Axoide

[421] Axoide. Die Bewegung eines Körpers aus einer Lage in eine andre kann, wie die Kinematik (s.d.) lehrt, stets durch Drehung um eine bestimmte feste Gerade p und Verschiebung längs derselben, bezw. durch eine Schraubenbewegung um diese Gerade p als Achse ersetzt werden. Eine bestimmte Bewegung eines Körpers S in bezug auf einen ruhenden Körper Σ betrachten wir aus unendlich kleinen aufeinander folgenden Bewegungen hervorgehend. Eine Bewegung des Körpers S aus einer Lage in eine unendlich nahe Lage gegen den ruhenden Körper Σ können wir demnach durch eine unendlich kleine Schraubenbewegung um eine bestimmte Gerade p als Achse ersetzen, und diese Gerade p wird die Momentanachse (s.d.) dieser unendlich kleinen Bewegung genannt. Die mit der Geraden p zusammenliegende Gerade p, die mit dem bewegten Körper S verbunden gedacht wird, und die mit der Geraden p zusammenliegende Gerade π, die mit dem ruhenden Körper Σ verbunden gedacht wird, verschieben sich während der unendlich kleinen Schraubenbewegung ineinander. Die Lagen π aller Momentanachsen p, die den aufeinander folgenden unendlich kleinen Bewegungen entsprechen, bilden in dem ruhenden Körper, Σ eine Regelfläche Π, und die Lagen p aller dieser Momentanachsen p bilden in dem bewegten Körper S eine Regelfläche P. Diese beiden resp. mit dem Körper Σ und S verbunden gedachten Regelflächen Π und P heißen die Axoide.

Die Bewegung des Körpers S gegen den ruhenden Körper Σ kann man demnach auch betrachten als eine gleitend-rollende Bewegung der Regelfläche P auf der ruhenden Regelfäche Π, die sich beständig längs einer gegen die beiden Körper bewegten Momentanachse p berühren. – Denken wir uns zwei Körper S, Σ gegeneinander in bezug auf einen ruhenden Körper S bewegt, so bewegen sich die zu S, Σ gehörenden Axoide P, Π beide gleitend-rollend gegeneinander. Drehen sich z.B. die beiden Körper S, Σ resp. gleichförmig um die festen windschiefen Achsen s, σ, wie es bei den Hyperbelrädern (s.d.) der Fall ist, dann sind die Axoide P, Π einschalige Rotationshyperboloide mit den Achsen s, σ, und die Gerade p, in der diese Axoide sich berühren, ruht in bezug auf den ruhenden Körper S. Schneiden sich die beiden Achsen s, σ, wie es bei Kegelrädern vorkommt, dann sind die Axoide P, Π Rotationskegelflächen mit gemeinsamer Spitze, die nur aufeinander rollen und nicht gleiten. Sind die beiden Achsen s, σ parallel, wie es bei zylindrischen Rädern der Fall ist, dann sind die Axoide P, Π rollende Rotationszylinderflächen.


Literatur: [1] Belanger, Cinématique, Paris 1864, p. 75. – [2] Schell, W., Theorie der Bewegung u. d. Kräfte, Leipzig 1879, Bd. 1, S. 157. – [3] Reuleaux, Kinematik, Braunschweig 1875, S. 84. – [4] Grashof, Theoretische Maschinenlehre, Hamburg und Leipzig 1883, Bd. 2, S. 9. – [5] Tessari, La Construzione degli Ingranaggi, Torino 1902, p. 184.

Burmester.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 421.
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