Eilfter Auftritt.

[219] Die Vorigen. Contarino. Abellino.


MEMMO.

Contarino und – der Teufel!

CONTARINO.

Heda! füllet an die Becher[219]

Mit dem besten Cyprier;

Denn ich bring' Euch frohe Mähr.

Die Geschäfte gehn von statten!

ABELLINO.

Und ich komme auch nicht leer.

CONTARINO.

Die gefangnen Bürger sah ich

In die Marterkammer schleppen.

Wetter, das gab Höllenspaß!

Unsre armen Schelme riefen

Erst die heil'gen zwölf Apostel,

Dann auch die zehntausend Jungfraun,

Als die Bürgen ihrer Unschuld;

Aber deren keiner kam.

Darum blieb beständig Frage:

Was ein Mann, wie unser Schneider,

Mit den Piken und Gewehren,

Statt der Nadeln und der Scheeren,

Schneidern, näh'n und bügeln könne?

Oder was der feiste Bäcker

Backen woll' aus Blei und Pulver?

Jener pfiff, gleich einer Spitzmaus,

Wenn der Schmerz aufs höchste stieg;

Dieser blies aus vollen Backen,

Wie vor seines Ofens Glut.

PAROZZI.

Und bekannte einer?

CONTARINO.

Keiner.

Selbst, als man den Bäcker endlich,

Halb entkleidet, mit den Armen[220]

Oben an die Eisenstange

Aufgehangen, unten aber

Ein Paar Schuhe ihm von Blei

An den Fuß gebunden hatte,

Seht, er blies nur? muckste nicht.

Muckste nicht, auch wenn der Henker,

Aus der glüh'nden Pfanne, lustig

Pech und Schwefel, mit dem Besen,

Gegen die Gelenk' ihm spritzte.

ALLE.

Bravo! Bravo!

MEMMO halblaut, im Gefühl eines Gefolterten.

Mordio!

CONTARINO.

Anders pfiff das Schneiderlein,

Als es ausgespannt, durchsichtig,

Wie ein lock'res Spinngewebe

Diesen Feuerregen spürte.

Gnade! schrie es, ich bekenne! –

ALLE.

Und bekannte?

CONTARINO.

Allerdings ...

ALLE.

Wetter! das ist übel!

MEMMO.

Halt!

Alles, alles ist vorbei;

Leute, flieht! Wir sind verloren,[221]

Sind verrathen, sind verkauft!

Jesus du, Marie und Joseph!

CONTARINO ärgerlich.

Quacke nicht und laß mich reden.

Kurz, das Schneiderlein bekannte,

Den bei ihm gefundnen

Waffenvorrath habe ihm

Flodoardo zugestellt.

ALLE.

Flodoardo? O vortrefflich!

CONTARINO.

Schnell zum Zehner-Rath und Herzog

Flogen Boten Sbirren eilten

In die Wohnung Mocenigho's,

Doch der Vogel war entwischt.

Aufgeschoben ward sodann

Das Verhör bis übermorgen.

PAROZZI.

Gut, dann sitzen, hoff' ich, wir

Selber auf den Richterstühlen,

Und das Schwert schlägt umgekehrt

FALIERI.

Daß, in aller Welt, der Schneider

Zu dem klugen Einfall kam!

CONTARINO.

Er, wie's blinde Huhn zur Gerste.

Mir gelang es im Vorbeigehn,

Unbemerkt, und wie im Niesen,

Ihm den Namen zuzuflüstern.

PAROZZI füllt und vertheilt die Gläser.

Trink auf Contarino's Wohl![222]

Seine Geistesgegenwart

Hat uns wunderbar gerettet.

ALLE trinken.

Contarino! Contarino!

ABELLINO nimmt ebenfalls ein Glas.

Und die Gans vom Capitol,

Und der Schneider von Venedig!

CONTARINO.

Doch, vor Allen dich, Parozzi,

Deinen Brief an Kassowich,

Und die Hexenfeder, welche

Flodoardo's Züge stahl

Euch zusammen sollte man,

Zum Gedächtniß ew'ger Zeiten,

Unter die gestirnten Bilder

Unsers Firmaments versetzen.

Denn mit einem Federstriche

Ward der Ritter von Florenz

Aus des Herzogs Schutz gerissen;

Kassowich, der Eisenfresser,

Von dem wicht'gen Platz verstoßen;

Unserm Mann, dem Oberst Follo,

Dessen Stelle eingeräumt.

Also sind wir nun des Kriegsvolks,

Auch des Arsenals versichert.

Selbst Marcasca sitzt verhaftet.

Trinket auf Parozzi's Wohl.

ALLE trinkend.

Brav, Parozzi! Hoch, Parozzi!

TOLOMEO.

In der That ein Meisterstreich[223]

Ein gewonnen Treffen; das ist

Mehr, als Abellino's Dolch!

ABELLINO.

Hm, ich hab' es oft gehört,

Daß, in eines rechten Teufels

Faust, die Feder ärger morde,

Als ein zweischneidiges Schwert;

Ja, die Dinte unfehlbarer,

Denn Tofana-Wässerlein.

Nun, von heut an will ich's glauben!

Kann mich, als Bandit in Ehren

Nicht der scharfe Dolch ernähren,

Ruf' ich: Dint' und Feder her!

Und vertausch' ich das Gewehr.

PAROZZI zu Abellino.

He da, heldenmüth'ger Bravo,

Hast du keine frischen Lorbeern

Heut um deine Stirn gesammelt?

ABELLINO.

Treu vollstreckt, was Ihr geboten.

FALIERI.

Sahst du Spur von Flodoardo?

ABELLINO.

Er gibt eben großen Schmaus.

CONTARINO.

Lügner, nein, er ist entwischt.

ABELLINO.

Hi, hi, hi! hab' ich doch selber

Thor und Riegel ihm geöffnet.

MEMMO.

Sprachst ja erst von einem Schmause ...[224]

ABELLINO.

Den er Fischen gibt und Würmern.

PAROZZI froh zusammenfahrend.

Ist er wirklich ... wirklich ... bst!


Er schnalzt mit den Fingern in die Luft hinaus.


ABELLINO.

Falls ich in der Finsterniß

Einen Andern nicht, statt seiner,

In den Freudenhimmel schickte.

Aber kennet Ihr vielleicht

Flodoardo's Siegelring?

PAROZZI.

Wie den eigenen.

ABELLINO reicht ihm einen Ring.

Nun so schaut,

Diesen zog ich ihm vom Finger.

PAROZZI.

Das ist Flodoardo's Ring.

Unsere Sache steht gewonnen!

Zehnerrath und Signoria

Gehn verlockt, auf falscher Fährte.

MEMMO.

Lasset nicht zu früh uns freuen!

Teufels Mehl wird oft zu Kleien.

PAROZZI.

Füllt die Becher! Morgen Nacht

Ist das große Werk vollbracht.

Nicht allein mit ihren Schrecken

Soll die stumme Finsterniß

Unsre kühne That bedecken;

Auch der trunkne Gott der Lust[225]

Will uns schadenfröhlich morgen

Seinen Rosenmantel borgen. –

Wenn die kerzenhellen Säle

Im herzoglichen Palast

Tummelplatz der Freude werden;

Wenn die bunten Tänzerreih'n,

Nach dem Zauberruf der Flöten,

Sich entwirren und verschlingen,

Muß die Mine donnernd springen.

Jeder von uns, edle Herrn,

Kennt den ihm bestimmten Platz.

Kurz vor Mitternacht verläßt

Contarino still den Ball;

Nimmt das Zeughaus; stellt das Kriegsvolk

Längs dem Marcusplatze auf,

Und Geschütz an alle Brücken.

Jede Gondel, die verdächtig

Naht, wird in den Grund gebohrt.

Bei dem ersten Schusse stürzen

Unterdeß wir Andern alle

Auf die Gäste bei dem Balle.

Was sich widersetzt, das fällt.

Abellino aber führt,

Wohlvertheilt auf vielen Wegen,

Uns die Mißvergnügten her,

Die im Dunkeln sich bewaffnet

Auf den beiden Lido's sammeln.

TOLOMEO.

Abellino ist mein Trost!

Er muß künftig Messer Grande,

Herr und Haupt der Sbirren sein![226]

CONTARINO.

Ja, das muß er! Schenket ein.

Er ist unser rechter Arm.

Hoch soll Abellino leben!

ALLE.

He! er lebe! lebe hoch!


Alle sammeln sich um den Trinktisch, stoßen an und verlieren sich in frohe Gespräche.


ABELLINO hat indessen den Todtenkopf genommen und betrachtet.

Kamerad, was machst du hier?

Gelt, du meinst 's ist Alles eitel.


Er kömmt damit in den Vordergrund, und zeigt ihn den übrigen, die aber im Gespräch sich durchs Zimmer zerstreuen und nicht auf ihn hören.


Schaut, der Seele kahles Haus!

Alle Pracht ist dran verflogen;

Die Verwesung grinst heraus:

Denn der Gast ist fortgezogen.

Seelchen, wie gefiel es dir

In dem winzigen Quartier?

Welche Pläne wurden hier,

Unterm Schädeldach, geboren?

Galt's des Ruhmes Sternenflug,

Oder Büberei im Stillen?

Oder frommen Weltbetrug?

Oder Weltverbessrer-Grillen?

Oder, in der Alltagsnoth,

Sorge nur um täglich Brod? –

Vieles ward hier ausgeboren, ...

Das Geborne – ist verloren![227]

Seelchen, blitzte mild gut

Frommer Thränen schöne Glut

Einst durch diese Augenlücken?

Oder – Brunst verborgner Tücken? –

Und was hat zumeist, von allen

Lebensschätzen, dir gefallen?

Voller Tafeln Gaumenweide?

Hübscher Weiber Liebelei?

Prunk und Pracht in Sammt und Seide?

Fürstengunst und Kriecherei?

Bänder, Sterne, Ordenskreuze?

Handel durch die weite Welt?

Oder, wohlgezählt vom Geize,

Eisenkisten voller Geld? – –

Die Begierden sind verglommen, ...

Sprich, was hast du mitgenommen?

Pulvis sumus, sumus umbra!

Seelchen, edler Gottesschatten,

Mußtest mit dem Staub dich gatten;

Bliebst du göttlicher, denn Staub?

Gabest du der Welt zum Raub

Deines Daseins seltne Freuden

Für der Tugend stillen Glanz?

Trugest du, für Recht und Wahrheit,

Des Märtyrers Dornenkranz?

Sprich, was hast du dort bekommen,

Wo Vergeltung lohnt die Frommen?

Keine Antwort? Alles stumm?


Er sieht auf die Uebrigen zurück, die im Hintergrund des Zimmers lebhaft sprechen.


Hei, wie streiten die herum![228]

Thoren, die sich darum grollen,

Was sie morgen träumen wollen!


Zum Todtenkopf.


Vorwärts, pred'ge Kamerad,

Predige das Wort in That:


Gegen den Hintergrund gehend mit erhobener Stimme.


Pulvis sumus, sumus umbra!

Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 219-229.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon