Ich befand mich fern vom Hause in Geschäften zu Prag. Es war im April. Wie angenehme Zerstreuung es auch für mich gab, konnte ich doch das Heimweh nach unserm Städtchen nicht unterdrücken, wo mein junges Weib schon sieben Wochen auf meine Heimkehr hoffte. Seit unserm Hochzeitstage waren wir nie so lange getrennt gewesen. Freilich Fanny schickte mir regelmäßig alle Wochen Briefchen zu; aber diese Zeilen voller Liebe, Verlangen und Wehmut waren Öl ins Feuer. Ich wünschte Prag und den heiligen Nepomuk vierunddreißig Meilen nordostwärts hinter mir.
Wer nicht ein liebenswürdiges Weibchen von zweiundzwanzig Jahren hat, reizend wie die Liebe selbst, umspielt von zwei blühenden Liebesgöttern, wer in solch ein Wesen nach fünfjähriger Ehe nicht fünfhundertmal verliebter ist als den Tag vor der Hochzeit, dem erzähle ich vergebens von meinem Heimweh.
Genug, ich dankte jauchzend dem Himmel, als die Geschäfte endlich abgetan waren. Ich nahm bei den wenigen Bekannten und Freunden Abschied, und sagte dem Wirt, er solle die Rechnung geben. Andern Tags wollte ich mit der Post fort.
Am Reisemorgen erschien der Wirt, gehorsamst aufzuwarten, mit zahlreicher Rechnung; ich hatte des baren Geldes nicht genug zur Tilgung meiner Schuld und zu Ausgaben unterwegs. Also wollte ich einen guten Wechsel versilbern. Ich griff nach der Brieftasche und suchte sie in allen Taschen, allen Winkeln. Sie war fort. Da ward mir nicht wohl, denn ich hatte für mehr denn vierzehnhundert Taler Papier darin, und das ist doch keine Kleinigkeit unterm Himmel.
Es half mir auch nichts, daß ich die Stube umkehrte – die Brieftasche blieb verschwunden.
»Dacht' ich's doch«, sagte ich zu mir selbst: »Wird der[11] Mensch einen Augenblick seines Lebens froh, sitzt der Teufel gleich hinterm Hag und spielt ihm einen Possen. Man sollte sich in der Welt über nichts freuen, so hätte man auch der Höllenangst und des Verdrusses weniger. Ich habe es so oft schon erfahren.«
Entweder war die Brieftasche gestohlen oder verloren. Ich hatte sie noch den Tag vorher in Händen gehabt; ich pflegte sie in der Brusttasche meines Überrockes bei mir zu tragen. Auch lagen Fannys Briefe darin. Es war mir, als hätte ich sie noch des Abends beim Entkleiden gefühlt. Wie nun meine teuern Papiere wiederbekommen? Denn wer sie hatte, konnte sie jede Stunde nach Belieben in Gold oder Silber verwandeln.
Da fing ich an zu fluchen, was sonst meine Leibsünde nicht ist. Ginge noch, wie in den guten, alten Zeiten, der Teufel herum, wenn auch wie ein brüllender Löwe, ich hätte auf der Stelle mit ihm einen Pakt geschlossen. Indem ich dies dachte, fiel mir eine Gestalt ein, die ich etwa acht Tage vorher beim Billard in einem verschlossenen Rotrock gesehen hatte und die mir damals wie ein menschgewordener Höllenfürst vorgekommen war. Es überlief mich kalter Schauer. Und doch war ich so verzweifelt, daß ich dachte: »Meinethalben, und wenn er's wäre, jetzt würde er mir ganz willkommen sein, schaffte er mir nur die Brieftasche wieder.«
Indem ward an meine Stubentür gepocht. »Holla!« dachte ich. »Der Versucher wird doch aus Spaß nicht Ernst machen?« Ich lief zur Tür; in Gedanken hatte ich den berüchtigten Rotrock, und glaubte in der Tat, der werde es sein.
Und siehe – wunderliche Überraschung! –, da ich die Stubentür öffnete, trat mit flüchtigem Kopfnicken der Versucher herein, an den ich gedacht hatte.
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