Faserpflanzen

›Faserpflanzen I‹.

aufrechtes, rauh kurzhaariges Kraut aus der Familie der Morazeen, mit meist ästigen, bis 2 (auch 6 m) hohem Stengel, unten gegen-, oben wechselständigen, langgestielten, gefingerten, 5–7- (selten 9-) zähligen Blättern, grob gesägten, lanzettlichen Blättchen, in terminalen, unterwärts belaubten Rispen stehenden männlichen Blüten und bis fast zum Gipfel laubigen weiblichen Blütenständen, die der weiblichen Pflanze ein buschigeres, kräftigeres Aussehen als der locker beblätterten männlichen geben. Die Frucht bildet eine Nuß. Der Hanf riecht frisch unangenehm, betäubend und ist narkotisch. Er stammt aus Persien und Ostindien, wurde aber als Spinnfaserpflanze schon in den ältesten Zeiten in Europa verbreitet und wird jetzt allgemein in der gemäßigten Zone, auch in den Tropen kultiviert. C. indica Lam., oft als Stammpflanze von C. sativa angegeben, ist nur eine tropische Kulturform des gemeinen Hanfes, von der vorzüglich die weibliche Pflanze reichlich ein gelblichgrünes Gummiharz (Churus, Charras, Tschers) absondert, das der europäischen und nordamerikanischen Pflanze fehlt.

In Indien werden die größern getrockneten Hanfblätter (Bhang) als Rauschmittel geraucht; auch das Gummiharz wird geraucht. Aus den getrockneten harzreichen Blütenzweigen (Gunjah) wird das Haschisch bereitet, das bei uns neben andern Hanfpräparaten arzneilich benutzt wird. Eine besonders starkwüchsige Form des Hanfes (C. sativa gigantea) wird in größern Blattpflanzengruppen und als Einzelpflanze auf dem Rasen kultiviert.

Fig. 2. Gossypium herbaceum (Indische Baumwolle), eine Staude aus der Familie der Malvazeen mit drei- bis fünf-, seltener siebenlappigen Blättern, einzeln stehenden, ansehnlichen, gelblichen Blüten, beträchtlichem Außenkelch und 5–7 Samen in jedem Fach der fünfklappigen Kapsel. Die Samen sind mit einem ziemlich dichten Filz von kurzen, grünlichgrauen Haaren bedeckt, tragen aber außerdem die 2–2,8 cm langen weißen Samenhaare, die beim Aufspringen der Kapsel hervordringen und die Baumwolle bilden. Die indische Baumwolle ist die niedrigste der kultivierten Arten, sie ist in Ostindien heimisch und wird dort sowie in Vorderasien, in Nordafrika und im Mittelmeergebiet kultiviert. Als Varietät gehört hierher G. religiosum L., die Nankingbaumwolle mit gelbbraunen Samenhaaren, die besonders in China angepflanzt wird. Obwohl die Indische Baumwolle kürzere Samenhaare besitzt als G. barbadense, welche die Sea Island-Baumwolle liefert, und sich auch schwerer als diese, deren Samen keinen Filzüberzug haben, von den Samen trennen läßt, behauptet sie sich doch in der Kultur, weil diese außerordentlich leicht ist, und weil die Entwickelung der Früchte in sehr ausgiebiger Weise stattfindet. In Ostindien wird sie seit uralten Zeiten kultiviert und außerhalb der Tropen, z.B. in Makedonien, gibt sie allein noch nennenswerte Erträge. In Ägypten hat man G. barbadense eingeführt, und seitdem hat die ägyptische Baumwolle einen hervorragenden Platz im Welthandel gewonnen.

Fig. 3. Corchorus capsularis L. (Jute, Indischer Flachs), eine einjährige Pflanze aus der Familie der Tiliazeen, wird 1,5–2,5 m hoch, besitzt einen dünnen, kaum verästelten Stengel, lange, einfache, zugespitzte, gesägte Blätter, deren unterste Sägezähne in zwei dünne, nach unten gewendete Schwänze ausgezogen sind, kleine, gelbe Blüten und kleine, rundliche Kapseln. Sie ist in Indien heimisch, wird aber überall in den Tropen, besonders in Vorderindien, auch in Ostasien bis Japan, kultiviert und liefert in ihren Bastfasern die Jute. Hauptsächlich wird eine weißstengelige Varietät: Uttarija, angebaut. Auch C. olitorius L. liefert Jute, doch wird diese Pflanze hauptsächlich als Gemüse kultiviert. 1830 führte Bombay 380 Ztr., 1890 aber 15 Mill. Ztr. Jute nebst 70–80 Mill. Jutesäcken im Werte von zusammen 160 Mill. Mk. aus. Da nun die Juteproduktion in Bengalen noch in beständiger Steigerung begriffen ist, so bemüht man sich auch in Deutsch-Ostafrika, die Jutekultur einzuführen. Die Pflanze verlangt ein feuchtes, gleichmäßig warmes Tropenklima. Man sät in Indien im März und schneidet die Pflanze nach vier Monaten, verwendet aber wenig Sorgfalt auf den Anbau, so daß von einer rationellen Kultur sehr gute Resultate zu erwarten sind. Die abgeschnittenen Pflanzen befreit man von Seitentrieben, Blättern und Kapseln, legt die Stengel in lockern Bündeln in langsam fließendes Wasser und zieht schon nach einigen Tagen den Bast ab.

Fig. 4. Boehmeria nivea Hook et Arn. (Ramie, Chinagras), eine rasig wachsende, 1 m hohe Pflanze aus der Familie der Urtikazeen, ohne Brennhaare, mit einjährigen Stengeln, oberseits zerstreut behaarten, unterseits weißfilzigen, breit-eiförmigen oder elliptisch-rundlichen, zugespitzten, am Grunde herzförmigen, oft auch etwas keilförmig in den Stiel verschmälerten Blättern und mit eingeschlechtlichen Blütenknäueln in lockern Rispen. Eine der hervorragendsten Gespinstpflanzen im tropischen und gemäßigten Ostasien, wird namentlich auf den Sundainseln, in China und Japan allgemein angebaut. Man unterscheidet von der ›weißen‹ eine ›grüne‹ Form (Rhea, B. nivea var. candicans), deren Blätter auf der Unterseite nicht weiß, sondern grauweiß sind. Die weiße Form wird als Kulturpflanze fast allgemein vorgezogen. Der aus den Stengeln gewonnene Bast führt auch den Namen Chinagras, und das daraus dargestellte Gewebe heißt Grasleinen (Grass-cloth, Nesseltuch). Unter günstigen Bedingungen gelangen in den Tropen die aus dem Wurzelstock hervorgehenden Stengel in 3–4 Monaten zur Schnittreife und können daher zwei- bis dreimal im Jahr geerntet werden. Dies muß gegen Ende der Blütezeit geschehen, es hängt sehr viel von dem richtigen Zeitpunkt ab; allein die einzelnen Stengel einer Pflanzung bilden sich nicht gleichzeitig aus und können daher auch nicht gleichzeitig geschnitten werden. Der Bast läßt sich mit andern Gewebeschichten in 5 mm breiten Streifen (Riemen, Strippen) von dem Holzkörper des Stengels abschälen und wird dann in gelblichen, papierdünnen, 2–5 mm breiten Bändern von den Riemen abgelöst. In dieser Form kommt der Rohstoff aus China in den Handel. Um nun die Faser von anhängendem Parenchym zu befreien, muß sie, wie es beim Flachs geschieht, einem Verwesungsprozeß unterworfen werden. Dieses etwas langwierige Verfahren hat man durch Maschinenarbeit zu ersetzen versucht. In Ostindien, im südlichen Nordamerika hat die Kultur der Ramie größere Ausdehnung bisher nicht gewonnen, während man in Algier und im südlichen Frankreich recht befriedigende Erfolge erzielt hat. Man vermehrt die Ramie fast ausschließlich durch Rhizomstücke, die schon nach wenigen Monaten schneidbare Stengel liefern.

Fig. 5. Agave rigida Mill. (A. Sisalana Perr., Chelem, Henequen, Sacci), eine mehrjährige, hohe, halbstrauchartige Staude aus der Familie der Amaryllidazeen, mit mächtigem Rhizom, grundständigen, in eine Rosette angeordneten, faserig fleischigen, dornig gezahnten Blättern, mächtigem, lockerm, rispigem Blütenstand auf riesigem Schaft, in Knäueln stehenden, trichterförmigen Blüten und einer Fruchtkapsel mit zahlreichen schwarzen Samen. Die Pflanze ist heimisch im tropischen Amerika, wird aber wegen der in ihren Blättern enthaltenen Faser auch in andern tropischen Ländern, in Westindien und Deutsch-Ostafrika kultiviert.

Fig. 6. Attalea funifera Mart. (Piassavapalme), eine hohe Palme mit breiten, regelmäßig gefiederten Blättern, deren Fiedern fast rechtwinklig abstehen, großem Fruchtkolben und dicken, schweren Früchten, wächst in Brasilien und liefert in den am Stamm freistehenden oder hängenden, dicken, braunen, fischbeinartig biegsamen Gefäßbündeln der Blattscheiden einen Teil der Piassavafaser des Handels. Die brasilische Piassava wird aus Para und Bahia ausgeführt; man gewinnt sie aber auch in andern Teilen Südamerikas und exportiert sie z.B. aus Venezuela, wo sie Chiquechique genannt wird. Sie heißt auch Monkeygrass oder Paragrass.

Fig. 7. Phormium tenax Forst. (Neuseeländischer Flachs), eine ausdauernde Pflanze aus der Familie der Liliazeen, mit kurzem, dickem Rhizom, zweireihig stehenden, linealisch- schwertförmigen, lederartigen, sehr festen, 1m und mehr langen, 40–60 cm breiten, graugrünen, an der Spitze sich spaltenden Blättern, einem 1,5–2 m hohen Schaft mit einer zusammengesetzten Rispe, großen, gelbrötlichen, in Büscheln oberhalb häutiger Brakteen stehenden Blüten und 6–10 cm langer, 1–1,5 cm dicker Kapsel. Die Pflanze wächst auf Neuseeland, der Insel Norfolk und in verschiedenen Teilen Australiens. Die Blätter werden zu allerlei Flechtwerk benutzt, besonders aber gewinnt man aus ihnen eine sehr feste Faser, die seit alter Zeit zu Seilen, Bekleidungsstoffen etc. verarbeitet wird. Die Faser wurde durch Cook (nach 1769) bekannt und sehr bald in England Handelsgegenstand. Man versuchte, die Pflanze in den verschiedensten Ländern zu kultivieren, und in Neusüdwales gelang dies so gut, daß ein größerer Bodenertrag als in Neuseeland erzielt wurde. Auch in Ostindien, auf Mauritius und in Natal wird die Flachslilie im großen kultiviert. In Neuseeland und Australien baut man verschiedene Varietäten, auch werden wild wachsende Pflanzen ausgebeutet, die dort noch immer massenhaft, besonders an Flußufern vorkommen. Das Gefäßbündelgewebe ist in den Blättern so reich entwickelt, daß die Angabe, man könne daraus 22 Proz. Rohfaser erhalten, nicht unwahrscheinlich ist. Die Gewinnung der Faser besteht in einer primitiven Kaltwasserröste, doch wird auch Warmwasser angewendet, und manche Mängel der Rohfaser sind vielleicht auf diese Gewinnungsmethoden zurückzuführen, da die Faser gegen länger andauernde Einwirkung des Wassers empfindlich ist. Eine mechanische Abscheidung der Faser mit Maschinen dürfte wesentliche Vorteile gewähren. Der neuseeländische Flachs kommt zumeist als Rohfaser nach Europa und wird gewöhnlich erst hier gereinigt. Die Rohfaser ist häufig meterlang und auch etwas darüber, gelblich oder, wenigstens stellenweise, weißlich. Die sehr bittern Wurzeln der Pflanze werden in Neuseeland ähnlich wie Sassaparille gegen Skrofeln und Syphilis angewendet. Bei uns kultiviert man mehrere buntblätterige Formen als sehr effektvolle Zierpflanzen in Gärten.

Fig. 8. Crotalaria juncea L. (Bengalischer Hanf, Sun), ein Sommergewächs aus der Familie der Leguminosen, bis 2 m hoch, mit fast sitzenden, lanzettförmigen, ganzen, etwas seidenhaarigen Blättern, schönen, großen, gelben, eine Endtraube bildenden Blüten und aufgeblasener, länglicher, zweiklappiger, mit fuchsroten Haaren samtartig bekleideter Hülse, ist von Vorderindien bis Australien verbreitet und liefert aus seinen Stengeln eine blaßgelbliche, seidenglänzende Bastfaser, den Bengalischen Hanf, Sunhanf, Cocoanadehanf, Conkanëehanf. Auch C. Burhia Hamilt., C. retusa L. und C. tenuifolia Roxb. werden zur Gewinnung von Fasern benutzt, weitaus am wichtigsten aber ist C. juncea. Sie wird seit alter Zeit fast überall in Südasien, besonders aber in Indien, auf Java und Borneo kultiviert. In den nordwestlichen Provinzen Indiens bedecken ihre Kulturen eine Bodenfläche von 50,000 Acres. Die blaßgelbliche, lebhaft seidenglänzende Faser wird durch Röstung und Hechelung gewonnen und erscheint im Handel in etwas verworrenem, fast wergartigem Zustand.

Fig. 9. Linum usitatissimum L. (Flachs, Lein), eine einjährige Pflanze aus der Familie der Linazeen, wird 30–60 cm hoch, hat einen krautartigen, straff aufrechten, kahlen, oben trugdoldig verzweigten Stengel, zerstreut stehende, sitzende, schmal–lanzettförmige, ganzrandige, kahle, sehr zart gewimperte Blätter, gestielte, einzeln an der Spitze des Stengels und der Aste und in den Winkeln der obersten Blätter stehende blaue, selten weiße Blüten, die zusammen eine beblätterte Trugdoldentraube bilden; sie blühen nur einen Tag, und zwar nur vormittags. Die Kapsel ist fast kugelrund, unvollständig zehnfächerig, zehnsamig, bei der Reife zuerst fünf-, später durch Spaltung der Klappen zehnklappig. Der Same ist zusammengedrückt, eilänglich, zugespitzt, glänzend braun, angefeuchtet schleimig. Die Annahme, daß der Flachs in den zwischen dem Persischen Golf, dem Kaspisee und dem Schwarzen Meer gelegenen Ländern wild vorkomme, ist nicht hinlänglich gestützt. Man muß vielmehr annehmen, daß L. usitatissimum eine Kulturpflanze sei, daß er von einer ausdauernden Art mit niederm Stengel und aufspringender Kapsel abstamme und zwar von L. angustifolium Huds. im Mittelmeergebiet, das in mehreren Formen auftritt, auf welche die einzelnen Formen von L. usitatissimnm vielleicht zurückzuführen sind. Letzteres kam wohl über Asien nach Europa und verdrängte L. angustifolium, das nach Heer noch in der jüngern Steinzeit angebaut wurde.


Faserpflanzen I.
Faserpflanzen I.

›Faserpflanzen II‹.

Fig. 1. Broussonetia papyrifera Vent. (Japanischer Maulbeerbaum), ein Milchsaft führender Baum aus der Familie der Morazeen, erreicht eine Höhe von 9–12,5 m, hat weichhaarige, fast filzige Zweige, breit eiförmige, zugespitzte, fast filzige, gezahnte, an demselben Zweig oft einfache und mehr oder weniger gelappte, auch ungleichseitige Blätter, einzeln stehende Blütenstände, von denen die männlichen in walzenförmigen Ähren, die weiblichen auf einer kugeligen Spindel zugleich mit behaarten, schuppenförmigen Blättern stehen. Die fleischigen, gallertartigen Beeren verwachsen unter sich und mit der Blütenstandsspindel zu einer kugeligen Scheinfrucht. Diese soll unangenehm süßlich schmecken, wird aber in Ostasien gegessen. Der Baum ist wahrscheinlich in China heimisch, wächst jetzt auch in Japan, auf Formosa, Timor und Java, in Südeuropa und Nordamerika. Bei gutem Winterschutz hält er auch in Norddeutschland aus. Der Baum wird in Japan und auf vielen Inseln des Großen Ozeans nach Art der Weiden kultiviert; man fertigt aus der Innenrinde zweijähriger Zweige in Japan Papier. Auch von B. Kaempferi Sieb. et Zucc., mit länglich-eiförmigen oder lanzettlichen, unterseits etwas rauhhaarigen Blättern liefert die Rinde in Japan Material zur Papierfabrikation. Der Bast des Papiermaulbeerbaums hat dichtes Gefüge und läßt sich von Stämmen und ältern Ästen in großen weichen und biegsamen Stücken ablösen, die wie Gewebe benutzt werden können und in einigen Tropenländern tatsächlich als Bekleidungsstoff dienen sollen. Der Bast läßt sich aber auch in 1–2 cm und mehr lange Fasern zerlegen, und dieser Langfaserigkeit verdankt das japanische Papier seine Eigenart.

Fig. 2. Ceiba pentandra Gärtn. (Eriodendron anfractuosum DC., Wollbaum, Baumwollbaum), ein Baum aus der Familie der Bombakazeen, mit kräftigem, oft bis zu beträchtlicher Höhe astlosem Stamm, dessen Zweige in weiten Abständen etagenartig zusammengestellt sind. Er trägt gefingerte Blätter, die aus sieben ganzrandigen Blättchen zusammengesetzt sind. Die mäßig großen Blüten sind weiß und stehen gebüschelt, die Kapseln sind lederartig, fachteilig, fünfklappig aufspringend und enthalten reichliche Wolle, in welche die Samen eingebettet sind. Der Baum wächst in Mexiko, auf den Antillen, in Guayana, in Afrika, ganz Ostindien und auf dem Malaiischen Archipel. Er liefert den Kapok, der im deutschen Handel nebst der Wolle von einigen Bombax-Arten als Pflanzendaune vorkommt und als Polstermaterial, zur Füllung von Schwimm- und Rettungsgürteln und in der Chirurgie statt Baumwolle benutzt wird. Die feine seidige Wolle der Bombakazeen geht nicht wie die Baumwolle von den Samen, sondern von der innern Fruchtwand aus und ist mithin keine Samenwolle, sondern den Geweben der Frucht zuzuzählen.

Fig. 3. Fourcroya gigantea Vent. (F. foetida Haw.), eine Amaryllidazee, die eine mächtige hohe Staude mit aufrechtem, einfachem Schaft, der durch die Narben der abgefallenen Blätter mehr oder weniger geringelt ist, und in eine Rosette angeordneten, dicht gedrängten, lanzettlichen, herabgebogenen Blättern bildet. Der gesamte Blütenstand besteht aus einer riesigen, aus der Blätterrosette herausragenden, pyramidenförmigen Rispe. Die kurzgestielten Blüten stehen einzeln oder zu zwei und drei in den Achseln von Brakteen und sind von kleinen Deckblättchen umgeben. Nicht selten wandelt sich eine Blüte mit ihren Deckblättern zu einer Adventivknospe um, die sich von der Mutterpflanze leicht loslöst und sich dann selbständig entwickelt. Die Fourcroya, aus deren Blättern der Mauritiushanf gewonnen wird, ist im tropischen Mittelamerika heimisch, hat sich seit Ende des 18. Jahrh. über zahlreiche Tropengebiete der Alten Welt ausgebreitet und wird seit 1750 auf Mauritius, in neuester Zeit auch in Ostafrika zur Fasergewinnung kultiviert. Die bis 2,5 m langen Blätter werden vom dritten Jahr an geerntet und mit der Hand oder mit Maschinen verarbeitet.

Fig. 4. Raphia Ruffia Mart. (R. pedunculata P.B., Raphiabastpalme, Bambupalme), eine hohe Palme mit kurzem, dickem Stamm, einer Krone gigantischer, gefiederter Blätter auf innen schwammig-weichen, dicken Blattstielen, zwischen denen die massig verzweigten, etwa meterlangen Blütenkolben hervorbrechen, und ovalen oder kugelförmigen, etwa hühnereigroßen Panzerfrüchten, wächst auf der ostafrikanischen Tropenküste und auf Madagaskar und liefert den Raphiabast. Die Blätter erreichen eine Länge von 10–15 m, die Fiedern werden oft 2 m lang, sie sind von mächtigen, mit den Epidermiszellen eng verwachsenen Bastrippen durchzogen, die sich mit der Epidermis in Streifen abziehen lassen. Man schneidet die jüngern Blätter ab, wenn sie im Begriff stehen, sich zu entfalten, entfernt die Mittelrippen der Fiedern und zieht die Epidermis zuerst von der Unterseite, dann von der Oberseite ab. Die erhaltenen, sandfarbigen, 7–9 mm breiten und 1–2m langen Streifen werden an der Sonne getrocknet. Den besten Raphiabast liefert Madagaskar, er wird in so großen Mengen ausgeführt, daß man sich genötigt sah, die Ausfuhr durch ein Gesetz zu beschränken, um einer Ausrottung der Palmen vorzubeugen. Die westafrikanischen Raphia-Arten, besonders R. vinifera, liefern zwar auch Raphiabast, doch zerfasert dieser leichter als der ostafrikanische.

Fig. 5. Musa textilis Luis Née, eine hohe Staude aus der Familie der Musazeen, mit einem Scheinstengel, der von den Blattstielen gebildet wird, mächtigen Blättern, einem vom Rhizom ausgehenden Blütenstand am Ende eines von der Blütenscheidenhülle gestützten Schaftes und Beeren von länglicher Form. Die Pflanze ist auf den Philippinen heimisch und wächst in großer Menge in den vulkanischen Gegenden dieser Inseln. Die wild wachsenden Pflanzen liefern aber sehr wenig Faserstoff, der Manilahanf des Handels stammt fast ausschließlich von auf den Philippinen kultivierten Pflanzen. Anbauversuche in andern tropischen Gegenden haben mir geringe Erfolge gehabt. Auch andre Musa-Arten, wie M. paradisiaca in Guayana, M. sapientum in Vorderindien, M. Ensete in Neusüdwales, liefern Fasern, die sich aber mit dem Manilahanf nicht vergleichen lassen. Die Pflanze wird im dritten Jahr schnittreif, sie hat dann eine Höhe von 6 m und der Stamm eine Dicke von 18 cm. Man läßt die gefällten Stämme einige Tage liegen, um sie saftärmer zu machen, und scheidet dann die Faser durch Handarbeit ab.


Faserpflanzen II.
Faserpflanzen II.
Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906.
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