Antwort-Schreiben der Frau von Breßler

[125] Auf vorherstehende Zuschrifft.


Geliebte Z---

Du läst mich wunderns-voll

Den ungemeinen Geist in deinen Brief erblicken;

Drum sag ich, daß man jetzt nicht mehr, wie vormahls, soll

Zum Zeichen unsrer Schuld den Göttern Opffer schicken.

Jedoch was sag ich hier? Du selbst bist in der Zahl,

Derjenigen, die sich mit Nahmen Musen nennen;

Man lieset sonsten wohl von neunen überall,

Dir aber muß man jetzt die zehnte Stelle gönnen.

Drum wundert michs nicht mehr, wie es kan möglich seyn,

Daß dir die Verse stets so rein und deutlich fliessen,[126]

Da ich die Ursach weiß, fällt mir diß nimmer ein,

Sie kan der Götter Huld und Umgang nicht geniessen.

Trifft man bey ihnen denn noch was von Fehlern an?

Kan man bey selbigen noch was unmöglichs finden?

Da die von Z-- bey ihnen sitzen kan,

So darff sie wohl gewiß die Ohnmacht nicht mehr binden,

Zwar aller Titul Pracht, den du mir beygelegt,

Gilt gleich so viel bey mir, wie ich im Götter-Orden;

Du hast mir wohl dadurch gar schlechten Wahn erregt,

Daß ich die Sonne sey bey euch, ihr Sterne, worden.

Sonst ist der Götter-Spruch vor allen andern wahr,

Und das, was sie gesagt, muß unbetrüglich bleiben;

Allein verzeihe mir, es giebt gewiß Gefahr,

Wann ich die Wahrheit will bey dir aufs höchste treiben.

Jedoch ich weiß es wohl, warum du es gethan,

Daß du mir hast so viel von Ruhm und Lob gegeben,

Weil dein gelehrter Kiel so zierlich schreiben kan,

So soll dich Schlesien biß an den Pol erheben.[127]

Dieß ist dir nicht genung, daß zwar in Sachsen-Land

Ein jeder der dich kennt, von deiner Klugheit zeiget,

Du machst zum Uberfluß dich auch bey uns bekandt,

Da deiner Muse Thon nicht ihre Kunst verschweiget.

Ich habe, glaub es nur, schon offtmahls dran gedacht,

Wie kommt es, daß sie doch noch kein Poet besinget?

Wie kommts, daß sich niemand an ihre Lieder macht

Und seiner Sayten-Schall hier in die Höhe zwinget?

Es macht sich mancher breit mit seiner Dichterey,

Er giebt sich grosse Müh dieselbe raus zu streichen,

Von dem die Wahrheit spricht, daß ers nicht würdig sey,

Daß er der Z-- muß, wie Graß den Cedern weichen.

Ja hätte mir der Fall nicht allen Sinn und Geist,

Samt der Empfindungs Krafft, gantz auf einmahl geschlagen,

Daß mich der lange Schmertz noch in den Adern reist,

So wolt ich selber Holtz zu deinem Herde tragen.

Da aber jetzt mein Thon in etwas heischer klingt,

So schweigen gantz mit recht die düstern Pierinnen.[128]

Eh mich die Poesie nicht zu dem Entzweck bringt,

So mag ein anderer hierauff mit Nachdruck sinnen.

Allein wer untersteht sich dieses wohl zu thun?

Dein Ruhm ist allzugroß, dein rühmliches Bemühen

Das dich gewißlich läßt zu keinen Zeiten ruhn,

Kan die gelehrte Welt selbst in Erstaunen ziehen.

Doch ob dich gleich niemand nach Würden kan erhöhn,

So müste man im Fall die Mahler imitiren,

Die, wenn die Farben gleich schon noch so schöne stehn,

Nichts, als das Schattenwerck des Bildes, bey sich führen,

Denn wer dich auf der Welt, nach deinen grossen Werth,

So wie du es verdienst, mit Ehren wolte krönen,

Der müste, wenn er es nach Wunsch zu thun begehrt,

Sich von dem Phoebo selbst so Farb als Pinsel lehnen;

So würde wohl vielleicht die Sache gut gemacht,

Wenn dieses Götter-Haupt darzu den Grund-Riß schenckte;

So würde recht mit Lust das Werck zu Stande bracht,

Wenn er im Schreiben selbst die schwache Feder lenckte.

Doch wo er dis nicht thut, so bleibt es ungethan,[129]

Und niemand wird gewiß dir eine Lobschrifft schreiben;

Den ungebahnten Weg tritt keiner willig an,

Aus Furcht, er möchte wohl darinnen stecken bleiben.

Drum Phoebe, lege doch die Hand schon selbst zum Werck,

Laß die Gerechtigkeit hierinnen vor sich gehen,

Es soll dein Götter-Ruhm, und deine Macht und Stärck

Dich tausendfach bey uns mit dieser That erhöhen.

Dieß ist vor andern dir ja mehr als allzuleicht,

Du darffst dir nicht, wie ich, die Nägel erst verbeissen,

Und wenn ich offtmahls nicht den rechten Zweck erreicht,

Nicht so, wie ich, zuletzt die Arbeit noch zerreissen.

Geliebte Z-- so wird dein Nahm und Ruhm,

Bey der gelehrten Welt mit Ehren ausgebreitet,

Diß ist dein gröster Schatz, diß bleibt dein Eigenthum,

Daß dir der Phöbus selbst die Lobschrifft zubereitet.

Inzwischen danck ich dir vor deine Mühsamkeit,

Die du dir hast vor mich um das Portrait gegeben,

Ich bin zum Gegen-Dienst verpflichtet und bereit,

Und werde sans facon als deine Dienern leben.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 125-130.
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