Ihn ließ der Wirth nicht lange stehn,
Er bat ihn, nah heran zu gehn
Und zu sitzen: »hier an meine Seite;
Wies' ich euch in größre Weite,
Das hieß' euch allzu fremd gethan.«
So sprach der jammersreiche Mann.
Des Wirthes Siechthum heischte leider
Große Feur und warme Kleider.
Weit und lang, von Zobel fein,
So muste aus und innen sein
Der Mantel und der Pelz darauf.
Der geringste Balg war theur zu Kauf[313]
Schwarz- und Grauwerk fand man da.
Um das Haupt de Wirthes sah
Man die gestreifte Mütze gehn,
Von Zobel, theuer zu erstehn.
Arabsche Borten giengen
Oben in goldnen Ringen,
Und von der Spitze nieder schien
Als Knopf ein leuchtender Rubin.
Ritter saßen da genug,
Als man Jammer vor sie trug.
Herein zur Thür ein Knappe sprang,
Eine Lanze trug er, die war lang,
(Die Sitte war zur Trauer gut);
Die Schneide nieder tropfte Blut
Und lief am Schaft bis auf die Hand,
Wo es am Aermel verschwand.
Da ward geweint überall
Und geschrien in dem Saal,
Daß dazu mit Kehl und Augen
Kaum dreißig Völker möchten taugen.
Also trug er den Sper
An den vier Wänden umher
Bis wieder zu des Saales Thür,
Wo der Knappe sprang hinfür.
Da war des Volkes Noth gestillt,[314]
Das erst von Jammer stand erfüllt,
Da es die Lanze hatt erkannt,
Die der Knappe trug in seiner Hand.
Mag es euch nicht verdrießen,
Will ich die Mär erschließen,
Daß ihr vernehmet und erfahrt,
Wie herrlich da gedienet ward.
Zu Ende an dem langen Saal
Auf gieng eine Thür von Stahl:
Zwei werthe Kinder traten ein;
Vernehmt, wie die geschaffen sei'n:
Daß sie wohl gäben Minnesold,
Wem sie um Dienste würden hold.
Das waren Jungfrauen klar,
Kränzlein über bloßem Haar:
Die Blumen hielt ein lichtes Band.
Jedwede trug in der Hand
Einen Leuchter von Gold.
Ihr Haar in blonden Locken rollt.
Auf jedem Leuchter brennt ein Licht.
Vergeßen wollen wir nicht
Von der Jungfraun Kleid zu sagen,
Das sie vor den Rittern tragen.
Die Gräfin von Tenabrock,
Von braunem Scharlach war ihr Rock;[315]
So war auch ihr Gespiel geziert.
Das weite Kleid war affischiert
Mit zweien Gürteln, da wo schlank
Die Frauen sind und schmal und schwank.
Hinzu tritt eine Herzogin
Und ihr Gespiel. Sie trugen hin
Kleiner Stollen zween von Helfenbein.
Ihr Mund gab feuerrothen Schein.
Alle Viere neigten sich;
Nun setzten zwo behendiglich
Vor den Wirth die Stollen hin;
Das war ihr Dienst, wie es schien.
Dann traten sie gepaart zurück
Und waren klar und hell von Blick.
Die Viere trugen gleiches Kleid.
Nun versäumen nicht die Zeit
Andrer Frauen zweimal vier.
Was hatten die zu schaffen hier?
Vier musten große Kerzen tragen;
Die andern durftens nicht versagen,
Sie trugen einen theuern Stein,
Die Sonne warf hindurch den Schein.
Sein Namen ist uns wohl bekannt:
Es war ein Granatjachant,[316]
So lang und breit, daß ers wohl litt,
Als ihn so dünne zerschnitt,
Der zum Tischblatt ihn zersägte,
An dem der Wirth zu eßen pflegte.
Die Jungfraun traten alle acht
Vor den Wirth, indem sie sacht
Wie zum Gruß ihr Haupt bewegten.
Die Viere dann die Tafel legten
Auf der Stollen schneeweiß Helfenbein,
Das zuvor getragen war herein.
Man sah sie züchtig wieder gehn
Und bei den ersten vieren stehn.
Röcke grün wie Gras zu schauen
Trugen diese acht Frauen
Aus edelm Sammt von Aßagauch,
Lang und weit, so wars Gebrauch.
Ein theurer Gürtel schmal und lang
In der Mitte sie zusammen zwang.
Dieser acht Jungfrauen klug
Auf dem Haupt Jegliche trug
Ein Blumenkränzlein wohlgethan,
Von Nonel der Graf Iwan
Und Jernis, der Herr von Reile,
Ihre Töchter über manche Meile
Hatte der Gral in Dienst genommen.[317]
Man sah die Jungfrauen kommen
In gar wonniglichem Staat.
Zwei Meßer, schneidig wie ein Grat,
Trugen die Jungfrauen hehr
Auf zwo Zwickeln daher.
Von Silber ist die Kling und weiß,
Und nicht versäumt von Künstlerfleiß,
Geschärft, gewetzt zu solcher Glätte,
Daß es wohl Stahl geschnitten hätte.
Vor dem Silber trugen Frauen werth,
Die auch der Gral zum Dienst begehrt,
Lichter, daß es heller sei,
Vier Kinder alles Tadels frei.
So giengen diese Sechse nun:
Höret, was sie sollen thun.
Sie grüßten. Zwei Jungfräulein
Trugen auf der Tafel Schein
Das Silber, legten es da nieder.
Dann giengen sie mit Züchten wieder
Zu den ersten Zwölfen hin.
Wenn ich recht berichtet bin,
Hier sollen achtzehn Frauen stehn.
Nun sieht man neue sechse gehn
In Kleidern, die man schwer bezahlt;
Es war zur Hälfte Plialt,[318]
Zur Hälfte Pfell von Ninnive.
Sie und die Sechse, der ich eh
Erwähnt, getheilt war ihre Tracht,
Jeder Theil aus anderm Stoff gemacht.
Nach diesen kam die Königin.
Ein Glanz von ihrem Antlitz schien,
Sie wähnten all es wolle tagen.
Ein Kleid sah man die Jungfrau tragen
Von Pfellel aus der Arabie.
Auf grünem Kissen von Achmardi
Trug sie des Paradieses Fülle
So den Kern wie die Hülle.
Das war ein Ding, das hieß der Gral,
Irdschen Segens vollster Stral.
Repanse de Schoie hieß
Von der der Gral sich tragen ließ.
Der Gral war von solcher Art:
Sie hat das Herz sich rein bewahrt,
Der man gönnt des Grals zu pflegen:
Sie durfte keine Falschheit hegen.
Lichter kamen vor dem Gral:
Die waren schön und reich zumal.
Sechs lange Gläser hell und klar,
Drin brannte Balsam wunderbar.[319]
Da sie gemeßnen Schritts herfür
Zur Tafel kamen von der Thür,
Die Königin verneigte sich
Und jede Jungfrau züchtiglich,
Die da Balsamgläser trug.
Die Köngin ohne Falsch und Trug
Setzte vor den Wirth den Gral.
Die Märe spricht, daß Parzival
Sie hab andächtig lang beschaut,
Der der Gral war anvertraut;
Er hatt auch ihren Mantel an.
Die Sieben giengen sacht hindann
Zu den achtzehn Ersten.
Da nahmen sie alle die Hehrste
Zwischen sich: Zwölf standen ihr
Zu beiden Seiten, sagt man mir.
Da stand die Magd die Krone tragend
Schön aus den Gespielen ragend.
All den Rittern zumal,
Die da saßen in dem Saal
Ließ man von den Kämmerlingen
In goldnen Becken Waßer bringen.
Je vier bediente Einer
Und ein Junker, ein kleiner,
Der eine weiße Zwickel trug.[320]
Man sah da Reichthum genug.
Der Tafeln musten hundert sein,
Die man zur Thüre trug herein.
Man setzte jegliche hier
Vor der werthen Ritter vier:
Tischlachen blendend weiß
Legte man darauf mit Fleiß.
Der Wirth nun selber Waßer nahm;
Er war an frohem Muthe lahm.
Da wusch sich Parzival zugleich.
Eine seidne Zwickel bilderreich
Hielt ein Grafensohn ihm hin;
Den sah man hurtig niederknien.
Wo eine Tafel war gestellt,
Bier Knappen sah man da gesellt,
Daß sie zu dienen nicht vergäßen
Denen, die an ihr säßen.
Zweene musten knieend schneiden;
Die andern durftens nicht vermeiden,
Sie trugen Speis' und Trank herbei
Und dienten ihnen nach der Reih.
Hört mehr von Reichthum sagen.
Vier Karossen musten tragen[321]
Manchen Becher goldenklar
Jedem Ritter, der zugegen war.
Die wurden rings umher gerollt;
Von vier Rittern ward das Gold
Auf die Tafeln hingesetzt.
Ein Schaffner folgte zuletzt;
Dem war es aufgetragen,
Alles wieder in den Wagen
Zu setzen, wenn gedienet wäre.
Nun vernehmet andre Märe.
Hundert Knappen man gebot,
Daß sie in weiße Zwickeln Brot
Knieend nähmen vor dem Gral.
Zurück dann traten sie zumal
Und vertheilten vor die Tafeln sich.
Man sagte mir, so sag auch ich
Auf euern eigenen Eid:
Vor dem Grale war bereit
(Sollt ich damit betrügen,
So helfet Ihr mir lügen)
Wonach einer bot die Hand,
Daß er alles stehen fand,
Speise warm, Speise kalt,
Speise neu und wieder alt,
Fisch und Fleisch, Wild und Zahm.[322]
Es ist kein wahres Wort daran,
Hör ich Manchen sprechen;
Der will sich viel erfrechen,
Denn der Gral war alles Segens Born,
Weltlicher Süße volles Horn:
Es that es dem beinahe gleich
Was man erzählt vom Himmelreich.
In kleine Goldgefäße kam
Was man zu jeder Speise nahm,
Pfeffer, Salz und Agraß.
Der Genügsame, der Fraß,
Alle hatten da genug;
Höflich man es vor sie trug.
Moraß, Wein, Sinopel roth,
Wonach den Napf ein Jeder bot,
Was er Trinkens mochte nennen,
Das konnt er drin erkennen,
Alles durch des Grales Kraft.
Die herrliche Genoßenschaft
Ward bewirthet von dem Gral.
Wohl bemerkte Parzival
Den Reichthum und das große Wunder;
Doch nicht zu fragen unterstund er.
Er gedachte: »Treulich rieth
Mir Gurnemans, bevor ich schied,[323]
Viel zu fragen sollt ich meiden;
Man wird mich hier wohl auch bescheiden
Wie es dort bei ihm geschah.
So hör ich ohne Frage ja
Wie es um diese Leute steht.«
Wie er so dachte, sieh, da geht
Ein Knappe her und bringt ein Schwert,
Die Scheide tausend Marken werth;
Das Gehilz war ein Rubin;
Auch war die Klinge wie es schien,
Großer Wunder Thäterin.
Seinem Gaste gab der Wirth es hin
Und sprach: »Es half mir in der Noth
Manchesmal, bevor mich Gott
So schwer am Leibe hat verletzt.
Ich hoffe, daß es euch ersetzt
Was hier fehlt an eurer Pflege;
Führt es künftig allewege:
Ihr seid, erkennt ihr seine Art,
Im Streite wohl damit verwahrt.«
Weh, daß er da vermied zu fragen!
Das muß ich noch für ihn beklagen.
Denn da das Schwert ihm ward gegeben,
Das mahnt' ihn, Frage zu erheben.
Auch jammert mich sein edler Wirth,[324]
Daß er der Qual nicht ledig wird,
Der ihn enthoben hätte Fragen.
Nun war hier sattsam aufgetragen.
Die's angieng, griffens wieder an
Und trugen das Geschirr hindann.
Die vier Karossen lud man da;
Jedes Fräulein seinen Dienst versah,
Erst die letzten, dann die ersten.
Sie traten alle mit der Hehrsten
Wieder hin zu dem Gral.
Vor dem Wirth und Parzival
Verneigte sich die Königin
Und all die Jungfraun wie vorhin
Und trugen wieder aus der Thür
Was sie mit Zucht gebracht herfür.
Parzival blickt ihnen nach:
Da sieht er in dem Vorgemach
Eh sie die Thüre zuthun,
Auf einem Spannbette ruhn
Den allerschönsten alten Mann,
Des er Kunde je gewann.
Ich greif es traun nicht aus der Lust,
Er war noch grauer als der Duft.
[325]
Wer der Greis gewesen,
Das hört ihr künftig lesen,
Dazu der Wirth, die Burg, das Land,
Die werden euch von mir genannt
Künftig, wenn es an der Zeit,
Bescheidentlich, ohn allen Streit,
Und sogleich, unverzogen.
Die Sehne sag ich sonder Bogen.
Die Sehne dient zum Gleichniss hier.
Behende scheint der Bogen dir,
Doch ist schneller was die Sehne jagt.
Hab ichs nicht unbedacht gesagt,
So gleicht die Sehne schlichten Mären,
Womit wir gern zufrieden wären;
Denn wer die Krümme wandelt viel,
Der führt uns allzuspät ans Ziel.
Wenn ihr den Bogen spannen saht,
Erst war die Sehne schlicht und grad;
Sie muß sich dehnen, muß sich biegen,
Soll der Schuß zum Ziele fliegen.
Doch Wer die Märe schießt dem Thoren,
Der hat sein Dehnen auch verloren:
Sie findet nirgend eine Statt
Und gar geräumigen Pfad
Zu einem Ohr ein, zum andern aus.[326]
Lieber bleib ich zu Haus,
Als daß ich den mit Mären dränge,
Denn ich sagte oder sänge
Beßer wahrlich einem Bock
Oder einem morschen Stock.
Ich will euch ferner doch bedeuten
Von den jammerhaften Leuten,
Die hier besucht hat Parzival.
Mn vernahm da selten Freudenschall,
Weder Tanz noch Ritterspiel.
Ihrer Trübsal war so viel,
Sie dachten auf Erholung nicht.
Oft wohnt die Volkszahl minder dicht,
Doch thut ihr manchmal Freude wohl;
Hier waren alle Winkel voll
Und auch der Hof, wo man sie sah.
Der Wirth sprach zu dem Gaste da:
»Nun ist eur Bette wohl bereit,
Drum rath ich, wenn ihr müde seid,
Euch zur Ruhe zu begeben.«
Nun sollt ich Zeterschrei erheben
Um ihr so gethanes Scheiden!
Hir wächst Unheil ihnen beiden.
Vor des Wirthes Bette trat
Auf den Teppich hin und bat[327]
Um den Urlaub Parzival;
Gute Nacht ihm bot der Wirth zumal.
Auf sprang die Ritterschaft in Eil;
Ihn zu geleiten kam ein Theil.
Da führten sie den jungen Mann
In ein Schlafgemach hindann:
Das war also ausstaffiert,
Mit einem Bette geziert,
Daß mich die Armut schmerzlich müht,
Da der Erde solcher Reichthum blüht.
Dem Bett war Armut theuer;
Als glüht' er im Feuer
Gab drauf ein Pfellel lichten Stral.
Die Ritter bat da Parzival,
Sie möchten auch zur Ruhe gehn;
Denn Ein Bett sah er hier nur stehn.
Mit Urlaub giengen sie hindann.
Hier hebt ein andrer Dienst sich an.
Viel Kerzen und sein klar Gesicht
Wetteifernd gaben helles Licht:
Wie möchte heller sein der Tag?
Vor seinem Bett ein andres lag,
Ein Polster drauf; da setzt' er sich.
Jungherren gar behendiglich[328]
Entschuhn ihm Beine, die sind blank:
Mancher ihm zu Hülfe sprang.
Auch zog ihm seine Kleider ab
Mancher wohlgeborne Knab:
Es waren schmucke Herrlein.
Zur Thüre traten jetzt herein
Vier klare Jungfrauen,
Die man gesandt zu schauen,
Ob man ihn wohl verpfläge,
Und ob er sanft gebettet läge.
Die Märe meldet sonder Trug,
Eine helle Kerze trug
Ein Knappe Jeglicher voran.
Parzival der schnelle Mann
Sprang unters Decklachen.
Sie sprachen: »Ihr sollt wachen
Uns zu Lieb noch eine Weile.«
Verborgen in der Eile
Hatt er unterm Bett sich ganz;
Nur seines Antlitzes Glanz
Gab ihren Augen Hochgenuß
Eh sie empfiengen seinen Gruß.
Ihnen schufen auch Gedanken Noth,
Daß sein Mund ihm war so roth
Und daß vor Jugend Niemand wahr
Da nahm auch nur ein halbes Haar.
[329]
Diese vier Jungfrauen klug,
Hört was Jegliche trug:
Moraß, Wein und Lautertrank
Trugen drei auf Händen blank;
Die vierte Jungfraue weis
Trug Aepfel aus dem Paradeis
Auf blanker Zwickel hin vor ihn.
Diese sah man niederknien.
Er hieß das Mägdlein sitzen:
Sie sprach: »Laßt mich bei Witzen;
Ich könnt euch sitzend nicht bedienen,
Und darum sind wir hier erschienen.«
Süßer Red er nicht vergaß;
Der Herr trank, einen Theil er aß,
Dann giengen sie mit Urlaub wieder.
Da legte Parzival sich nieder.
Die Junker setzten vor ihn
Die Kerzen auf den Teppich hin,
Da sie ihn entschlafen sahn;
Also eilten sie hindann.
Parzival lag nicht allein:
Gesellt bis zu des Morgens Schein
War ihm strenges Herzeleid.
Alles künftige Leid
Hat Boten ihm vorausgesandt,[330]
Daß Schreck den Blühnden übermannt;
Seine Mutter bracht einst so in Noth
Der Traum von Gahmuretens Tod.
So verbrämt war ihm der Traum,
Mit Schwertschlägen um den Saum,
Mit Tjosten oben reich gestickt:
Von Lanzen auf sein Herz gezückt
Litt er im Schlafe manchmal Noth.
Lieber zwanzigmal den Tod
Hätt er dulden mögen wach:
So gab den Sold ihm Ungemach.
Der Aengstigungen Strenge
Must ihn wecken auf die Länge.
Ihm schwitzten Adern und Gebein.
Auch drang der Tag durchs Fenster ein.
Da sprach er: »Weh, wo sind die Kinde,
Daß ich sie nicht vor mir finde?
Wer soll mir reichen mein Gewand?«
So erharrte sie der Weigand
Bis er abermals entschlief.
Niemand sprach, Niemand rief,
Sie blieben all verborgen.
Wieder zu Mitte Morgen
War erwacht der junge Mann;
Vom Bette sprang er schnell hindann.
[331]
Auf dem Teppich sah der Werthe
Seine Rüstung liegen und zwei Schwerte:
Eins das der Wirth ihm geben ließ,
Das andre war von Gahevieß.
Da hub er zu sich selber an:
»Weh, wer hat mir dieß gethan?
Gewiss, ich soll mich wappnen drein.
Ich litt im Schlafe solche Pein;
Wachend ist mir Arbeit
Heute sicher auch bereit.
Wenn diesen Wirth ein Feind bedroht,
So leist ich gerne sein Gebot,
Und Ihr Gebot mit Treuen,
Die den Mantel, diesen neuen,
Mir geliehen hat aus Güte.
Stünd also ihr Gemüthe,
Daß sie Dienst von mir begehrte,
Wie gern ich den gewährte!
Doch nicht um Minnelohns Gewinn,
Denn mein Weib die Königin
Ist von Antlitz wohl so klar
Wie sie, und klarer, das ist wahr.«
Er hilft sich selber, weil er muß,
Wappnet sich von Haupt zu Fuß,
Daß er fertig sei zum Streite;[332]
Zwei Schwerter schnallt er an die Seite.
Der werthe Degen gieng hinaus;
Da war sein Ross vor dem Haus
Angebunden, Schild und Sper
Stand dabei; das freut' ihn sehr.
Eh Parzival der Weigand
Sich des Rosses unterwand,
Der Held in manche Kammer lief,
Wo er nach den Leuten rief.
Niemand hörte, sah er da,
Daran ihm großes Leid geschah.
Der Degen kam in übeln Zorn.
Da lief er in den Burghof vorn,
Wo er gestern stieg vom Pferde.
Da war Gras und Erde
Von manchem Hufschlag berührt
Und der Thau hinweggeführt.
Der junge Mann mit lautem Rufen
Kehrte zu des Hauses Stufen.
Mit manchem Scheltworte
Sprang er zu Ross. Die Pforte
Fand er weit offen stehn
Und große Stapfen aus ihr gehn.
Die Brücke war hinab gelaßen:[333]
Hinüber ritt er seiner Straßen.
Ein verborgner Knappe zog das Seil:
Der Schlagbrücke Vordertheil
Brachte schier sein Ross zu Fall.
Das Haupt wandte Parzival:
Da wollt er gerne sich befragen:
»Der Sonne Haß sollt ihr tragen«
Sprach der Knapp. »Ihr seid 'ne Gans.
Hättet ihr gerührt den Flans
Und hättet den Wirth gefragt!
Nun bleibt euch großer Preis versagt.«
Der Gast rief um Erklärung:
Da ward ihm nicht Gewährung.
Wie viel er bat, wie lang' er rief,
Der Knappe that, als ob er schlief'
Und schlug die Pforte vor ihm zu.
Allzu früh für seine Ruh
Schied da hinweg, der nun mit Leid
Entgalt seiner frohen Zeit:
Die blieb ihm nun verborgen.
Er hatt um schwere Sorgen
Gedoppelt, als den Gral er fand,
Mit seinen Augen, ohne Hand
Und ohne Würfel zumal.
Weckt ihn Kummer nun und Qual,[334]
Des war er früher ungewohnt;
Ihn hatte Trübsal noch verschont.
Parzival verfolgte da
Die Hufspur, die er vor sich sah.
»Die vor mir,« dacht er, »reiten,
Die werden mannlich streiten
Heut um des Wirthes Ehre.
Sie verschmähns, sonst wäre
Ihre Schar mit mir just nicht geschwächt:
Ich wollt in keinem Gefecht
Von ihnen weichen in der Noth,
Daß ich verdiente mein Brot,
Und dieß wonnigliche Schwert,
Das ihr Herr mir hat verehrt,
Und das ich unverdient noch trage.
Sie wähnen wohl, ich wär ein Zage.«
Der aller Falschheit that entgegen,
Hielt sich an den Hufschlägen.
Daß er so scheidet, jammert mich;
Nun erst aventürt es sich.
Die Fährt allmählich ihm zerrann:
Hier schieden, die ihm sind voran.
Die Spur ward schmal, erst war sie breit,
Er verlor sie ganz: das war ihm leid.[335]
Da erfuhr der junge Mann,
Davon er Herzeleid gewann.
Der kühne Degen ohne Zagen
Hört' eine Frauenstimme klagen.
Naß von Thau noch war das Gras.
Vor ihm auf einer Linde saß
Ein Weib, die Treu gebracht in Noth.
Gebalsamt lag ein Ritter todt
Ihr zwischen beiden Armen.
Wollt es Einen nicht erbarmen,
Der sie so säh in Schmerzen,
Das geschäh aus falschem Herzen.
Sein Ross der Ritter zu ihr wandte,
Der sie immer nicht erkannte:
Sie war doch seiner Muhme Kind.
Was irdsche Treue nur ersinnt,
Das ward vor ihrer Treu zunicht.
Nun grüßt sie Parzival und spricht:
»Herrin, mir ist herzlich leid,
Daß ihr so bekümmert seid.
Könnt euch mein Dienst davon befrein,
Zu euerm Dienste wollt ich sein.«
Sie dankt' ihm mit des Jammers Sitten
Und frug: »Wo kommt ihr hergeritten?«[336]
Sie sprach: »Es folgte schlimmem Rath
Wer noch je die Reise that
Her in diesen öden Wald.
Unkundem Gaste mag da bald
Großen Schadens viel geschehn;
Gehört oft hab ich und gesehn
Von Leuten, die den Tod hier nahmen
Und wehrlich doch zu sterben kamen.
Hinweg, wenn ihr das Leben liebt!
Nur sagt, wo diese Nacht ihr bliebt?«
»Eine Meile nur von hier, nicht mehr,
Steht eine Burg, wie keine hehr
Durch alle Pracht und Herrlichkeit:
Die ließ ich erst vor kurzer Zeit.«
Sie sprach: »Der euch Vertraun will schenken,
Den sollt ihr nicht mit Lügen kränken.
Eur Schild muß euch als fremd bekunden;
Ihr hättet Wald zuviel gefunden
Von gebautem Lande hergeritten.
Dreißig Meilen weit ward nie verschnitten
Zu einem Hause Holz noch Stein.
Nur Eine Burg steht dort allein,
Reich an Allem was die Erde preist.
Wer die zu suchen sich befleißt,
Der kann sie leider niemals finden:[337]
Doch sind Viele, die sichs unterwinden.
Es muß unwißend geschehn
Soll Jemand die Burg ersehn.
Die ist euch, Herr, wohl nicht bekannt.
Monsalväsch ist sie genannt.
Terre de Salväsch geheißen wird
Das Reich, wo Krone trägt der Wirth.
Vererbt einst hat es Titurel
Seinem Sohn, dem König Frimutel:
So hieß der werthe Weigand;
Den Preis erwarb oft seine Hand.
Auch gab ihm eine Tjost den Tod,
Den ihm die Minne gebot.
Vier werthe Kinder ließ er nach:
Drei haben Gut, doch Ungemach;
Der vierte wählte Armut:
So büßt er seinen sündgen Muth;
Er heißt mit Namen Trevrezent.
Anfortas sein Bruder lehnt,
Denn sitzen kann er nicht noch gehn,
Auch weder liegen noch stehn,
Der auf Monsalväsche wohnt;
Groß Unheil hat ihn nicht verschont.«
Sie sprach: »Wenn ihr gekommen wärt
Zu der Schar, die Gram beschwert,[338]
Vielleicht wär nun der Wirth befreit
Von seinem lang getragnen Leid.«
Zu der Jungfrau sprach der Waleis laut:
»Groß Wunder hab ich da geschaut
Und viel Frauen wohlgethan.«
An der Stimm erkannte sie den Mann.
Da sprach sie: »Du bist Parzival.
Nun sage, sahest du den Gral
Und den Wirth, den Freudeleeren?
Laß liebe Kunde hören.
Ist sein Jammer noch zu stillen,
Wohl dir, der sel'gen Reise willen!
So weit die Lüfte Land umfangen,
So weit soll deine Hoheit langen.
Dir dienet Alles, Zahm und Wild,
Aller Erdenwunsch ist dir gestillt.«
Parzival der Weigand
Sprach: »Woran habt ihr mich erkannt?«
Da sprach sie: »Sieh, ich bins, die Magd,
Die dir ihr Leid schon hat geklagt,
Dir deinen Namen nannte.
Verschmäh nicht die Verwandte:
Deine Mutter ist mir Muhme,
Aller Erdenreinheit Blume,
Ob lautern Thau sie nie empfieng.[339]
Gott lohn's, daß dir so nahe gieng
Mein Freund, den eine Tjost mir schlug.
Hier hab ich ihn. Noth genug
Hat mir Gott an ihm gegeben,
Daß er nicht länger sollte leben.
Er war reich an Mannesgüte:
Aus seinem Tod mein Leid erblühte;
Auch hat sich mir von Tag zu Tage
Schmerzlich um ihn erneut die Klage.«
»O weh, wo blieb dein rother Mund!
Bist dus, Sigune, die mir kund
That so getreulich, wer ich war?
Dein lockig langes braunes Haar,
Das ist von deinem Haupt geschwunden.
Da ich dich in Briziljan gefunden,
Da warst du noch so minniglich,
Obwohl schon Jammer warb um dich.
Jetzt verlorst du Farb und Kraft.
Dieser traurigen Gesellschaft
Verdröße mich, sollt ich sie haben:
Laß diesen Todten uns begraben.«
Die Augen näßten ihr das Kleid.
Auch hätt ihr wohl zu keiner Zeit
Lunete solchen Rath gegeben.
Die rieth der Herrin: »Laßt am Leben[340]
Diesen Mann, der euern schlug:
Er giebt euch wohl Ersatz genug.«
Sigune wollte kein Ersetzen
Wie Fraun, die Wechsel mag ergetzen,
Die mir zu nennen nicht behagen.
Hört mehr Sigunens Treue sagen.
Die sprach: »Soll mir noch Freude werden,
Die wird mir, wenn Ihn die Beschwerden
Laßen, den unselgen Mann.
Sollt er Hülf von dir empfahn,
Fürwahr, so bist du Preises werth;
Du trägst am Gürtel auch sein Schwert.
Kennst du auch des Schwertes Gaben?
Du magst zum Streit wohl furchtlos traben.
Ihm liegen seine Schärfen recht.
Ein Schmied von edelm Geschlecht,
Trebüschet, schufs mit eigner Hand.
Ein Brunnen steht bei Karnant;
Drum heißt des Landes König Lach.
Das Schwert besteht den ersten Schlag,
Doch von dem andern brichts entzwei.
Bringst du's zum Brunnen, wieder neu
Wird es von des Waßers Guß.
Doch von der Quelle nimm den Fluß,
Am Fels, eh ihn beschien der Tag.[341]
Der Brunnen heißt auch selber Lach.
Wenn nicht versplittert sind die Stücken,
Man muß sie recht zusammendrücken
Indem der Brunnen sie benetzt;
Ganz und noch viel schärfer jetzt
Wird gleich ihm Falz und Schneide sein
Und jedes Mal behält den Schein.
Doch das Schwert bedarf ein Segenswort:
Das fürcht ich, ließest du dort.
Hat's jedoch dein Mund gelernt,
So gedeiht und wächst und kernt
Des Heiles Fülle stäts bei dir.
Lieber Vetter, glaube mir,
So dienet immer deiner Hand
Was Wunders dort dein Auge fand;
So muß dir die Krone
Des höchsten Heils zum Lohne
Ob allen Würdgen werden;
Was man wünschen mag auf Erden
Wird dir völlig gegeben:
So reich mag Niemand leben,
Der sich dir vergleichen kann,
Hast du der Frag ihr Recht gethan.«
»Keine Frage,« sprach er, »that ich da.«
»O weh, daß euch mein Auge sah,«[342]
Sprach die jammersreiche Magd,
»Da ihr zu fragen habt gezagt!
So große Wunder, wie ihr saht,
Daß eur Mund da keine Frage that!
Ihr sahet doch den hehren Gral,
Saht edler Frauen reiche Zahl,
Die werthe Garschiloie
Und Repans de Schoie,
Schneidendes Silber, blutgen Sper.
O weh, was kommt ihr zu mir her?
Unseliger, verfluchter Mann!
Ihr tragt des giftgen Wolfes Zahn,
An dem die Galle bei der Treue
So früh sich zeigt zu später Reue.
Euch hätt eur Wirth erbarmen sollen,
An dem Gott Wunder wirken wollen:
So fragtet ihr nach seiner Noth.
Ihr lebt und seid am Heile todt.«
Da sprach er: »Liebe Base, zeigt
Beßer, daß ihr mir geneigt.
Ich büß es, wenn ich was verbrach.«
»Das sei euch erlaßen,« sprach
Sigune. »Mir ist wohl bekannt,
In Monsalväsch an euch verschwand
Ehr und ritterlicher Preis.[343]
Ihr findet nun in keiner Weis
Antwort fernerhin bei mir.«
So schied Parzival von ihr.
Daß er zu fragen war so laß,
Als er bei dem traurgen Wirthe saß,
Das muste da in Treuen
Den kühnen Degen reuen.
Seine Noth war groß, der Tag war heiß,
Er begann zu triefen von Schweiß.
Den Helm, sich zu lüften, band
Er ab und trug ihn in der Hand;
Auch entstrickt er die Vinteilen sein;
Durch Eisenrost war licht sein Schein.
Er kam auf eine frische Spur:
Vor ihm, wenig Schritte nur,
Gieng ein Ross gar wohl beschlagen,
Und ein barfuß Pferd, das sah man tragen
Eine Frau, die vor ihm ritt
In einem hinkenden Schritt.
Von Mangel schien das Pferd gequält,
Man hätt ihm durch die Haut gezählt
Seine Rippen allzumal:
Wie ein Härmlein war es fahl.
Eine Halfter trugs von Bast,[344]
Zu den Hufen fiel die Mähne fast,
Die Augen tief, die Gruben weit.
Der Gaul war von langem Leid
Abgequält und abgehetzt;
Oft weckt ihn Nachts der Hunger jetzt.
Er war dürr wie Zunder;
Sein Gehn war ein Wunder,
Zumal die Werthe, die er trägt,
Wohl selten noch ein Pferd gepflegt.
Das Reitgeräthe allzumal
War ohn alle Breite schmal,
Schellen, Sattelbogen
Zerstückt und verbogen.
Sie hatt an Ueppigkeit nicht Theil;
Ihr Obergurt war ein Seil:
Dem war sie doch zu wohlgeborn.
Hier ein Zweig und dort ein Dorn
Hatt ihr das Kleid zerrißen.
Wo's von Zerren war zersplißen,
Da wars geflickt mit Stricken;
Darunter sah er blicken
Ihre Haut noch weißer denn ein Schwan.
Sie hatte nichts als Hadern an:
Wo ihr die geschützt die Haut,
Da wurde sie so blank erschaut;[345]
Das Uebrige litt von Sonne Noth.
Wie es auch kam, ihr Mund war roth:
Den sah man solche Farbe tragen,
Man hätte Feuer draus geschlagen.
Wo man sie mocht anreiten,
Stäts wars zur bloßen Seiten,
(Nannte sie Einer Vilan
Der hätt ihr Unrecht gethan),
So wenig hatte sie an ihr.
Unverdient, das glaubet mir,
Trug die Frau so großen Haß,
Die nie der reinsten Zucht vergaß.
Noch viel von ihrer Armut
Sagt' ich leicht; es ist schon gut:
Ich nähm doch ihren bloßen Leib
Für manches wohlgeschmückte Weib.
Da Parzival den Gruß ihr bot,
Sie erkannt' ihn gleich und wurde roth.
Er war der schönste Mann im Land,
Drum hatte sie ihn bald erkannt.
Sie sprach: »Ich hab euch einst gesehn;
Groß Leid ist mir davon geschehn.
Möcht euch mehr Freud und Ehren
Gott immerdar gewähren
Als ihr verdient habt an mir.[346]
Nun hat mein Kleid nicht solche Zier,
Als da ihr mich zuerst ersaht.
Herr, wenn Ihr mir nicht genaht
Wäret zu derselben Zeit,
So hätt ich Ehre sonder Leid.«
Da sprach er: »Frau, bedenkt es wohl,
Wer euern Unmuth dulden soll.
Nimmer ward (so viel ich weiß)
Euch noch andrer Frau mit Fleiß
Schande zugefügt von mir
(Es wär mir selber keine Zier),
Seit ich den Schild zuerst gewann
Und auf Waffenthaten sann.
Doch muß mich euer Kummer peinen.«
Sie ritt dahin mit lautem Weinen,
Auf die Brüste rann es ihr,
Brüste, wie gedreht so zier,
Sie standen hoch empor und weiß;
Es könnte keines Drechslers Fleiß
Sie schöner bilden sicherlich.
War sie gleich so minniglich,
Sie must' ihn doch erbarmen.
Mit den Händen, mit den Armen
Begann sie sich zu decken
Vor Parzival dem Recken.[347]
Da sprach er: »Herrin, nehmt um Gott,
Denn ich biet es ohne Spott,
An euern Leib mein Ueberkleid.«
»Herr, und wär das außer Streit,
Daß all mein Glück daran hienge,
So wagt' ich nicht, daß ichs empfienge.
Wollt ihr uns Tödtens machen frei,
So reitet schnell an mir vorbei:
Obwohl ich minder meinen Tod
Beklagen würd als eure Noth.«
»Frau, wer nähm uns wohl das Leben?
Das hat uns Gottes Macht gegeben.
Und heischt' es auch ein ganzes Heer,
So stünd ich doch für uns zu Wehr.«
Sie sprach: »Es heischts ein werther Degen:
Der ist so tapfer und verwegen,
Daß eurer Sechs ihn nicht bestreitet:
Mir ist leid, daß ihr hier bei mir reitet.
Ich bin einmal sein Weib gewesen;
Jetzt taugte mein verkümmert Wesen
Des Helden Dirne nicht zu sein;
So schafft er mir mit Zürnen Pein.«
Da hub er zu der Frauen an:
»Sagt an, Wer ist bei euerm Mann?
Denn flöh ich jetzt nach euerm Rath,[348]
Das däucht euch selber Missethat.
Bevor ich fliehen lerne,
Ich sterbe wohl so gerne.«
Da sprach die bloße Herzogin:
»Ich bin hier ganz allein um ihn:
Das hilft euch nicht, wenn Streit sich hübe.«
Nichts als Hadern und die Schiebe
War an der Frauen Hemde ganz.
Bei Armut trug sie den Kranz
Weiblicher Zucht in Blüthe.
Sie pflag so reiner Güte,
Daß aller Falsch an ihr verschwand.
Er verstrickte der Vinteilen Band,
Den Helm er mit den Schnüren,
Zum Kampf ihn zu führen,
Auf dem Haupt zurechte rückte.
Das Ross, das sich bückte,
Schrie dem Pferde zu mit lautem Schall.
Der da ritt vor Parzival
Und vor der bloßen Frauen,
Vernahms, und wollte schauen
Wer bei seinem Weibe ritte.
Das Ross mit Zornessitte
Warf er herum mit aller Kraft.
Mit eingelegtem Lanzenschaft[349]
Hielt der Herzog Orilus
Zur Tjost bereit, mit festem Schluß
Und rechter mannlicher Wehr.
Von Gahevieß war sein Sper:
Die Farben zeigt' er oft genug,
Die er auch in seinem Wappen trug.
Seinen Helm wirkte Trebüschet.
Der Schild war zu Toled,
In König Kailetens Land,
Geschmiedet diesem Weigand;
Rand und Buckel hatten Kraft.
Zu Alexandrien in der Heidenschaft
War gewirkt ein Pfellel gut,
Davon der Herzog hochgemuth
Trug so Kleid als Wappenrock.
Seine Decke war zu Tenabrock
Aus harten Ringen geschaffen.
Sein Stolz war sichtbar in den Waffen.
Der Eisendecke Bezug
War ein Pfellel, man schlug
Ihn an, daß er nicht wohlfeil wär.
Ihm waren reich und doch nicht schwer
Hosen, Halsberg, Härsenier.
In manches Eisenschillier
War gewappnet dieser kühne Mann,[350]
Gewirkt zu Bealzenan,
In der Hauptstadt von Anschau.
Die Kleider dieser bloßen Frau
Glichen Seinen nicht in Stoff und Schnitt,
Die hinter ihm so traurig ritt,
Und es leider jetzt nicht beßer hatte.
Von Soissons war die Harnischplatte;
Sein Ross war von Brumbane
De Salwäsch bei der Montane;
In einer Tjost Roi Lähelein
Erwarb es da, der Bruder sein.
Parzival war auch bereit:
Galoppierend ritt er in den Streit
Gegen Orilus de Lalander.
Auf dessen Schilde fand er
Einen Wurm, als ob er lebte.
Ein andrer Drache schwebte
Auf seinen Helm gebunden;
Drachen wurden auch gefunden
Goldgetrieben, zierlich klein
(Mit manchem kostbaren Stein
War ein jeder ausgeschmückt,
Von Rubin ihm Augen eingedrückt)
Auf dem Helm und auf dem Kleid.
Den Anlauf nahmen da weit[351]
Die beiden Helden unverzagt.
Von keinem ward erst widersagt,
Weil sie der Treu schon ledig waren.
In die Lüfte sah man fahren
Starke Splitter von den Schäften.
Mein Ehrgeiz käm zu Kräften,
Hätt ich solche Tjost gesehn
Wie hier die Märe läßt geschehn.
Da ward in vollem Lauf geritten
Und eine neue Tjost gestritten.
Sich gestand Frau Jeschute
Nie sah sie Tjost so gute.
Die hielt da, rang die Hände;
Die freudenlos elende
Gönnte beiden keinen Schaden.
Im Schweiß sah man die Rosse baden.
Sie wollten beide Preis erringen.
Den Glanz der blitzenden Klingen,
Das Feur, das aus den Helmen sprang
Bei manchem kräftigen Schwang,
Sah man leuchten fern und nah.
Die besten Kämpfer waren da
Im Kampf zusammen gekommen,
Mög es schaden, möge frommen
Den Kühnen kampferfahren.[352]
Wie bereit die Rosse waren,
Darauf sie beide saßen,
Des Sporns sie nicht vergaßen,
Noch des Schwerts von lichtem Stahl.
Preis verdient hier Parzival,
Daß er sich also wehren kann
Vor hundert Drachen, Einem Mann.
Der Drachen Einer ward versehrt,
Mit mancher Wunde beschwert:
Der auf Orilus Helme lag.
So durchleuchtig, daß der Tag
Hindurch warf seinen vollen Schein,
Stob nieder mancher Edelstein.
Das ergieng zu Ross und nicht zu Fuß.
Jeschuten ward des Mannes Gruß
Wieder erobert mit dem Schwert
Durch diesen Degen kühn und werth.
Im Anritt sie einander schoben,
Daß die Ringe von den Knien zerstoben,
Ob sie gleich von Eisen waren.
Sie wusten kampflich zu gebahren.
Dem Einen reizt' es den Zorn,
Daß seiner Frauen wohlgeborn
Jüngst Gewalt war geschehn,
Die ihn zum Vogt doch hatt ersehn;[353]
Ihm war ihr Schutz und Schirm verliehn.
Er wähnt', ihr weiblicher Sinn
Hätte sich von ihm gekehrt,
Also daß sie hätt entehrt
Keuschheit und Reine
In verbotenem Vereine.
Das verzieh er ihr nicht;
Auch ergieng sein Gericht
So über sie, daß größre Noth
Kein Weib noch litt, bis auf den Tod,
Und Alles doch ohn ihre Schuld.
Er durft ihr freilich seine Huld
Versagen, wenn er wollte;
Niemand ihn hindern sollte,
Da der Mann des Weibes Meister ist.
Doch unser Held, der das vergißt,
Jeschuten mit dem Schwerte
Orilusens Huld begehrte.
Sonst pflegt mans gütlich zu erbitten;
Doch Er vergaß der Schmeichelsitten.
Unrecht haben Beide nicht.
Der was krumm ist und was schlicht
Erschuf, der möge beiden
Den Kampf so gnädig scheiden,
Daß es ohne Tod ergehe;
Sie thun doch sonst sich wehe.
[354]
Nun stieg der Kampf zur Härte.
Sie wehrten mit dem Schwerte
Kühn den Preis einander.
Dük Orilus de Lalander
Stritt nach früh erlernten Sitten.
Wo hat ein Mann so viel gestritten?
Er hatte Kunst genug und Kraft;
Drum war er manchmal sieghaft
Geworden, wie es heut auch gieng.
Das gab ihm Muth: er umfieng
Den jungen starken Parzival.
Doch der ergriff auch ihn zumal
Und hob ihn aus dem Sattel so:
Wie eine Garbe Haferstroh
Hielt er ihn untern Arm geschwungen,
Und schnell mit ihm vom Ross gesprungen
Drückt' er ihn über einen Klotz.
Da ließ besiegt von seinem Trotz,
Der solcher Noth war ungewohnt.
»Du büßest, daß so übel lohnt
Dieser Frau dein blöder Zorn.
Sieh, nun bist du verlorn,
Wenn du ihr deine Huld nicht schenkst.«
»Das geht so schnell nicht als du denkst,«
Sprach der Herzog Orilus:
»Noch zwingt mich nichts zu solchem Schluß.«
[355]
Parzival der werthe Degen
Drückt' ihn, daß des Blutes Regen
Aus dem Helme kam gesprungen.
Da war der Fürst bezwungen,
Man mochte viel von ihm erwerben:
Er wollte doch nicht gerne sterben.
Der Held zu Parzival begann:
»Weh, du kühner starker Mann,
Wie verdient' ich solche Noth,
Durch dich zu sterben den Tod?«
»Ich will dich gerne laßen leben,«
Sprach Parzival, »doch must du geben
Dieser Frauen deine Huld.«
»Das thu ich nimmer: ihre Schuld
Ist so, daß man sie nie verzeiht.
Sie war so reich an Würdigkeit:
Die hat sie selber gekränkt
Und mich in tiefes Leid gesenkt.
Ich leiste was du sonst begehrst,
Wenn du das Leben mir gewährst.
Das war mir sonst von Gott verliehn:
Nun bracht es deine Kraft dahin,
Daß ichs danke Deinem Preise.«
So sprach der Fürst, der weise.
[356]
»Mein Leben kauf ich theur von dir.
In zweien Landen trägt die Zier
Der Königskrone würdiglich
Mein Bruder, reicher viel als ich.
Nimm dir, Welches dir gefällt,
Daß ich dem Tod nicht sei gesellt.
Ich bin ihm lieb, er löset mich
Wie ichs bedinge gegen dich.
Auch nehm ich dann mein Herzogthum
Von dir. Dein preislicher Ruhm
Erwarb hier neue Würdigkeit.
Nur erlaß mir, Degen kühn im Streit,
Diesem Weibe hold zu werden:
Alles magst du sonst auf Erden
Mir gebieten immerhin.
Mit der entehrten Herzogin
Will ich nicht versöhnt mich sehn,
Mag mir was da will geschehn.«
Parzival mit hohem Muth
Sprach: »Leute, Land, noch fahrend Gut,
Nichts kommt dir zu Gute hier,
Es sei denn, du gelobest mir
Gen Britannien zu fahren,
Und die Reise länger nicht zu sparen
Zu einer Magd: die schlug um mich[357]
Ein Mann, ich räch es sicherlich,
Wenn Sie's nicht wehrt: das ist geschworen.
Du sollst dem Mägdlein wohlgeboren
Sichern und meinen Gruß ihr sagen:
Wo nicht, so wirst du hier erschlagen.
Artus und seinem Ehgemahl
Bringe meinen Gruß zumal:
Sie lohnen meinen Dienst damit,
Wenn sie Ihr vergüten, was sie litt.
Dazu will ich schauen,
Daß du verzeihst dieser Frauen
Ohn Arglist und Gefährde,
Sonst must du statt zu Pferde
Auf einer Bahre hinnen reiten,
Willst du mirs widerstreiten.
Merk das Wort und thu die Werke;
Deine Hand mirs eidlich bestärke.«
Da sprach der Herzog Orilus
Zu Parzival mit Verdruß:
»Mag dem Niemand widerstreben,
So leist ichs, denn ich will noch leben.«
In der Furcht für ihren Mann
Jeschute dachte kaum daran,
Daß noch zu scheiden wär der Streit:
Ihr war des Feindes Kummer leid.[358]
Parzival ihn aufstehn ließ,
Da er Verzeihung ihr verhieß.
Der Bezwungne sagte da:
»Frau, da dieß um euch geschah,
Daß ich den Unsieg hab erlangt,
Wohl her, daß ihr den Kuss empfangt.
Mir geht viel Preis durch euch verloren:
Was thuts? das hab ich auch verschworen.«
Die Frau mit dem zerrißnen Kleid
War zum Sprunge schnell bereit
Von dem Pferd auf den Rasen.
Wie das Blut aus der Nasen
Noch den Mund ihm machte roth,
Sie küsst' ihn, als er Kuss gebot.
Die dreie ritten unverwandt
Vor eine Klaus in felsger Wand,
Weil Parzival der König da
Eine Heilthumskapsel sah;
Ein bemalter Sper daneben lehnt.
Der Einsiedel hieß Trevrezent.
Parzival getreu verfuhr,
Auf das Heilthum that er diesen Schwur;
Er selber stabte sich den Eid
Und sprach: »Hab ich Würdigkeit –[359]
Ob ich sie habe oder nicht,
Wer mit mir unterm Schilde ficht,
Der erfährt wohl meine Ritterschaft.
Dieses Namens ordentliche Kraft,
Wie uns des Schildes Amt besagt,
Hat oftmals hohen Preis erjagt;
Es ist auch noch ein hoher Nam.
Ich aber will verzagter Scham
Stäts vor aller Welt verfallen,
Und meinen Preis verlieren allen.
Diesen Worten steh mein Glück zu Pfand
Vor der Allerhöchsten Hand;
Ich zweifle nicht, die trage Gott.
Mög ich denn Verlust und Spott
In beiden Leben stäts empfangen
Durch Seine Kraft, wenn sich vergangen
Hat diese Frau, da sichs begab,
Daß ich ihr nahm den Fürspann ab:
Noch führt' ich Goldes mehr hindann.
Ich war ein Thor und noch kein Mann,
Zu klugen Sinnen nicht gediehn.
Ich sah sie weinen und sich mühn,
Vor Jammer schwitzt' ihr all der Leib:
Sie ist wahrlich ein unschuldig Weib.
Ich nehm es nimmermehr zurück,
Zu Pfande stell ich Ehr und Glück.«
[360]
»So laßt sie denn unschuldig sein.
Seht, gebt ihr hin ihr Ringelein;
Ihr Fürspann wurde so verthan,
Meine Thorheit sah man wohl daran.«
Die Gab empfieng der Degen gut.
Da strich er von dem Mund das Blut
Und küsste sie, sein Herzenstraut;
Auch bedeckt' er ihre bloße Haut.
Ihr schob der Degen auserkannt
Das Ringlein wieder an die Hand
Und legt' ihr an sein Ueberkleid.
Das war von theuerm Pfellel, weit,
Und von Heldeshand zerhauen.
Noch selten hab ich Frauen
Wappenröcke sehen tragen,
Die im Streite so zerschlagen.
Ihr Ruf hat auch nicht oft Turnei
Gesammeliert noch Sper entzwei
Gebrochen, wo es sollte sein.
Der gute Knapp und Lämbekein
Wüsten beßer wohl Bescheid.
So ward die arme Frau befreit.
Der Herzog Orilus begann
Zu Parzival dem kühnen Mann:[361]
»Held, mir schafft dein freier Eid
Große Freud und kleines Leid.
Die Niederlage, die ich litt,
Macht mich alles Kummers quitt.
Wohl mit Ehren darf ich nun
Der werthen Frau Genüge thun,
Die ich aus meiner Huld verstieß.
Als ich die süße einsam ließ,
Wars Ihre Schuld, was ihr geschehn?
Doch weil sie sprach, du wärst so schön,
So wähnt' ich, wäre mehr dabei.
Gott lohn dir, Sie ist Falsches frei:
Ich hab ihr Unrecht gethan.
Aus dem Wald zu Briziljan
Ritt ich dir nach durch jeune Bois.«
Parzival nahm den Sper von Troyes
Und führt' ihn mit sich hindann.
Den vergaß der wilde Taurian,
Dodines Bruder, dort.
Nun sprecht, wie und an welchem Ort
Uebernachten wohl die Helden?
Von Helm und Schilden kann ich melden,
Man sah sie ganz verhauen.
Der Held nahm von der Frauen
Urlaub und von ihrem Herrn.
Der edle Herzog nähm ihn gern[362]
Mit sich an seine Feuerstatt:
Es half ihm nicht, wie viel er bat.
Die beiden Degen schieden hier,
So sagt die Aventüre mir.
Als Orilus der werthe Held
Wieder heimkam an sein Zelt,
Wo er sein Jagdgesinde fand,
Die Freud in Aller Augen stand,
Daß ihr Herr versöhnt erschien
Mit der liebreichen Herzogin.
Das blieb nun länger nicht gespart:
Orilus entwappnet ward;
Auch wusch er Rost sich ab und Blut.
Er nahm die Herzogin gut,
Sie an die Sühnstatt zu geleiten;
Zwei Bäder ließ er auch bereiten.
Da lag Frau Jeschute
Weinend bei ihm, die gute,
Vor Freude, nicht von Leideswegen,
Wie noch wohl gute Frauen pflegen.
Auch ist das Sprichwort Vielen kund:
Weinende Augen, süßer Mund.
Davon zu sagen wär noch viel,
Die Lieb ist Freud und Jammers Ziel.[363]
Wer der Liebe Freud und Qualen
Legt in verschiedne Wagschalen,
Hielt' er ewig sich am wägen,
So ist's, so bleibt es allerwegen.
Zur Sühne kams hier sicherlich;
Dann giengen sie und badeten sich.
Zwölf klare Jungfrauen
Mochte man bei ihr schauen,
Die sie gepflegt, seit sie den Mann
Ohne Schuld zum Feind gewann.
Sie theilten Nachts ihr Decken mit,
Wie bloß sie oft am Tage ritt.
Sie jetzt zu baden, freute sie.
Wollt ihr nun gerne hören (wie
Orilus des inne ward)
Aventüre von Artusens Fahrt?
So begann ein Ritter ihm zu sagen:
»Auf einem Plan sind aufgeschlagen
Tausend Zelte, wo nicht mehr.
Artus, der reiche König hehr,
Den die Britten nennen ihren Herrn,
Lagert dort, von uns nicht fern,
Mit wonniglicher Frauen viel;
Eine Meile fern ist uns das Ziel.[364]
Da ist auch von Rittern großer Schall.
Sie liegen den Plimizöl zu Thal
Dieß- und jenseits vom Gestade.«
In Eil fuhr aus dem Bade
Orilus der Herzog froh;
Er und Jeschute thaten so:
Die süße Herrin wohlgethan
Gieng zu seinem Bett heran
Aus dem Bad: sie hatten frohe Zeit.
Sie verdiente wohl ein beßer Kleid
Als lange ward der Armen.
Mit engem Umarmen
Gab Minne freudigen Gewinn
Dem Herzog und der Herzogin.
Die Fürstin zogen Jungfraun an;
Die Rüstung brachte man dem Mann.
Jeschutens Kleid war wohl zu loben.
Vögel gefangen auf dem Kloben
Die Zwei mit Freuden aßen,
Die vor dem Bette saßen.
Frau Jeschute manchen Kuss
Empfieng; den gab ihr Orilus.
Da brachte man der Fraue werth
Ein schönes starkes Zelterpferd;[365]
Gezäumt ists und gesattelt wohl.
Man hebt sie drauf, die reiten soll
Von hinnen mit dem Kühnen.
Sein Ross trug Eisenschienen,
Wie er es heut im Streit geritten.
Das Schwert, mit dem er früh gestritten,
Vorn vom Sattel niederhieng.
Von Haupt zu Fuß gewappnet gieng
Der Herzog zu dem Pferde hin
Und sprang drauf vor der Herzogin.
Eh er mit ihr fuhr hindann,
Gebot er seinem ganzen Bann
Gen Laland heimzukehren;
Nur ein Ritter sollt ihn lehren
Wo König Artus weile,
Sein harrn das Volk derweile.
Sie waren Artus schon so nah,
Daß man seine Zelte sah
Am Waßer prangen nicht mehr fern:
Da ward der Ritter von dem Herrn
Zurückgesandt, der ihn geleitet.
Frau Jeschute nur begleitet
Ihn als Gesind, und Niemand mehr.
Artus der reiche König hehr
War nach dem Eßen[366]
Auf einem Plan umseßen
Von der Tafelrunder Reihe.
Orilus der Falschesfreie
Kam da in ihren Kreiß geritten;
Sein Helm, sein Schild war so verschnitten,
Man sah da keiner Zierde Mal:
Die Schläge schlug ihm Parzival.
Vom Rosse sprang der kühne Mann;
Frau Jeschute hielt es an.
Mancher Junker näher sprang;
Um ihn und sie war großer Drang:
»Laßt uns der Rosse pflegen.«
Orilus der werthe Degen
Legt' auf's Gras des Schildes Scherben
Und begann nach Ihr, der sein Werben
Galt, zu fragen allzuhand.
Kunneware de Laland
Ward ihm gezeigt, wo sie saß,
Die nichts an edler Zucht vergaß.
Gewappnet er so nahe gieng,
Daß ihn das Königspaar empfieng.
Er gieng und brachte Sicherheit
Seiner Schwester, der schönen Maid.
Bei den Drachen am Gewand[367]
Hatte sie ihn gleich erkannt.
Sie sprach: »Du bist der Bruder mein,
Orilus oder Lähelein.
Nicht nehm ich eure Sicherheit:
Ihr wart mir beide stäts bereit
Zu jedem Dienste, der mir Noth.
Ich wär an aller Treue todt,
Sollt ich wider euch kriegen,
Mich selbst um Zucht betriegen.«
Der Herzog kniete vor der Magd.
Er sprach: »Du hast wahr gesagt:
Dein Bruder Orilus bin ich.
So zwang der rothe Ritter mich,
Dir Sicherheit zu geben;
So erkauft ich mir das Leben.
Nimm sie an: so thu ich nur
Was ihm verheißen hat mein Schwur.«
Sie empfieng die Treu in weiße Hand
Des, der trug den Serpant,
Und gab ihn frei. Als das geschah,
Aufstehend sprach der Kühne da:
»Nun zwingt die Treue mich zu klagen:
O weh, wer hat dich geschlagen?
Deine Schläge thun mir auch nicht wohl:
Wird es Zeit, daß ich sie rächen soll,[368]
So sieht, wer Lust hat, es zu sehn,
Mir sei groß Leid daran geschehn.
Auch hilft der kühnste Mann mirs klagen,
Den je ein Mutterschooß getragen:
Der nennet sich der Ritter roth.
König und Köngin, er entbot
Euch seine Dienste williglich,
Und meiner Schwester sonderlich.
Ihr lohnt ihm seinen Dienst damit,
Ihr zu vergüten, was sie litt.
Auch hätt ichs sicherlich genoßen
Bei dem Helden unverdroßen,
Wüst er, wie nahe sie mir steht,
Und mir ihr Leid zu Herzen geht.«
Keie erwarb da neuen Haß
Von Rittern, Fraun und Wer da saß
Am Gestad des Plimizöl.
Gawan und Jofreit, Fils Idöl,
Und von dessen Noth ihr höret eh,
Den gefangnen König Klamide
Und sonst noch manchen werthen Mann
(Deren Namen ich wohl nennen kann,
Doch will ich es nicht längen),
Sah man sich um sie drängen.
Ihr Dienst ward höfisch angenommen.[369]
Jeschute muste näher kommen
Auf ihrem Pferd, wo sie noch saß.
Der König Artus nicht vergaß,
Und sein Weib die Königin,
Sie giengen grüßend zu ihr hin.
Von den Frauen mancher Kuss geschah.
Zu Jeschuten sprach Herr Artus da:
»König Lach von Karnant,
Euer Vater, war mir so bekannt,
Daß ich euern Kummer klagte,
Als man davon mir sagte.
Auch seid ihr selbst so wohlgethan:
Wie that der Freund euch Solches an?
Denn euer minniglicher Glanz
Erwarb zu Kanedig den Kranz:
Weil ihr trugt der Schönheit Krone
Ward der Sperber euch zum Lohne,
Er ritt auf eurer Hand hindann.
Was Orilus mir auch gethan,
Euch gönnt ich nicht des Leids Beschwer,
Und gönne sie euch nimmermehr.
Mir ist lieb, daß ihr versöhnet seid
Und wieder herrliches Kleid
Tragt nach eurer großen Noth.«
Sie sprach: »Herr, das vergelt euch Gott:[370]
So wird auch euer Preis gemehrt.«
Jeschuten und den Herzog werth
Nahm da mit sich an der Hand
Frau Kunneware de Laland.
In des Kreises Befang,
Wo ein Brunnen laut entsprang,
War ihr Pavillon zu schauen:
Da schlug ein Wurm die Klauen
Halb um einen Apfelknauf.
Vier Seile zogen den Drachen auf,
Als ob er lebend flöge,
In die Luft das Zelt ihr zöge.
Der Fürst erkannt es an dem Bild;
Denn er trugs in seinem Wappenschild.
Entwappnet ward er in dem Zelt;
Die süße Schwester bot dem Held
Ehre sattsam und Gemach.
All das Ingesinde sprach,
Des rothen Ritters Kraft und Muth
Wär zum höchsten Preise gut.
So sprach man unverhohlen.
Kei bat Kingraun verstohlen,
»Dient Orilus an meiner Statt!«
Er konnt es wohl, den er da bat,[371]
Denn er hatt es oft gethan
Vor Klamide zu Brandigan.
Warum er selbst den Dienst vermied?
Weil ihm einst sein Unstern rieth
Des Fürsten Schwester hart zu schlagen:
Drum must er solchem Dienst entsagen.
Auch wollt ihm nicht die Schuld verzeihn
Das wohlgeborne Mägdelein.
Doch schickt' er Speise hin genug:
Kingraun sie Orilusen trug.
Kunnewar, die löblich weise,
Schnitt dem Bruder seine Speise
Mit ihrer blanken linden Hand.
Frau Jeschute von Karnant
Bei ihm bescheiden saß und aß.
Artus der König nicht vergaß,
Er kam hin wo Beide saßen,
Freundlich beisammen aßen.
Er sprach: »Dient man euch übel hie,
Mein Wille sicher war es nie.
Ihr aßt noch keines Wirthes Brot,
Der es mit beßerm Willen bot:
Das ist sicherlich wahr.
Nun sollt ihr, Frau Kunnewar,
Eures Bruders gütlich pflegen;[372]
Gute Nacht leih Gottes Segen.«
Da gieng Artus zur Ruhestätte;
Orilusen wurde solch ein Bette,
Daß sein Frau Jeschute pflag
Geselliglich bis an den Tag.
Ausgewählte Ausgaben von
Parzival
|
Buchempfehlung
Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.
70 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro