33. Ode

[121] Edle Freyheit, laß dich küssen,

Du mein liebstes auf der Welt,

Dich will ich ins Herze schliessen,

Weil dein Wesen mir gefällt.


O du Nahrung meiner Seelen,

O wie wohl schmeckt deine Kost!

Ich will alle Tropfen zählen,

Von dem zuckersüssen Most.


Deine Gunst, dein reizend Wesen

Unterhält Geist und Verstand,

Ja du bleibest auserlesen,

Nimm mich an zum Unterpfand.


Andre mögen sich verlieben,

Wenn Cupido zielt und trifft,

Mein Entschluß ist längst geschrieben:

Daß dies kein Vergnügen stift.


Wenn Verliebte seufzend klagen,

So bin ich stets aufgeräumt:

Denn ich weis nichts von den Plagen,

Die ein solcher Thore träumt.
[121]

Bloß mein einiges Vergnügen

Ist die Freyheit ganz allein;

Denn ihr schmeicheln kann nicht trügen;

So muß ich erkenntlich seyn.


Sie soll meine Losung bleiben

Bis mich Gruft und Stein bedeckt;

Auf mein Grabmal soll man schreiben,

Daß die Freyheit Lust erweckt.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 121-122.
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