Obilot.

[454] Der Schande floh bis in den Tod,

Eine Weile soll ihm zu Gebot

Diese Aventüre stehn,

Gawan, dem Degen ausersehn.

Manchen Helden rühmt sie gern

Neben oder vor dem Herrn

Dieser Märe, Parzival.

Wer seinen Freund in jedem Fall

Auf den höchsten Thron will tragen,

Muß Andern billges Lob versagen.

Doch Dem alleine glaubt die Welt,

Des Lob sich an die Wahrheit hält;

Sonst, was er spricht und was er sprach,

Bleibt seine Rede sonder Dach.

Wer soll des Sinnes Haus erhalten,

Will die Weisheit sein nicht walten?

Verlogne, falsche Märe,

Bedünkt mich, beßer wäre

Die dach- und fachlos auf dem Schnee,

So daß dem Munde würde weh,[455]

Der für Wahrheit sie verbreitet:

So hätt ihn Gott dahin geleitet

Wo ihn der Gute gerne sieht,

Dem oft um Wahrheit Leid geschieht.

Wer sich zu solcher That beeilt,

Der Unglück billig Lohn ertheilt,

Will Den ein werther Dichter preisen,

Des müst ihn Thorheit unterweisen.

Er meidets, weiß er sich zu schämen:

Den Brauch soll er zum Vogte nehmen.


Gawan trug den rechten Muth:

Seine Tapferkeit hielt solche Hut,

Daß Verzagtheit seinem Preise

Schaden mochte keinerweise.

Im Felde war sein Herz ein Thurm,

Und doch so rasch im Kampfessturm,

Daß man stäts ihn im Gedränge fand.

Freund und Feind ihm zugestand,

Sein Schlachtruf laute löblich hell,

Wie gern ihm auch Kingrimursel

Hätte solchen Preis benommen.

Nun war von Artus gekommen,

Ich weiß nicht, schon wie manchen Tag

Gawan, der aller Mannheit pflag.

So ritt der Degen wohlgestalt[456]

Seines Wegs aus einem Wald

Mit dem Gefolg durch einen Grund.

Da ward ihm auf dem Hügel kund

Ein Ding, das Angst wohl lehrte,

Doch seine Mannheit mehrte.


Da sah der Held wohl unbetrogen,

Unter Panieren zogen

Volle Scharen mit Gepränge.

»Hier wird es,« dacht er, »mir zu enge:

Kehr ich wieder in den Wald.«

Da ließ der Degen gürten bald

Ein Ross, das Orilus ihm ließ;

Zwei rothe Ohren senkte dieß.

Gringuljet sein Name war:

Er empfieng es ohne Bitte gar.

Es war von Monsalväsch gekommen;

Da hatt es Lähelein genommen

Bei Brumban, so hieß der See.

Seine Tjost that einem Ritter weh,

Den er todt herunter stach:

So erzählte Trevrezent hernach.


Gawan gedachte: »Wer verzagt

Flieht bevor ihn Einer jagt,

Das ist zu früh für seinen Ruhm:

Stapf ich näher hin darum,[457]

Was mir davon auch mag geschehn.

Die Meisten haben mich gesehn;

Doch wird Rath zu Allem werden.«

Da schwang er sich zur Erden,

Als wollt er rasten sich einmal.

Die Haufen waren ohne Zahl,

Die da rottenweise ritten.

Er sah viel Kleider wohlgeschnitten

Und manchen Schild mit solchen Zeichen,

Daß er noch nie gesehn dergleichen,

Noch die ein Fähnlein an dem Sper.

»Fremd bin ich sicher diesem Heer,«

Sprach der werthe Gawan,

»Da ich Ihrer Kunde nie gewann.

Will man mir das zum Argen kehren,

Einer Tjost wohl will ich sie gewähren

Mit eignen Händen, Gott weiß,

Eh ich scheid aus ihrem Kreiß.«

Da war auch Gringuljet bereit,

Der oft in ängstlichen Streit

Tiostierend war gebracht.

Das ward ihm jetzt auch zugedacht.


Gawan sah da reich floriert,

Mit manchem Wappenbild geziert

Kostbarer Helme viel.[458]

Sie führten vor ihr Kriegsziel

Neuer Spere manche Garbe.

Sie waren bunt von Farbe,

Junkern in die Hand gegeben;

Im Banner sah man Wappen schweben.


Gawan Fils du Roi Lot

Sah von Gedränge große Noth.

Mäuler musten Rüstzeug tragen,

Rosse zogen volle Wagen;

Zur Herberg eilte Maul und Ross.

Hinterdrein der Krämertross

Zog gar wunderlich daher;

Es geht halt anders nimmermehr.

Auch Frauen sah man da genug;

Manche den zwölften Schwertgurt trug

Zu Pfande für verkaufte Lust.

Nicht Königinnen warens just:

Dieselben Buhlerinnen

Hießen Marketenderinnen.

Dabei Hallunken mannigfalt,

Der eine jung, der andre alt:

Sie liefen sich die Glieder krank.

Manchem ziemte mehr der Strang,

Als daß er hier das Heer vermehrte

Und werthes Volk verunehrte.
[459]

Die hier Gawan traf, die Haufen

Waren vor geritten und gelaufen;

So begab es sich da,

Daß Wer den Helden halten sah,

Meint', er wär desselben Heers.

Weder dieß- noch jenseits Meers

Fuhr jemals stolzre Ritterschaft;

Sie hatten hohen Muth und Kraft.


Dicht hinter ihnen fuhr,

Eilends folgend ihrer Spur,

Ein Knapp gar alles Tadels frei;

Ein ledig Ross gieng nebenbei.

Er führte einen neuen Schild;

Die Sporen stieß er unmild

Dem Ross in die Seiten,

Denn ihn lüstete zu streiten.

Sein Gewand war wohlgeschnitten.

Gawan hatt ihn bald erritten

Und frug ihn nach dem Gruß um Märe,

Wes das Ingesinde wäre?


Der Knapp sprach: »Herr, ihr spottet mein.

Hätt ich solcher Züchtgung Pein

Von euch verwirkt durch mein Betragen,

Lieber wollt ich andre Noth ertragen:

Sie beschimpfte mich nicht so wie das.[460]

Um Gott, besänftigt euern Haß.

Ihr seid bekannter hier als ich:

Warum also fragt ihr mich?

Sicher tausendmal so gut

Kennt ihr dieses Heeres Flut.«


Gawan ihm hoch und theuer schwur,

Alles Volk, das vor ihm fuhr,

Sei ihm unkund völliglich.

Der Degen sprach: »Ich schäme mich;

Doch hab ich Alle nie gesehn,

Wie ich in Wahrheit muß gestehn,

Vor dieser Zeit an keinem Ort,

Dient' ich gleich bald hier bald dort.«

Der Knappe sprach zu Gawan:

»So that ich Unrecht, Herr, daran,

Daß ich euch nicht Bescheid gesagt:

Da war mein beßrer Sinn verzagt.

Richtet über meine Schuld

Nach eurer eigenen Huld:

Hernach will ich euch Alles sagen;

Erst ziemts, mein Unrecht zu beklagen.«

»Nun sagt mir, Junker, wer sie sei'n,

Wollt ihr so gefällig sein.«


»Herr, so heißt der vor euch fährt

Und dem die Reise Niemand wehrt:[461]

Roi Poidikonjonz,

Mit Dük Astor de Lanveronz.

Bei ihnen fährt ein wüster Mann,

Der Frauenminne nie gewann.

Er trägt der Unsitte Kranz

Und heißt mit Namen Meljakanz.

Ob es Weib war oder Magd,

Von der er Minne je erjagt,

So nahm er sie mit Nöthen:

Man sollt' ihn drum ertödten.

Poidikonjonzens Sohn ist Er

Und will auch kämpfen mit dem Heer.

Oftmals hat er Ritterschaft

Gethan mit unverzagter Kraft.

Was hilft sein mannlicher Brauch?

Ein Mutterschwein wehrt sich auch

Tapfer, wenns dem Ferkel gilt.

Der Mann verdient, daß man ihn schilt,

Der zum Muth nicht Sitte fügt;

Ihr bezeugt mir, daß mein Mund nicht lügt.«


»Herr, noch meld ich Wunder viel:

Merket, was ich sagen will.

Uns folgt mit großer Heeresmacht,

Den Unart hat in Leid gebracht,

Von Li Meljanz der König hehr.[462]

Sich selber schuf er viel Beschwer

Durch Zorn und Hochfahrt ohne Noth.

Verschmähte Lieb es ihm gebot.«


Noch sprach der höfsche Knappe da:

»Herr, ich sag euch was ich selber sah.

König Meljanzens Vater,

Auf dem Todbett zu sich bat er

Die Herrn in seinem Lande.

Unlöslich zu Pfande

Stand sein tugendreiches Leben:

Es muste sich dem Tod ergeben.

Da solches Leid ihm widerfuhr

Bei ihrer Treu er sie beschwur

Und befahl Meljanz den klaren

Den Fürsten, die da waren.«

Aus diesen wählt' er Einen dann,

Der war sein höchster Lehensmann;

Er hatte stäts sich treu bewährt,

Von aller Falschheit abgekehrt.

Den bat er, seinen Sohn zu ziehn.

Er sprach: »Bewähre gegen ihn

Deine Treu aufs Beste.

Lehr ihn, daß er die Gäste

Und die Heimschen halte werth.

Wenn der Dürftige begehrt,[463]

So lehr ihn milde sein mit Gaben.«

So befahl er ihm den Knaben.


»Da that der Fürst Lippaut

Was sein Herr, der König Schaut,

Ihm befohlen hatt im Sterben.

Er ließ kein Wort verderben,

Richtet' Alles treulich aus.

Er nahm den Knaben in sein Haus.

