16. Gedichte

[286] Als er sich über ihre Untreue beklagete und Abschied nahm.


in reimlosen Versen.


Mein Leben, meine Lust, mein Liebstes mein Vergnügen,

Mein alles was mein Herz vor liebenswürdig hält,

Freund dessen Treflichkeit, den höchsten Grad erreichet:

So spricht dein falscher Mund, wenn ich im Zimmer bin.

Ich habe kaum das Schloß von deiner Thür in Händen,

So siehst du mich erfreut und munter von dir gehn.

Jedoch die Scene nimmt itzt ein betrübtes Ende:

Ich habe dich mein Kind, nur bloß zum Scherz geküßt.

Man merket allzufrüh wie deine Kreide schreibet.

Ein jeder Spaßgalan wird von dir angehört.

Dein nie gebundnes Herz kann sich allzeit verschenken;

Du liebst und weist selbst nicht was wahre Liebe heißt.

Mit einem solchen Schatz mag ich mich nicht verbinden

Der einzig den Bestand im Unbestande sucht.

Hier hast du Herz und Hand mit schönstem Dank zurücke.

Die Freyheit wird dir auch mit selbigem geschenkt.

Nun kannst du Filidorn zu deiner Lust erwehlen.

Vielleicht daß deine Kunst bey ihm mehr Glauben hat.

Ich gönne dir und ihm die Lust, den Scherz, die Freude.

Nur denke nicht an mich, wenn ich entfernet bin.[287]

Du marterst dich umsonst, ich komme nicht zurücke.

Ich reise ganz getrost nach meiner Vaterstadt.

Ein Mädchen solcher Art, darf man nicht lange suchen;

Nach solchen geh ich nicht; ich liebe mit Vernunft.

Drum magst du dich ja nicht auf meine Gunst berufen;

Mir ekelt wenn man mir nur deinen Namen nennt.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 286-288.
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