10. Ode

[50] Zum Troste des Kupferwolfischen Hauses über das Absterben der Frau von Unruh.


Erbrich dies schmerzensvolle Blat,

Das ich zu deinem Trost geschrieben.

So lange hat kein Klagen statt

Halt ein mit Seufzen und Betrüben.

Doch eh du alle Zeilen liest,

So will ich Dir im voraus sagen:

Daß deine Freundin willig ist

Die halbe Last mit Dir zu tragen.


Komm, leg dein Haupt in meinen Schooß.

Mein Zuspruch soll die Wunde heilen:

Und wär dein Jammer noch so groß,

Wird die Empfindung sich zertheilen.

Ich kenne Dich und deinen Sinn

Dein zartes Herz, die edle Seele;

Vergib, wenn ich verwegen bin,

Und deine Thränen einzeln zähle.


Wo denk ich hin! was nützte mir

Die Menge deiner herben Zähren

Ach! meine Mühe würde Dir

Dadurch gar wenig Trost gewehren.

Ich gehe in dein Klagehaus,

Dein Ehgemahl zugleich zu sprechen.

Da sieht es wahrlich furchtbar aus:

Das Herze muß vor Mitleid brechen.
[51]

Ihr Liebsten, ich will Zeuge seyn

Seufzt, weinet beyde um die Wette;

Klagt, ich stimm mit Euch überein;

Ach! wer noch eine Tochter hätte!

Doch hört mich auch vor andern an:

Ihr könnt Euch beyde völlig fassen

Da Euch zur Tröstung dienen kan

Daß sie Euch Kinder hinterlassen.


Der Mutter Geist und Trefflichkeit,

Und Anmuth, und so seltne Gaben,

Verstand und wahre Redlichkeit,

Das ists was sie geerbet haben.

Die zeigen Euch ihr Ebenbild

Wenn Asch und Moder sie begehren,

Hebt auf den Flor der Euch umhüllt;

Ihr könnt die Todte anders ehren.


Schreibt ihr noch auf den Leichenstein,

Wie lieb Euch dieses Kind gewesen.

Und sollte dies zu wenig seyn,

So laßt die Welt noch dieses lesen:

Hier ruht ein Engel von Gestalt,

Der Schmuck vom weiblichen Geschlechte.

Der Tod gebrauchte hier Gewalt,

Drum wichen Alter, Ahnen, Rechte.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 50-52.
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