Achter Auftritt.

[120] Die Vorigen. Contarino.


PAROZZI.

Ha, willkommen, Contarino!

MEMMO.

Ei, wie bist du blaß und matt![120]

FALIERI.

Hast du mit den holden Phrynen

Wiederum die Nacht verschwärmt?

CONTARINO.

Einen Sessel her!

PAROZZI gibt ihm den Stuhl.

Was fehlt dir?

CONTARINO.

Um zehn Pfunde meines Blutes

Bin ich leichter heut denn gestern;

Und trotz dem mir noch zu schwer.

MEMMO.

Ist dir Unglück widerfahren?

CONTARINO.

Wein her! Habt Ihr alten Cyprer?

Oder Sect? Lacrymä Christi

Vom Vesuve? Malvasier?

Gebt vom stärksten! Denn der Starke

Soll des Schwachen Stütze sein.

PAROZZI gießt ihm Wein ein.

Hier vom ältesten Falerner,

Derb und hochroth wie Rubin;

Süß und durch die Nerven brennend,

Wie der Kuß der ersten Liebe.

CONTARINO gibt ihm das leere Glas zurück.

Nicht zu viel gelobt! – Da Capo!

Rother Wein setzt rothes Blut.

FALIERI.

Wirklich? wurdest du verwundet?

Wie? und wo denn? und von wem?[121]

CONTARINO während er trinkt.

Wie? Durch eine Degenklinge.

Wo? im Neste unsrer Bravo's.

Und von wem? Von dem verdammten

Flodoardo Mocenigho.

Drei ist guter Dinge Zahl,

Füllt noch einmal den Pokal!

MEMMO.

Schlug der Milchbart dich gefährlich?

CONTARINO.

Ich versichere dich, auf Ehre!

Seine Klinge, ohne Milchbart,

Fuhr mir sieben Zoll lang – schau!


Zeigt das Pflaster auf entblößter Brust.


Scharf, durch Wams und Hemd und Fleisch,

Bis hinunter auf die Knochen.


Er trinkt.


MEMMO.

Brr! Mich fröstelt's, wie im Fieber.


Er füllt sich am Tisch ein Glas.


Hurtig, hurtig, Arzenei!

PAROZZI.

Contarino, jetzt berichte,

Wie geriethest du zu Händeln?

Dieser Flodoardo, heißt es,

Sei des Herzogs neuster Günstling.

Ohne Zweifel wird er nächstens

Einer unsrer Capi sein.

FALIERI.

Wenn er nicht zuvor den Hals bricht.

CONTARINO.

Schweigt und hört. Denn gestern war ich,[122]

Leider! Aug' und Ohrenzeuge

Der Verhaftung unsrer Bravo's.

MEMMO.

Alle Wetter! Du dabei!

PAROZZI betroffen.

Du? Und wurdest du erkannt?

CONTARINO.

Schweigt und hört! Ich will erzählen.

Euerm Rathsbeschluß gemäß

Sollt' ich für den Inquisitor,

Für den lauernden Canari

Einen langen Schlaf bestellen.

Also spät am Abend gestern

Fahr' ich hin nach Malamocco,

Geh' zum mir bekannten Posten;

Huste dreimal. Man erwiedert

Das gegebne Zeichen mir.

Ich begehre nach dem Häuschen

Mit der rothen Ueberschwelle.

Man versteht mich. Mit verbundnen

Augen werd' ich von Kanal

Zu Kanal umhergefahren,

Stets von einem Kerl bewacht.

Mit der größten Vorsicht haben

Die Banditen ihren Wohnsitz

Gegen Freund und Feind verhehlt.

Darum bleibt's ein Räthsel, wie

Jener Spürhund Flodoardo

Sich zu ihrem Nest gefunden.

FALIERI.

Weiter, weiter![123]

CONTARINO.

Als den Augen

Wiederum zu sehn erlaubt ward,

Sahen sie, bei Licht und Qualm

Einer Lamp', im engen Zimmer

Mehrere handfeste Kerls.

Keinen kannt' ich, keiner mich.

Falscher Bart und Bauertracht

Hatten mich gar wohl verstellt.

Doch zum größten Unglück fehlte

Der, den ich gesucht, Matteo,

Dieser Bande Herr und Meister.

Ich entschloß mich, zu verweilen,

Und den Hauptmann zu erwarten.

