Lachen

[269] Lachen – Der Muskel, welcher im menschlichen Antlitz durch Emporheben der Oberlippe besonders den mimischen Ausdruck des Lachens hervorbringt, ist der zygomaticus major und nicht der risorius; trotzdem hat dieser letzte Muskel seinen freundlichen Namen behalten und mag ihn weiter tragen, denn es ist gut, wenn alte Namen zum Gedächtnis alter Vorstellungen erhalten bleiben. Ich erinnere an die Kleinigkeit auch nur, weil das falsche Wort mir ein Analogen zu sein scheint zu den endlosen Bemühungen, aus der Ähnlichkeit der Ausdrucksbewegungen, die wir Lachen und Lächeln nennen, Schlüsse zu ziehen, den Humor mit dem Lächerlichen geloion in unlösbare Verbindung zu bringen. Gewöhnlich wird das Lächeln als ein abgeschwächtes Lachen erklärt, auch von solchen Forschern, die (wie Hecker) das Lachen sehr gut als die Wirkung eines innern Kitzels, gewissermaßen eines Kitzels in schnellem Wechsel verglichener Vorstellungen, dargestellt haben. Das Lächeln kann freilich auch ein abgeschwächtes Lachen sein; beim Kranken, der zu schwach ist, die Muskeln lebhaft genug spielen zu lassen; beim Traurigen, wenn z.B. die junge Mutter, im ersten Schmerze über den Tod des Gatten, zum Scherze des Kindes nur zu lächeln vermag, wo sie sonst laut gelacht hätte.

Aber es gibt auch ein Lächeln, das nicht wie das Lachen bei jedem Menschen vom geeigneten Objekt ausgelöst werden kann, sondern nur bei einem besondern Subjekt, dann aber beinahe von jeder Beobachtung, nicht erst von einem Witze; ich meine das überlegene Lächeln des philosophischen Humors. Vielleicht wird man einsehen lernen, daß die mimischen Ausdrucksbewegungen auch diese Ähnlichkeit mit den Worten der menschlichen Sprache haben: sich nicht immer eindeutig übersetzen zu lassen. Man weiß, daß die Kombinationen nicht so einfach sind, wie die alte Mimik glaubte. Scharfes Blicken, Weinen, selbst der Ausdruck der Verachtung und der Bitterkeit können die Muskeln, welche das Lächeln hervorrufen, mitspielen lassen. Bitterkeit, Verachtung müssen überwunden sein, wenn man von[269] der Weltanschauung des freiesten Humors soll reden dürfen, aber Lachen, Bitterkeit, Verachtung können irgendwie um die Mundwinkel mitspielen, wenn das Antlitz einen humoristischen Ausdruck zeigt. Mit dem Lächerlichen, dem geloion hat weder die Geschichte des Wortes Humor viel zu schaffen noch der hochgespannte Begriff, den man jetzt (eigentlich nur in Deutschland) mit dem Worte verbindet; nicht mehr als der musculus risorius mit dem risus. (Vgl. Art. Humor.)

Quelle:
Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 21923, Band 2, S. 269-270.
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