Der Adriatischen ROSEMVND

sechstes Buhch.

[213] Der lang-gewündschte tahg wahr kaum angebrochchen, als Markhold seine libe Rosemund zu besuchen anlangte. Di tohr-wärterin kahm eilend gelauffen, solche erfräuliche zeitung unserer kranken an zu kündigen, welche dahr-über so fro ward, daß si ihr eine zimliche verehrung dahr zu reichen befahl. Es ist unmühglich zu beschreiben, wi fro, wi lustig und belähbt sich unsere Schöne bei ihres trauten ankunft erzeugte. Gleich wi ein kohl-garten, der seine stauden bei al=zu-hizzigen sommer-tagen ohn' einig' enthältnüs hinfallen lässet, durch einen lihblichen rägen wider-üm erkwikket würd, und seine verwälkte blätter auf-rüchtet; so ward auch unsere Rosemund durch den anblik ihres Gelihbten so erkwikket, und so erfräuet, daß an ihr keine krankheit, als an dem blohssen auswändigen leibe, zu spühren wahr. di gebährden, wi mat vnd hinlässig si auch zufohr gewäsen waren, warden so lustig, und das angesicht, wi blas es gewäsen wahr, erröhtete sich bei seiner ankunft so sehr, daß man wohl verspühren konte, daß si ihren rächten leib-arzt noch nicht bei sich gehabt hatte, und daß nuhr ein fräundlicher anblik ihres geträuen mehr kraft hätte, als bezoar, gold=trank, und alle köstlichste stärk-mittel aus der arznei-kammer: Si begunte nuhn auch widerüm so zu räden, wi si fohr-hähr gepflogen hatte, und befand sich fast in gänzlicher gesundheit. Ja, [279] nahch-dähm si nuhn in drei tagen fast nicht einen bissen gegässen hatte, so lihs si auch izund allerhand speisen auf-tragen, und täht mit ihrem Markhold, welcher sich bei dem tische, dehr fohr ihrem bette stund, nider-gelahssen hatte, eine guhte mahl-zeit. Das ganze haus-gesinde sahe mit grohsser verwunderung zu, und wahr zum höhchsten erfräuet, daß sich fohr ihre krank-heit so ein guhtes mittel gefunden hätte. Markhold selbst wahr verwundert dahr-über, und suchete noch mehr mittel[214] seine Schöne zu erlustigen. Er bracht' ihr aller-hand kurz-weilige räden fohr, und ergäzte si so vihl, als ihm mühglich wahr. Lätslich erzählt' er auch, auf ihr anhalten,


Eine

Nider-ländische geschicht

von einer ahdlichen Jungfrauen und einem

Rit-meister.


Dise geschicht, sagt' er, di ich meiner Schönen schohn fohr-längst hab' erzählen wollen, ist in wahrheit noch wohl so vihl währt, daß si mein Fräulein wüssen mahg; dan si bildet ehrstlich eine träue Libe zweier lihbsten, dahr-nahch auch di verfluhchte kargheit und eh-zwang der ältern ab.

Es ligt nicht färn von hihr ein Hern-hohf, auf welchem ein fohrnähmer von adel wohnete, dehr ein' einige tochter hatte, und diselbe in ahdlichen tugenden sehr wohl auf-erzühen lahssen. Dise Tochter hatte von jugend auf grohsse fräundschaft mit einem andern von adel gepflogen, welcher si auch nahch-mahls, als er Rit-meister worden wahr, von ihrem Vater zur ehe begährete, und weder eine abschlägige noch gewüs-zusähgliche antwort bekommen hat. Mitler zeit aber, da di sach-[280]chen schohn zimlich lang' in solcher ungewüsheit gestanden hatten, so begahb es sich, daß, ohne den fohr-bewust diser Jungfrauen ein geldrischer von adel, welcher schohn ein alter, aber sehr reicher man wahr, bei ihren ältern üm si anhihlt, und von beiden das jah-wort und di zusage bekahm. Di Tochter aber, als si gefraget ward, ob si ihn begährete? gahb alsobald zur antwort, daß si in alle ewigkeit seiner nicht teilhaftig wärden wolte. Dan, fuhr si fort, wi kan sich ein mänsch zu eines libe zwüngen? und wi sol ich einen solchen lihb-gewünnen, fohr dehm ich abschäu trage? Wan er sich zu ihr nahen wolte, nahch verlihbter leute gebrauch, mit ihr zu schärzen, so stühs si ihn von sich, und wolt' ihm ganz keine gnad' erzeugen. Als si aber sahe, daß si di ältern mit gewalt dahrzu zwingen wolten, so färtigte si ihre dinerin in geheim zu gedachtem Ritmeister ab, fühgt' ihm durch ein kleines[215] brihflein zu wüssen, in was fohr noht si wäre, und baht ihn, daß er doch der alten kundschaft, di er mit ihr gepflogen hätte, eingedänk sein möchte, und si aus solcher angst erlösen.

