27. Ode

[111] Du Schattenreiche Fichte,

Vergönne mir die Lust!

Ich setze mich und dichte

Von dem was dir bewust.

Du kennst längst meine Klagen,

Du kennst mein bittres Ach.

Denn leiden und nichts sagen,

Gar nicht ein Wörtchen sagen,

Dazu bin ich zu schwach.


Von schönen Augen brennen

Das ist mir wohl erlaubt;

Allein ich darf nicht nennen

Was mir die Freyheit raubt.

So mehret sich mein Leiden,

Mich tödtet jeder Blick:

Denn lieben und auch meiden,

Das Liebste gänzlich meiden

Bringt nicht das Herz zurück.
[111]

Mein Liebstes, mein Vergnügen,

Mein alles auf der Welt:

Dein Knecht ist so verschwiegen

Von dem was ihm gefällt;

Und will die Gluth verschweigen,

Die kein Erbarmen kühlt;

Ich werde dir nur zeigen,

In allen Minen zeigen,

Was meine Seele fühlt.


Wie lange soll ich hoffen?

Wenn ändert sich dein Sinn,

Daß ich das Ziel getroffen,

Und ganz der deine bin?

Die Freyheit, und mein Leben,

Mein Herz, mein ganzer Muth

Bleibt einzig dir ergeben,

Aufs zärtlichste ergeben,

Wie jeder Tropfen Blut.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 111-112.
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