[416] Ehrgefühl, die Bestimmbarkeit der Entschlüsse eines Menschen durch die Rücksicht auf die Ehre (s. d.). Das E. ist also eins derjenigen psychologischen Motive, durch welche die in einem engern oder weitern gesellschaftlichen Verbande (einem Stand, einer Gemeinde, einem Volke) herrschenden Werturteile (hier über das, was »ehrenvoll« sei, was nicht) Einfluß auf das Verhalten des Einzelnen gewinnen, und ist als solches (wie das Schamgefühl, das Pflichtgefühl etc.) nicht angeboren, sondern selbst ein durch Erziehung übertragenes Erzeugnis des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Von einem höhern Gesichtspunkte der sittlichen Beurteilung aus betrachtet, kann im einzelnen Fall der Ehrbegriff ein echter oder ein falscher und ebendeshalb auch eine durch das E. bedingte Handlung ebensowohl eine sittliche, als eine unsittliche, als eine sittlich gleichgültige sein. Man spricht deshalb auch von einem wahren und einem falschen E. Als passives E. kann man die Fähigkeit bezeichnen, eine Förderung oder Verletzung der eignen Ehre seitens andrer freudig oder schmerzlich zu empfinden.