Der Ritmeister, der sich beides durch lihb' und barmherzigkeit bewogen befand, sagt' ihr seinen mühglichsten beistand also-bald zu; und si lihs ihm alle tage durch ihre kammer-dinerin heimlich brife zu-bringen. Weil aber di Tochter so hart gehalten wurde, daß si nicht ein-mahl von dem hofe hinunter gähen durfte, so schwomm' er in der abänd=dömmerung durch den schlos-graben nahch dem garten zu, dahr-in sich dise armsälige befand, und seiner wartete. Aber si konten in solcher stille nicht lange mit einander sprache halten; dan di hunde, welche seiner alsobald gewahr warden, huben so häftig an zu bällen, daß der alte Vater veruhrsachchet ward in den garten zu gähen, da er nimandes als seiner tochter ansichtig ward. [281]

Dise arm-sälige huhb also-bald an zu zittern, und gahb sich ihres verbrächchens (wan es anders disen namen verdinet) selbst schuldig, dehr-gestalt, daß der Vater unschwähr vermärken konte, daß si ihmand würde bei sich gehabt haben. Er sahe zwahr keinen einigen mänschen, als si alein, dan ihr Lihbster und erlöser hatte sich schohn so wohl verborgen, daß man ihn weder fünden noch sähen konte, gleichwohl lihs er nahch dehr zeit dise arme verfolgte in ihr zimmer verschlühssen, daß si ja mit nimand unterschläuf pflägen möchte. Weil si sich aber noch nicht in seinen wüllen bekwähmen wolte, und man kein antwort, als ein un-nahch-läßliches weinen, von ihr bekahm, so gahb er ihrem alten freier den raht, daß er ihr etliche schaz-stükke von gold und ädlen steinen verehren solte, damit er si vihl-leicht durch solche köstliche gaben zu seinem wundsch er-weichen möchte.

Diser alte wahr gewüs nicht faul: er lihs di aller-schöhnsten ketten, di aller-köstlichsten arm-bänder, di präch-tigsten ringe und anderen weiber=schmuk machchen, und besuhchte si mit solchen über-täuren und grohssen schäzzen, in einem zimmer alein; er gedacht' ihr selbige zu über-reichen, und durch den glanz dises täuren ärz-wärkes di[216] augen zu verbländen; aber er hätte eher gedänken sollen, daß ein solcher auf-gewäkter, frischer und ahdlicher geist, auf solche weise nuhr mehr zum zorn' und unwüllen, als zur gunst und libe, könte gereizet wärden. Dan si wolte seine geschänke durch-aus nicht annähmen, und wägerte sich so lange, bis ändlich Vater und Mutter dahrzu-kahmen, und si mit solchen harten dräu-worten, daß si nimmer-mehr fohr ihr kind solte gehalten wärden, gewaltsamer weise zwangen, selbige an zu nähmen. Aber ach! [282] wan man ein jungfräuliches härze mit solchem zwang' und drang' erweichen sol, so gäht es wohl rächt den kräbs-gang! es ist doch alle mühe verlohren, alle unkosten sein ümsonst, und es heisset, gezwungen eid ist Got im himmel leid.

Wi bitterlich huhb dise bedrängte an zu weinen, als si mit solchen geschänken in ihr zimmer kahm! Si schmis alles über den boden hähr, und traht es mit fühssen; ach! sahgte si und schrie über-laut, wan nuhn der tohd kommen möchte, mihr beistand zu leisten, wi würd' er mihr so ein angenähmer gast sein. aber er flühet führ mihr, damit ich mit disem alten noch länger sol gekwählet wärden: o angst! o kwahl! o jammer! ich gläube nicht, daß ein mänsch ihmahls so armsälig gewäsen ist als ich, und daß di höllen-kwahl häftiger sei, als di meinige. Jah wohl rächt mahg man von unsern landes-läuten sagen, daß si sich al-zu-sehr durch das gäld bezaubern lahssen; der verfluchte Reichtuhm verbländet ihnen in wahrheit di augen so sehr, daß si weder auf libe, noch geschikligkeit, noch tugend achten. Aber meine ältern mögen wüten, wi si wollen, so sag' ich doch kurz und rund, daß ich kein gäld, oder keinen alten eh-kröpel, däs gäldes halben liben kan! ei liber! was müssen dijenigen jungfrauen (derer hihr zu lande, leider! sehr vihl gefunden wärden) [283] fohr eine libe tragen, di nuhr blohs aus lib' und gihrigkeit zum gälde, zur ehe schreiten? der reichtuhm ist ihr Lihbster, oder damit ichs deutlicher sage, der verfluchte gäld-teufel, dehr mich izund auch zu bestrikken gedänket: aber ich schwöre bei[217] meinem GOT, daß er nimmer=mehr teil an mihr haben sol; meine sehle ist vihl zu ädel und vihl zu lauter dahr=zu, daß si sich mit solchen wältlichen un=reinigkeiten beschmüzzen sol.

Als si äben dise worte här-aus-stühs, so kahm ihre kammer-dinerin, si zur abänd-mahlzeit zu ruhffen, hinein, aber si wolt' ihr kein gehöhr gäben, wolt' auch von keinem ässen noch trünken in dreien tagen hören, sondern lägte sich auf ihr lager und weinete von härzen; si seufzete, si klagte, si wimmerleichte so sehr, daß ihr alter freier ändlich gezwungen ward von ihr ab zu lahssen, und sich mit höchstem unwüllen nahch hause zu begäben.

Der Vater sahe solches noch eine lange zeit mit an, und wuste nicht was er begünnen solte. Er hatte zwahr ein wenig mit-leiden mit den trähnen seiner tochter (dan welcher mänsch wolte wohl so hart sein, daß er sich über sein einiges kind nicht erbarmen solte:) aber sein gäld-geiz gahb ihm fast augen-bliklich di sporen, und strängt' ihn solcher gestalt an, daß er sich ändlich entschlos, dise arm-sälige foländ arm-säliger zu machchen. Er nahm ab-räde mit seiner Frauen, daß si auf den andern morgen sehr früe mit ihrer tochter nahch Geldern zu-fahren solte, und si ihrem alten Lihb-haber einhändigen. Damit si [284] aber solches nicht märken möchte, so gaben si fohr, daß si aus lust-wandeln fahren würden. aber di kammer-dinerin, welche von färnen verstanden hatte, daß es nahch Geldern zu gälten solte, brachte solches bei ihrer Jungfrauen an, di ihr also bald schwanen lihs, daß man si zum trauen zwüngen wolte; dehr-gestalt, daß si noch selbigen abänd dem Rit-meister zu-entbüten lihs, daß er sich des andern morgens auf dem geldrischen wäge möchte fünden lahssen, und si aus ihrer noht erlösen.

Der Ritmeister nahm auf den andern morgen fünf reiter von seiner schahr zu sich, und machte sich mit ihnen auf di geldrische hehr-strahsse, da er dan den himmel-wagen, dahr-auf seine Lihbste mit ihrer Frau Mutter sahs, also-bald erblikte. Er machte sich ganz aleine hin-zu, und lihs di reiter von färnen nahch-folgen; Er boht ihnen einen guhten morgen, und frahgte di Mutter, wo si so früh[218] hin-aus gedächten? aber si gahb ihm keinen andern bescheid, als disen, daß er sich dahr-üm nicht zu bekümmern hätte. gemach, gemach! meine Frau, fuhr er fort, es stähet ja noch wohl einem bekanten fräund' eine frage frei; und wi hätt' ich unterlahssen können, si im führ-über-reiten an zu sprächchen, in-dähm es mihr sonderlich un-gewöhnlich führ-kömt, daß ich si bei so früher zeit aus-fahren sähe? Als si ihm aber keinen rüchtigen bescheid gäben wolte, so fing er ändlich zu ihr an und sahgte, daß si doch ihrer Jungfer Tochter vergönnen möchte, zu ihm här-aus zu träten, dan er hätte ihr etwas in geheim zu sagen. was si wüssen sol (gahb di mutter zur antwort) das mahg ich auch wohl wüssen; er sag' es nuhr laut, damit ichs auch höre.

Als er aber noch färner dahr-üm angehalten hatte, und si sich ganz nicht dahr-zu verstähen [285] wollen, daß ihre tochter aus dem Himmel-wagen geträten wäre, so gahb er ändlich seinen reitern einen wink, dehr-gestalt, daß der eine sporen-streichs auf si zu-kahm, und dem kutscher stil-zu halten befahl. Di ädel-fraue huhb an zu ruhffen, und hihs den kutscher fort-rännen: weil ihm aber der reiter den reit-puffer fohr di brust säzte, so ward er gezwungen di pfärde auf zu halten.

Mitler zeit frahgte der Ritmeister di Jung=fraue, ob si ihm nuhn das-jenige, was si ihm bei träu und glauben so fäst versprochchen hätte, halten wolte? und wan si solches zu tuhn gedächte (sahgt' er) so solte si zu ihm här-aus-kommen. Di arm-sälige boht ihm also-bald di hand, und der eine reiter öfnete den schlahg, damit si häraus träten könte. Als nuhn di mutter solches sahe, so fihl si der tochter üm den leib, und hihlt si so fäste, daß ihr auch di übrigen reiter, di zu dem andern schlage hin-ein-kahmen, im abträkken den daumen zerbrachen.

Also ward si mit gewalt aus den armen ihrer mutter här-aus-gerissen, welche ihr ganz erbärmlicher weise nahch-rühf, ach! meine tochter, meine tochter, wült-du mich nuhn so betrüben! wült-du nuhn deine ältern so gahr verlahssen! Dise worte veruhrsachten, daß sich di Jungfrau mit weinenden augen nahch ihrer mutter ümsahe, und gärn widerüm bei ihr gewäsen wäre; aber der Ritmeister sprahch ihr einen[219] muht zu, und sahgte; weil si ehrst so ein härz gehabt hätte, solches an zu fangen, so solte si es nuhn nicht sünken lahssen; jah daß ihr von Got und von den rächten wohl zu-gelahssen wäre, vater und mutter zu verlahssen, und ihrem lihbsten an zu hangen. [286]

Mitler-zeit ward si auf ein pfärd gesäzt, und nahch däm Hern-hause, dahr-auf seine mutter wohnete, zu-gebracht; da si sich dan eine zimliche zeit, in hofnung, daß der vater seinen gefassten zorn und unwüllen würde fahren lahssen, auf-hihlt. Aber es wahr ümsonst, daß man solcher änderung von einem alten geiz-halse wolte gewärtig sein. Es konte nichts bei ihm verfangen, und es wahr äben so vihl, als wan ihn eine gans anpfiffe, wan ihm etwan ein vernünftiger mänsch einräden wolte.

Di geistlichen kahmen ändlich auch dahr-zu, und gedachten di sachche mit gelindigkeit zu schlichten, aber es half nichts; der alte bildet' ihm doch ein, daß seine tochter schuldig wäre, einen solchen zu liben und zu ehligen, dehn er wolte. Er begährte si nicht mehr fohr sein kind zu erkännen; er enterbete si, er wolte si nicht mehr sähen.

Bei so gestalten sachchen nuhn wolte si sich gleich=wohl, wider ihres vaters wüllen, nicht trauen lahssen, und begahb sich, ihm zu gehorchen, nahch Reinwurf in ein haus von des Ritmeisters fräunden; da si der Vater durch einen geistlichen oft=mahls ermahnen lihs, daß si von dem Ritmeister ablahssen, und seinem wüllen gehorsamen möchte; aber es wahr nuhn-mehr vihl schwärer, ihr ein solches ein zu räden, das ihr unmühglich zu tuhn wahr: dan der Ritmeister hatte si ihm durch solche seine träue dihnste so verpflüchtlich gemacht, daß si nimmermehr von ihm lahssen konte. Jah si lihs dem vater, als er noch immer mehr und mehr anhihlt, zu-läzt zu-entbüten, daß si sich schohn fleischlich zu=sammen-gefunden hätten: dan si gedachte durch solche noht-lügen den handel däs zu eher zum aus=schlage zu bringen; wi es dan auch also geschahe.

Der Vater bewülligte lätslich, daß si einander trauen möchten; aber er wolte si nicht mehr fohr [287] sein kind noch erbin erkännen. Er vergahb ihr zwahr solchen ungehohrsam, durch vermittelung ihres kindes, das si von dem[220] Ritmeister bekommen hatte; aber aus der erbschaft schlohs er si in seinem stiftungs-brife gänzlich aus; ihdoch lihs er auf bitten und ansuchen ihrer mutter und fräunde, noch fohr seinem tohd' eine nahch-stiftung schreiben, dahr-innen er si wider-üm einsäzte. Dehr-gestalt, daß si, nahch seinem abstärben, und noch itsiger zeit, di väterlichen gühter besizzet, und das hern-haus mit ihrem eh-manne selbst bewohnet.

Dises, mein gelihbtes Fräulein, ist di wunder=begäbnüs, di ich ihm ohn-gefähr fohr zwe mahnden zu erzählen versprochchen; und ich aus dem mund' eines fohrnähmen Frauen-zimmers, welches selbst mit dahr-bei gewäsen ist, als sich solches begäben hat, vernommen habe.

Ich mus in wahrheit bekännen, huhb di Rosemund hihr-auf an, daß es eine rächt-wunderliche geschicht ist, und ich hätte nicht vermeinet, daß es alhihr in disen Niderlanden solche hart' und unbarmhärzige ältern gäbe. Ach! mein Fräulein, fihl ihr Markhold in di räde, man fündet si noch vihl unbarmhärziger; ich habe nuhr näulich eine freierei von einem von adel und einer fohrnähmen bürgers-jungfrauen erzählen hören, da der Vater seine einige tochter, damit er ihr das mutter=teil, so sich auf ein zimliches belühf, nicht häraus gäben dürfte, an ketten hat schlühssen lahssen, als er vernommen hatte, daß si sich verehligen wolte. Dan der geiz hat alhihr so sehr über-hand-genommen, daß auch ofter-mahls di alten buklichten läute noch bis in ihre gruben hin-ein däm gälde tahg' und nacht nahch-trachten, und nicht aufhören, si fahren dan dahrmit ganz und gahr zur höllen hin-unter. [288]

Man pfläget ins gemein von den hohch-deutschen zu sagen, daß si ehr-gihrig, hohch-mühtig sein, und führ und führ nahch ehren zu sträben pflägen, wi es dan di lautere wahrheit ist; aber hin-gegen das gäld liber hinten-an-säzzen, und sich des wohl-standes befleissigen; von den Niderdeutschen wül fast das wider-spihl erfolgen, weil si an ihrem reichtuhme so hart und fäste kläben, daß si fast mit keiner gewalt dahr-von zu bringen sein, und sich vihl liber in dem stünkenden schlamme der nidrigkeit und unehren härüm wälzen, wan si nuhr den weiss- und gälben koht[221] besizzen können, als nahch ruhm und ehren sträben. Dahähr kömt es oft-mahls, daß manche zahrte jungfrau von ihren ältern, in-dähm si nicht auf tugend und geschikligkeit, sondern auf den blohssen verfluhchten reichtuhm sähen, so übel verehliget würd, daß si in ihrer ehe keine fröliche stunde, wan si nähmlich bei einem solchen büffel und äsels-kopfe das junge, lustige läben verschlühssen mus, zu gewarten hat. Vihl-mahls geschihet es, daß solche eh-gatten, nicht alein das ihrige, sondern auch dasselbige, was si mit ihrer frauen bekommen haben, verprassenund verschwänden, oder doch sonst unfohrsichtiger weise durchbringen; dehr-gestalt, daß si beider-seits, da si doch kurz zufohr sehr reich wahren, in di schmählichste armuht gerahten. Vihl-mahls trägt es sich zu, daß ein solches junges weib, wan si von ihrem tummen, filzigen manne nicht rächt [289] kan bedinet wärden, einen andern suchet, und den ihrigen tapfer behörnet: ich kan si nicht verdänken, sondern wil vihl=mehr ihren ältern di schuld gäben, di si bässer hätten verheurrahten sollen.

Mein her dörfte däm nider-deutschen frauen=zimmer wohl eine guhte lähre gäben (huhb di Rosemund mit lächlen an) und ich weus gewüs, di männer wärden ihm höchlich dahr-führ danken. Aber ich möchte wohl wüssen, wi sich das Frauen=zimmer von seinen unbedachtsamen ältern so un=billiger weise kan zwüngen lahssen? ich solte einen solchen mänschen, zu dehm ich keine libe, noch fräundschaft, noch gunst trüge, nimmer-mehr ehligen können: wan ich gleich alle meine gühter, und mein ganzes erbe verlühren solte; ich wolte liber durch das feuer gähen, und den tohd erkühren, als einen eh-gatten, wider meinen sün und wüllen nähmen. Ach! was mus das fohr ein eländes jämmerliches läben sein! ach behühte mich mein Got dahr=führ! Ich kan mihr fast nicht einbilden, daß ältern können gefunden wärden, di solcher Zitischen und wilden ahrt sein, daß si ihre leiblichen kinder, nuhr däs blohssen guhtes wägen so zwüngen, und ändlich wohl gahr zur höllen hin-unter bringen dürfen.

[222] Man hat dehr-gleichen begäbnüsse gnug fohr augen, gahb Markhold zur antwort, und man erfähret es noch tähglich, wi der rasende geld-teufel in den gemühtern der betahgten herschet und wütet. ja er machchet si so blind, daß si fohr däm schimmern däs goldes, und flinkern däs silbers nicht sähen können, was [290] guht oder böse, was gleich oder krum ist. di finger an den händen erstarren, und stähen zum gäld-scharren und raffen stähts gekrümmet. Ich kan in wahrheit nimmer-mehr gläuben, daß ein solcher tol-sünniger, gäld-geiziger und karger filz, nuhr so vihl ruhe hat, daß er einmahl mit an=dacht bähten möge.

Ich kan es auch äben so wenig glauben (fihl ihm Rosemund in di räde) dan wi sol es mühglich sein, daß ein solcher mänsch, dehr auf seinen reichtuhm so gahr erpicht ist, daß er weder tahg noch nacht ruhen kan, seine gedanken zu Got im himmel länken könne. Der gold-klumpen zühet di härzen der mänschen an sich, gleich wi der libes-stein oder magneht das stahl; und man darf sich nicht muht-wüllig solchem laster unterwärfen, es fündet sich ohne dis mehr als al-zu-vihl.

So dürfte sich kein einig mänsch der kaufman=schaft befleissigen, fihl ihr Markhold in di räde, weil man sich solcher gestalt muhtwüllig dem gäld-wucher unterwürft. Jah freilich (gahb Rosemund zur antwort) dan, damit ich mit der h. schrift räde, wi ein nagel zwischen der wand; so stäkt di sünde zwüschen dem käuffer und verkäuffer. und man läse nuhr di ganze h. schrift durch, und suche, ob ein einig ding so sehr verdammet würd, als der überflüssige reichtuhm: unser heiland und sälig-machcher wül di reichen fast ganz aus seinem erbe-teil aus-schlühssen. di lanz-knächte, di doch sonst von der izigen wält fast verdammet wärden, haben noch ihre verheissung, und wärden in der schrift selbst mit allerlei lohb-gesängen geprisen; [291] di gelährten, wi Daniel sagt, sollen im ewigen läben leuchten wi des himmels glanz, und di rächts-beförderer wi di stärnen immer und ewiglich: aber di reichen kauf=leute zu Tihr' und Sidon warden dagegen[223] wenig geprisen, und auf nihmand eifert di schrift und der mund der wahrheit so sehr, als auf si. Der reichtuhm ist der sprüng- und brun=kwäl alles bösen und aller laster, di nahrung der füllerei, der hurerei, der pracht und anderer üppigkeit.

So wül mein Fräulein (fing Markhold hihr=auf an) den reichtuhm so gahr verdammen? Reichtuhm und reichtuhm ist zweierlei, gahb si ihm wider zur antwort, es mahg ein mänsch wohl reich sein, und kan doch sein gewüssen unbefläkt bewahren; der reichtuhm, dehn uns GOT im schlahffe gibet, dehr ist der rächte; wan wihr nicht sorgen, noch mit angst und bekümmernüs dahr=nahch sträben. Aber wihr vertühffen uns in disem gespräche zu sehr, da wihr doch di zeit zu lustigern räden anwänden solten.

Gleich bei fol-ändung diser wächsel-räden kahm der Her Vater in das zimmer hin-ein, seine libe tochter zu besuchen, und wahr über alle mahssen erfräuet, als er si so lustig und so mundter antrahf. Er entfing auch den Markhold, als den einigen heiland und artst seiner tochter, mit nicht geringen fräuden. di lust und fröhligkeit sahe man in seinem gesichte so scheinbahrlich entworfen, daß si kein maler künstlicher fohr- und ab-bilden kan. Er wuste nicht, wi er sich gegen den Markhold gnugsam bedanken solte, daß er di müh-waltung auf sich genommen hätte, seine unbäs-[292]liche tochter nicht alein zu besuchen, sondern auch zu solcher märklichen bässerung zu verhälfen. Dan er konte leichtlich sähen, daß ihr nuhr alein durch ihn wahr geholfen und gerahten worden, und daß er der einige mitler und wänder ihrer krankheit wäre.

Das älteste Fräulein, Stil-muht, kahm ändlich auch dahrzu, und wahr äben so sehr bestürzet, als der alte Her, da si ihre Schwäster in solchem verbässertem zustande sahe. Si unter-hihlten einander etliche stunden mit aller-hand gesprächen, und es hätte sich noch länger verzogen, wo si nicht der här-zu-nahende abänd gezwungen hätte, von ein=ander zu scheiden. Markhold must' also seine Lihbste gesägnen, und sich mit dem alten Hern wider nahch Amstelgau begäben, da er sich kaum drei oder vihr tag' auf-gehalten hatte, als di Rosemund schohn zu einer solchen fol-ständigen[224] gesundheit gelanget wahr, daß si ihn noch fohr seinem abreisen selbst besuhchte.

Es ist unmühglich zu beschreiben, wi das haus=folk über solcher jähligen änderung so höhchlich erfräuet ward; und was der Her Vater noch selbigen abänd fohr lust-spihle beställen lihs. Es ward in der dömmerung ein solches lihbliches stirn- und seiten-spihl gehalten, daß der ganze garten da-von fol ward. ja es wahr über-al in däm ganzen hause solche fräude fohr-handen, weil sich di götliche Rosemund wider wohl auf befand, daß das gesinde lange zeit so frölich nicht gewäsen wahr. Aber wi frölich, wi lustig auch dise geselschaft immer-mehr sein mochte, so ward doch Markhold ändlich gezwungen, si zu verlahssen, und seinen wähg des andern tages widerüm nahch Reinwurf zu zu nähmen.

Di Rosemund wahr mit solchem geschwünden ab-reisen nicht wohl zu friden; aber der wohl-stand [293] und ihre angebohrne zucht und höhfliche schahm wolten ihr nicht so vihl gestatten, daß si sich däs=wägen gegen den Markhold beklaget hätte. Di augen gaben zwahr mit stummen räden an den tahg, was si in ihrem härzen wündschte; aber si hatte nicht so vihl macht über ihre zunge, daß si solches ihr anligen här-aus gesprochchen hätte. Di matten blikke ihrer betrühbten augen kahmen mit den hin=fallenden gebährden und ihrer schwachchen stimme dem wohlstande so ahrtig zu hülfe, daß man dises götliche bild nihmahls so lihblich, so ahrtig und so libes-entzükkend gesähen hatte, als da si sich in solchem zustande befand. Wan ein mahler di trühb=säligkeit und das weh-leiden ab-bilden wolte, so könt' er in wahrheit kein bässeres gleichnüs und äbenbild dahr-zu fünden, als wan man si in solcher gestaltnüs entworfen hätte.

So bald si in ihr zimmer aleine kahm, so säzte si sich auf das bette; ach! sagte si, zu was fohr einem grohssen unglükke hat mich nuhr der ungeneugte himmel erzihlet, und was würd mihr noch ändlich fohr ein ungestümes verhängnüs über den kopf kommen! ich kan di vihlheit meines unglükkes nicht zählen, es träkt immer eines das andere, dehr-gestalt, daß[225] ich seinem wüten unaufhöhrlich unterworfen bin. wan sich nuhr di stunde meines tohdes härzu nahen möchte, so wolt' ich zur ewigen vergnügung von hinnen fahren, weil ich doch di zeitliche nicht fünden kan. o eländes, o erbärmliches läben! andere suchen ihre vergnügung in den irdischen schäzzen und [294] reichtühmern; ich aber, ob ich dise gleich habe, so kan ich doch jene nicht fünden. alle schäzze der wält, alle reichtühmer und alle herligkeit halt' ich vergänglicher und vihl geringer als rauch. was ich begähre, das hab' ich; was ich wündsche, das säh' ich fohr meinen augen: aber dehr einige schaz, dehr mihr so manche trähnen und so manchen kummer veruhrsachchet, dehn kan ich nicht erlangen, wi sehr ich mich auch dahr-üm bemühe. Ich darf nuhn nicht mehr hoffen, daß sich mein verhängnüs ändern wärde: es ist aus; aus ist es, und ich wärde das ände bald sähen.

In-dähm si solche worte mit seufzen här-aus gestohssen hatte, so lahg si eine guhte weile stok=stille, nicht anders, als wan si in ohnmacht gefallen wäre. Di augen waren halb eröfnet, der mund verblasset, di zunge verstummet, di wangen verblichchen, di hände verwälket und unbewähglich; ja der ganze leib lahg eine guhte zeit gleichsam ganz geist- und sehlen-lohs. ändlich erhuhb si sich widerüm, und sahgte mit sehr klähglicher stimme; Jah mein unglük ist noch vihl gröhsser, als ich mihr einbilde, indähm es auch zugleich noch ein anderes erwäkket. ich bin armsälig, und verarmsälige dehnjenen, dehm ich alle libe, alle fräundschaft und träue zu leisten geschworen habe. wan ich noch alein unglüksälig wäre, so solte mich mein unglük nicht so sehr betrüben; aber weil [295] ich weus, daß ich meinen Gelihbten auch dahr-ein stürze, so kan ich mich der häftigsten betrühbnüs nicht entäussern, und wärde mich nimmer-mehr zu friden ställen.

Als si solches gesahgt hatte, so ging si hin-unter in den garten, da si noch eine guhte weile ganz alein här-ümwandelte, und sich in solchen tühffen gedanken befand, daß[226] si der einfallenden nacht kaum gewahr ward. Di Sonne wahr nuhn-mehr ganz unter-gegangen, der mahnd stund mit seiner hälfte zwüschen den stärnen, und schauete diser trühbsäligen mit traurigem gesichte zu: der himmel selbst wahr aus mit-leiden entställt, und di wolken wusten nicht (so als es schine) ob si eilen oder gahr verzühen solten.

Rosemund lihs sich lätslich entkleiden, und begahb sich in solcher trühbsäligkeit zu bette. Aber es wahr nuhr ümsonst, daß si ihren kummer durch den schlahf zu verjagen gedachte. Dan er hatte sich in ihr härz schohn solcher gestalt eingesänket, daß er so bald nicht zu vertilgen wahr. Si brachte fast di ganze nacht schlahf-lohs durch, und wahr auf den morgen so unlustig, daß si sich schohn widerüm etlicher mahssen unbas befand. Der Her Vater besuhchte si sehr fleissig, und bemühete sich mit aller macht, seine libe tochter widerüm zur fol-komnen gesundheit zu bringen. Aber es konte si nihmand tröhsten, als ihr einiger trohst, der nuhn-mehr schohn wider entfärnet wahr. Si ward von tage zu tage schwächcher, und hatte von däm nuhn an fast keine gesunde stunde. Der Her Vater wolte si auch nicht widerüm von sich hin-aus auf das land lahssen, sondern lihs ihr ein sonderliches zimmer zu=richten, dahrinnen ihr nahch mühgligkeit könte gedinet wärden. [296]

Mitler-zeit ersuhchte si Markhold sehr oft mit schreiben, und erhihlt auch alle-zeit antwort; aber waren di seinigen fol trohstes und hofnung, so waren di ihrigen fol trühbnüs und verzweifelung. Si konte sich ganz nicht beräden lahssen, daß noch einige hofnung fohr-handen wäre: di unmühgligkeit schwäbet' ihr einig und alein fohr augen, und machte si über-aus klein-laut. Gedachte si an den anfang ihrer libe, so räuet' es si, daß si sich eines solchen unter-wunden hätte, das si nuhn nicht fol-bringen könte: Erwohg si den fort=gang, so ward si betrühbt; betrachtete si das ände, so erzitterte si, und es wahr ihr leid, daß si es nicht ändern konte. Nichts aber kahm ihr schmärzlicher fohr, als daß si keinen einigen mänschen hatte, dehm si ihr anligen und weh-leiden klagen dorfte; dan Markhold wahr nicht zugegen; Adel=mund, dehr si sonst alle ihre heimligkeiten, di si unter ihrem härzen verborgen truhg, entdäkket[227] hatte, wahr al-zu-weit entfärnet; dem Hern Vater konte si nichts dahrvon sagen; und ihre Schwäster wolte si es auch nicht wüssen lahssen; dehr-gestalt, daß si nihmand hatte, dehm si ein teil ihrer bekümmernüs auf-bürden könte.

Solcher-gestalt ward di wunder-schöne Rosemund ihres jungen läbens weder sat, noch fro, und verschlos ihre zeit in lauter betrühbnüs. Was aber mehr von ihr zu beschreiben ist, und wi es ändlich mit ihrer krankheit hin-aus-gelauffen, das würd eine von ihren guhten Fräundinnen selbst auf-säzzen, und der träu-liben den wält vihl-leicht öffendlich zu läsen gäben. Mihr wül dannenhähr nichts mehr gebühren, als daß ich das-jenige unberühret fohr-bei-lahsse, was ihr eine vihl-geschiktere hand schohn zu beschreiben fohr-genommen hat. und es ist ohne dis mehr [297] als alzu vihl, daß ich mich hab' erkühnen dürfen, ihre heimligkeiten zu offenbahren. ih-doch weil es solchem götlichen mänschen-bilde zu nichts, als zu einem unstärblichen namen, gereichen sol; so würd es ein ruhm- und tugend-libendes Frauen-zimmer in allem bästen vermärken, und mit mihr zu allen zeiten erhöben das rühmliche gedächtnüs der über-mänschlichen Adriatischen ROSEMVND.


AENDE.

[298][228]

Quelle:
Philipp von Zesen: Adriatische Rosenmund. Halle a.d.S. 1899, S. 213-229.
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