Kontrollbalken

[445] Kontrollbalken im Eisenbetonbau dienen zur Ermittlung der Druckfestigkeit des Betons bei Biegung und haben rechteckigen Querschnitt.

Da dem Biegungsmoment in einem Eisenbetonbalken durch die Zugspannungen des Eisens und die Druckspannungen des Betons das Gleichgewicht gehalten wird, so sind beim Bruch infolge Biegung zwei Fälle möglich:

1. Bei niederen Armierungsprozenten (etwa bis 1,2%) wird die Streckgrenze des Eisens auf der Zugseite schon erreicht, ehe der Beton auf der Druckseite gefährliche Spannungen erleidet. Es öffnet sich dann einer der Risse an der Stelle des größten Moments und klafft schließlich weit auf. Die große Dehnung des Eisens, die so in einem Querschnitt zum Ausdruck kommt und einer ganz bedeutenden Abnahme des Elastizitätsmoduls entsprechen würde, hat zur Folge, daß die Nullinie bedeutend höher rückt, als der Rechnung entspricht. Die Druckzone des Betons schrumpft mehr und mehr zusammen, bis der Kantendruck so groß geworden ist, daß ein Aussprengen des Betons an der Oberseite stattfindet.

2. Ist die Eiseneinlage ein Mehrfaches von dem, was den gleichzeitigen Materialspannungen von 40 und 1000 kg/qcm entspricht, dann bleibt beim Biegungsversuch die Eisenspannung unterhalb der Streckgrenze, während anderseits die Druckspannungen im Beton so groß werden, daß ein richtiges Zerdrücken stattfindet. Die Zugriffe bleiben seiner und gehen nicht so hoch hinauf, da die Nullinie bei höheren Armierungsprozenten tiefer liegt.

Im Jahr 1903 schlug v. Emperger rechteckige Eisenbetonbalken zur Güteprobe des Betons bei Biegung vor und wies darauf hin, daß für die zulässige Druckbeanspruchung des armierten Betons bei Biegung nicht die Würfelfestigkeit maßgebend sein sollte, sondern die aus Biegebruchversuchen mit derselben Rechnungsmethode, die für die Querschnittsbemessung verwendet wird, abgeleitete Druckfestigkeit. Dieser Frage wurde verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt, bis im Jahr 1907 die neuen preußischen Bestimmungen für Eisenbeton eine sechsfache Sicherheit für die Druckspannung des auf Biegung beanspruchten Betons vorschrieben. Es zeigte sich bald, daß dieser Nachweis mit Würfeln aus plastischem Beton, wie er bei den Eisenbetonbauten verwendet wird, nur schwer zu führen war und es wurden daher von verschiedenen Seiten die Kontrollbalken als Güteprobe empfohlen, da hierbei eine größere Betonfestigkeit nachgewiesen[445] werden kann. Versuche, die im Auftrage des Deutschen Ausschusses für Eisenbeton an der Materialprüfungsanstalt in Stuttgart angestellt wurden, führten zu dem Ergebnis, daß 10 cm hohe Balken mit 2,0 m Stützweite als Kontrollbalken genügen, wobei der Bruch durch eine in der Mitte angreifende Last herbeigeführt wird. Zwei symmetrische Lasten sind demnach nicht notwendig. Es genügt ferner, wenn die Rundeisen beim Betonieren der Balken auf den Boden der Form aufgelegt werden, da so ihre Höhenlage am sichersten festgelegt wird (vgl. die Figur).

Die Abweichung der aus den Versuchen berechneten Druckfestigkeit des Betons bei Biegung gegenüber der Würfelfestigkeit erklärt sich aus der Annahme eines konstanten Elastizitätsmoduls des Betons in der Rechnung, welche ihn zu 1/15 desjenigen des Eisens voraussetzt, während in Wirklichkeit die Linie der Spannungen im Querschnitt nicht eben verläuft und die Elastizität des Betons außerdem vom Mischungsverhältnis und vom Wasserzusatz abhängig ist. Bei den Versuchen an der Materialprüfungsanstalt Stuttgart ergaben sich für das Verhältnis der Biegungsdruckfestigkeit zur Würfelfestigkeit


Kontrollbalken

Wenn man sich die Balkenprobe als Güteprobe für den Beton denkt, dann ist es bei Festhaltung eines Balkentyps nicht nötig, αb zu berechnen, vielmehr könnte man direkt die Bruchlast als Vergleichsmaßstab nehmen. Die Kontrollbalken sind überflüssig, wenn die Vorschriften über die nachzuweisende Betonfestigkeit bei Eisenbetonbauten derart sind, daß sie leicht mit den Würfelproben aus plastischem Beton erfüllt werden können.


Literatur: [1] v. Emperger, Beton und Eisen 1903, Heft 2. – [2] Mörsch, Eisenbetonbau, 2. Aufl., Stuttgart 1905, 4. Aufl., ebend. 1912. – [3] Beton und Eisen 1910, Heft 6; 1911, Heft 19; 1912, Heft 1, 9, 12. – [4] C. v. Bach und O. Graf, Prüfung von Balken zu Kontrollversuchen, Heft 19 des Deutschen Ausschusses für Eisenbeton.

Mörsch.

Kontrollbalken
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 445-446.
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