Plötzlich stürzt ein junges Weib,

Leichenblaß mit stieren Blicken,

Durch die Thür herein und schreit:

»Nehmt die Flucht! Wir sind verrathen!«

Alle stehn, wie angedonnert.

Und es drängen Hellebarden,

Degenklingen, Feuerröhre,

Durch die schmale Thür herein.

Flodoardo Mocenigho,

An der Sitze der Soldaten,

Ruft mit wahrer Bärenstimme:

»Namens unsrer Republik,

Ohne Widerstand, ergebt Euch!«

FALIERI.

Welcher Teufel zündete

Diesem Wagehals hieher?[124]

MEMMO.

Die Geschichte macht mich todtkalt.

CONTARINO.

Jetzt ein fürchterliches Brüllen

Der Verrathnen. Jeder greift

Fluchend zu der nächsten Waffe.

Flugs erlischt das Lampenlicht;

Tisch und Bänke stürzen nieder,

Und die Finsterniß wird nur

Noch vom Monde matt gebrochen.

Mitgefangen, mitgehangen!

Dacht' ich, und lief mit dem Schwerte

Flodoarden auf den Leib.

MEMMO bedenklich.

Mitgefangen, mitgehangen!

CONTARINO.

Aber meine Hiebe glitten

Von ihm ab als wär' er Stahl.

Denn sein Degen flatterte

Rings um ihn, wie Blitz, und schien

Hundert Klingen auszustrecken.

Plötzlich schlitzt' er mir die Brust auf,

Blutend zog ich mich zurück.

Ein'ge Flintenschüsse fielen.

Ich erkannt' im Pulverblitz

Eine unbesetzte Thür;

Floh durch eine Winkelkammer,

Brach das Fenster durch, entkam

Ueber ein paar niedre Zäune

Zum Kanal, und war gerettet.[125]

MEMMO.

Nun, das Kammerfenster sei

Von uns allen benedeit!

CONTARINO.

Jetzt genug von mir, Ihr Herren,

Und kein Wörtchen mehr darüber.

Nicht um meine Wunde klag' ich;

Aber daß ich sie vergebens

Für die große Sache trage.

Denn die Bravo's sind nicht mehr,

Und Canari lebt noch immer!

Er und Dandolo, der Finstre,

Gelten beid' im Volke viel;

Gelten beim Senat und Herzog;

Und, Ihr alle wißt's, sie sind

Unserm Treiben weit furchtbarer,

Als Senat und Signora.

Räumt Ihr sie nicht aus dem Wege,

Spielt Ihr grob verlornes Spiel.

PAROZZI.

Allerdings, wenn die vier Augen

Schlafen, schläft die Republik.

Hm, man muß von andern Orten

Ein paar Bravo's herbefördern.

FALIERI.

Und wie steht es mit den Geldern?

CONTARINO.

Rom will uns die Summen schießen,

Heute, morgen, wie's gefällt.[126]

FALIERI unmuthig.

Lieber borgt' ich von der Hölle!

Laßt Euch vor den Römern warnen!

Wagt Ihr Gut und Blut um Freiheit,

Um sie wieder zu verschachern?

Nichts gereichte unserm Staate

Vor der Welt zu höherm Ruhm,

Als der alte Widerstand

Gegen geistliche Gewalt;

Und Ihr werft den Ruhm der Väter

In den Koth, um Sündengeld!

Aller Tyranneien Gipfel

Bleibt die ungebundne Macht

Derer, die für Höll' und Himmel

Bind'- und Löseschlüssel führen;

Ohne Vaterland, und darum

Taub dem Ruf des Vaterlandes,

Ohne Gattin, ohne Kinder,

Fremd den zärtlichsten Gefühlen,

Lebt das halb erstarrte Herz

Nur im kalten Stolz der Selbstsucht.

Selbst der Kirche Majestät

Wird der Schemel ihres Hochmuths,

Und der Schleier ihrer Kühnheit.

MEMMO.

Frevler, dank' dem Himmel, daß dich

Kein Dominikaner hört!

CONTARINO.

Worte! Worte! – Lungenkraft,

Die das Ohr füllt, nicht den Beutel![127]

Oder willst du in der Wüste

Uns der zweite Moses werden?

Wohl, so schlage frische Quellen

Aus dem dürren Fels hervor.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 120-128.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Sophonisbe. Trauerspiel

Sophonisbe. Trauerspiel

Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.

178 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon