55. Bey einer grossen Gefahr

[156] 1727.


Der Glaube bricht durch Stahl und Stein,

Und faßt die Allmacht selber;

Der Glaube wirket mehr allein,

Als alle güldne Kälber.

Wenn einer nichts, als glauben kan,

So kan er alles machen;

Der Erden Kräfte sieht er an,

Als ganz geringe Sachen.


Als Jesus noch nicht ausgelegt

Die Schätze Seiner Höhen;

Noch eh man Den, der alles trägt,

Auf Erden wandeln sehen;

Da thaten, die auf Seinen Tag

Sich freuten, lauter Wunder.

Was kan man, (wers begreiffen mag,)

Was wagt man nicht itzunder?


In Wahrheit, wenn das Christen-Volk

Nur wolte, was es könte;

Wenn sich der Zeugen stolze Wolk

Auf Jesu Wink zertrennte;

Sie stürzete das ganze Heer

Der fremden Kinder nieder,

Und zöge sich nur destomehr

Zu ihrer Sonne wieder.
[156]

Die Starken um des Salomo,

Des Königs, Ehren-Bette,

Die weichen nicht, wie leichtes Stroh,

Sie stehn, als eine Kette;

Sie stehn, und schweiffen nirgends hin;

Was aber sie befället,

Das wird für seinen Frevel-Sinn

Im Zorn zurük geprellet.


Gelobet sey die Tapferkeit

Der Streiter unsers Fürsten;

Verlacht sey die Verwegenheit

Nach ihrem Blut zu dürsten.

Wie gut und sicher dient sichs nicht

Dem ewigen Monarchen;

Im Feuer ist er Zuversicht,

Fürs Wasser baut er Archen.


Und wenn die treuen Zeugen sehn

Worauf sies Leben wagen;

So mögen sie nicht widerstehn,

Und lassen sich erschlagen.

Sie wollen der Erlösung nicht,

Die sie vorm Leiden birget;

Um jener Auferstehung Licht

Ist mancher gern erwürget.


Die Zeugen Jesu waren ja

Vor dem auch Glaubens-Helden,

Die man in Pelzen wandeln sah,

Verfaulen in den Wälden;

Und des die Welt nicht würdig war,

Der ist im Elend gangen;

Den Fürsten über Gottes Schaar,

Den haben sie gehangen.


Wir wollen unter Gottes Schutz,

Den Satan zu vertreiben,[157]

Und seinem Hohn-Geschrey zu Trutz,

Mit unsren Vätern gläuben.

Soll aber unsre Rosen-Art

Auch unter Dornen weiden,

(So ward mit Jesu dort gebahrt;)

So wollen wir dann leiden.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 156-158.
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