Mich deucht / ich sehe die Welt ihr leschhorn rümpfen. Mich dünkt / sie ziehet das maul. Ich höre / sie fraget: was ungewöhnliches / was seltsames / was neues ist dis? Sie siehet / daß ich diese Liebesgeschicht heilig nenne. Das komt ihr fremde vor. Darüber verwundert sie sich. Darüber kreuset und kreutzet sie mit dem zeiger. Freilich ist es was neues / was fremdes / was seltsames. Ja es ist was heiliges / dergleichen auf diese weise noch niemand verfasset.
Mit nicht-heiligen / ja unheiligen Liebesgeschichten hat man sich lange genug belustiget; mit weltlichen übergenug ergetzet. Darzu hat der Grieche Heliodor zuerst die feder gespitzt. So gehet die gemeine rede. Die Spanier und Wälschen seind ihm gefolget: und diesen die Franzosen / mit den Englischen. Endlich haben sich auch de Hoch- und Nieder-deutschen eingefunden. Aber nun sollen diese letzten in den Nicht-heiligen und weltlichen / die ersten sein in den Heiligen. Hierzu veranlaßet sie hiesige feder. Hierzu wird sie ihnen eine vorgängerin; indem sie diese heilige Stahtslieb- und lebens-geschicht fliessen lesset.
Fragstu / warum ich sie heilig nenne? Freilich ist sie heilig / weil sie aus dem brunnen der heiligen Geschichte Göttlicher Schrift geflossen. Zudem handelt sie von der Assenat / die aus einer Egipterin eine Ebreerin ward. Ja sie handelt vom Josef / der ein Nachkömling und Sohn der heiligen Ertzväter war: und selbst ein Ertzvater worden; indem er zween Stamväter des heiligen Volks der Ebreer gezeuget. Die Assenat war nicht allein eine gebohrene Fürstin; sondern auch eines Geistlichen Tochter / und selbst eine geistliche Jungfrau. Darnach ward sie auch des Josefs Gemahlin / und zugleich eine Mutter des Efraimischen und Manassischen Stammes. Ja sie ward eine Ertzmutter / wie Josef ein Ertzvater / dieser zween Stämme des heiligen Volks Israels. Darzu komt noch dieses / daß die Liebe der Assenat so wohl / als des Josefs / rein / keusch / und heilig wesen.
Hier siehestu dan klahr genug / daß ich diese Geschicht nicht unbillich heilig nenne: die ich noch über das / in ihrem gantzen grund-wesen / wie ich sie n der heiligen Schrift / und in den besten unter den andern gefunden / heil sind unverrükt gelaßen; wiewohl ich ihr zu weilen / nach dieser ahrt zu schreiben / einen höhern und schöneren schmuk und zusatz / der zum wenigsten wahrscheinlich / gegeben.
Sonsten seind alle dergleichen Liebsgeschichte fast bloße Gedichte. Auch ist sonsten zwischen dergleichen Geschichtschreibern / und rechten Dichtmeistern schier kein ander unterscheid / als daß jene in gebundener / diese in ungebundener rede schreiben. Aber diese meine Geschicht ist / ihrem grundwesen nach /nicht erdichtet. Ich habe sie nicht aus dem kleinen finger gesogen / noch bloß allein aus meinem eigenen gehirne ersonnen. Ich weis die Schriften der Alten anzuzeigen / denen ich gefolget.
Jene werden darum mit erdichteten wunderdingen ausgezieret / ja oft im grundwesen selbst erdichtet /oder auf dichterische weise verändert; damit sie in den gemühtern der Leser um so viel mehr verwunderung gebähren möchten. In ihnen wird darum die wahrheit mit einer andern gestalt vermummet / und mit wahrscheinlichen / auch oftmahls kaum oder gar nicht wahrscheinlichen erdichtungen vermasket / ja selbsten verdrehet; damit sie üm so viel schöner / üm so viel herlicher / üm so viel prächtiger ihren aufzug tuhn möchten. Hier aber haben wir keiner erdichtungen /keiner vermaskungen / keiner verdrehungen nöhtig gehabt. Die nakte Wahrheit dieser sachen / davon hiesige Geschicht handelt / konte solches alles ohne das genug tuhn. Aus den hinten angefügten Anmärkungen / da ich meine verfassung / aus den Schriften der Alten und Neuen bewähre / wird es der Leser sehen: wiewohl ich kaum die helfte / damit ich seiner geduld / durch alzuüberflüßige weitschweiffigkeit / nicht misbrauchte / anmärken dürfen. Doch wird verhoffendlich diese helfte den Liebhabern nicht weniger angenehm sein / als das gantze: weil sie ihnen zum wenigsten die spuhr zeiget / das gantze zu erspühren. Dahin hat sich auch meine sie feder bearbeitet. Ja darüm ist mein raht / daß man solche Anmärkungen zuallererst lese. Dan wan man diese wohl gefasset /wird man die Geschichtsverfassung selbsten mit grösserem nutzen so wohl / als verstande / lesen. Viel leichter wird man dan wissen / wohin ich ziele. Dan wird man sehen / daß ich dieses / oder jenes nicht vergebens und ohne vorbedacht / noch aus eigner eingebung gesetzet. Ja dan wird fast kein wort ümsonst geschrieben zu sein scheinen.
Hierbei sol man auch dieses wissen / daß wir / da /die heilige Schrift entweder zu kurtz redet / oder aber gar schweiget / in vielen den Schriften der Araber /und Ebreer / und dan des weltberühmten Atanasius Kirchers / im meisten aber der Assenat Geschicht /und der Verfassung des letzten Willens der zwölf Ertzväter / der Söhne Jakobs / gefolget. Diese zwo letzte Schriften haben die Jüden / aus neide / wie man schreibet / lange zeit verborgen gehalten. Endlich seind die Griechen darhinter kommen / und bemühet gewesen / sie in die Griechische spräche überzusetzen. Hierinnen seind sie so lange geblieben / bis sie ein Englischer Linkolnischer Bischof / Robert der zweite / aus Griechenland bekommen / und im 1242 jare / mit hülfe Niklasens des Griechen / und des Albanischen Abts Geheimverpflegers / in die Lateinische sprache übergetragen: daraus man sie nachmahls auch in die Hoch- und Nieder-deutsche gebracht.
Im übrigen wündsche ich / daß der Künstler / H. R von Hagen / im entwerfen der Bildrisse / welche sich / wiewohl sie seine ersten früchte seind / ohne mein zutuhn / selbst preisen werden / meinem sinne recht eigendlich folgen können. Ich habe zwar mein bestes getahn / ihm denselben deutlich genug zu erklähren. Aber es scheinet / daß sich die Kunst nicht allezeit wil binden laßen. Darüm hat sie auch alhier was freier abgeschweiffet / als mein sin und wille war. Doch wo iemand diese stummen Gemälde nicht vergnügen / da werden es die beigefügten redenden tuhn. Aus denen wird man genug verstehen / wie sie sein solten / und wie die sache selbsten sich befindet.
Wird nun dieses Werklein angenehm sein / so sol mein Moses / und Simson / auf eben dieselbe weise beschrieben / der Assenat folgen. Indessen gehabe dich wohl / lieber Leser / und belustige dich hiermit nach deinem belieben / ja begünstige / wan ich dessen währt bin / mit deiner liebe
deinen
Zesen.