Zwei liebe Kinder hatt er dort,

Er liebt sie wohl noch immerfort:

Eine Tochter, welcher nichts gebräche

Als das Alter, daß man spräche,

Sie möge Minn um Minne leihn.

Obie heißt das Töchterlein;

Ihre Schwester heißet Obilot.

Obie schafft uns diese Noth.«


»Eines Tags es sich begeben hat,

Daß sie der junge König bat

Für seinen Dienst um Minne.«

Sie verfluchte seine Sinne

Und fragt' ihn, was er dächte,

Daß er sich von Sinnen brächte?

Sie sprach zu ihm: »Wärt ihr so alt,

Daß ihr gefochten, wo es galt,

Den Helm aufs Haupt gebunden[464]

Unterm Schild in würdgen Stunden,

In Gefahr und hartem Drang

Fünf volle Jahre lang;

Hättet stäts den Preis gewonnen

Und wäret dann zurück gekommen,

Mir zu Gebot gewesen da,

Und ich spräche dann erst Ja

Zu dem was ihr schon heut begehrt,

Noch hätt ichs euch zu früh gewährt.

Ihr seid mir lieb (wer leugnet des?)

Wie Annoren Galoes,

Die den Tod um ihn erwarb,

Da Er in einer Tjost erstarb.«


»Ungern, Frau, ich muß bekennen,

Seh ich euch so in Liebe brennen,

Daß euer Zorn sich auf mich kehrt.

Dienst,« sprach er, »ist doch Gnade werth,

So mag man Minne wohl erproben.

Frau, ihr habt euch überhoben,

Als ihr mich von Sinnen schaltet;

Da hat Klugheit nicht gewaltet.

Wenig dachtet ihr daran,

Daß euer Vater ist mein Mann

Und daß er hat von meiner Hand

Burgen viel und all sein Land.«
[465]

»›Dem ihr was leiht, verdien ers auch,‹

Sprach sie; ›doch höher zielt mein Brauch.

Von Niemand nahm ich Lehen an.

Meine Freiheit ist sogethan,

Jeder Krone hoch genug,

Die ein irdisch Haupt noch trug.‹

Er sprach: ›Das hat man euch gelehrt,

Daß ihr so die Hochfahrt mehrt.

Da euer Vater gab den Rath,

So büß er mir die Missethat.

Ich will hier Wappen also tragen,

Gestochen werd und geschlagen.

Ob es Krieg heißt ob Turnei,

Hier bricht noch mancher Sper entzwei.‹


Im Zorne schied er von der Magd.

Sein Unmuth wurde schwer beklagt

Von all der Massenie;

Wohl klagt' auch drum Obie.

Auf des Herrn Beschuldigung

Drang auf Untersuchung

Und erbot zum Eid sich gar

Lippaut, der unschuldig war.

Ob es krumm wär oder schlicht,

Von Genoßen heisch' er ein Gericht,

Wenn die Fürsten all bei Hofe wären,[466]

Denn er käm zu solchen Mären

Ganz ohn alle seine Schuld.

Er bat um gnädigliche Huld

Inständigst seinen Herrn;

Den hielt der Zorn von Freuden fern.


Es wär nicht angegangen,

Daß Lippaut hätt gefangen

Seinen Herrn: er war sein Wirth;

Das wär von Treue weit verirrt.

Der König ohne Urlaub schied,

Wie sein bethörter Sinn ihm rieth.

Da weinten mit Gestöhne

Seine Knappen, Fürstensöhne,

Die mit dem König dort gewesen:

Sie ließen Lippaut gern genesen.

Getreulich hatt er sie erzogen,

Um edle Sitte nicht betrogen;

Meinen Herrn nur lockt ehrgeizger Sinn;

Wohl pflegte doch der Fürst auch ihn.

Mein Herr der ist ein Franzais,

Le Schatelier de Beauvais;

Er heißt Lisavander.

Alle Knappen miteinander

Musten dem Fürsten widersagen;

Sie sollten Schildesamt hier tragen.[467]

Fürsten- und Grafenkinder schlug

Zu Rittern Meljanz heut genug.


Des vordern Heeres pflegt ein Mann,

Der scharfen Streit wohl kämpfen kann,

König Poidikonjonz von Gross;

Er führt manch wohlgewappnet Ross.

Meljanz ist seines Bruders Sohn.

Hochfahrt verstehen Beide schon,

Der Junge wie der Alte.

Daß denn der Unfug walte!


So hat der Zorn sich vorgenommen,

Daß die Könige gezogen kommen,

Beide vor Beaurosch: da muß

Uns Kampf erwerben Frauengruß.

Mancher Sper wird da zerbrochen,

Gerannt wird und gestochen.

Doch steht Beaurosche wohl zu Wehr:

Hätten wir zwanzigmal dieß Heer

Und größer als wirs haben,

Wir füllten nicht den Graben.


Dem hintern Heer bleibt verhohlen

Meine Fahrt: ich trug verstohlen

Diesen Schild weg vor den andern Kinden,

Ob mein Herr möge finden[468]

Eine Tjost durch seinen ersten Schild,

Die seinen jungen Ehrgeiz stillt.«

Da sah der Knappe hinter sich:

Sein Herre folgt' ihm hurtiglich.

Zwei blanke Spere und drei Rosse

Wurden ihm nachgebracht vom Trosse.

An seiner Hast verrieth sich klar,

Er sann, vorauf der ganzen Schar,

Die ersten Tjoste zu erjagen;

Die Aventüre hört ichs sagen.


Der Knappe sprach zu Gawan hier:

»Herr, euern Urlaub gönnet mir.«

Er wandte seinem Herrn sich zu.

Was wollt ihr nun, daß Gawan thu?

Soll er nicht bei dem Tanze sein?

Ein Bedenken schuf ihm scharfe Pein:

Er dachte: »Soll ich kämpfen sehn,

Und solls von mir nicht auch geschehn,

So ists um meinen Preis gethan.

Und fang ich erst zu kämpfen an,

Und versäume meine Stunde,

So muß ich mit Grunde

Auf allen Preis verzichten.

Nein, ich bleibe hier mit Nichten;

Ich folge meinem Kampfgebot.«[469]

Verwickelt wurde seine Noth:

Zu bleiben bis sein Tag erschien,

Allzugefährlich däucht' es ihn;

Und doch war hier nicht durchzukommen.

»Nun mag mir Gottes Hülfe frommen,

Daß ich bestehe wie ein Mann.«

Gen Beaurosche ritt Gawan.


So vor ihm lagen Burg und Stadt,

Daß Niemand beßern Wohnsitz hat.

Er sah sie glänzend glästen,

Eine Krone aller Besten,

Mit starken Thürmen wohlgeziert.

Schon war das äußre Heer quartiert

Vor der Stadt auf den Plan.

Da ersah Herr Gawan

Manch reich geschmückten Zeltbering.

Die Hochfahrt war da nicht gering!

Von Panieren mannigfalt

Sah er einen ganzen Wald,

Und fremden Pöbel aller Art.

Mit Zweifel war sein Muth gepaart;

Der legt' ihm scharfe Foltern an:

Mitten hindurch ritt Gawan.


Eine Zeltschnur die andre drang

Das weite breite Heer entlang.[470]

Da sah er wie sie lagen,

Was der, was jene pflagen.

Wer zu ihm sprach Bien sois venü,

Dem gab er Antwort Grand Merzi.

In großer Rotte dorten lag

Ein Söldnerheer von Semblidag;

Von Bogenschützen lag dabei

Ein Geschwader auch aus Kahetei.

Unbekanntschaft zeugt oft Haß,

An König Lotens Sohn bewies sich das:

Da ihn zu bleiben Niemand bat,

Gawan wandte sich zur Stadt.


Er dachte: »Muß ich Schmuggler sein,

So berg ich vor Verlust was Mein

Draußen nicht so gut als drinnen.

Auf Gewinn will ich nicht sinnen,

Nur das Meine zu erhalten,

Will das Glück mir freundlich schalten.«


Zu einer Pforte ritt er hin:

Was er da sah, bekümmert' ihn.

Die Bürger hatt es nicht gedauert,

Ihre Pforten waren all vermauert.

Die Thürme stehen wohl verwahrt:

An jeder Zinne gewahrt[471]

Einen Schützen er, die Armbrust

Gerichtet auf der Feinde Brust;

Sie flißen sich zu trotzger Wehr.

Bergauf ritt der Degen hehr.


War er gleich dort unbekannt,

Er ritt bis er die Veste fand.

Da durften edler Frauen

Seine Augen viel erschauen.

Gekommen war des Wirths Gemahl

Sich umzuschauen auf den Saal

Mit ihren schönen Töchtern zwein;

Ihre Farbe hatte lichten Schein.


Wohl hat er ihr Gespräch vernommen:

»Wer mag uns da zu Hülfe kommen?«

Sprach die alte Herzogin:

»Wo will er mit den Säumern hin?«

Da hub die ältre Tochter an:

»Mutter, es ist ein Kaufmann.« –

»Er führt doch manchen Schild daher.« –

»Das thun der Kaufleute mehr.«

Die Jüngere versetzte da:

»Du zeihst ihn was wohl nie geschah,

Schwester, dessen schäme dich:

Er war nie Kaufmann sicherlich.[472]

Er ist so minniglich und hold,

Zum Ritter ich ihn haben wollt.

Er mag um Dienst hier Lohn begehren:

Ich will ihm Lieb und Lohn gewähren.«


Da sah sein Ingesinde,

Daß bei Oelbäumen eine Linde

Unten an der Mauer stund:

Das däuchte sie ein lieber Fund.

Was meint ihr, daß geschehen werde?

Herr Gawan schwang sich vom Pferde,

Wo er willkommnen Schatten sah.

Sein Kämmrer säumte nicht, ihm da

Matratz und Kissen hinzulegen:

Drauf setzte sich der stolze Degen;

Ein Heer von Frauen sahs von Oben.

Von den Saumthieren hoben

Die Knappen Rüstzeug und Gewand.

Wo sich sonst ein Baum noch fand,

Da nahmen Herberg im Schatten

Die ihn dahin begleitet hatten.


Die alte Herzogin begann:

»Tochter, welcher Kaufmann

Wüste so sich zu gehaben?

Du unterschätzest seine Gaben.«[473]

Da sprach die junge Obilot:

»Unart ihr noch mehr gebot:

Durch Hochmuth verletzte sie

Den König Meljanz von Li,

Der sie um Minne wollte bitten:

Das sind unfeine Sitten.«

Obie sprach dagegen,

Unmuth mochte sie bewegen:

»Ich kann so viel nicht an ihm finden:

Ein Wechsler sitzt dort an der Linden;

Er wird ein gut Geschäft hier machen.

Den Goldschrein hütet gleich den Drachen

Dein Ritter, närrsche Schwester mein:

Er will sein Wächter selber sein.«


In Herrn Gawans Ohren

Gieng kein Wort verloren.

Nun laßen wir die Rede bleiben

Und sehen was die Städter treiben.


Ein schiffbar Waßer floß vorüber;

Von Stein gieng eine Brücke drüber:

Dort war noch unverheert das Land,

Da der Feind der Stadt im Rücken stand.

Ein Marschall angeritten kam,

Der vor der Brücke Herberg nahm[474]

Auf einem Felde groß und breit.

Sein Herr kam auch zur rechten Zeit

Und die Andern, die noch sollten kommen.

Ich sag euch, habt ihrs nicht vernommen,

Wer dem Wirth zu Hülfe ritt,

Und wer für ihn mit Treue stritt:

Ihm kam von Brevigariez

Sein Bruder Dük Marangliez;

Und dem zu Lieb zwei Ritter schnell,

Der werthe König Schirniel,

Der die Krone trug zu Lirivoin,

Und sein Bruder, Herr zu Avendroin.


Als die Bürger sahen,

Ihnen solle Hülfe nahen,

Was mit Aller Willen war geschehn,

Schien ihnen da ein groß Versehn.

Da sprach der Herzog Lippaut:

»Weh daß Beaurosch den Tag erschaut,

Wo ihm vermauert sind die Pforten.

Doch wenn ich meinem Herren dorten

Im offnen Feld entgegen stünde,

So würde Tapferkeit zur Sünde.

Mir ziemt' und frommte seine Huld

Mehr als sein Haß ohn alle Schuld.

Eine Tjost steht meinem Schilde schlecht,[475]

Die mein Herr mir stößt im Zwiegefecht;

Ungern auch verletzt mein Schwert

Den Schild ihm, meinem Herren werth!

Wenn ein edles Weib das lobt,

Die hat sich allzulos erprobt.

Gesetzt, ich hätte meinen Herrn

In meinem Thurm: ich löst' ihn gern

Und gienge mit in seinen.

Wie er mich wollte peinen,

Ich stünd ihm gänzlich zu Gebot.

Danken gleichwohl muß ich Gott,

Daß ich noch ungefangen,

Da Lieb und Zorn ihn zwangen,

Daß er mich hier umlagert hat.

Gebt mir einen weisen Rath,«

Sprach er zu den Bürgern nun,

»Was in solcher Noth zu thun?«


Wohl sprach da mancher werthe Mann:

»Säh der König eure Unschuld an,

So stünd es anders hier zur Stunde.«

Sie riethen ihm aus Einem Munde,

Daß er die Pforten aufthäte,

Und die Besten alle bäte,

Zur Tjost hinaus zu reiten.

»Laßt uns offen streiten,[476]

Statt von den Zinnen uns zu wehren,

Mit Meljanzens beiden Heeren.

Es sind doch meist nur Kinde

In des Königs Heergesinde.

Vielleicht, daß wir ein Pfand uns fangen:

So ist oft schon großer Zorn vergangen.

Wenn er Ritterschaft hier thut,

So legt sich wohl sein Unmuth,

Daß er aus dieser Noth uns nimmt

Und seinen Zorn herunterstimmt.

In der Feldschlacht lieber sterben

Als vermauert hier verderben.

Es sollt uns wohl gelingen

Vor ihren Zeltberingen,

Wär Poidikonjonz nicht so stark:

Dem folgt des Heeres Kern und Mark.

Da müßen wir zumeist erbangen

Vor den Britten, die er hält gefangen:

Sie führt der Herzog Astor,

Der kämpft im Streit den Andern vor.

Dann ist sein Sohn Meljakanz:

Hätte Den erzogen Gurnemanz,

So mehrte sich sein Preis erst recht,

Und so schon scheut er kein Gefecht.

Doch auch Uns ist Hülfe jetzt gekommen.«

Nun habt ihr ihren Rath vernommen.
[477]

Der Herzog that wie man ihm rieth:

Die Maur er aus den Pforten schied.

Um Kraft und Muth unbetrogen

Die Bürger aus den Pforten zogen,

Hier Eine Tjost, die Andre dort.

Auch zog das fremde Heer sofort

Der Stadt zu mit hohem Muth;

Ihr Vesperspiel wurde gut.

Zu beiden Seiten zahllos Heer:

Die Knappen riefen hin und her;

Wälsch und Schottisch her und hin

Und durcheinander ward geschrien.

Von Ritterthat wär viel zu melden:

Waidlich versuchten sich die Helden.


Es waren meistens wohl nur Kinde

In des Königs Heergesinde,

Die doch viel kühne That begiengen,

Die Bürger auf dem Saatfeld fiengen.

Der ein Kleinod nie von einem Weibe

Verdiente, mocht an seinem Leibe

Beßer Gewand nicht tragen.

Von Meljanz hört' ich sagen,

All seine Rüstung wäre gut;

Er trug auch selber hohen Muth,

Und ritt ein schönes Kastilian,[478]

Das einst Meljakanz gewann,

Als er Kei'n so hoch herunter trieb,

Daß er am Aste hängen blieb.

Das dort Meljakanz erstritt,

Meljanz von Li wars, der es ritt.

Er war voraus schon so bekannt,

Obiens Blick hieng unverwandt

Vom Saal an seinem Ritterspiel,

Wo sie zusah mit der Frauen viel.


Sie sprach zur Schwester: »Sieh doch, Kleine,

Fürwahr, mein Ritter und der deine

Begehn hier ungleiche That.

Der deine wähnt, daß wir die Stadt

Und die Burg verlieren sollen;

Andre Wehr wir suchen wollen.«

Die Junge must ihr Spotten tragen.

Sie sprach: »Man soll an nichts verzagen:

Ich trau es seiner Kraft noch zu,

Er schafft vor deinem Spott sich Ruh.

Mag er mit seinem Dienst mich ehren,

Dafür will ich ihn Freude lehren:

Da du sagst, daß er ein Kaufmann sei,

Meinen Lohn erhandeln mag er frei.«


Von dem Streit der Jungfraun über ihn

Ließ Gawan sich kein Wort entfliehn.[479]

Ohn einen Laut zu sagen

Must ers geduldig tragen.

Soll sich ein lauter Herz nicht schämen,

Das muß der Tod von hinnen nehmen.


Das große Heer noch stille lag,

Dessen Poidikonjonz pflag.

Nur Ein werther junger Mann

Nahm Theil am Streit mit seinem Bann:

Der Herzog von Lanveronz.

Da kam Poidikonjonz;

Auch nahm der altweise Mann

Sie allzumal mit sich hindann:

Vorüber war das Vesperspiel,

Um werthe Fraun gestritten viel.


Da sprach Poidikonjonz

Zum Herzogen von Lanveronz:

»Was harrt Ihr mein nicht, wie's gebührt,

Wenn Ehrgeiz in den Kampf euch führt?

Wähnt ihr, das sei wohlgethan?

Hier ist der werthe Lahduman

Und mein Sohn Meljakanz:

Kommen die zwei in den Tanz,

Und ich, so mögt ihr Streiten sehn,

Wenn ihr Streit könnt prüfen und verstehn.[480]

Ich komme nicht von dieser Statt,

Ich mach euch All noch Kämpfens satt,

Es sei denn, daß sich mir mit Beben

Weib und Mann gefangen geben.«


Da sprach der Herzog Astor:

»Euer Neffe, Herr, stritt vor dem Thor,

Der König, und sein Heer von Li:

Und die Euern, sollten sie

Sich inzwischen schlafen legen?

Wann lehrtet Ihr das eure Degen?

So schlaf ich wo man streiten soll;

Den Streit verschlafen kann ich wohl.

Doch glaubt mir, wär ich nicht gekommen,

Die Bürger hätten Preis und Frommen

Davon getragen bei der Fahrt:

Vor Schanden hab ich euch bewahrt.

Um Gott, besänftigt euern Zorn:

Hier ist mehr gewonnen als verlorn

Von eurer Massenie,

Wills gestehen Frau Obie.«


Wohl muste Meljanz, seinen Neffen,

Poidikonjonzens Zorn auch treffen;

Doch trug der werthe junge Mann

Manche Tjost durch seinen Schild hindann.[481]

Sein neuer Preis darfs nicht beklagen.

Nun höret von Obien sagen.


Die erwies nun Haß genug

Gawanen, der ihn schuldlos trug;

Sie erwürb ihm Schande gern und Hohn.

Sie sandte einen Garzon

Hin zu Gawan unterm Saal.

Sie sprach: »Geh hin und frag einmal,

Ob die Rosse zu verkaufen sei'n,

Und ob er wohl in Kist und Schrein

Führe gutes Kramgewand?

Wir Frauen kaufens allzuhand.«


Der Garzon kam gegangen:

Mit Zorn ward er empfangen.

Kaum hat ihn Gawan angeblickt,

Als sein Herz zusammenschrickt.

Der Garzon wurde so verzagt:

Ungefragt und ungesagt

Blieb was sie ihn bestellen hieß.

Gawan die Rede doch nicht ließ:

Er sprach: »Hallunke, packe Dich,

Maulschellen fürchterlich

Sollst du haben kreuz und quer,

Kommst du noch einmal hieher.«[482]

Der Garzon lief was er konnte:

Nun höret, was Obie begonnte.


Einen Junker schickt sie wieder

Zu dem Burggrafen nieder,

Welcher Scherules hieß.

»Bitt ihn,« sprach sie, »daß er dieß

Thu zu meiner Ehre

Und seine Mannheit dran bewähre.

Sieben Rosse dort am Graben

Unterm Oelbaum soll er haben,

Und noch andern Reichthums viel.

Einen Kaufmann, der uns trügen will

Soll er des Gutes pfänden.

Ich getrau es seinen Händen,

Sie nehmens unvergolten;

Auch behält ers unbescholten.«


Der Knappe gieng hinab und sagte

Worüber seine Herrin klagte.

»Gilts vor Trug uns zu bewahren,«

Sprach Scherules, »so will ich fahren.«

Da ritt er hin wo Gawan saß,

Der selten hohen Muths vergaß.

Da fand er jedes Fehls Verlust,

Lichtes Antlitz, hohe Brust

Und einen Ritter wohlgethan.[483]

Scherules blickt' ihn prüfend an,

Er sah den Arm, jedwede Hand,

Wie Alles ihm so adlig stand.

»Herr,« sprach er, »unser Gast seid Ihr;

Nicht wohl bei Sinnen waren wir,

Daß ihr nicht Herberg längst empfiengt;

Unsre große Schuld ists unbedingt.

Ich will nun selber Marschall sein;

Leut und Gut, und Was nur mein,

Das soll euch ganz zu Diensten stehn.

Keinen Wirth hat je ein Gast gesehn,

Der ihm so gern ist unterthan.«

»Großen Dank, Herr,« sprach Gawan.

»Nicht verdient' ich Solches noch;

Gerne folg ich euch jedoch.«


Scherules, den Tadel mied,

Sprach wie ihm die Treue rieth:

»Da es Mir zu thun verbleiben muste,

Wohlan, ich schütz euch vor Verluste,

Es beraub euch denn das äußre Heer:

Dann steh ich mit euch wohl zu Wehr.«

Er sprach mit frohem Munde

Zu den Knappen in der Runde:

»Hebt auf das Rüstzeug allzumal:

Wir wollen nieder in das Thal.«
[484]

Gawan fuhr mit seinem Wirth.

Obie, auch hiedurch ungeirrt,

Schickt' ein Gespiel als Gesandte

Zu ihrem Vater, der sie kannte:

»Geh und sag ihm Wort für Wort:

Ein Falschmünzer reite dort

Und führe bei sich großes Gut.

Bitt ihn (da er doch die Flut

Von Knechten habe, deren Sold

Rosse sei'n, Gewand und Gold),

Ihnen diesen Preis zu geben:

Ihrer Sieben hätten so zu leben.«


Sie gieng und sagt' ihm unverhohlen

Was seine Tochter ihr befohlen.

Wer in Fehden ist befangen,

Kann Der reiche Beute fangen,

Die nimmt er ohne Weigern an.

Lippaut, den getreuen Mann,

Die vielen Söldner drängten ihn:

Da dacht er wohl in seinem Sinn:

»Ich muß dieß Heil gewinnen,

Er soll mir nicht entrinnen.«

Alsbald verfolgt' er den Degen.

Da kam ihm Scherules entgegen

Und frug ihn: »Herr, wohin so jach?«[485]

»Einem Betrüger reit ich nach:

Ich höre von ihm sagen,

Falsch Geld hab er geschlagen.«


Schuldlos war Herr Gawan ganz;

Nur seinen Rossen galt der Tanz,

Seinem Gold und seinen Sachen.

Scherules muste lachen.

Da sprach er: »Herr, ihr seid betrogen,

Wer es euch sagte, hat gelogen,

Ob es Weib sei oder Mann.

Unschuldig ist mein Gast hieran;

Lernet jetzt ihn anders preisen:

Keine Münze hat er aufzuweisen.

Wollt ihr der rechten Märe lauschen,

Er kann nicht wechseln, kann nicht tauschen.

Seht ihn nur an, vernehmt sein Wort;

Er ist in meinem Hause dort.

Kennt ihr ritterliches Wesen,

So mögt ihr hier nur Gutes lesen:

Er war auf Falschheit niemals aus.

Wer ihn des zeihen will durchaus,

Wärs mein Vater, wärs mein Kind,

Alle die ihm feindgesinnt,

Mein nächster Freund, mein Bruder,

Müste des Kampfes Ruder[486]

Wider mich ziehn: ich will ihn wehren,

Alle Unbill von ihm kehren,

Wenn Ihr mich, Herr, nicht drum verdammt.

In einen Sack aus Schildesamt

Wollt ich mich lieber ziehen,

In eine Wüste fliehen

Zu unbekanntem Lande,

Eh ihr eure Schande

Solltet, Herr, an ihm begehn.

Gütlich, würd euch beßer stehn

Sie zu empfangen, die da kommen,

Weil sie von eurer Noth vernommen,

Als daß ihr sie berauben wollt;

Das meidet, Herr, ich bin euch hold.«


Da sprach der Fürst: »Laß mich ihn sehn.

Ihm soll nichts Arges geschehn.«

Sie ritten wo sie Gawan fanden:

Zwei Augen und ein Herz gestanden

(Die kamen Lippaut zugesellt),

Daß der Gast ein edler Held,

Und rechter mannlicher Sinn

Aus seinen Geberden schien.


Wen jemals wahrer Liebe Drang

Zu herzlicher Minne zwang –[487]

Herzlieb' ist wohl dafür bekannt,

Daß sie das Herz als Minnepfand

So versetzet und verpfändet,

Kein Mund es je vollendet

Was Minne Wunder wirken kann.

Es sei Weib oder Mann,

Sie schwächt an klugem Sinne

Oft herzliche Minne.

Obie und Meljanz,

Die beiden liebten sich so ganz

Und gar mit solchen Treuen,

Sein Zorn sollt euch nicht freuen,

Der sie verzürnt hat und entzweit.

Nun gab ihr Trauer solches Leid,

Zum Zorne stimmt' es ihre Huld.

Das büßte Gawan sonder Schuld

Und andre, die es mit ihm litten.

Sie fiel aus weiblichen Sitten,

Ihre Sanftmuth trübte sich mit Zorn.

Es war ihr beider Augen Dorn,

Wo sie den werthen Mann erblickte.

Ihrem Herzen, das Meljanz entzückte,

Sollt er durchaus der Höchste sein.

Sie dachte: »Bringt er mich in Pein,

Für ihn will ich sie tragen –

Der ganzen Welt entsagen[488]

Für den werthen jungen süßen Mann:

Das hat das Herz mir angethan.«

Da oft aus Zorn die Minne spricht,

So tadelts an Obien nicht.


Nun höret ihren Vater an:

Als er den werthen Gawan

In seinem Land willkommen hieß,

Zu ihm begann und sprach er dieß:

»Herr, daß ihr hergekommen

Mag uns um Heile frommen.

Ich bin gefahren manche Fahrt,

Kein Antlitz hab ich je gewahrt,

Das mir solche Freude bot.

In dieser ängstlichen Noth

Soll uns eurer Ankunft Tag

Trösten, der wohl trösten mag.«

Er bat ihn: »Thut hier Ritterschaft.

Fehlt euch Harnisch, Schild und Schaft,

Das laß ich euch bereiten,

Herr, wollt ihr für uns streiten.«


Da sprach der werthe Gawan:

»Ich wär dazu ein willger Mann;

Ich bin gesund und wohlgerüstet –

Doch streiten darf ich, wie mich lüstet,[489]

Nicht vor bestimmtem Tage.

Sieg oder Niederlage

Wollt ich für euch erleiden;

Doch muß ich es vermeiden,

Herr, bis der Kampf geschlichtet,

Dem ich theuer bin verpflichtet,

Wo ich bei aller Werthen Gruß

Mich mit dem Schwerte lösen muß

(Mich führt dahin die Straße),

Wenn ich nicht das Leben laße.«


Das war Lippaut ein Herzeleid.

»Herr, bei eurer Würdigkeit,

Eurer höfschen Zucht und Huld,

Vernehmet meine Unschuld.

Zwei Töchter hab ich, sie sind

Mir lieb; wer liebte nicht sein Kind?

Was mir an denen Gott gegeben,

Damit will ich in Frieden leben.

Wohl mir, auch des Kummers wegen,

Den ich jetzt um sie muß hegen!

Den trägt doch die Eine

Mit mir in engerm Vereine;

Nur sind wir darin entzweit:

Ihr thut mein Herr mit Minnen leid

Und mir mit Unminne.[490]

Wenn ich mich recht besinne,

So thut mein Herr Gewalt mir an,

Weil ich keinen Sohn gewann.

Mir sollen Töchter lieber sein;

Was thuts, erleid ich diese Pein?

Ich will sie mir zum Heile zählen.

Wer mit der Tochter einst soll wählen,

Ist ihr verboten gleich das Schwert,

Sie weiß schon wie sie sonst sich wehrt:

Sie wird ihm würdiglich erwerben

Einen wackern Sohn zum künftgen Erben.

Darauf ist auch mein Sinn gestellt.«

»Das gewähr euch Gott,« so sprach der Held.


Lippaut der Herzog bat ihn sehr:

»Um Gott, Herr, bittet mich nicht mehr,«

Sprach da König Lotens Sohn,

»Bei eurer Zucht, laßt ab davon,

Daß ich nicht Treue müß entbehren.

Eins jedoch will ich gewähren:

Es zu erwägen diese Nacht;

Dann hört ihr, wie ich mich bedacht.«


Der Fürst ihm dankt' und gieng zur Hand;

Zu Hof er seine Tochter fand,

Und des Burggrafen Töchterlein;[491]

Die beiden schnellten Ringelein.

Da sprach er Obiloten zu:

»Von wannen, Tochter, kommst du?« –

»Zur Stadt, Vater, will ich.

Er gewährt mirs sicherlich:

Ich will den fremden Ritter bitten,

Daß er mir dient nach Ritterssitten.«

»So sei dir, Töchterlein, geklagt:

Er hat mir zu- noch abgesagt;

Doch unterstütze meine Bitte.«

Sie lief zum Gast mit schnellem Schritte.


Da sie in seine Kammer gieng,

Aufspringend Gawan sie empfieng;

Hin zu der Süßen setzt' er sich,

Und dankt' ihr, daß sie minniglich

Ihm bei der Schwester Beistand bot.

Er sprach: »Litt je ein Ritter Noth

Um ein so kleines Fräulein,

So sollt ichs auch gesonnen sein.«


Die junge süße klare Maid

Sprach da ohne Schüchternheit:

»Wie mir Gott bezeugen kann,

So seid ihr, Herr, der erste Mann,

Der je mein Sprechgeselle ward.[492]

Ist meine Zucht dabei bewahrt

Und auch mein verschämter Sinn,

Das giebt mir freudigen Gewinn,

Denn meine Meisterin sprach,

Die Rede wär des Sinnes Dach.«


»Herr, ich flehe Euch und Mich;

Wahrer Kummer nöthigt mich:

Ich will ihn nennen, wenn ihr wollt.

Seid mir darum nicht minder hold;

Ich wandle doch des Maßes Pfad,

Da ich zugleich mich selber bat:

Ihr seid in der Wahrheit Ich,

Scheiden auch die Namen sich.

Nehmet meinen Namen an,

So seid ihr Maid zugleich und Mann.

Drum hab ich Euch und Mich begehrt.

Laßt ihr mich, Herr, nun ungewährt

Und beschämt von hinnen gehn,

So muß dafür zu Rede stehn

Euer Preis vor euer wahren Zucht,

Daß eine Magd umsonst gesucht

Euch zur Hülfe zu bewegen.

Ist euch, Herr, daran gelegen,

Ich will euch geben Minne

Mit Herzen und mit Sinne.«
[493]

»Habt ihr mannlichen Brauch,

So weiß ich, Herr, ihr dient mir auch;

Seht, ich bin wohl Dienens werth.

Wohl hat mein Vater schon begehrt,

Daß ihm Freund' und Vettern Hülfe senden:

Das braucht euch doch nicht abzuwenden,

Nein, dienet uns um meinen Lohn.«

Er sprach: »Frau, eures Mundes Ton

Will mich von Treue scheiden:

Wollt ihr mir Treu verleiden?

Da ich Treu zum Pfande bot,

Lös ich sie nicht, so bin ich todt.

Doch setzt auch, daß ich Dienst und Sinne

Richten wollt auf Eure Minne;

Eh ihr Minne möchtet geben,

Müstet ihr noch fünf Jahr leben;

Das ist für eure Zeit die Zahl.«

Da gedacht er doch, wie Parzival

Sich mehr auf Fraun als Gott verließ.

Ihm war als ob der Freund ihn hieß',

Er soll' ihr zu Gebote sein.

Er versprach dem Fräulein,

Helm und Schild für sie zu tragen.

Scherzend hörte sie ihn sagen:

»In eurer Hand sei mein Schwert;

So jemand Tjost von mir begehrt,[494]

Ihr müßt den Buhurd reiten,

Für mich tjostierend streiten.

Ob Mich Alle kämpfen sehn,

Doch muß der Kampf von Euch geschehn.«


Sie sprach: »Des bin ich gern gewillt:

Ich bin eur Schirm, ich euer Schild,

Ich euer Herz, ich die euch tröstet,

Wie ihr vom Zweifel mich erlöstet.

Ich bin für alle Fälle

Eur Geleit und eur Geselle,

Wider Unglücks Sturm ein Dach,

Im Ungemach ein sanft Gemach.

Meine Minne soll euch Frieden geben,

Vor Sorge sichernd euch umschweben,

Daß eure Kraft nichts stört noch irrt,

Sich zu wehren trotz dem Wirth.

Ich bin Wirth und Wirthin,

Bin euch im Streit Begleiterin.

Bleibt Ihr dessen eingedenk,

Wird Heil und Kraft euch zum Geschenk.«


Da sprach der werthe Gawan:

»Um Beides, Herrin, halt ich an.

Da ich euch soll zu Wunsche leben,

Ihr müßt mir Trost und Minne geben.«[495]

Derweil lag ihre kleine Hand

In der seinen festgebannt.

Da sprach sie: »Herr, ich will nun gehn,

Was meines Amts ist, zu versehn.

Wie zögt ihr ohne meinen Sold?

Dazu wär ich euch allzuhold.

Meine Sorge sei, bei Zeiten

Euch mein Kleinod zu bereiten:

Wenn ihr das tragt, in keiner Weise

Weicht euer Preis dann anderm Preise.«


Aufbrach die Magd und ihr Gespiel.

Sie erboten sich zu Diensten viel

Ihrem Gaste Gawan.

Dankend sprach der kühne Mann:

»Werdet ihr erst achtzehn alt,

Trüg dann Spere nur der Wald,

Der jetzt viel ander Holz noch hat,

Das ist euch Zwein geringe Saat.

Da so schon eure Jugend zwingt,

Wenn ihrs zu vollen Jahren bringt,

Eure Minne lehrt noch Rittershänden

Schild und Spere viel verschwenden.«


Mit Freuden sonder Leide

Fuhren hin die Mägdlein beide.[496]

Des Burggrafen Töchterlein

Sprach: »Nun sagt mir, Herrin mein,

Womit wollt ihr ihn begaben?

Da wir nichts als Docken (Puppen) haben.

Wenn meine schöner wären,

Gebt die, ich wills nicht wehren,

Und verschmerze sie auch balde.«

Mitten in des Berges Halde

Kam Lippaut der Fürst geritten.

Obiloten und Klauditten

Sah er sich entgegen gehn:

Er bat sie beide, stillzustehn.

Da sprach die junge Obilot:

»Vater, mir war nie so noth

Deiner Hülfe noch; auch gieb mir Rath.

Der Ritter thut, wie ich ihn bat.«


»Tochter, was dein Sinn begehrt,

Das wird dir, hab ich es, gewährt.

Heil dem Tag, der dich mir brachte:

Wie da das Glück mir freundlich lachte!«

»So will ich, Vater, dir es sagen,

Dir meinen Kummer heimlich klagen;

So thu an mir dann gnädiglich.«

Er hob sie auf sein Pferd zu sich.

Sie sprach: »Wo bleibt dann mein Gespiel?«[497]

Der Ritter hielten bei ihm viel:

Die stritten Wer sie nehmen sollte,

Da sie ein Jeder haben wollte,

Bis endlich Einer sie gewann.

Klauditte war auch wohlgethan.


Unterwegs ihr Vater sprach zu ihr:

»Obilot, nun sage mir,

Was hast du für große Noth?«

Sie sprach: »Ich hab ein Kleinod

Dem fremden Ritter angelobt.

Da hab ich, fürcht ich jetzt, getobt.

Hab ich ihm nichts zu geben,

Was soll mir dann das Leben,

Da er mir zu dienen sich erbot?

Scham und Schande färbt mich roth,

Wenn ich ihm nichts geben kann;

Einer Magd war nie so lieb ein Mann.«


Da sprach er: »Tochter, zähl auf mich:

Des nicht darben laß ich dich.

Da du Dienst von ihm begehrst,

So sorg ich, daß du ihm gewährst,

Deine Mutter müst es denn verdrießen.

Möcht uns Heil daraus entsprießen!

O der stolze, werthe Mann,[498]

Wie zieht er Herz und Sinn mir an!

Gesprochen hatt ich nie ihn noch;

Da sah ich heut im Schlaf ihn doch.«


Lippaut gieng zur Herzogin,

Obiloten führt' er zu ihr hin.

Da sprach er: »Herrin, helft uns zwein.

Laut vor Freude möcht ich schrein,

Daß Gott mich dieser Magd berieth,

Die mich von Sorg und Unmuth schied.«

Die alte Herzogin begann:

»Was heischt ihr meines Gutes dann?«

»Frau, da ihr uns willfährig seid,

Obilot begehrt ein beßer Kleid.

Sie meint auch wohl, sie wär es werth,

Da ein Solcher ihrer Minne gehrt;

Da er ihr zu dienen denkt

Und das Kleinod will, das sie ihm schenkt.«

Da hob des Mägdleins Mutter an:

»Der gute, herrliche Mann!

Ich weiß, ihr meint den fremden Gast;

Er glänzt wie Maiensonnenglaft.«


Sammet von Ethneise

Trug da herbei die weise;

Man bracht' auch andre Zeuge mit:[499]

Pfellel von Tabronit

Aus dem Land Tribalibot.

Das Gold vom Kaukasas ist roth,

Daraus die Heiden schön Gewand

Wirken; mit Kunstverstand

Legen sie das Gold in Seiden.

Da muste man das Kleid ihr schneiden

Nach des Herzogs Gebot.

Er misste gern für Obilot

Das beste wie das schlimmste Tuch.

Einen Goldstoff fest genug

Schnitt man an das Fräulein.

