Fig. 1 der Tafel zeigt den großen 30zölligen Refraktor der russischen Hauptsternwarte in Pulkowa bei St. Petersburg, dessen Objektiv, von Alvan Clark in Cambridgeport (Verein. Staaten) angefertigt, eine freie Öffnung von 762 mm und eine Brennweite von 14,12 m hat. Die Montierung des Instruments ist in der gebräuchlichen deutschen Aufstellung von Repsold in Hamburg ausgeführt. Auf einer kräftigen, hohlen Säule aus Gußeisen, die auf einem großen Konus unterhalb des Fußbodens auf dem Fundament steht, ruht die Lagerbüchse der aus Gußstahl angefertigten Polarachse, die am obern Ende den Stundenkreis trägt. Senkrecht zur Polarachse steht die auch aus Gußstahl hergestellte Deklinationsachse, die an ihrem einen Ende das Fernrohr und dicht daneben den Deklinationskreis, am andern, sich verjüngenden Ende die das Gewicht des Fernrohrs ausbalancierenden Gegengewichte trägt. Der durch das gesamte Gewicht des Instruments hervorgebrachte Druck in den Lagern der Polarachse wird durch ein schweres Gegengewicht aufgehoben, das an einer im Innern der gußeisernen Säule bis zum Fundament hinunter gehenden Kette aufgehangen ist. Die Achsen des Instruments liegen daher nur mit sehr geringem Druck in ihren Lagern, wodurch eine sehr leichte Bewegung des ganzen Instruments ermöglicht wird. Das Fernrohr besteht aus einem gemeinsamen Mittelstück und zwei Stahlblechrohren, dem Objektivrohr und dem Okularrohr, die an beiden Enden verschließbare Öffnungen zur Lüftung des Rohres haben. Am Okularende befindet sich eine Platte zur Aufnahme eines Fadenmikrometers mit Positionskreis (s. Mikrometer) und verschiedene Hilfsapparate, darunter auch ein elektrisches Zifferblatt, das mit einer Sternzeituhr in Verbindung steht und dem Beobachter die jeweilige Sternzeit angibt. Parallel dem Hauptfernrohr ist am Okularende noch ein zweites, kleineres Fernrohr von 16 cm Öffnung, der Sucher, mit schwacher Vergrößerung und großem Gesichtsfeld, so angebracht, daß die Mitte des Gesichtsfeldes des Suchers dem Gesichtsfelde des großen Fernrohrs entspricht; der Sucher wird benutzt bei der Aufsuchung von Objekten, deren Position nur genähert bekannt ist. Um das Einstellen des Fernrohrs auf ein Objekt von bekanntem Stundenwinkel und Deklination zu bewirken, ohne die Ablesung der Kreise direkt auszuführen, was bei den großen Dimensionen des Instruments sich nur schwer bewerkstelligen ließe, liegen parallel neben dem Fernrohr und mit diesem fest verbunden zwei lange Mikroskope, die mittels Prismen ein Bild der Teilung der Aufsuchungskreise zum Okularende des Fernrohrs führen, so daß der Beobachter von seinem Platz aus die Kreise ablesen kann. Außerdem läßt sich das Fernrohr auch noch von der an der Säule errichteten Bühne, wo während der Beobachtung gewöhnlich ein Gehilfe seinen Sitz hat, einstellen, da auch das untere Ende der Polarachse einen dort bequem ablesbaren Stundenkreis trägt und ein zweiter Deklinationskreis, der im Innern der Deklinationsachse angebracht ist, mittels eines Mikroskops mit Prisma abgelesen werden kann; die Drehung des Instruments um seine beiden Achsen läßt sich von dort aus durch Handräder leicht ausführen. Um nach erfolgter Einstellung eine Drehung des Fernrohrs um eine seiner Achsen oder auch um beide zugleich zu verhindern, kann man dasselbe vom Okularende aus durch zwei neben dem Fernrohr liegende Schlüssel festklemmen, nach erfolgter Klemmung jedoch noch durch zwei andre, ebenfalls am Okularende befindliche Schlüssel dem Fernrohr eine kleine Drehung um jede seiner beiden Achsen erteilen, wie es bei der Feineinstellung eines Objekts nötig ist. Die Beleuchtung des Instruments geschieht durch eine Petroleumlampe, die mittels verschiedener Spiegel und Prismen sämtliche Kreise des Instruments erhellt und die Feld- und Fadenbeleuchtung beim Mikrometer hervorbringt. Um das Fernrohr der Bewegung der Sterne nachzuführen, ist ein Uhrwerk mit einem schweren Federpendel-Regulator an der Wand des Beobachtungsraumes aufgestellt, das mittels verschiedener Zahnräder und Triebstangen unterhalb des Fußbodens und im Innern der Säule sowie durch eine Schraube ohne Ende auf einen neben dem Stundenkreis auf der Polarachse befindlichen Zahnkreis einwirkt und eine Drehung des Fernrohrs um die Polarachse, einmal in einem Sterntag, hervorbringt. Um dem Beobachter in allen Lagen des Fernrohrs eine bequeme Stellung vor dem Okularende zu gewähren, lassen sich zwei Fahrstühle auf Schienen um das Instrument herumfahren, von denen einer auf einer hohen Galerie läuft; jeder dieser Fahrstühle enthält einen Sitz, den der Beobachter, ohne seinen Platz zu verlassen, durch eine einfache Winde bequem höher und niedriger stellen kann, ebenso wie er mittels Handseile den Stuhl auf den Schienen fortbewegen kann. In neuester Zeit hat man, um die Fahrstühle, die immer viel Platz beanspruchen, entbehren zu können, mehrfach den Fußboden des ganzen Beobachtungsraums nicht fest mit dem Mauerwerk verbunden, sondern ihn so eingerichtet, daß er mittels hydraulischer Pressen leicht bis zu jeder beliebigen Höhe gehoben oder gesenkt werden kann, so daß das Okularende des Fernrohrs immer ohne jede Leiter oder Fahrstuhl zu erreichen ist. Diese Einrichtung ist auf der Lick-Sternwarte und der Yerkes-Sternwarte ausgeführt.
Der Turm, der den Pulkowaer Refraktor überdacht, hat nicht die sonst übliche Form einer Kuppel (vgl. Sternwarte), sondern senkrechte Wände mit schwach geneigtem Dach, das einen durch Klappen verschließbaren Einschnitt hat; der ganze Turm ruht auf 10 Rädern auf dem massiven Unterbau und läßt sich durch Anwendung von elektrischer Kraft auf diesem herumdrehen. Die Höhe des ganzen Beobachtungssaales vom Turmgiebel bis zum Erdboden beträgt 22 m. Das Instrument wurde im Jahr 1884 aufgestellt und war damals der größte Refraktor der Welt, steht jetzt aber an sechster Stelle.
In Deutschland ist das größte Fernrohr der Doppelrefraktor des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam (Fig. 2), der 1899 vollendet wurde. Die Montierung dieses Instruments, von Repsold in Hamburg, ist derjenigen des Pulkowaer Refraktors sehr ähnlich, nur ist dasselbe, da es vorwiegend zu astrophysikalischen Arbeiten benutzt werden soll, mit zwei getrennten Fernrohren ausgerüstet, die von einem gemeinsamen Mantel von Stahlblech umschlossen werden. Von den beiden Objektiven, von Steinheil in München angefertigt, hat das größere eine Öffnung von 80 cm und eine Brennweite von 12 m und ist für die chemisch wirksamen Strahlen achromatisiert; an diesem Fernrohr kann entweder die photographische Kassette oder ein Spektrograph angesetzt werden (vgl. Tafel Astrophysik). Das kleinere Objektiv hat eine Öffnung von 50 cm und 12,5 mm Brennweite, dasselbe ist für die optischen Strahlen achromatisiert; am Okularende dieses Fernrohrs befindet sich ein Positionsmikrometer.
Beide Objektive werden durch Rouleaus-Verschlüsse geschlossen, die vom Okularende aus geöffnet werden können. Ebenso sind dort die Einrichtungen für Klemmung und Bewegung des Fernrohrs in Stundenwinkel und Deklination und die Ablesemikroskope angebracht. Das Gewicht der beweglichen Teile des Instruments beträgt 7000 kg. Die Kuppel von 22 m Durchmesser und 18 m Höhe, die das Instrument überdacht, ist in Eisenkonstruktion ausgeführt und ruht auf 20 dreifachen Rädern, deren mittlere die Kuppel tragen, während die äußern auf einem Schienenkranz laufen, der auf dem Mauerwerk lagert. Das Gewicht der Kuppel beträgt 200,000 kg, und ihre Drehung kann mittels Handräder oder durch einen Elektromotor erfolgen. Der Spalt der Kuppel hat eine Breite von 3,5 m und reicht 1,5 m über das Zenit hinaus. Der ihn schließende Schieber wird mit Handbetrieb von einer im Innern an der Kuppelmauer entlang laufenden Galerie oder auch elektrisch vom Beobachtungsstuhl aus bewegt. Eine ganz neue Konstruktion zeigt der Beobachtungsstuhl; derselbe ist nämlich nicht, wie sonst üblich, ganz frei im Beobachtungsraum beweglich, sondern er hängt der Spaltöffnung gegenüber an der Kuppel fest. Infolgedessen geht bei Drehung der Kuppel der Stuhl ohne weiteres mit, so daß der Beobachter immer seinen Sitz gegenüber dem Spalt beibehält.
Unabhängig hiervon kann jedoch der Stuhl in gewissen Grenzen noch nach rechts und links bewegt werden. Das Podium, auf dem sich der Beobachter befindet, bewegt sich auf einer schiefen Ebene auf- und abwärts. Alle diese Bewegungen können mit der Hand und auch mit elektrischer Kraft ausgeführt werden. Auf dem Podium des Beobachtungsstuhls sind alle erforderlichen Schaltungen und elektrischen Meßapparate angeordnet, so daß der Beobachter von dort aus alle Bewegungen der Kuppel, des Spalts sowie des Beobachtungsstuhls ausführen und regulieren kann.
Um die Unbequemlichkeiten zu vermeiden, die mit der Bewegung eines Äquatorials gewöhnlicher Konstruktion verbunden sind, hat Loewy 1871 die Anwendung eines rechtwinkelig gebrochenen Fernrohrs vorgeschlagen. Fig. 3 zeigt in schematischer Darstellung ein derartiges gebrochenes »Équatorial coudé« (Ellbogen-Äquatorial) der Sternwarte in Nizza. Die auf zwei Pfeilern gelagerte Polarachse ist hohl und trägt an ihrem obern Ende das Okular; an ihrer untern würfelförmigen Erweiterung aber ist rechtwinkelig der das Objektiv tragende Teil des Fernrohrs angesetzt, der sich um die Polarachse drehen läßt, und in dem Würfel selbst befindet sich, unter 45° gegen die Achsen der beiden Fernrohrhälften geneigt, ein versilberter Glasspiegel, der die vom Objektiv kommenden Lichtstrahlen nach dem Okular reflektiert. Da dieses beständig an derselben Stelle bleibt, so braucht auch der Beobachter seine Stellung nicht zu ändern, wie auch die Polarachse gedreht werden mag. Ein zweiter Spiegel ist vor dem Objektiv, 45° geneigt gegen die optische Achse, angebracht und läßt sich um die Achse drehen. Dieser Spiegel reflektiert, wenn man ihn dreht, in das Fernrohr das Licht aller Sterne desjenigen Stundenkreises, der auf der optischen Achse der Objektivhälfte des Fernrohrs senkrecht steht, und zwar gibt der Drehungswinkel die Änderung der Deklination an; dieser Spiegel steht daher mit dem Deklinationskreis in Verbindung, der nebst dem Stundenkreis am Okularende der Polarachse angebracht ist. Dort finden sich auch die Handgriffe für die Klemmung und Feinbewegung des Fernrohrs und des äußern Spiegels.
Der Beobachter kann also, ohne seinen Platz am Okularende zu verlassen, das Instrument in jeder Richtung bewegen und einstellen und so die Beobachtungen unter den günstigsten Bedingungen und bequem, selbst in einem geheizten Raum, anstellen, da nur das Okularende sich in demselben befindet, während das Objektiv und die andern Teile ganz außerhalb desselben liegen und nur gegen die Unbilden der Witterung durch eine bewegliche Hütte geschützt sind, die während der Beobachtung beiseite geschoben wird.
Ein dem Équatorial coudé ähnliches Äquatorial ist von Grubb konstruiert und auf der Sternwarte in Cambridge (England) aufgestellt worden (Fig. 4). Die Polarachse ist ebenfalls auf zwei Pfeilern gelagert. An ihrem untern Ende trägt sie die Deklinationsachse, und auf dieser dreht sich ein kürzeres Rohr, welches das Objektiv trägt. Konzentrisch mit der Deklinationsachse ist eine zweite Achse angebracht, die einen Planspiegel trägt, der derart immer geführt wird, daß er von den Lichtstrahlen, die von einem Stern in das Objektiv gelangen, getroffen wird und sie in der Richtung der Polarachse reflektiert, wodurch das Bild im Brennpunkt an dem obern Ende der Polarachse entsteht. Der Beobachter bleibt daher immer in derselben Stellung und sieht ebenso wie beim Équatorial coudé immer in der Richtung der Polarachse von oben nach unten. Der wesentlichste Unterschied vom Équatorial coudé besteht darin, daß bei diesem Instrument nur ein Spiegel gebraucht wird.
Meyers-1905: Äquatoriāl
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