19. Ode

[87] Der Geizhals.


Wie habt ihr noch nicht gnug und satt;

Ihr, die ihr euch pflegt zu bemühen

Das Geld, das unser Erdkreis hat,

In eure Klauen hinzuziehen?

Ihr sucht es auch in Schlamm und Sumpf;

Sind eure Klauen noch nicht stumpf,

Von Scharren und Zusammenkratzen?

Kömmt euch, da ihr so manche Nacht

Schon habt mit Zählen zugebracht,

Der Krampf nicht in die krummen Tatzen?


Ihr werdet ja den Krüppeln gleich,

Und dies durch heben, schleppen, tragen.

Ists möglich, daß ihr dennoch euch

Stets über Mangel könnt beklagen?

Seyd ihr von Geiz bethört und toll?

Man sieht ja alle Kasten voll,

Hier ist nichts mehr hinein zu pressen;

Ein jedes Fach ist voll gepfropft;

Der weite Beutel ausgestopft;

Kein leerer Winkel wird vergessen.


O Thorheit! daß der Mensch so sehr

Sich in dies güldne Kalb vergaffet,

Und stündlich immer mehr und mehr

Von Geld und Guth zusammen raffet;

Er denkt und hoffet stets darauf;

Als würd er vieler Jahre Lauf

Wie dort Methusalem erreichen;

Drum will er auch das schnöde Geld

Das er für seinen Götzen hält,

In grossem Maaß zusammen streichen.
[88]

Seht, wie der Geizhals Harpax sitzt,

In seinen güldnen Pallisaden,

Und wie er bey dem Zählen schwitzt;

Wie stark ist jede Hand beladen!

Die Finger sehen kohlschwarz aus;

Wie manche Post kommt da heraus?

Wie sind die Zettel numeriret?

Hat Crösus etwan sich allhier

In diesem kostbaren Revier

Sein reiches Schatzhaus aufgeführet?


Und dennoch reicht es noch nicht zu,

Den andern Nabal zu begnügen.

Sein Herz läßt ihm auch da nicht Ruh,

Wenn man sieht andre schlafend liegen.

Er sinnet darauf Nacht und Tag,

Wie er den Klumpen thürmen mag;

Und seufzt nach einem gülden Regen;

Er wünscht sich, wenn man aus dem Fluß

Den kühlen Trank ihm bringen muß,

Des Tagus gelben Sand zum Seegen.


Meynt ihr etwan, ihr sähet ihn

Deswegen so viel Geld erbeuten,

Und was er kann, nur an sich ziehn,

Die leckre Tafel zu bereiten?

Sprecht ihr, er soll sich gütlich thun,

Auf sanften Federn schnarchend ruhn,

In Syndon und Asbest sich kleiden,

Bey süssem Muscatellermost,

Und auserlesner guter Kost

Sich laben und in Wohllust weiden?
[89]

Ach weit gefehlt! ihr irret sehr,

Dies thät er freylich, wenn der Thore

Auch Herr von seinem Gelde wär.

Ihr predigt einem tauben Ohre.

So oft die höchste Noth ihn zwingt,

Und ihn um einen Heller bringt,

Kann er nichts aus dem Kasten holen;

Warum? das Geld ist ihm zu lieb,

Drum hat er sich auch selbst als Dieb

Den Schlüssel heimlich weggestohlen.


Ist dies der reich beschriene Mann!

Der uns das Geld in Tonnen zählet?

O! seht doch seine Kleidung an,

Mich dünket, daß sehr viel dran fehlet.

Sein heisser Wunsch, sein ganzer Sinn

Geht einig und allein dahin,

Dort dem Ebräervolk zu gleichen,

Das Kleid und Schuh stets ganz befand,

So lange Jahr es durch den Sand

Und dürre Wüsten muste streichen.


Seht ihr was auf dem Tische stehn,

Wenn andre sich die Tafel decken?

Kommt: laßt uns mit zu Gaste gehn,

Den kargen Filz nur zu erschrecken.

Wie leer und finster sieht es aus?

Hier kommt kein Schmeer noch Schmalz ins Haus,

Denn auch ein Erdschwamm, Lauch und Eichel

Ist ihm zu theuer in dem Kauf;

Was träget denn der Knicker auf?

Gar nichts; er lebt von seinem Speichel.
[90]

Und recht; er kann ja nicht davor,

Daß ihn die Noth nun heisset fasten;

Die Geldsucht blies ihm stets ins Ohr,

Die ließ ihn weder ruhn noch rasten.

Und endlich ward ihm das gewehrt,

Was Midas ehemals begehrt;

Nun steht er auch in seinem Orden.

Denn Bette, Kisten, Tisch und Bank,

Doch leider! auch gar Speis und Trank

Sind ihm zu lauter Gold geworden.


Was hilft nunmehr dem reichen Thier

Sein Schatz, den er gleich einem Drachen

Mit Furcht und brennender Begier

Zu seiner Quaal sucht zu bewachen?

So viel, daß ihn die Welt verlacht,

Und feisten Ebern ähnlich macht,

Von denen sich kein Mensch im Leben

Genuß und Vortheil leicht verspricht;

Doch die, wenn man die Gurgel bricht,

Ihr Fett uns zum Gebrauche geben.


Ihr Erben! lacht, und freuet euch,

Denn Harpax wird nicht lange laufen,

Der Hunger macht ihn fahl und bleich

Laßt Boy und Flor nur immer kaufen;

Ihr lächelt schon, und thut auch recht.

Dergleichen karger Mammonsknecht

Will nach dem Tod Verschwender haben.

Laßt die Gefangnen los und frey,

Die Würmer schmausen auch darbey

Wofern sie von der Haut was schaben.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 87-91.
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