Ihr must ein Arm entblößet sein:

Ein Aermel ward davon genommen,

Den sollte Gawan bekommen.


Das war ihr Kleinod, ihr Präsent,

Pfellel von Naurient,

Fern aus der Heidenschaft geführt.

Ihren rechten Arm hatt er berührt;

Doch noch dem Rock nicht angenäht:

Nie ein Faden ward dazu gedreht.

Klauditte bracht ihn alsobald

Gawan dem Degen wohlgestalt:

Da ward er aller Sorgen frei.

Seiner Schilde waren drei:[500]

Auf einen schlug er ihn zuhand.

All sein Kummer verschwand;

Auch entbot ihr großen Dank der Degen.

Heil erfleht' er Weg und Stegen

Wo die Jungfraue gieng,

Die ihn so gütlich empfieng,

Und sein wahrnahm minniglich,

Daß aller Kummer von ihm wich.


Der Tag war hin, nun kam die Nacht.

Beiderseits stand große Macht,

Manch wohlbewehrter Ritter gut.

Wär des äußern Heers nicht solche Flut,

Die Innern hätten Wehr genug.

Sie steckten ihrer Letzen Zug

Ab bei lichtem Mondenschein.

Sie mochten wohl erledigt sein

Aller Furcht und Zagheit.

Da hatten sie vor Tag bereit

Der Zingeln zwölf, von großer Weite;

Die schützten Gräben vor dem Streite.

Jede Zingel muste haben

Drei Barbigan, hinauszutraben.


Kardefablets von Jamore

Marschall nahm da vier Thore,

Wo man am Morgen sah sein Heer[501]

Kämpfen mit entschloßner Wehr.

Der Herzog erprobte sich

Selber auch gar ritterlich;

Die Wirthin war seine Schwester.

Er war entschloßener und fester

Als mancher streitbare Mann,

Der sich im Streit wohl tummeln kann.

Drum litt er gern im Streiten Pein.

Sein Heer zog über Nacht herein.

Er kam aus fernem Land gefahren,

Denn selten pflegt' er sich zu sparen,

Wo es Kampfgetümmel galt.

Vier Thore wehrt' er mit Gewalt.


Was der Brücke jenseits lag,

Die Scharen zogen sich vor Tag

Zu Beaurosch in die Stadt,

Wie Lippaut der Fürst sie bat,

Wogegen Die von Jamor

Ueber die Brücke ritten vor.

Die Pforten wurden so bemannt,

Stark genug zum Widerstand

Sah man sie beim Morgenscheine.

Scherules erkor sich eine:

Mit Gawan dem Degen gut

Ließ er die nicht aus der Hut.
[502]

Man hörte da von Gästen

(Das waren traun die Besten)

Beschwerde, daß schon Kampf geschehn

Wär, von dem sie nichts gesehn,

Da man das Vesperspiel gefochten

Eh sie mit tjostieren mochten.

Gar überflüßig war die Klage:

Ungezählt am selben Tage

Bot man es Allen, die Gelüsten

Trugen, sich zum Kampf zu rüsten.


In den Gaßen sah man groß Gewühl:

Flatternder Paniere viel

Zogen allenthalben ein,

Immer noch bei Mondenschein;

Auch mancher Helm, kostbar verziert

(Am Morgen ward damit tjostiert)

Und mancher Sper von lichtem Stahl.

Ein Regensburger Zindal

Würde nicht sehr gepriesen

Vor Beaurosch auf den Wiesen:

Da sah man Wappenröcke tragen,

Deren Kaufpreis hatte mehr betragen.


Die Nacht hielt ihren alten Brauch:

Die Tage wich sie endlich auch.

Man erkannt' ihn nicht am Lerchensang;[503]

Dröhnend scholl hier andrer Klang;

Das kam vom Kampfgetümmel:

Spergekrach, als ob am Himmel

Eine Wolk am Platzen wär.

Da war von Li das junge Heer

Im Kampf mit Denen von Lirivoin

Und mit dem König von Avendroin.

Da erscholl so manche laute Tjost,

Als würfe man auf glühnden Rost

Kastanien, daß sie sprängen.

Avoi, wie sie sich mengen!

Wie von den Gästen ward geritten

Und von den Bürgern gestritten!


Der Burggraf und Gawan,

Der Seele Heil zu empfahn,

Eh sie zum Kampfe giengen,

Ließen eine Messe singen;

Die sang ein Pfaffe Gott und ihnen:

Da mochten sie wohl Preis verdienen,

Denn sie hielten ihr Gesetze.

Sie ritten hinter ihre Letze:

Die Zingeln nahmen wohl in Hut

Viel der werthen Ritter gut.

Das waren Scherules Leute;

Wacker stritten die heute.
[504]

Was bericht' ich nun noch mehr?

Poidikonjonz war stolz und hehr.

Der kam mit solcher Heereskraft,

Wär im Schwarzwald jedes Reis ein Schaft,

Da könnte dichtrer Wald nicht stehn

Als in seiner Schar zu sehn.

Er kam sechs Fähnlein stark geritten:

Von denen wurde bald gestritten.

Posaunen hört man krachend tönen,

So pflegt der Donner zu erdröhnen,

Wenn er die Welt in Schrecken setzt.

Wirbelnd stimmten Trommeln jetzt

In der Posaunen Blasen.

Blieb noch ein Halm am Rasen

Unzerstampft, so weiß ichs nicht.

Der Erfurter Wingert spricht

Noch von solcher Tritte Noth,

Dem mancher Huf Verwüstung bot.


Da kam der Herzog Astor

Im Kampf an Die von Jamor.

Da stachen Spere scharf gewetzt;

Da ward manch werther Mann entsetzt

Hinters Ross auf den Acker.

Sie stritten scharf und wacker.

Da scholl viel fremdes Feldgeschrei,[505]

Manch Rösslein lief im Felde frei,

Des Herr auf seinen Füßen stund;

Mich dünkt, Dem war Gefälle kund.


Da ersah mein Herr Gawan

Sich verflechten auf dem Plan

Die Freunde mit der Feinde Reihn:

Da schwang auch Er sich mitten drein.

Ihm zu folgen hielt da schwer;

Die Rosse schonten doch nicht sehr

Scherules und die Seinen:

Gawan zwang sie sich zu peinen.

Was er da Ritter niederstach,

Und was er starker Spere brach!


Dieser werthe Tafelrunder,

Lieh' ihm die Kraft nicht Gottes Wunder,

Des höchsten Preises wär er werth;

Da ward erschwungen manches Schwert.

Er fragte nicht, von welchem Heer,

Seine Hand traf Beide schwer,

Die von Li und Die von Gross.

Man sah ihn manch erbeutet Ross

Von der wie jener Seiten

Zu des Wirths Panier geleiten.

Ob es Jemand wolle, frug er da;[506]

Ihrer Viele sprachen Ja.

Manchem wurde Gut verschafft

Durch seine Kampfgenoßenschaft.


Da kam ein Ritter angefahren,

Der auch nicht Spere konnte sparen;

Von Beauvais der Kastellan

Und der höfische Gawan

Geriethen aneinander,

Daß der junge Lisavander

Hinterm Ross auf Blumen lag:

In der Tjost empfieng er solche Schmach.

Das thut mir um den Knappen leid,

Der gestern erst mit Höflichkeit

Gawanen sagte Märe,

Wie der Zwist entsponnen wäre:

Der bog auf seinen Herrn sich nieder.

Ihn erkennend, gab ihm Gawan wieder

Das Ross, das er dem abgejagt.

Dank sprach der Knapp, ward mir gesagt.


Nun seht wie dort Kardefablet

Selber auf dem Acker steht,

Auf den ihn eine Tjost gerannt,

Gezielt von Meljakanzens Hand.

Die Seinen hoben ihn empor.[507]

Vielstimmig ward da Jamor

Zu hartem Schwertschlag geschrien.

Enger ward es rings um ihn,

Da Anlauf wieder Anlauf drang

Und mancher Helm betäubend klang.

Zu Hülfe kam ihm Gawan.

Kräftig sprengt' er heran:

Ueberdeckt hatt er schier

Mit seines Wirthes Panier

Von Jamor den edeln Mann.

Mit ihm wurden auf dem Plan

Kühner Ritter viel gefällt.

Glaubets, wenn es euch gefällt:

Zeugen sind mir gar versagt;

Mir hats die Aventür gesagt.


Le Komte de Montan ersah

Zum Gegner sich Gawanen da.

Eine schöne Tjost ward gethan,

Davon der starke Lahduman

Hinterm Ross lag auf der Flur.

Sicherheit bezwungen schwur

Der stolze Degen auserkannt:

Die gelobt' er in Gawanens Hand.


Zunächst vor der Zingeln Thor

Stritt der Herzog Astor:[508]

Da gabs Getös und Lanzenstreit.

Nantes ward oft laut geschreit:

Das war Artusens Heerzeichen.

Man sah da stehen und nicht weichen

Manch vertriebnen Bretaneis;

Die Söldner auch von Destrigleis

Aus König Ereckens Land

Machten sich da wohlbekannt:

Sie führte Dük de Lanveronz.

Auch dürfte jetzt Poidikonjonz

Die Bretonen ledig laßen gehn,

Die er so tapfer heut gesehn.

Dem König Artus waren

Sie am Berge Klus vor Jahren

Genommen und hiehergebracht;

Das war geschehn in heißer Schlacht.

Sie riefen Nantes nach ihren Sitten

Hier und wo sie immer stritten;

Das war ihr Ruf nach altem Brauch.

Schon grauen Bart trug mancher auch.

Dann führte jeder Breton

Zum Kennzeichen ein Gampilon

Auf dem Helm und auf dem Schild,

Ilinotens Wappenbild:

Der war Artusens Sohn gewesen.

Wie sollte Gawan hier genesen?[509]

Er seufzt', als er das Wappen sah,

Weil ihm im Herzen weh geschah.

Seines Oheims Sohnes Tod

Schuf Gawanen Herzensnoth.

Er erkannte wohl der Wappen Schein:

Seine Augen füllten sich vor Pein.

Die Bretonen ließ der Held

Unbestritten auf dem Feld;

Mit ihnen kämpfen mocht er nicht;

So ehrt man noch der Freundschaft Pflicht.


Er ritt zu Meljanzens Heer.

Die Bürger standen dem zur Wehr,

Man sagt' es ihnen billig Dank;

Wiewohl es dießmal nicht gelang

Das Feld der Uebermacht zu wehren:

Da sah man sie zum Graben kehren.

Der hier den Bürgern Tjoste bot,

Der Held war allenthalben roth;

Er hieß der Ungenannte,

Weil hier ihn Niemand kannte.


Dieß ists was ich vernommen.

Her zu Meljanz gekommen

War er erst vor dreien Tagen.

Die Bürger mochtens wohl beklagen,[510]

Daß er Meljanzen sich versprach.

Der gab ihm da von Semblidag

Zwölf Knappen, bei der Tjost sein wahr

Zu nehmen, und in dichter Schar:

Was er Spere mocht aus ihren Händen

Empfahn, die sah man ihn verschwenden.

Seine Tjoste schollen hell,

Als er den König Schirniel

Und seinen Bruder nahm gefangen.

Doch ward noch mehr von ihm begangen,

Da er dem Herzog Marangließ

Gefangenschaft auch nicht erließ.

Die fieng er Alle vor dem Heer;

Noch lange stand ihr Volk zur Wehr.


Meljanz ritt selber in den Streit.

Ob er Lieb Wem oder Leid

Gethan, sie musten All gestehn:

Selten sah man Mehr geschehn

Von einem also jungen Mann,

Als von ihm hier ward gethan.

Seine Hand manch festen Schild zerklob,

Manch starker Sper vor ihm zerstob,

Als Haufen sich in Haufen schloß.

Sein junges Herz war so groß,

Stäts must er Kampf begehren.[511]

Niemand konnt ihm gewähren

Voll und satt, das schuf ihm Noth,

Bis ihm Gawan Tjostieren bot.


Gawan zu seinen Knappen nahm

Der zwölf Spere Einen von Angram,

Die er erwarb am Plimizöl.

Meljanzens Ruf war Barbigöl,

So hieß die werthe Hauptstadt Li's.

Gawan seiner Tjost sich fliß;

Da lehrte Meljanzen Pein

Von Oraste-Gentesein

Der starke Schaft, der gerohrte,

Der ihm Schild und Arm durchbohrte.

Eine schöne Tjost geschah da wieder:

Gawan stach ihn flüglings nieder;

Doch brach sein hintrer Sattelbogen,

Daß beide Helden ungelogen

Hinter den Rossen stunden.

Da schlugen sie sich Wunden

Mit den Schwertern, den hellen.

Da ward zwei bäurischen Gesellen

Gedroschen mehr als genug.

Des andern Garbe Jeder trug;

Die Stücke wurden hingeschlagen.

Einen Sper auch muste Meljanz tragen:[512]

Der stak dem Helden im Arm;

Ihm war von blutgem Schweiße warm.

Da zog ihn mein Herr Gawan

In der Brevigarier Barbigan

Und zwang ihn, Sicherheit zu geben:

Die gab er, denn er wollte leben.

Wäre der junge Mann nicht wund,

So bald gelobte wohl sein Mund

Sich keinem Helden unterthan;

Das stünde länger wohl noch an.


Lippaut, des Landes Fürsten,

Sah man nach Ehre dürsten,

Da er mit dem König focht von Gross.

Da musten beide, Leut und Ross,

Von Geschütz erleiden Pein,

Als die Söldner von Kahetein

Und von Semblidag die Schergen

Ihre Kunst nicht wollten bergen.

Die Schützen sah man schnell sich schwenken;

Die Bürger musten erdenken

Was den Feind von ihren Letzen schied.

Sie hatten Schergen a pied:

Ihre Zingeln schützten die so gut

Als die allerbeste Hut.

Die das Leben dort verlor'n[513]

Entgalten schwer Obiens Zorn:

Ihre junge Thorheit

Brachte Manchem Herzeleid.

Wes entgalt der Fürst Lippaut?

Sein Herr, der alte König Schaut,

Hätts ihm erlaßen fürwahr.

Müdigkeit befiel die Schar.


Wacker stritt noch Meljakanz:

War der Schild ihm noch ganz?

Kaum handbreit war er ihm geblieben.

Ihn hatte weit zurückgetrieben

Der Herzog Kardefablet,

Bis jetzt ihr Spiel zur Neige geht

Auf einem blumigen Plan.

Da kam dahin auch Herr Gawan.

Das brachte Meljakanz in Noth,

Daß selbst der werthe Lanzelot

Ihm schärfer nicht entgegentrat,

Als er von der Schwertbrücke Pfad

Kommend mit ihm hob den Streit.

Dem war die Gefängniss leid,

Die Frau Ginover erlitt,

Der die Freiheit er erstritt.


Lotens Sohn kam angesprengt:

Da war wohl Meljakanz gedrängt,[514]

Den Gaul entgegen ihm zu führen.

Viel Leute sahn ihr Tiostieren.

Wer da hinterm Ross gelegen?

Den Der von Norwegen

Geworfen hatte auf die Au.

Der Ritter viel und manche Frau,

Die diese Tjost mit angeschaut,

Priesen Gawan überlaut.

Leicht konnten es die Frauen

Vom Saal hernieder schauen.

Meljakanz ward gestampft:

Den Rock betrat ihm unsanft

Manch Ross, dem nie mehr Hafer schmeckte:

Schweiß und Blut ihn überdeckte.

Heut ist der Rosse Schelmetag,

Der wohl die Geier sättgen mag.

Da nahm der Herzog Astor

Meljakanzen Denen von Jamor:

Die hätten ihn gefangen schier.

Vorüber war das Turnier.


Wer da am Besten hat geritten

Und um der Frauen Lohn gestritten?

Darüber kann ich nicht erkennen:

Sollt ich die Besten alle nennen,

Das wär ein allzuweites Feld.[515]

Im innern Heer stritt ein Held

Für die junge Obilot;

Im äußern ein Ritter roth:

Die Zween errangen da den Preis

Und gönnten Niemand nur ein Reis.


Da der Gast im äußern Heer

Gewahrte, daß er Dank nicht mehr

Von seinem Dienstherrn mocht empfangen

(Die Städter hielten ihn gefangen),

Ritt er, bis er die Seinen sah.

Zu den Gefangnen sprach er da:

»Ihr Herren gabt mir Sicherheit;

Nun widerfuhr mir hier ein Leid:

Von Li der König ist gefangen.

Nun seht, ob ihr es mögt erlangen,

Daß sie für Euch ihn befrein;

So kann ich ihm doch nützlich sein,«

Sprach er zum König von Avendroin

Und zu Schirniel von Lirivoin

Und dem Herzogen von Marangließ,

Die er mit dem Gelübde ließ

Zu den Bürgern reiten,

Daß sie Meljanz befreiten,

Wo nicht, ihm hülfen zu dem Gral.

Da konnten sie ihm allzumal[516]

Nicht sagen, wo der wäre,

Als daß Anfortas ihn wehre.


Da diese Rede geschah,

Wieder sprach der rothe Ritter da:

»Kann nicht geschehen mein Begehr,

So fahrt gegen Pelrapär

Und bringt der Köngin Sicherheit.

Da sagt, Der einst für sie den Streit

Focht mit Kingraun und Klamide,

Dem sei nun nach dem Grale weh,

Und zugleich nach ihrer Minne;

Darnach tracht ich stäts und sinne.

Als meine Boten mögt ihrs melden.

Bewahre nun euch Gott, ihr Helden!«


Mit Urlaub ritten sie hinein.

Da sprach er zu den Knappen fein:

»Uns blieb Gewinn hier unversagt;

Nehmt was von Rossen ward erjagt

Und laßt Mir selbst nur Eines,

Ihr seht wohl, wund ist meines.«

Da sprachen die Knappen gut:

»Großen Dank, Herr, ihr thut

An uns mit großer Mildigkeit:

Wir sind nun reich für alle Zeit.«[517]

Da wählt' er Eins für seine Fahrt,

Mit den kurzen Ohren Ingliart,

Das Gawanen war entgangen

Als er Meljanz gefangen;

Da nahms des rothen Ritters Hand:

Das büßte mancher Schildesrand.


Mit Urlaub schied der Degen hehr;

Fünfzehn Rosse wo nicht mehr

Ließ er den Knappen ohne Wunden:

Sie mochten ihm wohl Dank bekunden.

Zu bleiben baten sie ihn viel;

Doch fern gesteckt war ihm das Ziel.

Hin fuhr der getreue Mann,

Wo er nicht oft Gemach gewann,

Denn er suchte nur zu streiten.

Mich dünkt, zu seinen Zeiten

Stritt kein Mann so viel als Er.

Da vertheilte sich das äußre Heer


Wo es Herberg hoffte zu gewinnen.

Lippaut unterdes dort innen

Frug wie Alles wär gekommen;

Denn er hatte wohl vernommen,

König Meljanz wär gefangen:

Da war es ihm nach Wunsch ergangen;[518]

Auch sollte jetzt ihm Freude nahn.

Den Aermel löste Gawan

Von dem Schilde sonder Zerren

(Es blühte neuer Preis dem Herren)

Und gab ihn Klauditten.

Am Rand und in der Mitten

War er durchstochen und durchschlagen:

Sie sollt ihn Obiloten tragen.

Da ward des Mägdleins Freude groß.

Ihr blanker Arm war noch bloß:

Darüber schob sie ihn zuhand.

Sie sprach: »Wer hat mir dieß gesandt?«

Wenn sie vor ihre Schwester gieng,

Die diesen Scherz mit Zorn empfieng.


Den Rittern war Erholung Noth

Nach großer Müdigkeit Gebot.

Scherules nahm Gawan

Und den Grafen Lahduman

Und was er da der Ritter fand,

Die Gawan mit seiner Hand

Des Tags gefangen hatt im Feld,

Wo Manchen niederwarf der Held.

Der Burggraf setzte sie zumal

Vor ein ritterliches Mal.

So müd er war, und All sein Lehn,[519]

Man sah sie vor ihm dienend stehn,

Während Meljanz aß, der König;

Seiner Haft entgalt der wenig.


Das däuchte Gawan allzuviel:

»Wenn der König es gestatten will,

Herr Wirth, so sitzt: was sollt ihr stehn?«

Sprach der Degen ausersehn,

Wie ihn edle Zucht bewog.

Der Wirth versagt' es ihm jedoch:

»Mein Herr ist des Königs Mann:

Diesen Dienst hätt Er gethan,

Wenn dem König beliebte,

Daß er den Dienst wieder übte.

Aus Zucht vermied mein Herr zu kommen,

Weil ihm des Königs Huld benommen.

Sühn und Freundschaft stifte Gott,

Und Alle thun wir sein Gebot.«


Da sprach der junge Meljanz:

»Ihr bewahrtet stäts die Zucht so ganz,

Als ich hier Wohnsitz hatt erwählt:

Nie hat mir euer Rath gefehlt.

Wie ihr mir riethet, that ich so,

So sähe man mich heute froh.

Helft mir nun, Graf Scherules,

Wohl getrau ich euch des,[520]

Bei dem Herrn, der mich gefangen hat

(Sie thun wohl gern nach Euerm Rath),

Und Lippaut, dem zweiten Vater mein,

Daß sie mir Gnad und Gunst verleihn

Ich wär in seiner Huld geblieben;

Doch hat Obie mit mir getrieben

Possenhaften Thorenscherz:

Das zeigt unweibliches Herz.«


Da sprach der werthe Gawan:

»Eine Sühne wird hier bald gethan,

Die Niemand scheidet als der Tod.«

Da kamen, Die der Ritter roth

Den Städtern abgefangen,

Vor den König hingegangen.

Sie sagten ihm wie Alles kam.

Als Dessen Wappenschild vernahm

Gawan, Der sie besiegt' im Streit,

Und Dem sie gaben Sicherheit,

Und sie ihm sagten von dem Gral,

Da sah er wohl, daß Parzival

Es war, der Alles dieß gethan.

Seine Augen auf zum Himmel sahn

Und dankten Gott, daß er sie heut

Von einander hielt im Streit.

Es war bescheidner Zucht ein Pfand,[521]

Daß Beide blieben ungenannt.

Sie kannte Niemand hier zur Zeit,

Doch kennt die Welt sie weit und breit.


Zu Meljanz Scherules begann:

»Herr, wenn ich euch erbitten kann,

So geruht ihr, meinen Herrn zu schauen,

Und der Freunde Urtheil zu vertrauen

Was beidenthalben gelten soll.

Tragt ihm ferner keinen Groll.«

Sie billigten den Rath zumal.

Da ritten zu des Königs Saal

All die Krieger aus der Stadt

Wie sie des Fürsten Marschall bat.

Da sprach mein Herr Gawan

Zu dem Grafen Lahduman

Und den Andern, die er heut gefangen

(Sie kamen All dahin gegangen):

»Bringet eure Sicherheit,

Die ihr mir angelobt im Streit,

Meinem Wirthe Scherules.«

Niemand säumt sich unterdes:

Die Entbotnen eilen allzumal

Gen Beaurosch auf den Saal.

Meljanzen reiche Kleider trug

Die Burggräfin, dazu ein Tuch,[522]

Den rechten Arm hineinzuhangen,

In den er Gawans Tjost empfangen.


Gawan durch Scherules entbot

Seiner Freundin Obilot,

Daß er wünsche sie zu sehn,

Um ihr mit Wahrheit zu gestehn,

Er sei ihr treulich unterthan;

Auch halt' er um den Urlaub an:

»Ich laß' ihr auch den König hie;

Sie möge sich bedenken, wie

Sie also mit ihm schalte,

Daß sie Ruhm davon behalte.«


Die Rede hörte Meljanz:

»Obilot wird recht ein Kranz

Weiblicher Güte.

Es leiht mir froh Gemüthe,

Daß ich ihr Sicherheit soll geben

Und in ihrem Frieden leben.«

»Euch fieng hier, seis euch nur bekannt,

Niemand als des Mägdleins Hand,«

Fiel der werthe Gawan ein;

»Ihr gehört mein Preis allein.«


Scherules kam vorgeritten.

Man sah bei Hof nach höfschen Sitten

Weder Mann, Magd noch Weib,[523]

Die nicht so geziert den Leib,

Daß man in ärmlichem Gewand

Des Tages selten Jemand fand.

Mit Meljanz zu Hofe ritten

Die seine Freiheit zu erbitten

Waren in die Stadt geschickt.

Schon saßen droben wohlgeschmückt

Lippaut mit Töchtern und Gemahl.

Die da kamen, traten in den Saal.


Der Wirth dem Herrn entgegensprang.

Groß im Saale ward der Drang,

Als er Freund und Feind empfieng;

Neben Gawan Meljanz gieng.

»Konnte sie's von euch erlangen,

Küssend möcht euch gern empfangen

Eure alte Freundin:

Das ist mein Weib die Herzogin.«

Zum Wirthe hub da Meljanz an:

»Gern will ich Gruß und Kuss empfahn

Zweier Frauen, die mein Aug ersieht;

Der dritten Sühne nicht geschieht.«

Die Aeltern weinten bitterlich;

Obilot nur freute sich.


Mit Kuss der Fürst empfangen ward

Und noch zwei Könge sonder Bart,[524]

Dazu der Herzog Marangließ;

Auch Gawanen man ihn nicht erließ.

Seine Herrin ward ihm vorgeführt:

Er zog das schöne Kind gerührt

Wie eine Dock an seine Brust;

Dazu zwang ihn freundliches Gelust.

Zu Meljanz sprach er von der Maid:

»Eure Hand versprach mir Sicherheit:

Die gebet diesem Mägdlein jetzt.

Alles was mein Herz ergetzt

Sitzet zu der Rechten mein:

Ihr Gefangner sollt ihr sein.«


Als da Meljanz näher kam,

Gawanen bei der Hand sie nahm:

Das sahn viel Ritter kühn im Streit.

»Herr König, Unrecht thatet ihr,

Wenn ein Kaufmann ist mein Ritter hier,

Wie meine Schwester hat gewollt,

Daß Ihr Fianz ihm habt gezollt.«

So sprach die junge Obilot.

Meljanzen sie darauf gebot,

Er solle Sicherheit geloben,

Und zwar Hand in Hand geschoben,

Ihrer Schwester Obie.

»Zur Herrin und Amie[525]

Habt sie mit Gottes Segen;

Zum Ami und Herrn dagegen

Soll Sie euch haben immerfort:

Gehorchet Beide meinem Wort.«


Gott sprach aus ihrem jungen Munde.

Ihr Gebot geschah zur Stunde.

Da meisterte Frau Minne

(Wohl hat die Kraft und Sinne)

Im Bund mit herzlicher Treu

Der Beiden Minne wieder neu.

Obiens Hand dem Kleid entschlüpfte,

Meljanzens Armbinde lüpfte:

Mit Weinen küsst' ihr rother Mund

Ihn, der von der Tjost noch wund.

Manche Zähre seinen Arm begoß,

Die ihr aus lichten Augen floß.

Wer macht sie vor dem Volk so dreist?

Die Lieb ermuthigt allermeist.

Lippaut sah seinen Wunsch vollbracht:

Er hatte Liebres nie erdacht,

Da ihm Gott die Ehre zuerkannte,

Daß er die Tochter Herrin nannte.


Wie man die Hochzeit begieng

Fragt Den, der Gabe dort empfieng,[526]

Und Die beim Feste ritten.

Ob sie ruhten oder stritten,

Das ist mehr, als ich berichten kann.

Man sagte mir, daß Gawan

Auf dem Saale Urlaub nahm,

Zu dem er Urlaubs willen kam.

Wohl weinte Obilot da viel.

Sie sprach: »Nun führt mich mit euch hin.«

Da ward der jungen süßen Magd

Von Gawan dieser Wunsch versagt.

Die Mutter kaum sie von ihm brach,

Als er des Abschieds Worte sprach.

Lippaut, der holdes Herz ihm trug,

Der bot ihm Dienste da genug.

Scherules, sein stolzer Wirth,

Mit den Seinen nicht versäumen wird,

Den Helden zu geleiten.

Es gieng durch Waldesweiten.

Drum sandt' er Jäger vor mit Speise

Ihn zu versorgen auf der Reise.

Urlaub nahm der Degen werth:

Mit Kummer war Gawan beschwert.


Quelle:
Wolfram von Eschenbach: Parzival und Titurel. 2 Bände, Stuttgart 1862, Band 1, S. 454-527.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Parzival
Parzival. Text und Übersetzung. Mittelhochdeutscher Text: Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text Nach Der Sechsten Ausgabe Von Karl Lachmann. Mit ... Und in Probleme Der Parzival-interpretation
Parzival - Band 1: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival - Band 2: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival: Band 1 und 2
Parzival I und II (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch)

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Fräulein Else

Fräulein Else

Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.

54 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon