|
[143] Assenat hatte inzwischen fast alles erfahren / was sich mit dem schönen Leibeignen begeben. Sie wuste / daß ihn ihr Vater von den Ismaelern gekauft. Sie wuste / daß er ihm fast zehen jahr gedienet. Sie wuste / daß ihn Potifar über sein gantzes Haus gesetzet; daß er ihm alles das seinige anvertrauet: daß er /durch Josefs getreuen fleis und fürtreflichen verstand im haushalten / an reichtühmern über alle maße zugenommen. Ja ihr war unverborgen / daß ihr Vater ihn deswegen überaus geliebet / und anders nicht gehalten / als seinen leiblichen Sohn. Auch war ihr aus Potifars eigenem schreiben / und aus seinem munde selbst bekant / wie hoch er ihn iederzeit gepriesen. Darüm konte sie ihr nicht einbilden / woher sich das blat so gar plötzlich ümgekehret. Sie konte nicht begreiffen / woher es kähme / daß Potifar ihn in das gefängnüs geworfen: davon der ruf schon zu Heliopel erschollen. Ihre verwunderung über eine so uhrplötzkiche veränderung zwang sie nach zu forschen. Sie vernahm ein gemummel unter dem volke / daß Josef unschuldig sei. Und dieses verursachte sie noch mehr die wahrheit zu ergründen. Man wolte damit nicht recht heraus. Man redete in der stille darvon. Und einer sagte dis / der andere das. Endlich bekahm sie ein schreiben von der Königlichen Fürstin. Diese schrieb zwar anders nichts / als daß ihr Vater den Schönen Leibeigenen in haft bestellet; weil ihre Stiefmutter ihn bezüchtiget / er hette[144] ihr unzucht angemuhtet. Gleichwohl muhtmaßete die klugsinnige Fürstin /daß hinter diesem handel was anders müste verborgen liegen.
Als nun Assenat hierüber auf so mancherlei gedanken gerahten; so geriet sie endlich auch auf ihren Traum; den sie vor etlichen jahren von einem Härmlein das ihre Stiefmutter in den schlam drükken wollen / und hernach in ein fas einsperren laßen / gehabt. Der Nitokris eben gemeltes schreiben veruhrsachte /daß Assenat den schönen Leibeignen vor dasselbe Härmlein hielt. Auch urteilete sie aus den ümständen des traumes / daß das heimliche gemurmel der leute von Josefs unschuld wahr sein müste. Darüm schrieb sie an ihre Frau Mutter Toote. Erstlich berichtete sie ihr alles / was sie von Josefs gefänglicher haft erfahren. Darnach erzehlte sie ihr den oberwähnten Traum von stüklein zu stüklein: und fügte ihre eigene erklährung darzu. Endlich begehrte sie zu wissen / was ihre Frau Mutter von solcher begäbnus / und von ihrem Traume vor ein urteil fällete.
Eben hatte Toote diesen brief empfangen / als Nitokris / sie zu besuchen / ankahm. Nachdem sie ihn nun beide gelesen / fielen mancherlei fremde reden vor. Nitokris erzehlete / was sie einesmahls / mit eigenen ohren / vor der Sefira zimmertühre gehöret. Da Sefira dem Josef selbsten unzucht angemuhtet; aber eine abschlägige und gantz scharfe antwort bekommen. Auch fügte sie hinzu: daß sie nachmahls diese geule Fürstin selbst ermahnet / von so bösen begierden abzustehen: und wo sie solches nicht tähte / wolte sie sich ihrer geselschaft entziehen / und sie nicht mehr vor ihre Muhme halten. Auch habe ich / sagte sie / alles dieses heute früh dem Potifar selbsten / im vertrauen / zu erkennen gegeben: damit er Josefs unschuld sehen / und ihn nicht etwan fälschlich anklagen möchte. Es ist guht /[145] und ein großes glük vor den Josef / daß ihn der Fürst in das Königliche gefängnüs legen laßen: da er nunmehr des Königs gefangener ist; und weder Sefira / noch Fürst Potifar selbsten macht über ihn haben. Da wird ihn die Fürstin wohl müssen zu frieden laßen. Von dannen wird sie ihn nun nicht mehr heraus bekommen. Davor wil ich selbst sorge tragen; auch verschaffen / daß man ihn nicht als einen gefangenen halten sol. Es wird sich alles wohl schikken. Nach etlichen anderen reden stund Nitokris auf /und nahm ihren abschied. Auch baht sie die Fürstin Toote reinen mund zu halten; damit alles / was sie des Josefs wegen miteinander vertraulich gesprochen / unter der Rose möchte geredet sein. Sie solte sich dessen bei leibe gegen niemand verlauten laßen. Niemand solte etwas davon wissen.
Mitlerweile hatte der verdrus / die ungeduld / der zorn / die liebe und alle dergleichen heftige gemühtstriften durcheinander und widereinander / in der Sefira hertzen / dermaßen gestritten / daß sie todtkrank zu bette lag. Nitokris ging sie ebenmäßig besuchen / zu sehen / wie sie sich itzund anstellen würde. Ach! sagte sie / hertzliebste Frau Muhme / ich habe ein hertzliches mitleiden mit ihr; weil ich vernehme /daß sie etliche wochen nacheinander bettlägerig gewesen. Und darüm bin ich anher kommen zu sehen / wie es mit ihrer Krankheit beschaffen.
Meine Krankheit / fing Sefira an / hatte zuerst nicht viel zu bedeuten. Aber der Ebreische Leibeigne hat mich unlängst so heftig erzürnet / daß ich itzund fast in den letzten zügen liege. Hat sie der schöne Ebreer erzürnet? fing ihr Nitokris das wort auf. Das kan ich nimmermehr gleuben. Wie solte die hertzliche liebe sich so plötzlich in eine so widerwärtige gemühtsbewegung verändern? Sie mag es gleuben /oder nicht / antwortete [146] Sefira: es ist also. Und so muste es sein. Weil man mir verübelen wolte / daß ich ihn liebte; so muste ich ihn hassen. Sie selbsten sagte mir neulich ins gesichte: ich müste von solcher liebe abstehen / wan sie meine Freundin und Muhme bleiben solte. Und solches habe ich nun getahn. Ihre freundschaft war mir lieber / als seine liebe. Aber hiervon ist nichts mehr zu sagen. Was geschehen ist /das ist geschehen: und zwar Ihr zu gefallen. Darüm laßet uns diese sache nicht mehr berühren. Weil nun Nitokris sahe / daß ihrer Muhme dergleichen reden verdrüßlich fielen; so begunte sie ein anderes gespräche; wiewohl sie es auch nicht lang machte. Dan ihre einige sorge war zu verschaffen / daß Josef bei seinem neuen Würte ehrlich möchte gehalten werden. Darüm eilete sie wieder nach der Königlichen burg.
Mit den Königlichen Gefängnüssen war es dazumahl in Egipten fast eben also beschaffen / als mit den Zuchtheusern in Europe. Die Königlichen gefangene / wan sie arm waren / musten ihre kost und kleider mit schweerer arbeit verdienen. Waren sie aber reich / so ward ihnen ein großes kostgeld abgenommen: und dan gingen sie müßig. Beides trug der Schatzkammer des Königes / als auch dem Gefängnüs meister ein großes jahrgeld ein. Und darüm warden wenig Verbrecher mit dem Tode gestraft. Alle musten in dergleichen gefängnüsse tantzen. Und ihre rechtssachen schob man auf die lange harrebank; damit der genos üm so viel grösser wäre. Weil nun Nitokris wohl wuste / daß Josef unter die zahl der armen gefangenen würde gerechnet / und mit harter arbeit belegt werden; so schikte sie dem Gefängnüsmeister /durch einen unbekanten menschen / eine zimliche anzahl geldes. Darbei fügte sie diesen Befehlbrief.
Dem Königlichen Gefängnüsmeister wird[147] hiermit ernstlich befohlen den gefangenen Josef / Fürst Potifars gewesenen Diener / aller arbeit zu entschlagen; und ihn mit an seine tafel zu setzen / auch sonsten so ehrlich zu halten / daß gemelter Gefangener oder iemand anders seinetwegen sich dermahleins nicht zu beschweeren habe. Und imfal der Gefängnüsmeister /dem deswegen dieses beigefügte geld geschikt wird /sich möchte gelüsten laßen diesem befehle nicht in allem gehohrsamlich nachzukommen; so sol er wissen / daß er sich wider das Königliche Haus verbrechen /und sein leben deswegen in unvermeidlicher gefahr stehen werde. Wie nun ihm mehrgemelter befehl gnädigst erteilet wird; so wird er es ihm angelegen sein laßen demselben untertähnigst nachzuleben / und keinem / auch nicht einem menschen dessen öfnung zu tuhn.
Diesem befehle gehorchte der Gefängnüsmeister alsobald. Von stunden an ward Josef entfesselt. Flugs ward er aller arbeit überhoben. Straks zog er ihn an seine tafel. Ja er gewan ihn endlich so lieb / daß er ihn allen andern gefangenen vorzog. Und solches täht er nicht allein dem gemelten befehle zu gehohrsamen /sondern auch aus eigener bewegung. Er sahe Josefs große tugend. Er erblikte seinen fürtreflichen verstand. Er verwunderte sich über seine unvergleichliche geschikligkeit: und darüm übergab er ihm auch selbst das gebiete über alle gefangene; also daß er sich keines dinges mehr annahm. Was Josef täht /war wohl getahn. Was er hies / das muste geschehen. Alle gefangene musten seinem befehle gehorchen. Alles stund in seiner hand: und was er anfing / da gab der HErr glük zu. Also war er in seinem unglükke glüklich: in seinem gefängnüsse frei: in seiner knechtschaft ein gebieter. Ja er hatte alhier so viel ledige stunden / daß er sich in der Sterndeuterei[148] unverhindert üben konte. Zu dem ende ging er viel üm mit einem gefangenen Kaldeer. Den entschlug er auch von seiner arbeit; damit er die geheimnüsse dieser Kunst von ihm üm so viel besser erfahren könte. In kurtzer zeit gelangte er darinnen so weit / daß er aus dem stande des Gestirnes in seiner gebuhrtsstunde das gantze glük und unglük seines Lebens ersahe. Er sahe / was ihm vormahls begegnet; was ihm itzund begegnete; und was ihm noch künftig begegnen würde. Er sahe /daß er über zwei jahr auf eine hohe staffel der ehren würde erhoben werden. Auch untersuchte er den sternstand in der gebuhrtsstunde seines Vaters / die ihm noch wohl bewust war. Darinnen befand er / daß Jakob kurtzkünftig in ein fremdes land ziehen solte; und alda würde er sterben.
Solchergestalt übte sich Josef in dieser Kunst / die verborgenheiten der Sternschrift zu erforschen / tag und nacht. Dieses große Buch der Natur war ihm nun nicht mehr dunkel zu lesen. Sein scharfsinniger verstand drung fast durch alle desselben geheimnüsse hin. Jedoch war er in dieser sache so abergleubisch nicht / als die Kaldeer. Er machte daraus keine nohtwendigkeit / wie sie. Er wuste zwar / daß Gott die Natur geschaffen / und daß Er ihren lauf eingerichtet. Aber er wuste auch / daß es in seiner macht stünde /sie / zusamt ihrem lauffe / zu ändern: welches Er gleichwohl ohne hochwüchtige ursachen niemahls tähte. Er wuste / daß das Sternbuch anders nicht / als Gottes Warn- und zeichen-buch sei: dadurch Er zugleich den Menschen seine Almacht / so wohl im zorne das unglük / als in der gühte das glük kommen zu laßen / vor augen gestellet: daß Er nähmlich / wan sie in ihren fünden verharreten / böses / und wan sie darvon abstünden / guhtes tuhn könte; aber nicht alzeit wolte: indem Er das angezeigte oder versprochene guhte / wan sie böses tähten / so wohl als das[149] gedreuete böse / wan sie hingegen guhtes tähten / nicht tuhn wolte. Er wuste / daß Gott den menschen hierdurch nur vor unglük zu warnen / und ihm das künftige glük und unglük anzuzeigen / nicht aber gewis zuzufügen gesonnen: ja daß Er / durch die unglükszeichen / ihn zur reue / und / durch die glükszeichen / zur dankbarkeit zu lokken trachtete. Und darüm gleubte Josef keinesweges / daß es nohtwendig geschehen müste / was das Gestirn andeutete. Er gleubte viel mehr / daß es in des Schöpfers macht stünde / dieses /wan es Ihm beliebete / doch nicht ohne erhöbliche ursachen / zu ändern: nachdem Er sehen würde / wie sich der Mensch anliesse / und in seinem wandel guht / oder böse verharrete. Ja er gleubte / daß Gott dem Gestirne keine macht über den Menschen zu herrschen eingepflantzet: sondern Ihm solche macht selbsten vorbehalten; und über das gestirn / auch über ihr angedeutetes glük oder unglük zugleich herschete. Und dieses beides veränderte Er / nachdem er urteilete / daß es dem Menschen ersprieslich.
Also verlies sich Josef auf sein instehendes durch das gestirn angedeutetes glük keinesweges so fest /daß er ihm einbildete / es müste also geschehen. Sondern er verlies sich auf Gott allein: der es ihm durch diese sternzeichen zwar angedeutet / aber gleichwohl solche andeutung gantz anders könte ausfallen laßen; imfal er sich solches glükkes selbst unwürdig machte / oder dasselbe durch achtloßheit oder sonst verschertzete. Ein König oder Fürst giebt manchem seiner untertahnen ein zeichen seiner gnade / und verspricht ihm dadurch ein großes glük: aber er wil auch haben /daß er sich der würklichen gnade / und des glükkes /das er ihm verspricht / würdig mache; und daß er selbst darnach ringe: weil keinem eine gebrahtene taube von sich selbst in den mund flieget. Dan wan er solche gnade / durch übeles verhalten / oder unachtsamkeit / verschertzet; so verändertder Fürst seine gnade in ungnade / und lesset ihm das angezeigte oder versprochene glük keinesweges widerfahren. Auch dreuet ein Fürst seinem untertahnen oftmahls eine strafe: wan aber der untertahner sich bessert / so reuet es den Fürsten / und lest die strafe nicht ergehen.
Eben also tuht Gott / wan Er uns / durch die Sternschrift / auch sonsten etwan ein glük verspricht / oder ein unglük dreuet. Dreuet Er ein unglük; so wil Er nicht / daß der Mensch die Sterne / oder das unglük /das Er durch die sterne dreuet / sondern Gott selbst fürchten / und mit bußfärtigem leben und gebäht Ihm in die dreu- und straf-ruhte fallen sol. Ja Er wil / daß der Mensch über solches zeichen nicht verzagen /noch ihm gewis einbilden / daß es also ergehen müsse; sondern daß er das instehende unglük mit tapferem muhte / und mit vorsichtigem handel und wandel ableinen und vermeiden sol. Und eben darüm offenbahret Gott demselben / den Er liebet / solches unglük; und zeigt es auch allen zuvor / durch die sternschrift / an: doch giebt Er nicht allen den verstand sie zu verstehen. Verspricht Er ihm aber ein glük; so wil Er nicht / daß der Mensch meinen sol / er habe es schon in den händen / und sich mehr darauf verlaßen /als auf Gott: sondern Er wil / daß der Mensch solches / durch inbrünstiges gebäht / tugendhaften wandel /und seine eigene geschikligkeit zugleich / zu befördern trachte / und sich dessen würdig mache.
Mit diesem rühmlichen zeitvertreibe brachte Josef seine müßigen stunden zu. Und darbei vergaß er alles seines leides. Aber Sefira lag inzwischen in den allergrösten schmertzen. Die liebe / der zorn / die rache /der eifer / die reue / die furcht / und alle dergleichen Seelen- oder vielmehr Höllen-gespenster ängstigten sie dermaßen / daß sie immer schwächer und schwächer ward. Josef hatte im anfange / in einem finstern loche / dessen einiges[152] fenster in ihrem hof ausging /gesessen. Alhier hatte sie sich bei nächtlicher weile vielmahls finden laßen / einen versuch zu tuhn / ob sie den gefangenen Josef nicht itzund bewegen könte. Sie hatte ihm angebohten / ihn aus diesem loche zu erlösen / so bald er nur angelobte ihren willen zu volbringen. Aber Josef liebte seine fessel und bande mehr / als eine solche freiheit / die er durch den verlust seiner keuschheit erlangen solte. Nicht einen einigen trieb / der darnach zu wolte / empfand er in seiner seele. Und also stellete sie dem Keuschen Josef selbst in seinem gefängnüsse nach. Aber die treue vorsorge der liebreichen Nitokris benahm ihr diesen weg. Sie rettete den Josef aus diesem loche. Und hiermit hatte Sefira alle ihre hofnung verlohren. Hiermit veränderte sich ihre Liebeskrankheit in eine rechte Leibeskrankheit. Ja sie ward so krank / daß die Aertzte an ihrem leben zu zweifeln begunten.
Als nun Sefira sahe / daß ihr ende vor handen / so dachte sie auf mittel den Josef aus dem wege zu reumen; damit er ja keiner andern zu teil würde. Ihre eifersucht trieb sie so weit / daß sie beschlos / ihm einen gifttrank beibringen zu laßen. Solchen giftigen anschlag entdekte sie ihrer Kammerjungfrau. Aber diese war viel zu ehrlich solches schandstükke zu verschweigen. Viel weniger wolte sie damit zu schaffen haben. Sie offenbahrte es der Nitokris. Diese schrieb an den Gefängnüsmeister straks einen Brief; welcher also lautete:
Diejenige hand / welche neulich den Königlichen Gefängnüsmeister gewürdiget an ihn zu schreiben /befielet ihm noch einmahl den Josef wohl in acht zu nehmen. Auch wird ihm in geheim berichtet / daß man vorhat gemelten Gefangenen mit gifte zu tödten. Darüm wil ich / daß er zur stunde gewarnet / und wohl bewahret[153] werde. Wan es aber der Gefängnüsmeister verseumet / und solche schändliche mordtaht volzogen würde; so sol des ermordeten unschuldiges bluht von seinen händen gefördert werden. Ja der Königliche Hof selbsten wird ihn zur verantwortung ziehen.
Dieses alles täht die königliche Fürstin der schönen Assenat zu liebe: wiewohl sie ihr selbsten noch zur zeit nicht das geringste märken lies. Semesse bestelte den brief auch so heimlich / daß niemand erfuhr / wo er herkähme. Josef selbsten konte nicht errahten / wer so treulich vor ihn sorgete. Darüm dankte er Gott /der die hertzen lenkte sich über ihn zu erbarmen. Auch baht er hertzinniglich solche so große wohltaht tausendfältig zu vergälten. Und also warden alle der Sefira anschläge vereitelt. Alle ihre giftige ränke gingen den kräbsgang. Gott sorgete vor Josef. Der Höchste nahm sich seiner an.
Potifar hatte bisher mit der Anklage wider den Josef verzügert. Und wiewohl Sefira tag und nacht üm rache gerufen / so bekahm sie doch nur eine leere vertröstung. Er täht gantz nichts zur sache. Die worte der Nitokris lagen ihm stähts im sinne. Und daraus konte er unschweer schliessen / daß diese sache / wan er sie viel rührete / ihm und seiner Gemahlin mehr schimpfes / als ehre / bringen würde. Gleichwohl muste dem Josef die Uhrsache seiner gefängnüs schriftlich eingehändiget werden. Das erforderte der Egipter Gesetz. Es war eine alte gewohnheit. Und darüm befahl er eine solche Schrift auszusetzen. Aber der Sefira plötzlicher tod veruhrsachte / daß sie nicht eingehändiget ward. Also blieb die gantze sache stekken.
Etliche wochen nach der Sefira ableiben starb auch der Ertzbischof von Heliopel. In dessen stelle war Potifar schon erwehlet. Diese muste straks besetzt sein.[154] Darüm brach er eilend auf / und zog nach Heli opel. Gern hette er den Josef aus dem Gefängnüsse erlöset. Gern hette er ihn wieder gehabt. Gern hette er ihn wieder in sein amt gesetzt. Aber er durfte nicht. Er befahrete / es möchte ihm / und seiner verstorbenen Gemahlin zur schande gereichen. Darüm schwieg er itzund gantz stil. Er erwähnte des Josefs mit keinem worte. Gleichwohl vergaß er seiner nicht. Seine tugenden spieleten stähts in seinen sinnen. Doch lies er sich dessen nichts märken. Er gedachte: mit der zeit wird es sich alles wohl schikken.
Straks hierauf versündigten sich wider den König zween seiner Kämmerer / der Mundschenke / und der Oberste der Bäkker. Jener hatte sich im einschenken des weinbechers versehen: und dieser sehr viel des Königlichen getreidichs veruntrauet. Der König ward über sie sehr zornig / sonderlich über den Obersten der Bäkker. Gleichwohl musten sie beide fort. Es half kein vorbitten. Beide warf man ins gefängnüs / da Josef gefangen lag. Doch weil sie so vornehme Beamten waren / lies man sie ehrlich bewürten. Josef ward bestellet ihnen aufzuwarten. Fleissig versahe er diese bestallung. Mit allen diensten ging er ihnen zur hand. Sie hatten nunmehr etliche tage gesessen / als sie Josef auf einen morgen sehr traurig fand. Zur stunde fragte er: was ihnen fehlete? Der Mundschenke gab zur antwort: uns hat heunte etwas getreumet / und wir haben niemand / der es uns ausleget. Das auslegen / fuhr Josef fort / gehöret Gott zu: doch laßet höhren / was es ist. Der Mundschenke fing an: Ich sahe vor mir einen Weinstok stehen. Der hatte drei Reben. Er grühnete tapfer. Erblühete / und trug früchte. Endlich warden seine trauben reif. Und ich hatte des Königs Becher in der hand. Darein drükte ich den[155] saft der weinbeeren aus: und reichte ihn dem Könige zu. Der Könige zu. Der König nahm ihn / und trank.
Dieses ist ein guhter traum / fing Josef hierauf an. Die drei Reben seind drei tage. Uber drei tage wird der König sein heupt erhöhen. Er wird ihn wieder an sein amt stellen. Ihm wird er den Becher wieder zureichen / wie zuvor. Aber er gedenke meiner / wan es ihm wohl gehet; und tuhe barmhertzigkeit an mir. Er vergesse nicht den König zu erinnern / daß er mich aus dieser haft erlöse. Dan ich bin aus dem lande der Ebreer heimlich gestohlen. Darzu habe ich alhier nichts strafwürdiges getahn: und gleichwohl hat man mich gegangen gesetzt.
Als der oberste Bäkkereiverwalter hörete / daß seines Mitgefangenen Traum so eine guhte deutung bekahm; so erzehlete er seinen traum gleichesfals. Ich treumete / sagte er / daß ich auf meinem heupte drei weisse Körbe trüge. Im obersten Korbe lag allerhand Gebakkenes vor den König. Aber die vogel fraßen aus dem korbe auf meinem heupte. Josef antwortete: ich wolte ihm auch gern was guhtes gönnen: aber bis ist des Traumes bedeutung. Die drei Körbe seind drei tage. Nach drei tagen wird der König ihm sein heupt erhöben: er wird ihn an den galgen hänken. Und alsdan werden die vogel auf seinem Kopfe sitzen / und sein fleisch fressen.
Am dritten tage darnach beging der König seinen Jahrstag. Ein herliches gastmahl hatte er angestellet. Darzu waren alle seine Beamten geladen. Und da erhub er das heupt des Obersten Mundschenkens: als auch des Obersten Verwalters der Bäkkerei. Den Obersten Mundschenken setzte er wieder in sein schenkamt. Aber den Obersten der Bäkker lies er / als einen des diebstals überwiesenen / an den galgen knüpfen.[156] Und also begegnete beiden / wie Josef ihre treume gedeutet. Aber der oberste Mundschenke vergaß des Josefs / und gedachte nicht mehr weder seines dienstes / noch der auslegung seines traumes. So gehet es gemeiniglich bei Hofe. Die hofluft hat diese ahrt / daß sie das gedächtnüs der wohltahten in einem hut verzehret / oder doch zum wenigsten benebelt. Kaum hatte sie der Mundschenke eingesogen / da fühlete er ihre würkung schon; und lies also den unschuldigen Josef in seiner gefangenschaft noch zwei jahre verzappeln.
Aber die aufrichtige Nitokris war weit anders gesinnet. Sie war zwar bei hofe gebohren; und mitten im hofwesen erzogen. Gleichwohl hatte die schärfe der hofluft die lauterkeit ihres redlichen hertzens keinesweges verletzen oder benebeln können. Der Assenat zu liebe hette sie den Josef gern erlöset. Sefira war zwar todt. Josefs einige verfolgerin war den weg aller welt gegangen. Die stund ihr nicht mehr im wege. Bei dem Könige / ihrem Herrn Vater / vermochte sie sehr viel. Es were nur üm ein wort zu tuhn gewesen. Doch gleichwohl durfte sie es nicht wagen. Der wohlstand wolte es nicht zulaßen. Sie befahrete sich eines übelen nachklangs; wan sie sich des Josefs so eifrig und so öffendlich annehme: wan sie demselben / den ihre Muhme bezüchtiget / als wan er ihre ehre zu kränken sich unterwunden / das Wort redete. Und eben darüm war sie heftig bekümmert. Sie trug ein großes mitleiden mit ihm. Ja es schmertzte sie über alle maßen /daß eine so unvergleichliche schönheit im gefängnüsse veralten solte. Noch mehr betauerte sie seine himlische Tugenden / daß sie ihre strahlen nicht vor der gantzen welt solten leuchten laßen. Aber was wolte sie tuhn? Sie muste einer füglichern gelegenheit erwarten. Unterdessen konte der Sefira beschuldigung in vergessenheit gerahten.[157] Mit der zeit konten die Rosen wohl blühen. Ja sie stunden auch endlich in voller blühte / und gaben der Nitokris anlaß sie zu pflükken.
Nach zwei jahren beging der König wieder sein Jahrsfest. Und dieses ward viel herlicher gefeiert / als alle die vorigen iemahls. Die fürnehmsten Fürsten des Reichs kahmen nach Memfis / dem Könige glük zu wündschen. Ja selbst der Adel aus den fürnehmsten ländern legte diese schuldigkeit ab. In der stadt kribbelte und wibbelte alles von menschen. Die Königliche Burg war erfüllet mit Fürsten. Auch kahm das fürnehmste Frauenzimmer des gantzen Egiptens der Königin aufzuwarten. Alles hüpfte vor freuden. Wo man hinsahe / war lauter lust. Ja es schien / als wan sich alle lust und alle freude aus der gantzen welt itzund in Memfis zusammengefunden. In allen gassen klungen die trummeln. Fast in allen Heusern sungen die sänger. Schier aus allen fenstern halleten die trompeten. Beinah aus allen tühren schalleten die Krumphörner. Ja die lieblichschallenden Klingelspiele erfülleten die gantze stadt. Die Jungfrauen tantzeten bei dreien. Bei drei mahl dreien führeten sie den reihen. Die Jünglinge sprungen. Die schalmeien klungen. Das jauchzen / das frohlokken / das glükrufen hatte kein ende. So lange Memfis gestanden / war ein so fröhlicher Mei nicht erschienen. So eine fröhliche Rosenzeit hatte man nie gesehen.
Die Aernte war eben vor der tühre. Der König bekahm lust die Felder zu besehen. Alle Fürsten setzten sich zu pferde / ihn zu begleiten. Der Adel folgte hauffenweise. Die Königin selbst erschien / bei dieser feldlust / auf einem gantz güldenem wagen. Die Königliche Fürstin Nitokris hatte sie allein bei ihr sitzen. Das andere Frauenzimmer folgete. Eine Fürstin war immer köstlicher / als die andere: eine Jungfrau immer geschmükter /als die andere: ein Wagen immer prächtiger / als der andere. Der schmuk / die pracht / die freude zogen / mit dieser lustfahrt /gleichsam aus der stadt. Aber nach zwo stunden kehrete alles wieder zurük. Der gantze schwalk begleitete den König bis in die Burg. Alda stunden die tafeln schon gedekt: die speisen bereitet: die Mahrschälke färtig den gästen des Königes ihre stellen anzuweisen. Es war eben mittag / als die speisen aufgetragen warden. Und von der zeit an blieb man sitzen bis gegen den abend. Da erhub sich der König. Da stunden die Fürsten auf. Da ward der gantze Adel rege. Noch eine zeit lang ergetzte man sich stehende. Man hörete den Kunstsängern und Meisterspielern zu. Teils spracheten miteinander. Teils trunken miteinander. Endlich ward ein stilschweigen / durch die Mahrschälke / gebohten. Und damit traht der Reichskantzler hervor. Dieser täht eine kurtzbündige rede. Er dankte / im nahmen des Königes / der gantzen Versamlung / daß sie / seine lust zu vermehren / mit ihrer gegenwart dieses Königliche Fest zieren wollen. Er dankte ihnen allen / daß sie / dem Könige zu liebe / auf sein ausgeschriebenes Gebuhrtsmahl erscheinen wollen. Endlich dankte er auch den Göttern / daß sie diesen fröhlichen tag den König gesund erleben laßen. Ja er baht sie zugleich / daß sie ihn denselben / bei eben solcher gesundheit / noch lange erleben liessen. Hierauf rief einieder: Lange lebe der König! Und mit diesem zurufe schieden sie alle voneinander.
Also nahm dieser erste tag des Königlichen Festes sein gewündschtes ende. Also war dieser erste freudentag mit vollen freuden volzogen. Und also begab sich der König wohlvergnüget und wohlbelustiget zur ruhe. Auch ruhete er die gantze nacht durch / nach eignem wundsche. Er schlief gantz sanfte bis an den liechten morgen. Da bekahm er einen wunderlichen Traum:[160] darüber er wakker ward. Aber er schlief straks wieder ein: und treumete noch einen andern / der viel wunderlicher schien; wiewohl er dem ersten nicht ungleich war.
Diese zween Treume / sonderlich weil sie so straks und in einer stunde aufeinander gefolget / machten dem Könige sehr fremde gedanken. Er bekümmerte sich darüber den gantzen morgen. Er war überaus unruhig in seinem geiste. Ja er konte nicht ruhen / er hette dan zuvor ihre deutung erfahren. Und darüm lies er von stunden an alle Wahrsager / und alle Weisen zusammenrufen. Straks musten sie kommen. Flugs solten sie solche treume auslegen. Geschwinde wolte der König die deutung wissen. Er erzehlete sie zwar von stükken zu stükken: und sie sonnen ihnen auch eifrig nach. Aber Gott benahm ihnen alle ihre weisheit. Der HERR entzog ihnen allen ihren verstand. Sie trahten zwar zusammen. Sie trugen alle ihre weisheit zusammen. Sie brachten alle ihre Traumbücher zusammen. Sie suchten / sie forscheten / sie berahtfragten sich untereinander. Aber sie konten nichts finden / sie konten nichts erforschen / ja sie sahen keinen raht diese treume zu deuten.
Es fielen auch unter ihnen allerhand streitreden vor. Der eine teil wolte behaupten / daß es rechte bedeutende treume weren: sonderlich weil sie der König in der frühstunde / da die speisen im magen schon gantz vertauet gewesen / und derselben dünste keine schweermühtige einbildungen mehr würken können /gehabt hette. Gleichwohl konten sie keinesweges errahten / was sie bedeuteten. Die meisten aber stunden in der meinung / daß es keine bedeutende oder vorspielende / sondern nur nachspielende treume weren. Der König / sagten sie / hette sich gestern auf dem selbe erlustiget. Da hette er das Vieh in den Niel und wieder heraus steigen gesehen. Da hette er die Kornähren auf ihren hälmern erblikket. Das beides were ihm die nacht darauf / im[161] schlafe / wieder vorgekommen. Dergleichen bilder hette ihm die einbildung vorgestellet. Diese hette mit demselben / was sie den vorigen tag gefasset / bloß allein ihr spiel gehabt. Und darüm bedeuteten diese treume / weil die einbildung von den Göttern selbsten darzu nicht were getrieben worden / nichts sonderliches.
Eben als diese letzten ihrer meinung erörterung vorbrachten / war noch ein alter Kaldeer hinein gekommen. Der befestigte solche meinung auch. Unter andern sagte er: daß diese Treume / als auch alle die andern / die aus den tagsgedanken herrühreten / nichts anders weren / als der nachklang der seiten / wan man sie aufhöhrete zu schlagen; welcher vom schlage gleichsam zurükprallete / und / wan dieser nachliesse / noch eine zeitlang währete. Zudem / fuhr er fort /pflegen dergleichen Treume / die bloß allein aus der übermäßigsten der vier Feuchtigkeiten des menschlichen leibes entstehen / eben so wenig zu bedeuten. Nähmlich wan die Flüssigen von wassern / sumpfen / schifbrüchen / vom ertrünken / und auf halten im fliehen; die Bluhtreichen von gastmahlen / lustigen wiesen / vogeln / vom flügen / als auch vom sing- und seitenspiele; die Vergalten vom feuer /vom fechten / streiten / und morden; die Schwartzvergalten von schwartzen und traurigen dingen / von gräbern / Mohren / Teufeln / und dem tode / treumen. Weil nun im Könige die Galle / und dan die Flüsse am meisten herschen: so ist es nicht fremde / daß ihn im traume gedeuchtet / als wan eine Kuh oder Ahre die andere verschlungen; wie auch als wan die Kühe aus dem wasser weren gestiegen.
Der König hörete dieses alles mit an. Er märkte auf alle ihre worte. Aber als er sahe / daß aus ihren so unterschiedlichen streit-reden nicht die geringste deutung seiner treume folgete; da ward er sehr ungedultig. Auch märkte er / daß dieselben / welche sie vor bedeutende[162] Treume hielten / mit ihrer deutung nicht heraus wolten. Dan weil der König eine Kuh und eine Ahre die andere verschlingen gesehen / so urteilten sie / daß es nichts guhtes bedeutete. Sie stunden und zauderten / und durften nichts sagen. Zuvor hatten die Traumdeuter / in auslegung der Königlichen treume /gemeiniglich geschmeuchelt. Sie hatten den Königen nichts / als künftige glükseeligkeit / verkündiget. Und hierdurch hatten sie getrachtet ihre gunst und gnade zu gewinnen. Aber alhier wolte das schmeucheln keine stat finden. Diese Treume schienen ihnen alzuböse. Sie befahreten sich / wan sie schmeuchelten /daß der unglükliche ausfal sie bald beschämen würde. Schmeuchelten sie aber nicht / und sagten die wahrheit frei heraus; so hetten sie anders nichts / als des Königes ungnade zu vermuhten. Und darüm wolten sie lieber schweigen / als eines von beiden zu tuhn sich erkühnen; weil sie sich / samt ihrer kunst / durch jenes so wohl / als dieses / in gefahr stürtzen konten. Das war bei ihnen so fest beschlossen / daß der König weder mit guhten / noch dreuworten / nicht das geringste erlangen konte. Und ob er schön befahl / sie solten die runte wahrheit nur ungescheuet heraussagen / es möchte guht / oder böse sein; so blieben sie doch bei ihrem schlusse.
Es war niemahls erhöret / so lange ein König in Egipten geherschet / daß ein Königlicher Traum nicht hette können gedeutet werden. Egipten hatte die fülle solcher Leute / welche so färtig in der Traumdeuterei waren / daß ihnen sonst kein traum zu schweer oder zu dunkel fiel. Gleichwohl fand sich alhier nicht einer. Nicht einer durfte das hertz nehmen / diese zween treume zu deuten. Und hierüber ward nicht allein der König / sondern auch die gantze versamlung der Reichsstände zum höchsten bestürtzt. Diese waren auch entbohten / ihr guhtdünken zu sagen. Es betraf des Reichs wohlfahrt.[163] Dem gantzen Egiptischen Stahl war daran gelegen / daß die Königlichen Treume recht gründlich ausgeleget würden. Einer dachte dis / der andere das. Einer gab diesen / der andere jenen raht. Aber aus allen diesen rahtschlägen ward kein endschlus. Niemand wuste / wie man in dieser wüchtigen sache verfahren solte. Endlich ward den Wahrsagern und Traumdeutern ein tag zur bedenkzeit gegeben. Ja der König befahl ihnen ausdrüklich / daß sie vor ihm /bei verlust ihres lebens / ohne die deutung seiner treume nicht erscheinen solten. Und hiermit wanderten sie hin.
Nitokris lag eben im fenster / als die Egiptischen Weisen und Traumdeuter vom Könige kahmen. Sie sahe / wie heftig sie untereinander stritten. Sie märkte es aus ihren gebährden / daß etwas sonderliches müste vor handen sein. Geschwinde schikte sie hin zu erfahren / was es were. Sie bekahm bescheid / daß der König in der vergangenen nachnacht zween unterschiedliche Treume gehabt: darüber er sehr entstellet sei. Er hette deswegen alle Kaldeer / samt den Egiptischen Traumdeutern / entbohten. Aber keiner wüste sie auszulegen. Niemand von allen hette einigen bescheid gegeben. Selbst die Reichsstände weren deswegen überaus bestürtzt. Der König hette sie versamlet / ihr rahtsbedenken einzuziehen. Aber da sei kein raht zu finden.
Nun sahe Nitokris die zeit gebohren / da sie den Josef erlösen könte. Nun sahe sie die endliche erfüllung ihres und der Semesse traumes vor der tühre. Nun war es keine zeit mehr zu schlafen. Vor drei tagen hatte sie dem Josef in geheim ein stükke geldes / mit einem köstlichen seidenem zeuge zum kleide /geschikt. Darbei hatte sie schriftlich erinnert / daß er solches / kleid aufs zierlichste und zur stunde solte verfärtigen laßen. In zwee tagen würde der König seinen Jahrstag feiren. Da möchte gelegenheit vorfallen den Josef zu erlösen.[164] Darüm / wan er entbohten würde / solte er in diesem neuen kleide erscheinen.
Also hatte Nitokris schon in vorraht sorge getragen gegen diese zeit. Und das kahm auch itzund sehr wohl zu statten. Ihr vorsatz war / den König straks zu besuchen. Straks wolte sie ihn des Josefs geschikligkeit offenbahren. Aber es konte nicht sein. Die Reichsstände waren bei ihrem Herrn Vater versamlet. Er hielt mit ihnen raht über seine Treume. Darüm wolte es ihr / als einem Frauenzimmer / nicht gebühren / bei so einer großen versamlung der Herren / den König anzusprechen. Ja es wolte ihr / als einer Tochter / nicht geziemen / den Vater in seinen so wüchtigen geschäften durch ihre gegenwart / zu stöhren. Gleichwohl hette sie dem Josef gern geholfen. Die gelegenheit darzu war da. Sie hatte sie in den händen. Es war nicht rahtsam lange zu zaudern. Sie befahrete sich / sie möchte ihr entschlüpfen. Endlich entschlos sie sich bei dem Könige schriftlich deswegen einzukommen. Es muste gewagt sein. Eher konte sie nicht ruhen. Und in dieser entschliessung entwarf sie folgendes
Schreiben an den König / ihren
Herrn Vater.
Hertzhochgeliebter / Höchst geehrter Herr Vater /
Ich bin sein Kind. Ich bin seine Tochter. Ein Kind ist mehr / als andere / verpflichtet seinem Vater zu dienen. Eine Tochter ist vor allen verbunden / dem /der ihr das leben gegeben / mit ihrem leben zu helfen. Doch hier wird so viel nicht erheischet. Ein guhter raht kan es[165] alles schlichten. Ich habe verstanden / daß der Herr Vater betrübt sei über seine Treume. Darüm mus Denselben ich / als seine Tochter / trösten. Ich habe vernommen / daß Er ungedultig sei; weil keiner von allen Traumdeutern sie auszulegen weis. Darüm erfordert meine kindespflicht / Ihn aus solcher ungeduld / durch einen guhten raht / zu reissen. Der Herr Vater betrübe sich nicht. Er bekümmere sich nicht. Er laße nur allen unmuht fahren. Wan sonst niemand raht weis seine treume zu deuten; so weis ichs. Ich weis raht. Und darüm wird es mir verhoffentlich nicht verübelt werden / daß den Herrn Vater / in seinen geschäften / mit dieser schrift zu stöhren / ich mich erkühne. Aber ich wil ihn / ohne weiteren ümschweif /entdekken. Derselbe edele Ebreer / welcher vor zwölf jahren dem Herrn Vater von den Ismaelern verehret ward / und eine zeit her Fürst Potifars Hofmeister gewesen / weis aller treume dunkelen verstand aus dem grunde zu erklähren. Ja er weis nicht allein dieses. Er weis auch aus dem gestirne alles zu sagen / was künftig geschehen sol. Selbst die Aussprüche der Götter seind ihm unverborgen. Alle ihre heimligkeiten seind ihm offenbahr. Ich rede darvon aus eigener erfahrenheit. Itzund befindet er sich / wiewohl gantz unschuldig / unter den Königlichen gefangenen. Wan es dem Herrn Vater beliebt / kan er ihn alda abhohlen laßen. Ich weis gewis / Er wird mehr vergnügung von ihm bekommen / als ich sagen kan. Sein fürtreflicher Verstand / ja mehr als menschliche Weisheit wird sich selbsten genug dartuhn. Und dieses ist der raht / den ich weis. Dis ist der raht / den Ihm / Hertzhochgeliebter Herr Vater / ausgetrenester[166] Kindespflicht hat endekken wollen
Desselben gehohrsamste Tochter
Nitokris.
Dieses Schreiben schikte sie alsobald dem Könige zu. Aber eh es ankahm / hatte dem rahte der Nitokris der Oberste Mundschenke schon den weg gebahnet. Dieser / nachdem er des Königes so wohl / als der Reichsfürsten bestürtzung vernommen / begehrte gehöhret zu werden. Es ward ihm zugestanden. Er traht auf; und redete den König also an. Gnädigster König / sagte er / itzund gedenke ich an mein ehmahliges verbrechen. Itzund erinnere ich mich des zorns /den der König dazumahl auf seine knechte geworfen. Itzund fället mir ein / was mir und dem obersten Bäkkereiverwalter damahls / im gefängnüsse / begegnet. Wir hatten in einer nacht einieder einen sonderlichen Traum. Des morgens waren wir deswegen beide betrübt. Einieder verlangte desselben deutung zu wissen. Aber wir hatten keinen ausleger. Da kahm Josef /ein edler Jüngling aus dem Geschlechte der Ebreer /der des Gefängnüsmeisters diener war / zu uns hinein. Dieser legte uns unsere treume von stunden an aus. Und wie er sie deutete / so ist es ergangen. Ich kahm wieder an mein Schenkamt: und jener an den Galgen.
Also war der Königlichen Fürstin der Königliche Mundschenke zuvorkommen. Und als der König sahe / daß das Schreiben seiner Freulein Tochter des Mundschenkens worte bekräftigte; da vergaß er alles seines kummers. Alle seine traurigkeit verlohr sich. Er hatte ihm zuerst vorgenommen diesen gantzen tag zu fasten. Aber nun ward er anders sinnes;[167] gleichsam als wan er schon vorher wüste / daß ihm Josef was guhtes anzeigen würde. Nun befahl er die tafeln zu dekken; und allen seinen gästen anzusagen / daß sie sich eilend zu des Königes gastmahle wieder einstelleten. Auch hatte er dem Obersten Mundschenken straks befohlen / daß er selbsten geschwinde hingehen solte / den Josef zu hohlen. Diesem befehle gehorchte der Oberste Mundschenke zur stunde. Doch schikte er seinen diener zuvor hin den Josef anzudeuten / daß er sich gefast machte / wan er abgehohlet würde / straks vor dem Könige zu erscheinen.
Niemand war froher / als Josef / da er diese fr \liche zeitung bekahm. Seine freude war nicht auszusprechen. Keine feder konte sie beschreiben. Er machte sich flugs färtig. Er wusch sich. Er reinigte sich. Er badete sich. Auch lies er das erste mahl seinen bahrt hutzen. Und solches täht er alles nach der Egipter gewohnheit / wan sie vor ihren Königen erscheinen sollen. Endlich zog er sein neues kleid an: darzu er den seidenen zeug / nicht wuste er von wem / geschikt bekommen. Also stund nun Josef bereit; und wartete mit schmertzlichem verlangen auf seine erlösung.
Indessen kahm der oberste Mundschenke selbst an / ihn abzuhohlen. Er saß auf einer köstlichen Kutsche / mit vielen dienern begleitet. Josef muste sich neben ihn setzen. Und also fuhren sie beide nach der Königlichen Burg zu. So bald sie alda angelanget / ward Josef straks in den Königlichen saal geführet. Der König stund eben mitten unter den Reichsfürsten / als er hineintraht. Diese verwunderten sich alle / ja der König selbsten über seine herliche schönheit. Sie verwunderten sich über sein ansähnliches wesen. Alle sahen seine edele gestalt gleich als bestürtzt an: sonderlich als er sich / mit so höflichen und wohlanständigen gebährden / zu neugen wuste. Der Reichskantzler aber winkte ihm /[168] was näher herbei zu trähten. Josef gehorchte: und jener sprach ihn also an. Lieber Jüngling / sagte er / wir haben erfahren / daß dir die Götter verstand und weisheit gegeben die Treume zu deuten. Weil ich nun auch zween Treume gehabt /derer bedeutung mir niemand sagen kan; so haben wir dich hohlen laßen / solche von dir / in des Königes gegenwart / zu vernehmen. Wirstu recht zutreffen /solstu nicht allein deine freiheit / sondern auch sonsten eine sonderliche Königliche gnade darvontragen. Josef neugte sich zur erde nieder / und antwortete: Das stehet in meiner macht nicht. Gleichwohl kan mein Herr / was er getreumet / erzehlen: und Gott wird ihm guhtes ankündigen.
Hierauf erzehlete der Reichskantzler den ersten Traum. Mir treumete / sagte er / als wan ich an einem Wasser stünde. Und aus diesem wasser sahe ich sieben schöne und wohlleibichte Kühe an das land steigen. Diese blieben alda in der weide des grases gehen. Darnach sahe ich noch andere sieben Kühe /welche gantz häslich und mager / aus eben demselben wasser aufsteigen. Diese trahten neben jene / an das ufer des wassers; und fraßen sie auf: doch blieben sie mager und dürre / wie vorhin. Hierüber entsetzte ich mich dermaßen / daß ich erwachte. Aber ich schlief straks wieder ein: und da sties mir noch einander traum auf. Ich sahe sieben dikke und volle Kornahren auf einem halme wachsen: darnach noch andere sieben dünne und versängte neben jenen aufgehen. Und diese sieben magere Ahren verschlungen die ersten sieben. Das seind meine beiden treume / derer auslegung ich zu wissen verlange.
So bald der Reichskantzler ausgeredet / fing Josef an. Mein Herr / sagte er / ist mir erleubet die wahrheit[169] zu sagen? und wil er es nicht übel vermärken? Der Reichskantzler gab ihm erleubnüs: und Josef fuhr fort. So sage ich dan / sprach er / daß diese Treume seine eigene Treume nicht seind. Alle ümstände zeigen es an / daß sie ein König in Egipten getreumet. Dan Gott verkündiget hierdurch einem Egiptischen Könige / was unter seiner herrschaft geschehen sol. Und solches tuht er darüm / damit er wisse / was er künftig tuhn und laßen sol / sein Reich / samt den untertahnen / glüklich zu beherschen / und im erbaulichen wohlstande zu erhalten.
Woher weistu das / fing der Reichskantzler wieder an / daß diese Treume Königliche Treume seind? Aus den ümständen / antwortete Josef; wie ich schon gesagt. Und die ümstände seind diese. Durch das Wasser / darbei der Treumende gestanden / verstehe ich den Niel: der die Wohlfahrt und herrligkeit des gantzen Egiptens bedeutet; weil es von ihm allein seine fruchtbarkeit zu gewarten. Daß aber der Treumende bei dem Niele gestanden: dadurch verstehe ich sein gebiet über den Niel / und zugleich über das gantze Egipten. Wem nun ein solcher Traum getreumet / der mus nohtwendig ein Egiptischer König entweder schon sein / oder doch bald werden. Hiermit gab der König dem Reichskantzler einen wink / daß er mit dem Josef in das nächste beizimmer abträhten solte: welches auch alsbald geschahe. Und der König selbst folgete / mit dem Reichs-schatzmeister / ihnen straks nach.
Sobald diese beide zu jenen hinein geträhten / fing der König zum Josef an. Du hast recht geurteilet /daß die erzehlten Treume ein König in Egipten getreumet. Ich bin es selbst / dem sie begegnet. Darüm eröfne mir ihre bedeutung. Josef neugte sich gegen den König zur erde nieder. Großmächtigster König /sagte er / beide Treume bedeuten einerlei. Die sieben schöne und fette Kühe oder Ochsen / seind sieben fruchtbahre oder wohlfeile jahre. Die sieben guhte und volle Ahren gleiches fals. Aber die sieben magere und häsliche Ochsen oder Kühe seind sieben unfruchtbahre und teure jahre. Die sieben leere und dürre Ahren ebenmäßig. Hierdurch wird dem Könige angezeiget / daß im gantzen Egipten sieben reiche Jahre kommen; und straks auf diese / sieben magere Hungersjahre folgen werden / in welchen man aller fülle der vorigen sieben fetten jahre vergessen / und die teurung das land verzehren wird. Alsdan wird aller vorraht / den man in den sieben fruchtbahren jahren gesamlet / aufgehen; und es wird dannoch teuer sein und bleiben. Und dieses bedeuten die sieben magere Ochsen / und die sieben dürre Ahren; welche die sieben fette Ochsen / und Ahren verschlungen / und gleichwohl so mager geblieben / daß man es nicht gemärket / daß sie die fetten gefressen. Daß aber der König diese zween einerlei treume straks aufeinander gehabt hat / dasselbe bedeutet / daß es Gott gar gewis und eilend tuhn werde.
Hierauf fragte der König: Warüm haben dan die fetten / und mageren Ochsen eben aus dem Niele steigen müssen? Darüm / gab Josef zur antwort: weil der Niel dem Egiptischen lande seine fruchtbarkeit und fettigkeit / wan er sich hoch genug ergeust; oder aber seine unfruchtbarkeit und magerheit / wan er nicht hoch genug / oder alzuübermäßig hoch aufleuft / veruhrsachet. Der König fragte ferner: wie sol man ihm aber tuhn / daß die Teurung in den sieben unfruchtbaren jahren nicht alzusehr überhand nehme / und meine untertahnen vor hunger nicht gantz verschmachten? Hierzu weis ich keinen besseren raht / antwortete Josef / als daß der König sich nach einem weisen und verständigem Manne ümtuhe / und ihn über das gantze Egipten[172] setze. Dieser könte dan auch Amtleute verordnen in allen ländern; und / durch dieselben / den fünften teil aller früchte in den reichen jahren einsamlen / und gegen die künftigen hungersjahre bewahren laßen. Und zu dem ende müsten Königliche Kornheuser gebauet werden: da man das Getreidich / zum vorrahte der länder und städte / aufschütten; und in der folgenden teuren zeit den nohtleidenden / zu ihrem aufenthalt / und nutze des Königes / verkauffen könne. Auf diese weise würde nicht allein die wohlfahrt der untertahnen / in so gar böser zeit / erhalten; sondern auch die Königliche macht und herligkeit selbsten üm ein märkliches vermehret / und zu höherer glükseeligkeit erhoben werden.
Diese rede gefiel dem Könige überaus wohl. Auch konten sie seine Beamten nicht genug preisen. Josef muste noch ein wenig im Beizimmer verziehen; und der König begab sich / mit dem Reichskantzler und Reichsschatzmeister / wieder in den saal. Sein fröhliches wesen zeigte genug an / daß ihn Josefs erklährung über seine treume satsam vergnüget. Er erzehlete allen anwesenden Fürsten die klugen reden des Josefs. Er rühmete seinen fürtreflichen verstand. Er lobete seine unvergleichliche geschikligkeit in stahtsfachen. Er erhub seine große fürsichtigkeit /seine weit aussehenden anschläge. Alles / alles / was er redete / war anders nichts / als den Josef zu preisen. Ja / sagte er endlich / wie könten wir einen solchen Man finden / in dem der Geist Gottes ist? Wem könten wir solches hohe werk / darzu mir Josef gerahten / auszuführen besser anvertrauen / als dem Josef selbsten? Wohlan dan! laßet ihn straks herkommen.
Mitlerweile war Fürst Potifar / der neue Helioplische Ertzbischof / auch angelanget; und hatte alle reden des Königes mit angehöret. Er war verwundert über das plötzliche glük des Josefs: der nunmehr aus einem[173] Leibeignen ein Freigelaßener / aus einem Gefangenen ein Liebling des Königes worden. Ja er ward noch mehr verwundert / als er den Josef selbsten herein trähten sahe: als er sahe / daß er mitten unter die Reichsfürsten gestellet ward: als er hörete / daß ihn der König also anredete. Lieber Josef / so sprach ihn der König an / wir haben deinen verstand gesehen. Wir haben deine weisheit vernommen. Deine fähigkeit in der Stahtskunde ist uns nunmehr nicht unbekant. Und weil dir Gott alles / was wir aus deinem munde gehöret / hat kund getahn / halten wir niemand so verständig und weise / als dich. Du wirst die stelle desselben / den du uns zu suchen gerahten / am besten verträhten können. Und darüm setze ich dich itzund über mein Haus. Ja ich setze dich über das gantze Egipten. Alles übergebe ich deiner macht. Nur des Königlichen Stuhles und Nahmens wil ich höher sein. Deinem worte sollen alle meine Völker gehorchen. Hier stehen die Fürsten des Reichs dein gebot zu vernehmen. Siehe! ich bin Farao: ohne deinen willen sol niemand im gantzen Reiche seine hand / oder seinen fuß regen.
Josef neugte sich hierauf gantz demühtig zur erde nieder. Er bedankte sich untertähnigst vor die hohe Königliche gnade. Er bedankte sich vor die aufgetragene hohe würde. Er erkante das guhte vertrauen / daß der König zu seiner wenigkeit gnädigst geschöpfet. Er versicherte ihn seines gehohrfams / und seines getreuen fleisses / so wohl in des Königes / als Reichsgeschäften. Ja / sagte er / ich verhoffe / durch meine treue / allen ein gnügen zu tuhn. Und hiermit wündschten ihm alle Reichsfürsten glük. Jederman war erfreuet. Potifar selbsten / der bisher stil geschwiegen / bezeugete nunmehr auch eine gantz übermäßige freude. Er war froh /[174] daß er die ehre hatte /denselben / der sein Hofemeister gewesen / in einen so hohen ehrenstand erhoben zu sehen. Ja niemand schien so vergnüget / als er. Niemand euserte seine freude mehr / als er. Mitten in solcher algemeinen freude begunte man / auf befehl des Königs / die süßen seitenspiele zu rühren Darnach blies man auch die trompeten. Die trummeln warden geschlagen. Und dieser freudentohn erhub sich so hoch / daß die gantze Burg widertöhnete. Ja das jauchzen / das frohlokken /das freudengeschrei / daß sich mit diesem tohne vermischete / machte ihn so groß / daß ihm die Burg viel zu änge ward. Er barst in die stadt aus / und drang durch alle ihre gassen hin.
Indessen hatte man das gastmahl wieder bereitet. Der König lies sich am obersten ende / unter einem himmel / nieder: und Josef muste / weil der Königliche Fürst / aus unbäsligkeit / nicht zugegen war / auf seinen befehl / allein neben ihm sitzen. Hierauf verfügten sich auch alle Reichsfürsten / und der gantze Adel an ihre stellen. Ein wenig darnach kahm die Königin / mit einer großen mänge Frauenzimmers / in den saal geträhten. Da erhuben sich die Fürsten; und blieben so lange stehen / bis das Frauenzimmer seine stellen genommen. Der Herren tafeln stunden auf der rechten seite des saals: und des Frauenzimmers auf der linken. Zuoberst saß die Königin / und ein wenig von ihr ab die Königliche Fürstin Nitokris / unter einem himmel. Und also saß Nitokris an der Königin tafel in eben der stelle / darinnen Josef bei dem Könige sich niedergelaßen. Der Ertzbischof Potifar war unter allen Fürsten / der dem Könige am nächsten saß. Eben also war auch seine Gemahlin Toote / der Assenat Frau Mutter / der Königin / unter allen Fürstinnen / die nächste.
Niemand unter dem gantzen Frauenzimmer wuste von Josefs Erhöhung. Darüm waren sie alle verwundert /[175] als sie diesen neuen Gast neben dem Könige sitzen sahen. Selbst die Königin konte nicht begreiffen /was es bedeutete. Etliche urteileten / er müste aus Königlichem bluhte entsprossen sein. Andere gedachten was anders. Der Nitokris allein kahm es nicht fremde vor. Sie wuste / was sie getreumet. Sie wuste / was die Fürstin Assenat / und was Semesse vor treume gehabt. Sie wuste Josefs eigene erklährung des Götterspruches wegen der Assenat erziehung. Ja ihr war noch nicht entfallen / was sie vor etlichen jahren einen Ebreer von Josefs eigenen treumen erzehlen gehöhret. Und darüm urteilete sie straks / daß das jenige / was die Götter über den Josef beschlossen / itzund erfüllet zu werden anfinge. Ja sie begunte ihm / in ihrem hertzen / schon glük zu wündschen. Sie dankte den Göttern / daß sie den tag erlebet den anfang seiner herrligkeit[176] zu sehen. Auch wündschte sie wohl tausendmahl die Assenat zugegen; damit sie das verstoßene Härmlein nunmehr wahrhaftig in einen Königlichen Leuen verändert sehen möchte.
Mitten in diesen wunderseltzamen gedanken kahmen zwee Königliche Heerolden in den saal. Diese teileten so wohl an des Frauenzimmers / als an der Herren tafeln / einen Freudengesang aus. Dadurch eröfnete der Königliche Dichtmeister dem Frauenzimmer erst die augen. Nun sahen sie auf Josefs heupte die Egiptische Krohne. Nun erblikten sie den Egiptischen Reichsstab in seiner hand. Ja was ihnen bisher unsichtbar gewesen / das ward itzund ihren augen entdekket. Was sie bisher nicht verstanden / dessen verstand kahm ihnen itzund in die hände. Die Königin selbst lase dieses Freudenlied mit lauter stimme.
Grundstimme
Oberstimme.
[177] Dem neuerkohrnen Egiptischem
Schaltkönige Josef
Glükzu!
Schönes Reich der Schällenbügel /
schwinge deine beiden flügel
im den Niel was weiter aus.
Laß die zunge lieblich singen;
laß die süßen schällen klingen:
weil sich freuet Farons Haus.
Unlängst dreute dir der Himmel /
durch ein schröklichs zorngetümmel:
aber itzund hat er dir
einen Heiland auserkohren /
der zu deinem trost gebohren.
Kom / und schaue seine zier.
Kom / und schaue / wie er sitzet /
wie Er / als die Sonne / blitzet
unter deiner Fürsten schaar.
Kom / und grüße diese Sonne /
deiner Länder lust und wonne.
Wündsch' Ihm tausend guhter jahr.
Wündsch' Ihm tausend freudenblikke:
wündsch' Ihm tausendfaches glükke.
Errif / auf! was zauderstu?[178]
Auf! dein mangel ist ersetzet.
Küsse Den / der dich ergetzet.
Ruf' / ei! rufe laut / glükzu!
Josef! rufe / Josef lebe!
Ja der treue Himmel gebe /
daß er lebe / dir zum heil:
Er / der deines heils Erhalter /
Er / der deines glüks Verwalter /
Er / dein bestes freudenteil.
Mach' Ihm dan auch wieder freude.
Schikk' Ihm zu / in weisser seide /
eine schöne Heilandin:
daß dein Heiland sich ergetze /
seinen mund mit ihrem netze /
und erfrische seinen sin.
Zwischen dessen werd' ich dichten /
Ihm ein Brautlied zuzurichten.
Das sol / in dein Klingelspiel /
meine frohe zunge singen.
Laß es nur baldbald gelingen.
Baldbald! was verziehstu viel?
Hierauf trahten auch die Meistersänger herfür. Diese sungen / auf befehl des Königes / das gantze Lied / mit heller stimme. Ja sie musten es darnach noch einmahl wiederhohlen; und die Klingel- und seiten-spiele darunter gehen. Dieser liebliche tohn machte die zuhöhrer dermaßen verzükt / daß sie des essens und trinkens vergaßen. Ja das gantze Frauenzimmer war als erstarret.[179] Alle Fürstinnen / alle Freulein und Jungfrauen sassen unbeweglich. Sie saßen / als die Bilder; daran sich nichts mehr / dan die augen / durch ein inwendiges kunstwerk / beweget. Allein ihre augen bewegten sich. Diese spieleten / diese rolleten in ihren höhlen herüm / als ein geschwindes uhrwerk. Sie funkelten / sie feuerten: sie warfen ihre strahlen ohn unterlaß auf den schönen Josef. Dem schikten sie tausend liebliche blikke zu: ja tausend wündsche zugleich. Ein iedes Freulein wündschte wohl tausendmahl dieselbe Heilandin zu sein / die in Josefs armen ruhen solte. Es war kein wunder. Josef war ohne das schöhn: und seine schönheit übertraf alle Menschenkinder. Aber nuhn schien er tausendmahl schöner; weil er / als ein EgiptischerNebenkönig / in der schönsten herligkeit saß. Sie sahen ihn nun nicht mehr an / als einen Fremden / als einen gast in Egipten: sondern als einen eingebohrnen Fürsten. Ja als einen Beherscher des gantzen Egiptens sahen sie ihn an. Ich wil mehr sagen: alle Freulein / alle Jungfrauen / auch die Frauen selbsten sahen ihn an als einen / der über alle ihre hertzen herschete. Ihm / gedachten sie /weren sie zu huldigen schuldig. Ihm / gedachten sie /weren sie ihre frohndienste zu leisten verpflichtet. Ihm / gedachten sie / weren sie ihre schatzung der liebe zu geben verbunden. Und also konten sie ihre verliebte augen an der majestätischen schönheit des Josefs nicht genug sättigen. Were die Fürstin Assenat gegenwärtig gewesen; ich gleube gewis / es würde ohne schählsichtigkeit nicht abgelauffen sein. Hette sie diese spielenden blikke / die alle auf Josefs herliche schönheit zuspieleten / erblikket; sie würde ihnen gewis mit liebseifrenden blikken begegnet haben.
Aber Josef lies sich nichts anfechten. Er stellete sich / als würde er dessen nicht gewahr. Er sahe sich kaum einmahl üm. Kaum lies er sein auge auf etwas anders[180] fliegen / als auf den König / und die Reichsfürsten / die in der nähe saßen. Kaum führete er andere reden / als von stahtssachen. Und diese alle waren ernsthaftig; doch darbei auch überaus freundlich und holdseelig. Eben also waren auch seine gebährden. Er sprach nicht ein wort / das nicht zuvor als auf der goldwage abgewogen zu sein schien. Und also waren alle seine worte anders nicht / als kletten / die in der zuhörenden hertzen hängen blieben. Zu zeiten / wan er sie eine weile / mit einem ernsthaften fürstlichem wesen / ausgesprochen / lächelte er ein wenig darzu. Doch dieses täht er niemahls zur unzeit: auch nie zu viel. Der König / der ein klugsinniger Fürst war /märkte auf alles genau. Er konte nichts finden / das den geringsten tadel verdienete. Josef wuste sein gantzes wesen / alle seine gebährden / und alle seine worte so ahrtig zu mäßigen / daß ihm iederman mit verwunderung zusahe / mit bestürtzung zuhörete.
Ist dergleichen fällen pflegt sich sonst der Neid gemeiniglich mit einzumischen. Aber alhier schien dieses laster gleich als gantz verbannet. Es war ein großes wunder. Wunder war es gewis / daß den Josef nicht einer beneidete. Den Josef / sage ich; der als eine Sonne der Tugenden / als ein Licht der Schönheiten herfürleuchtete: dessen Verstandes strahlen den nebel der unwissenheit zertrieben: dem die Ehre höfelte / die Herrligkeit liebelte. Man pfleget sonsten zu sagen: wo Tugend wohnet / wo Verstand hauset / wo Schönheit sich findet / wo Ehre sich hin verfüget; da bläset und speiet der Neid sein gift aus. Aber alhier allein war diese sage falsch. Hier war gantz kein Neid zu finden. Dis untier hatte sich in diesem klahren Spiegel der Tugend / der Weisheit und Schönheit /gleich als ein Basiliske / wie es schien / albereit zu Hebron blind gespiegelt / ja gar zu tode geblasen. Jederman sahe den Josef mit günstigen[181] augen an. Der Misgunst Unke war / aus allen hertzen / in seinen mistpfuhl verwiesen. Josef ward von iederman gelobet / geliebet / begünstiget. Niemand hatte nur die gedanken ihn zu tadeln / zu hassen / oder ungünstig anzublikken.
In solcher vergnügung auf allen seiten ward diese herliche mahlzeit volbracht. Der König / samt allen Fürsten / und dem gantzen Adel / exhub sich zuerst. Darnach folgete die Königin / mit allen Fürstinnen /und dem gantzen Frauenzimmer. Die Herren hielten dem Könige / auf dem Tafelsaale / noch eine zeit lang geselschaft. Aber die Königin nahm / mit dem Frauenzimmer / ihren abtrit. Weil sie nun alda / wo bei dem Könige Josef stund / vorbei musten; so rieffen sie dem neuerkohrnen Schaltkönige / im vorübergehen / alle nach der reihe glük zu! Josef bedankte sich gegen eine iede mit der allertiefsten ehrerbietigkeit. Nicht lange darnach schieden die Herren auch voneinander.
Vor den Josef hatte man auf der Burg zwei köstliche Zimmer zubereitet. Dahin führete ihn der König selbsten. Und als sie alda ein wenig sprache gehalten / gingen sie beide zur Königin. Sachte befahl der König die tühre zu eröfnen. Leise trahten sie hinein. Unversehens überrascheten sie das Frauenzimmer. Niemand ward ihrer gewahr / als da der König redete. Die Königliche Fürstin Nitokris war die erste / die den Josef erblikte. Straks gab sie der Frau Mutter einen wink / daß der neue Schaltkönig vorhanden. Die Königin wendete sich nach ihm zu / ihn wilkommen zu heissen. Geschwinde hastete sich Josef ihr entgegen / die zugereichte hand zu küssen. Kurtz / doch anmuhtig waren die ersten höfligkeiten auf beiden teilen. Josef traht wieder in etwas zurük. Aber die Königliche Fürstin gab ihm / durch entblößung ihrer hand und bewegung ihrer füße / ein zeichen / daß sie ihn ebenmäßig empfangen wolte. Eilend[182] näherte er sich abermahl / ihrem herzutritte zuvorzukommen. Noch etliche Fürstliche Freulein / die auf der Burg übernachten solten / begegneten ihm mit gleicher höfligkeit. Es war schon zimlich späte. Josefs bescheidenheit wolte nicht gestatten dem Frauenzimmer länger verdrüßlich zu fallen. Darüm nahm er / nach einem kurtzen gespräche / gebührender maßen abschied.
Die Edelknaben leuchteten dem Josef / auf befehl des Königes / nach seinem zimmer zu. Davor fand er schon eine Königliche bedienung. Er fand schon seine Kammerdiener / seine eigene Edelknaben / seine eigene Lakkeien. Das war eine plötzliche veränderung. Vor zehen oder zwölf stunden war er noch ein Gefangner / ein Leibeigner / ein dienstbohte: er lag in einem betrübten gefängnüsse; er saß in einem dunkelen gewölbe; er muste tuhn / was der Gefängnüsmeister ihn hies. Itzund aber war er ein Freier / ein Fürst /ja ein Gebieter über das gantze Egipten. Er befand sich auf einer königlichen Burg / in einem lustigen zimmer. Er hatte seine leibwache / seine leibdiener. Die musten sein gebot ausrichten. Ja er hatte selbst die macht den Fürsten zu befehlen. Jederman muste seinen worten gehorchen.
Das zimmer / darinnen Josef schlafen solte / hatte eine lustige aussicht in den Königlichen garten / und nach dem Niele zu. Das andere hatte seine aussicht auf den schlosplatz. Beider schmuk war königlich. Die mauren rund ümher sahe man mit überaus köstlichen prunktüchern behänget: und diese von reiner seide mit golde durchwürket. Der bodem war von weissem marmel / und ebenmäßig mit prunktüchern beleget: die dekke mit zedernholtze übertäfelt / und über und über dichte vergüldet. Doch den währt des goldes und des holtzes übertraf die köstligkeit der kunst bei weitem. Das schnitz- und bild-werk / da die gantze Egiptische weisheit[183] alhier ihre sämtliche kraft /in ausbildung ihres verborgenen sinnes / angewendet /war eben so unschätzbar / als wunderwürdig. Das Bette stund als ein Königliches gezelt aufgeschlagen /und auf das prächtigste geschmükket. Die seulen waren von dem reinsten und weissestem elfenbeine auf das zierlichste gedrehet: die ümhänge von klahrer weisser seide / mit silbernem bluhmwerke durchwürket. Eben eine solche dekke war auch über das bette geschlagen. Alhier begab sich Josef endlich zur ruhe.
In der ersten morgenwache erschienen ihm im schlafe zwölf Hirsche. Diese warden endlich zu neunen / und in den Ländern zerstreuer. Auch sahe er aus seines Bruders Judah nachkommen eine Jungfrau / in reine weisse seide gekleidet / herfärgehen. Diese gebahr ein unbeflektes Lam. Zur linken hand des Lammes stund ein Leue. Und alle Tiere streubeten sich wider ihn / und fielen ihn an. Das Lam aber überwand sie / und traht sie alle unter die füße. Und über ihm erfreueten sich die Engel / die Menschen / und das gantze Erdreich.
Mitten in socher algemeinen freude ward Josef wakker / und dachte diesem Gesichte nach. Er sahe wohl / daß es erst in den letzten zeiten erfüllet; und aus dem Stamme Judah der längst verheissene Heiland der Welt solte gebohren werden. Nun sahe er dem Weibessamen entgegen / welcher der Schlange den kopf zerträhten solte. Mitten in solchen gedanken erhub er sich aus seiner ruhe. So bald er rege ward /kahm einer von seinen Kammerdienern hinein. Der brachte ihm / auf befehl des Königes / ein überaus köstliches Kleid / mit allem zugehöre. Auch ward ihm straks darauf eine Königliche Befehlschrift an den Schatzmeister des Königes eingereichet. Durch diese war ihm vergönnet / so viel[184] viel gelder / als er zu seiner ausrüstung / auch sonsten bedurfte / aus der Königlichen Schatzkammer zu höben.
Unterdessen trug der König verlangen den Josef zu sprechen / ehe die Reichsfürsten ankähmen. Darüm schikte er einen seiner Kammerherren hin ihm anzudienen / daß er seiner wartete. Josef gehorchte zur stunde. Straks ging er hin die antwort selbsten zu bringen. Der König stund eben in der tühre seines zimmers / da er ankahm: und zog ihn bei der hand hinein. Sehr freundlich sprach er ihn an. Aus der maßen liebseelig empfing er ihn. Nach etlichen gewechselten grusreden / fing er straks wieder an von seinen gestrigen Treumen zu sprechen. Die deutung lag ihm noch immer im sinne. Bald fragte er dieses /bald jenes: und Josef gab ihm auf alles bescheid. Unter andern begehrte er zu wissen / wan die sieben fruchtbaren Jahre beginnen solten? Josef gab zur antwort: er vermeinte / daß sich das erste schon begonnen. Nun wohlan! fuhr der König fort: so müssen wir dan anstalt machen / daß unser vorhaben mit dem ersten seinen anfang gewinne. Mein Jahrsfest habe ich beschlossen erst über sechs tage zu endigen. Und dan solt ihr den Landständen / und Reichsfürsten / als auch der gantzen Ritterschaft / und dem gantzen Egiptischem Volke / mit öffendlichen geprängen / vorgestellet werden. Unterdessen wil ich verschaffen / daß gegen die zeit alles färtig sei. Ich wil euch eine sonderliche Königliche Hofstat zuordnen. Ich wil haben /daß ihr auf das prächtigste aufziehet. So mus es sein. Einen solchen staht müsset ihr führen: damit mein Volk euch fürchte; damit es euch gehorche.
Josef bedankte sich auf das allerdemühtigste vor die so gar hohe gnade / die der König ihm anzutuhn beliebete. Er bedankte sich vor die so gar große Königliche vorsorge sein ansehen und seine ehre zu erhöben. Auch fügte er darbei: daß er dem Könige hierinnen nicht an[185] oder ab-rahten wolte. Er unterwürfe sich seinem willen gantz und gar. Seinem guhtdünken sei er bereit zu folgen: seinem befehle verbunden zu gehorchen: seinem winke selbsten sei er schuldig auf das untertähnigste nachzuleben.
Eben als Josef dieses redete / kahm ein Edelknabe dem Könige anzudienen / daß die Reichsstände versamlet weren. Hierauf fragte der König den Josef: ob ihm beliebte mit in die Rahtsversamlung zu gehen? Josef antwortete: dis stelle ich in des Königes belieben. Wer was dünkt euch? fuhr der König fort: sehet ihr es vor guht an? Ich darf mich zwar nicht unterfangen / redete Josef weiter / dem Könige vorzuschreiben: aber auf seinen befehl mus ich mich erkühnen zu sagen / das es vor dieses mahl sich so wohl nicht fügen wil. Ich bin nun noch als ein fremder. Ich bin in meinem gnädigst aufgetragenem Reichsgebiete noch nicht bestähtiget. Wan aber dieses geschehen ist; alsdan wird es sich besser schikken. Itzund möchte mir solches verübelt werden. Man möchte es so deuten /als wan ich gebietsüchtig were / und das gebiet vor der zeit suchte. Dieses ist mein geringfügiges guhtdünken. Doch des Königes mus vorgehen. So könt ihr euch inmittelst / fing hierauf der König an /im garten erlustigen. Wan es zeit zur tafel ist / wird man es euch schon anmelden. Und hiermit begab sich der König in den Rahtssaal: Josef aber hinunter in den Garten.
Semesse lag eben in ihrem zimmerfenster / das nach dem garten zuging / als Josef hineinkahm. Straks lief sie zur Königlichen Fürstin / ihr solches anzumelden. Diese seumete sich nicht lange. Eine so gewündschte gelegenheit / ihn allein zu sprechen /wolte sie nicht schlüpfen laßen. Eilend ging sie hinunter. Niemand folgte ihr / als Semesse. Eben unter einem schattenreichen laubergange traf sie den Josef an. Da konte sie niemandsehen. Da konten sie frei und ungehindert sprache halten. Sobald sie Josef erblikte / ging er zu ihr zu. Nach erwiesenen höfligkeiten gegeneinander / fing Nitokris straks an zu fragen: wie es ihm im gefängnüsse gegangen? Ob er auch Mangel gelitten? Ob man ihn auch ehrlich gehalten? Als nun Josef geantwortet: daß es ihm im gefängnüsse besser gegangen / als bei Fürst Potifarn: da fing die Fürstin an zu lächlen. Wie so? fragte sie ferner. Er hatte ja alda ungezweifelt mehr lust / sonderlich bei einer so schönen und holdseeligen Fraue. Die Fraue war guht / fing Josef hierauf an: aber ich war dannoch unglüklich. Ihre guhtheit konte mir wenig helfen.
Weil nun Nitokris sahe / daß Josef sich nicht herauslaßen wolte / und diese reden ihm nur verdrüßlich fielen: so führete sie seine gedanken wieder ins gefängnüs. Aber / fragte sie / wie stellete sich der Gefängnüsmeister gegen ihn an? Sehr wohl / antwortete Josef: und ich bin von ihm gehalten worden / als wan ich sein sohn gewesen. Das pflegt er sonst nicht zu tuhn / fuhr die Fürstin fort: darüm bin ich verwundert. Vielleicht hat er einen guhten Freund gehabt / der sein Wort geredet. Vielleicht ist iemand gewesen / der ihm zu liebe dem Gefängnüsmeister solche guhtheit belohnet.
Aus diesen verblühmten reden muhtmaßete Josef von stunden an / daß es die Königliche Fürstin sein müste / die ihn dem Gefängnüsmeister so hoch anbefohlen. Darüm gab er zur antwort: Ja freilich habe ich solches einem großen Freunde zu danken; der große barmhertzigkeit an mir erwiesen: der dem Gefängnüsmeister alles / was er mir guhtes getahn / reichlich bezahlet. Bezahlet! fing ihm die Fürstin das wort auf. Hat ihm dan iemand geld geschikt? Ja freilich / antwortete Josef / ihm / und mir. Und das kleid / das ich gestern anhatte / habe ich demselben / ja noch viel mehr / ebenmäßig zu[188] danken. Aber was ist doch das vor ein Freund? fuhr die Fürstin fort. Bis auf diese stunde / antwortete Josef / habe ich ihm / nur als einem unbekanten / gedanket: aber nunmehr lebe ich der hofnung ihm bald / als einem bekanten / zu danken. Warüm solte er dieses erst itzund tuhn können? fragte Nitokris abermahl. Weil ich den Freund oder die Freundin / antwortete Josef / erst itzund / aus ihren worten / kennen lerne. So meinet er dan / daß ichs selbsten sein sol? gab Nitokris zur gegenantwort. In alwege / antwortete Josef wieder. Und hiermit brach er aus in diese worte. Vorlängst habe ich gewündscht / sagte er / diese barmhertzige Seele zu kennen. Tausendmahl habe ich begehrt das treuhertzige hertz zu wissen / daß sich meiner so getreulich angenommen. Aber es hat mir nicht widerfahren können. Diese stunde allein bat es mir geoffenbahret. Ihr leutseeliger mund hat sich selbsten verrahten. Keinen tag meines lebens schätze ich so glüklich / als diesen: der mich so glükseelig gemacht / daß ich dieselbe mildtähtige hand / die mir so hohe gnade erwiesen / in alleruntertähnigster dankbarkeit zu küssen vermag. Ach! wie sol ich solche so treue gunst / solche mehr als gnädige barmhertzigkeit erwiedern? Mein bluht ist zu wenig darzu: mein vermögen zu arm. Ich werde Ihr schuldner bleiben müssen / so lange ich ahteme: iedoch ein dankbarer schuldener / der sein leben zu pfande setzet / zum zeichen / daß er gern bezahlen wolte / wan er könte.
Aber woher weis er / daß ich seinetwegen dem Gefängnüsmeister solte geld geschikt haben? fiel ihm die Fürstin in die rede. Daß er geld bekommen / antwortete Josef / mich ehrlich zu halten; das hat er mir selbst gesagt / auch die beigefügten briefe gewiesen. Aber weder[189] ich / noch er konten dazumahl errahten /von wem solche überschwänglich große wohltaht kähme. Und nun bin ich begierig zu wissen / was doch Meine allergnädigste Fürstin bewogen / mir unverdientem so gar große gnade zu erweisen? Vor mich selbst / antwortete Nitokris / habe ichs nicht getahn. Eine Fürstin / die er noch nie gesehen / aber ausser allem zweifel bald wird sehen / und mehr als mich kennen lernen / hat mich hierzu bewogen. Was von mir geschehen ist / ist alles ihr zu liebe geschehen. Darüm ist er gantz nicht verbunden mir zu danken. Der dank gebühret ihr. Ihr allein ist er verpflichtet zu danken.
Eben als die Königliche Fürstin diese worte redete / höreten sie zur tafel blasen. Und darüm nahm sie straks ihren abschied. Josef aber blieb noch eine kleine weile im garten. Darnach begab er sich auch in sein zimmer. Alhier verzog er so lange / bis ihm angesagt ward zum Könige zu kommen. Mit großer ehrerbietigkeit begegneten ihm alle Fürsten. Sobald sie ihn erblikten / machten sie raum. Sie trahten eilend von einander in zwo reihen; damit er ungehindert hindurch könte. Nach geschehenen ehrenbezeugungen zu beiden seiten / setzte man sich straks zur tafel. Einieder Fürst nahm seine stelle / da er des vorigen tages gesässen. Und Josef lies sich neben dem Könige nieder. Die lust / die freude / die ergetzligkeit schienen täglich zuzunehmen. Auch wuchs die unterliche liebe der Fürsten mehr und mehr an. Die hertzliche vetrauligkeit ward immer grösser und grösser / so lange dieses Freudenmahl währete. Die vergnügung / die der König hieraus schöpfte / kan keine feder beschreiben. Keine zunge vermag sie auszusprechen. Ja keine gedanken können sie fassen. Er selbsten war so fröhlich. Er erzeigte sich so lustig / daß sich iederman verwunderte. Und diesem vorgänger folgeten alle seine gäste. Nicht einer verderbete das spiel. Die traurigkeit[190] schien gantz verbannet: die unlust verwiesen: die schweermühtigkeit verjaget.
Dieser algemeinen lust der Fürsten gab des Frauenzimmers fröhligkeit nichts zuvor. Die Fürstliche Gemahlinnen schritten selbst über die schranken ihrer achtbarkeit; welche sie sonsten so genau zu bewahren pflegen. Die Freulein und Jungfrauen vergaßen ihrer strengen eingezogenheit. Ihrer sonst angebohrnen blödigkeit / und gewöhnlichen sitsamkeit / gaben sie vor dieses mahl uhrlaub. Das kind der zucht / die edele Schaamhaftigkeit / milterten und mäßigten sie dermaßen / daß sie so übermäßig nicht züchteten / so aus der weise nicht prunkten / so ohne schertzspiele nicht ernsteten; wie sie sonsten zuweilen gewohnet. Die gemeinsamheit / die offenhertzigkeit / die freimühtigkeit / die sprachsamkeit / die ausgelaßenheit zur lust und ergetzung hatten das stöltzeln / das prängeln / samt dem alzuernsthaftigen niedergeschlagenem wesen /verdrungen. Ihre augen liebelten. Ihre wangen lächelten. Ihre stirnen spieleten. Ihr mund entschlos sich. Ihre zunge ward gelöste. Und also lies sich das gantze antlitz aus in ein fröhliches anmuhtiges wesen. Ja der gantze leib saß / wo er saß / und stund / wo er stund /in einer freudigen ungezwungenen bewegung.
In solcher unterlich einpärigen lust und freude kahm der achte und letzte tag des Königlichen Jahrfestes herbei. Josef begunte der hofluft / als nunmehr ein hofman von sechs tagen / alhand zu gewohnen. Bisher war er noch zimlich eingezogen und stille gewesen. Er hatte wenig geredet / noch weniger geschertzet. Aber itzund fing er an dreister zu werden. Itzund machte er sich erst bekant. Itzund lies er so ein freudiges und so munters wesen blikken / daß er mehr / als iemahls zuvor / die augen dieser Fürstlichen versamlung auf sich zog. Sobald er in den Saal traht / redete er / mit einer sonderlichen[191] wohlanständigkeit /bald diesen / bald jenen Fürsten an. Und diese reden waren meistenteils mit einem anmuhtigen schertze vermischt. Er gedachte: ende guht / alles guht. Er wolte dis Fest / das er mit stille beginnen helfen / mit freuden schliessen. Und darüm erzeigte er sich auch so lustig / und so fröhlich / als wan ihn kein unglük iemahls betroffen. Hatte man ihn vor diesem gerühmet / so erhub man ihn itzund bis an den himmel. Alle hertzen hingen ihm an. Alle gemühter waren ihm gewogen. Der König selbsten hatte ein solches wohlgefallen an ihm / daß er überlaut sagte: dis sei der lustigste tag von allen / weil sich Josef so lustig erzeigte. Ja es schien / als wan er / durch solche seine fröhligkeit / die gantze fröhliche versamlung noch fröhlicher gemacht.
Ohngefähr drei stunden hatte man tafel gehalten. Der Nachtisch ward aufgetragen. Allerlei Zukkergebakkenes / allerlei eingemachte früchte / allerlei obst /allerlei schaugerichte / und allerlei lekkerspeisen warden aufgesetzt. Die tafeln stunden schon gleich als bedekt mit güldenen schüsseln vol dergleichen lekkerkost. In dem augenblikke war es / da sich der König plötzlich erhub. Plötzlich stund er auf / und befahl dem Josef / und allen Fürsten ihm zu folgen. Jederman war hierüber verwundert. Niemand wuste / was es bedeuten solte. Alle stunden im zweifel. Endlich ging der König nach der Königin zu. Diese zog er /bei der hand / von der tafel: und winkte dem Josef /daß er die Königliche Fürstin nehmen solte. Das täht er auch alsobald mit der allerhöflichsten ehrerbietigkeit. Hierauf ward den andern Herren befohlen dergleichen zu tuhn. Einieder geselte sich zu einer aus dem Frauenzimmer. Und also stunden sie alle gepaaret. Die Kunstspieler musten spielen / und die Meistersänger singen. Noch konte niemand aussinnen /was der König zu tuhn gesonnen.[192] Die meisten gedachten / man würde einen Reientantz tuhn sollen. Aber der König befahl die tühre zu öfnen: und die sänger / samt den spielern / musten forttråhten. Alle gingen zur tühre hinaus. Der König / mit der Königin gepaaret / folgete: und ihm die gantze gepaarte versamlung. Endlich gelangte man in den Königlichen Lustgarten. Da hielt diese lustige geselschaft einen ümgang. Dis geschahe mit sehr langsamen tritte. Zuweilen stund man auch ein wenig stil / das gesicht was mehr zu ergetzen.
An der überseite des Gartens war eine schöne wasserkunst in etlichen marmelsteinernen Bildern verborgen. Diese Bilder stunden in einer langen reihe längst dem gange hin. Eben als der König und Josef hier vorbei waren / fingen die Bilder an ihre kunst zu beweisen. Etliche sehr dünne wasserstrahlen kahmen ihnen plötzlich aus den augen / und aus dem munde /ja selbst aus den ohren und brüsten geschossen. Dadurch bekahmen die vorübergehenden ein unversehenes bad. Als sie nun von oben also befeuchtet waren; da sprangen und rieselten auch von unten / aus der erde selbst / etliche zahrte wasserstrahlen in die höhe. Und dieses geschahe allein auf der seite / da das Frauenzimmer ging: welches / so bald es die kalten wasserstrahlen / unter den rökken / auf der bloßen haut fühlete / mit dem wasser als üm die wette zu springen und zu hüpfeln begunte. Darüber erhub sich ein großes gelächter. Der König befahl den Kunstspielern lustig aufzuspielen. Diese Schönen solten nach dem tohne tantzen. Nach dem hohen und niedrigem / nach dem langsamen und geschwindem klange solten sie ihre füße bewegen.
Nach dieser kurtzweile begaben sie sich alle wieder in den Saal. Ein ieder setzte sich in seine stelle. Der Nachtisch ward vorgedienet. Die bächer gingen rund herüm. Die gesundheit des Königes und des neuen[193] Schaltköniges ward stehende getrunken. Man wündschte ihnen beiden glük. Man rief / durch den gantzen saal: Lange lebe der König! Nefrem lebe gesund! Lange lebe der Schaltkönig! Josef lebe gesund! Dieses freudige zurufen hatte fast kein ende. Den gantzen abend erklungen diese glükswündsche / unter dem schalle der trompeten. Sie höreten nicht eher auf / als bis der König sich erhub. Sie liessen nicht eher nach / als bis die gantze geselschaft bereit stund zu scheiden. Und in diesem augenblikke traht ein Heerold auf. Der rief durch den gantzen Saal aus. Auf des Königs befehl / solten sich morgen früh alle Fürsten und Stände des Reichs auf dem Reichssaale versamlen. Die gantze Ritterschaft solte sich einfinden / der bestätigung des neuen Schaltköniges beizuwohnen. Hiermit schieden die Fürsten voneinander. Hiermit beschlos man das Königliche Jahrsfest. Hiermit nahm dieses freudenmahl sein gewündschtes ende.
Buchempfehlung
Zwei späte Novellen der Autorin, die feststellte: »Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: alle dummen Männer.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro