Schutzeinrichtungen

Schutzeinrichtungen der Pflanzen und Tiere.

I. Schutzeinrichtungen der Pflanzen (Tafel I).

Unter den mechanischen Schutzeinrichtungen gegen biegende, drückende, ziehende oder scherende Kräfte nimmt die Ausbildung eines zweckentsprechenden Skelettgewebes im Pflanzenkörper die erste Stelle ein.

Gegen die Stoßwirkung von Regen, Hagel und Wind sind die Blattflächen außer durch die Derbheit ihres innern Baues durch ihre Biegsamkeit und durch ihre Befestigung an elastischen Stielen gesichert. Auch die Verminderung der Angriffsfläche durch weitgehende Zerteilung der einheitlichen Blattfläche kann als Schutz gegen Windstoß und Regenschlag angesehen werden.

Ausrüstungen, die eine möglichst beschleunigte Ableitung des Regenwassers (Pflanzentraufe) von den Blättern bezwecken, treten besonders in sehr regenreichen Gebieten auffallend hervor. Viele Holzpflanzen und Epiphyten besitzen Blätter mit einer langausgezogenen, den schnellen Abfluß des Regenwassers befördernden Träufelspitze, wie z.B. Ficus religiosa (Tafel I, Fig. 9). In den Tropen hängen ferner die Blätter mancher Pflanzen, wie z.B. Mangifera indica (Fig. 7), im jugendlichen Zustande schlaff herunter (Hängeblätter) und gehen erst bei vollendetem Wachstum in die gewöhnliche Stellung über. Durch die Lage der rings um den Stengel verteilten Blätter zum Horizont wird die Richtung der Wasserableitung bestimmt, z.B. bei Verbascum (Fig. 10). In zahlreichen Fällen steht die zentrifugale oder zentripetale Wassertraufe der Pflanzen auch in Beziehung zu einer möglichst vorteilhaften Befeuchtung des Wurzelsystems und erscheint somit zugleich als ein Schutzmittel gegen Wassermangel. Mit der Wasserableitung hängen bisweilen Absaugeeinrichtungen zusammen, die in Gestalt zarter Haarreihen auf Stengeln, z.B. bei Veronica Chamaedrys, Stellaria media u.a., dicht unter den Blättern auftreten.

Einem längere Zeit hindurch andauernden Sprühregen gegenüber verhalten sich die Pflanzen je nach ihrer sonstigen klimatischen Anpassung verschieden, indem in der Regel die Bewohner trockner Standorte den Regen nur kurze Zeit vertragen und zuletzt unter Laubabwurf zugrunde gehen (ombrophobe Arten), während die Pflanzen aus feuchtwarmen Tropengebieten selbst bei monatelang fortgesetzter Benetzung lebenskräftig bleiben (ombrophile Arten).

Andre Schutzeinrichtungen bedingen eine dauernde Ansammlung von Wasser an bestimmten Stellen der Pflanzenoberfläche. Solche finden sich bei rindenständigen Überpflanzen (s. Epiphyten, Bd. 5, S. 870) und manchen Bromeliazeen. Die Wasserbecken, die von gegenständigen und am Grunde zusammenhängenden Blättern im Umkreis des Stengels, z.B. bei Dipsacus, Silphium laciniatum u.a., oder von ausgehöhlten Einzelblättern, wie bei Saxifraga peltata, in andern Fällen auch von ausgehöhlten Blattscheiden, z.B. bei manchen Doldenpflanzen, gebildet werden, sind ihrer biologischen Bedeutung nach strittig. Da sich in denselben außer Wasser häufig auch hineingeratene und abgestorbene Insekten u. dgl. vorfinden, sind sie als Einrichtungen zur Aufnahme stickstoffhaltiger Nahrung betrachtet worden. Vielleicht hindert auch die Wasseransammlung das Aufkriechen blumenschädlicher Tiere zu den Blüten.

Zum Schutz gegen eindringendes Wasser sind die meisten jugendlichen Pflanzenteile auf der Außenwand ihrer Oberhautzellen von der dünnen, für Wasser undurchdringlichen Cuticula überzogen. An ältern Pflanzenteilen bildet sich ein dickerer, für Wasser unwegsamer Korkmantel aus. Dieselben Einrichtungen schützen zu andrer Zeit, d.h. bei Trockenheit und Dürre, auch die innern Gewebe der Pflanzen gegen die Gefahr übermäßigen Wasserverlustes durch Transpiration. Der Spaltöffnungsapparat reguliert die Wasserabgabe, indem die beiden den offenen Spalt begrenzenden Oberhautzellen (Schließzellen) diesen bei abnehmendem Wassergehalt der Zellen schließen und im entgegengesetzten Fall wieder öffnen. Manche Pflanzen schützen sich durch Verstärkung ihrer Cuticula (Ilex, Nerium), durch Überzüge von Wachs, von lackähnlichem Firnis (an den sogen. lackierten Blättern, wie bei dem Kreosotstrauch, Larrea mexicana, Arten von Baccharis u.a.), ferner durch Kalk- oder Salzkrusten, wie viele Strand-, Steppen- und Wüstenpflanzen, oder durch Haarüberzüge (zahlreiche Woll- und Filzpflanzen, wie z.B. das Edelweiß, Fig. 11), vor zu starker Verdunstung. Ebenso wirkt die Ausbildung von Rollblättern wie bei den Erikazeen, bei denen die Spaltöffnungen in einen durch die umgerollten Blattränder gebildeten windstillen Hohlraum münden. Gewächse, denen durch die Trockenheit, den Salzgehalt oder die Sauerstoffarmut des Bodens die Wasseraufnahme erschwert ist, weisen Verkleinerung und schließliche Verkümmerung der grünen assimilierenden Blattflächen auf, wie bei den Kasuarineen, bei Ephedra, Arten von Genista, Cytisus, Spartium, auch bei Equisetum u.a., deren rutenförmige, dünne Stengel (Rutengewächse) die Spaltöffnungen in Längsrinnen bergen. Auch Dickblätter (bei Sedum und Sempervivum) und fleischige, blattlose Stengel von kugeliger, säulen- oder scheibenförmiger Gestalt bei Kakteen oder Euphorbien (Nopalgewächse) sind durch starke Verdickung der Außenhaut und Ausbildung großer, innerer Wasserspeicher gegen Schädigung durch Wassermangel geschützt. Durch hohen Salzgehalt ihres Zellsaftes, durch den die Verdunstung des Wassers verhindert wird, bleiben die Salsoleen der Salzsteppen trotz größter Trockenheit grün und saftstrotzend. Ein ferneres Mittel gegen Wasserverlust bildet die Vertikalstellung der verdunstenden Fläche bei Ruscus- und Acacia-Arten, bei Colletia cruciata (Fig. 8) etc., da durch diese Stellung bei senkrechtem Stande der Sonne zur Mittagszeit die geringstmögliche Erwärmung und Verdunstung bedingt wird. Aus gleichem Grunde stellen sich die Blattflächen vieler australischer Myrtazeen und Proteazeen (Eucalyptus, Banksia u.a.) senkrecht, und auch die sogen. Kompaßpflanzen (Silphium laciniatum, Fig. 6, Lactuca Scariola u.a.) drehen an sonnigen Standorten ihre Blattflächen aus derselben Ursache in die Meridianebene. Endlich gehört auch das periodische Einfalten der Moosblätter bei Polytrichum und vieler Grasblätter (Sesleria, Arten von Avena, Festuca, Stipa u.a.) hierher.

Da die wichtigste Lebensaufgabe der grünen Pflanzenteile, die durch das Sonnenlicht bedingte Assimilation mit Hilfe des Chlorophylls, an einen bestimmten Grad der Lichtintensität geknüpft ist, so begegnen wir auch einer Reihe von Schutzeinrichtungen gegen Lichtmangel und Lichtüberschuß. Die Chlorophyllkörper sind einer Ortsveränderung fähig, derzufolge sie bei starker Beleuchtung eine möglichst kleine Oberfläche dem Licht gegenüber einnehmen. Mit Lichtmangel haben besonders in schwach beleuchteten Höhlen und Grotten wachsende Pflanzen (Scolopendrium officinarum, Schistostega osmundacea oder Leuchtmoos) zu kämpfen, die sich durch ein außerordentlich lebhaftes Grün auszeichnen. Bei den in beträchtlicher Meerestiefe unter wenig intensivem Licht wachsenden Florideen scheint der durch starke Fluoreszenz ausgezeichnete rote Farbstoff (Phykoerythrin) derselben den Chlorophyllkörpern Licht von umgeänderter, für die Assimilation geeigneter Wellenlänge zuzuführen. Die Schutzvorrichtungen gegen Lichtüberschuß, der den Chlorophyllfarbstoff zerstört, sind in sehr zahlreichen Fällen genau dieselben, durch die auch die Transpiration herabgesetzt wird. Haarbekleidung, Vertikal Stellung der Blätter u.a. machen sich auch als Regulatoren der Beleuchtung geltend. Ein und dieselbe Pflanzenart entwickelt unter dem Einfluß eines sonnigen oder schattigen Standortes verschieden gebaute Blätter, die eine Schutzwirkung gegen zu grelles Licht deutlich erkennen lassen. Auch die Ausbildung roter und violetter Farbstoffe in stark belichteten Blättern, z.B. von Satureja hortensis, bewirkt Lichtdämpfung. Ebenso fungiert die gelbe oder braune Färbung des jugendlichen Laubes. Auch nehmen die Chlorophyllkörper immergrüner Gewächse während des Winter- oder Sommerschlafs eine gelbbraune oder braunrote Färbung an, so daß vermutlich alle diese Farbstoffe für den Schutz der im Innern der Chlorophyllzellen sich abspielenden chemischen Vorgänge gegen Lichtwirkung Bedeutung haben.

Die meisten Pflanzenteile erfordern Schutz gegen Wärmeverlust, und die Bildung eines Periderm-, Kork- oder Borkenmantels an Holzzweigen und Baumstämmen, die Haar-, Filz- und Harzbekleidungen der Knospenschuppen, die Bergung aller zarten, das Wachstum fortsetzenden Gewebepartien unter schützende Decken sind aus genanntem Grunde leichtverständlich. Viele Blüten, wie Campanula (Fig. 2), und Blütenstände, wie z.B. die der Doldenpflanzen, nehmen nachts eine zur Erde gerichtete Stellung ein, wodurch die Wärmeausstrahlung gemindert wird; bei vielen Kompositen schlagen sich die Hüllblätter oder Randblüten des Köpfchens mit gleichem Resultat über den mittlern Blüten zusammen. Die Kotyledonen mancher Keimpflanzen (Sonnenrose, Arten von Oxalis, Trifolium, Lotus u.a.), die während des Tages ihre Breitseiten nach oben kehren, legen dieselben während der Nacht aneinander, um die zwischen ihnen befindliche zarte Stengelspitze zu schützen. Ebenso können die Schlaf- und Reizbewegungen vieler Pflanzen als Schutzeinrichtungen gegen Wetterungunst, und zwar die Bewegungen des Tagesschlafs (bei zahlreichen Leguminosen und Oxalideen) als Schutzeinrichtungen gegen übermäßige Besonnung und Wasserverdunstung, die des Nachtschlafs, z.B. bei Mimosen (Fig. 1), Trifolium, Robinia u.a., als Schutzeinrichtungen gegen nächtlichen Wärmeverlust, die Reizbewegungen als Vorkehrungen zur Ableitung von Regentropfen u. dgl. gedeutet werden. Schutz gegen Erfrieren gewährt den Pflanzen die Bildung unterirdischer Rhizome, auf die sich ihr Leben während des Winters unter Absterben der oberirdischen Teile zurückzieht. Wasserpflanzen erreichen dasselbe dadurch, daß sie, wie z.B. Potamogeton crispus (Fig. 5), in Form von kleinen, wohlverwahrten Winterknospen unter Absterben der übrigen Teile in den Schlamm am Grunde der Gewässer sich verstecken.

Von Spezialschutzeinrichtungen sind besonders diejenigen bemerkenswert, die den jungen Pflanzenkeim (Embryo) und seine Ernährungsorgane innerhalb der Samenschale umgeben, oder welche die Befestigung des Samens beim Keimen an geeigneter Stelle sichern. Zahlreiche spezielle Schutzeinrichtungen besitzen die Blüten, deren Pollen besonders durch Nässe geschädigt wird, weshalb in zahlreichen Fällen, z.B. durch Bildung hängender Glöckchen, durch dichten Schluß der Blütendecken, z.B. bei Trollius europaeus (Fig. 13), durch starke Verengerung oder durch einen Haarbesatz des Blüteneinganges, z.B. bei Aretia glacialis (Fig. 3), das Eindringen von Regen und Tau in den Blüteninnenraum verhindert wird (Schutzmittel des Pollens). In manchen Fällen übernehmen nicht die Blütenteile selbst, sondern die ihnen benachbarten Hüllblätter die Rolle von Pollenschutzorganen. Bei der im Himalaja einheimischen Arazee Ariopsis peltata bildet das Hüllblatt eine Art von umgekehrter Barke, die den darunter befindlichen Blütenkolben vor Nässe schützt. Die strahlenförmigen, innen silberweiß glänzenden Hüllblätter der Wetterdistel (Fig. 12) breiten sich bei trocknem, sonnigem Wetter flach aus, schließen sich dagegen bei Feuchtigkeit infolge von Änderungen ihrer Gewebespannung zu einem aufrechten Hohlkegel zusammen und schützen dadurch die unter ihnen befindlichen Blütenteile vor Regen. Von der Temperatur abhängige Schließbewegungen führen auch die Blüten des Crocus (Fig. 4) und anderer Liliifloren aus, die im geschlossenen Zustand ein Gewölbe bilden, an dessen Außenseite das Wasser abfließt, während sie sich bei warmem, trocknem Wetter strahlenförmig ausbreiten. Übrigens werden durch viele sogen. Pollenschutzeinrichtungen auch die Nektarien und andre gegen Wasser empfindliche innere Blütenteile vor Nässe bewahrt.

Unter den Schutzeinrichtungen gegen die Angriffe von Tieren stehen die Stachel- und Dornbildungen obenan. Teils entwickeln sich dieselben an den zu schützenden Pflanzenteilen selbst, indem laublose, rutenförmige, am Ende in Dornen auslaufende Stengel oder stachelähnliche Nadelblätter (Nardus stricta, Festuca alpestris u.a.) oder ringsbestachelte Distelblattformen, wie besonders bei Kompositen und Umbelliferen, auftreten, teils übernehmen zu Dornen umgewandelte Seitentriebe den Schutz benachbarter Blätter, wie bei den Alhagi-Gebüschen der Steppen sowie auch bei dem einheimischen Weiß- und Schwarzdorn. Außer Stacheln und Dornen schützen auch in der Haut schmerzhaft wirkende Angel- und Stechborsten sowie die Brennhaare der Urtica-Arten die Pflanzen vor dem Angriff von Weidetieren. Manche Arten, wie Urtica Stimulans auf Java, nesseln so stark, daß der Schmerz ein mehrtägiges Brennfieber erzeugt, oder, wie bei Urtica urentissima auf Timor, sogar jahrelang gefühlt wird. Am wirksamsten erweisen sich gegen Tiere die chemischen Schutzeinrichtungen, wie die giftigen Alkaloide, die in manchen Pflanzenfamilien in großer Mannigfaltigkeit auftreten und besonders gegen Weidetiere schützen, die das mit derartigen Stoffen erfüllte Laub in der Regel unberührt lassen. Gegen niedere Tiere, wie besonders Schnecken, wirken sowohl chemische als mechanische Schutzeinrichtungen. Als chemische Schutzmittel gegen Schnecken dienen unter andern die Gerbstoffe, z.B. in Blättern von Papilionazeen, Rosifloren, vielen einheimischen Holzpflanzen wie auch von Wasserpflanzen. Als mechanische Schutzeinrichtungen gegen Schneckenfraß erweisen sich die mit kleinen Höckern und Knötchen versehenen Borsten, die sogen. Feilhaare, die auf die Weichteile der Schnecken höchst unangenehm wirken. Auch stark verdickte und verkieselte Vorsprünge auf den Oberhautzellen von Campanula-Arten, die Verkalkung von Haaren und Borsten bei Kruziferen und Umbelliferen, die Verkieselung der Zellmembran bei Gräsern und Riedgräsern bilden eine vortreffliche Schutzwehr. Auch Schleiminhalt der Pflanzenzellen und Gallertüberzüge, letztere besonders bei Algen und Wasserpflanzen, halten die Schnecken ab. Eins der ausgezeichnetsten Schutzmittel bilden endlich die Raphiden, d.h. die Gruppen und Haufwerke sehr kleiner, äußerst fein zugespitzter Kristallnadeln von oxalsaurem Kalk, die in Schleim eingebettet in den Zellen zahlreicher Pflanzen vorkommen.

Sehr mannigfache Schutzeinrichtungen gegen tierische Eingriffe entwickeln endlich auch die Blüten, die des Nektars oder zarter Gewebeteile wegen gern von ankriechenden, flügellosen Gliedertieren, wie besonders Ameisen, besucht und teilweise zerstört werden. Als derartige Schutzeinrichtungen gegen unberufene Blumengäste dienen klebrige Blütenstiele, die das Aufsteigen verhindern, wie bei der Klebnelke (Viscaria vulgaris), Barrikaden von Haaren, Borsten und Stacheln am Blüteneingang oder in der Umgebung der Blüten, Verschluß des Honigs durch enge Kanäle etc. Auch an Früchten und Samen kommen vielfach chemische und mechanische Schutzeinrichtungen gegen Beschädigung durch Tiere zur Ausbildung. Eine eigenartige Gruppe bilden die Einrichtungen, durch die manche Pflanzen Ameisen anlocken oder beherbergen, so daß sie durch diese Schutzgarde vor den Angriffen andrer Insekten geschützt sind (s. Ameisenpflanzen).


II. Schutzeinrichtungen der Tiere (Tafel II).

Mannigfaltiger als bei den Pflanzen sind die Schutzmittel bei den Tieren. Gegen zu starken Wärmeverlust sind die höhern, warmblütigen Wirbeltiere durch ihre Bedeckung mit Haaren oder Federn, bez. durch eine starke Fettlage (Wale, Robben, Wasservögel) geschützt; andre leben in großen Mengen in gut nach außen abgeschlossenen Nestern, welche die durch ihre zahlreichen Bewohner erzeugte Wärme zusammenhalten (Bienen). Alle solcher natürlicher Schutzmittel entbehrenden Tiere müssen die kalte Jahreszeit an geschützten Orten verbringen. Als Schutz gegen übermäßige Verdunstung wirkt die Bedeckung mit Horn, Chitin, Conchin oder die Abscheidung von Panzern und Schalen. Die gegen Trockenheit sehr empfindlichen Landschnecken verschließen in Zeiten andauernder Trockenheit die Schalenmündung ebenso wie im Winter durch einen Kalkdeckel. Die Ausbildung eines harten Hautskelettes (Knochenpanzer der Gürteltiere, der Schildkröten, Krokodile, mancher Fische; Hornbekleidnng der Vogelfüße, der Reptilien; Chitinpanzer der Gliederfüßer, Kalkpanzer der Seeigel, Schalen der Schnecken und Muscheln, kalkige und kieselige Gehäuse der Urtiere) gewährt Schutz gegen mechanische Verletzungen und gegen die Angriffe mancher Feinde; Stachelbildungen (niedere Krebse, Zoëalarven, Radiolarien), die den Reibungswiderstand des Wassers verstärken, dienen als Schwebvorrichtnngen und somit als Schutz gegen das Sinken in zu tiefe Wasserschichten, während sie in andern Fällen (Stachelkleid der Igel, der Stachelschweine, Stachelstrahlen mancher Fische, mancher Insekten [Dornschrecke, Melodon ensifer, Tafel II, Fig. 11]) gleichfalls einen wirksamen Schutz gegen Angriffe darstellen. Erhöht wird der durch Stachel- und Panzerbildungen gewährte Schutz, wenn das Tier imstande ist, die weichern Teile des Körpers in den Panzer hineinzuziehen (viele Schildkröten, Schnecken, Muscheln, Moostiere, Polypen, Korallen), ihren Körper einzurollen (Igel, Gürteltiere, Käferschnecken, manche Asseln [Sphaeroniscus cingulicornis, Fig. 10], Tausendfüßer [Glomeris limbata, Fig. 86] und Raupen [Acronycta aceris, Fig. 14]). Manche Käfer ziehen bei der Berührung ihres Körpers die Gliedmaßen an und fallen in einen Zustand vorübergehender Erstarrung (Kataplexie), den man früher in sehr wenig passender Weise als ein »Sichtotstellen« des Tieres auffaßte; bei manchen Arten (Hufkäfer, Hoplia farinosa, Fig. 27) bleiben dabei die Beine gestreckt. Auch manche Tiere, die eines Panzers oder Stachelkleides entbehren, schützen sich durch starkes Zusammenziehen ihres Körpers (Seeanemonen, manche Würmer). Bei manchen Fischen (Knurrhahn [Cottus scorpio], Stachelrochen [Trygon pastinaca], Stöcker [Caranx] u.a.) steht der Stachel mit einer Giftdrüse in Verbindung; bewegliche, mit Giftdrüsen verbundene Wehrstacheln finden sich bei Hautflüglern (Bienen, Wespen) und Skorpionen. Sie dienen ebensowohl der Verteidigung als dem Nahrungserwerb. Auch die Giftzähne der giftigen Schlangen sowie die gleichfalls mit Giftdrüsen in Verbindung stehenden Kiefer der Spinnen und die Giftklauen der größern Tausendfüßer (Scolopendra) können ebenso wie die Krallen, Hufe, Hörner und Zähne der Wirbeltiere und die Kiefer beißender Insekten und die Stechborsten der Wanzen und Stechfliegen der Verteidigung dienen. Wirken die bisher erwähnten Giftstacheln, Giftzähne etc. dadurch, daß das Gift in das Blut des verwundeten Gegners gelangt, so rufen die giftigen Ausscheidungen der Hautdrüsen gewisser Amphibien (Salamander, Kröten) auch im Magen, der Mundschleimhaut etc. der sie beißenden Tiere Schädigungen hervor. Hieran lassen sich die Brennhaare zahlreicher Raupen (Bärenraupen, viele Spinnerraupen u.a.) und die Nesselorgane der Pflanzen- oder Nesseltiere (Cnidarier) anschließen. Wieder andre Tiere schützen sich durch übelriechende Ausscheidungen, die teils nur bei direkter Berührung (Wanzen [Feuerwanze, Pyrrhocoris aptera, Fig. 8], Marienkäfer, manche Laufkäfer, Maiwürmer [Meloë variegata, Fig. 18], Blattkäfer [Timarcha coriaria, Fig. 17]) auf den Angreifer wirken, teils gegen diesen aus einiger Entfernung gespritzt werden (Stinktiere, Raupen des Gabelschwanzes [Harpyia vinula, Fig.19], Bombardierkäfer [indischer Bombardierkäfer, Pheropsophus, Fig. 12]). Eine große Anzahl von Tieren ist durch widrigen Geschmack und Geruch geschützt, namentlich Insekten, deren Gegner so zahlreich sind. Solche gemiedene Tiere zeichnen sich häufig durch lebhafte, als Widrigkeitszeichen wirkende sogen. Trutzfarben oder Trutzzeichnungen aus. Zu ihnen gehören außer vielen Wanzen (Fig. 8, Feuerwanze [Pyrrhocoris aptera]), Raupen (Fig. 15, Raupe des Blutflecks [Euchelia Jacobaea], und Fig. 30, Schlangenraupe [Deilephila Nicaea]), Seetieren etc. ganze Insektenfamilien, wie unter den Schmetterlingen die Danaiden, Ithomiiden, Helikoniden, Zygänen (Fig. 7, Zygaena carniolica) und Arktiiden oder Bären (Fig. 23, gelber Bär [Arctia villica], und Fig. 24, Blutfleck [Euchelia Jacobaea]) und unter den Käfern die Lampyriden und andre Malakodermen, die sämtlich sich dreist und langsam vor aller Augen bewegen oder gar durch nächtliches Leuchten ihre Gegenwart kundtun. Manche Insekten zeigen in Farbe, Zeichnung und Gebaren eine auffallende Ähnlichkeit mit solchen natürlich geschützten Arten und werden dadurch derselben Sicherheit teilhaftig (s. Mimikry). Ein sehr verbreitetes Schutz- und Verbergungsmittel liegt in der sogen. chromatischen Anpassung an die Farben der gewöhnlichen Umgebung und Unterlage, auf der die Tiere vorwiegend ruhen, der sympathischen oder Schutzfärbungen und Schutzzeichnungen, wie z.B. auf der Unterseite der Tagfalterflügel (Fig. 32 u. 33, Aurorafalter [Anthocharis Cardamines]) und der Oberseite der Nachtfalter, die dieselben Steinoberflächen, grünen und welkenden Blättern, moosbedeckter Baumrinde etc. ähnlich macht. (Vgl. auch Tafel ›Mimiky‹, Fig. 1–22.) So sind die Polartiere vorwiegend weiß oder färben sich wenigstens im Winter weiß, die Wüstentiere sandgelb, viele Laubtiere, z.B. auch die schmackhaftem Raupen, grün oder bräunlich, viele Wassertiere entweder durchsichtig wie Glas oder bläulich angehaucht, viele Landtiere in ihrer Färbung je nach ihrer Lebensweise dem Boden, den Baumstämmen etc. ähnelnd. Auch durchsichtige Schmetterlinge (Fig. 20, Cithaerias Esmeralda, und Fig. 31, Ithomia rufocincta), die im Laubschatten kaum bemerkbar sind, weil man den Hintergrund durch ihre Flügel sieht, kommen vielfach vor. Viele Vögel und Fische, z.B. die Flundern und die Rochen, sind auf der Oberseite dunkel wie der Boden und auf der Unterseite hell gefärbt, so daß sie den über und unter ihnen fliegenden oder schwimmenden Räubern gleich schwer erkennbar sind. Einige Tiere bedecken den Rücken mit Schmutz, Algen, Meerschwämmen und Korallenpolypen etc. und machen sich unkenntlich (s. Maskieren) oder wohnen in einem Schutzgehäuse oder Blattfutteral, wie die Sackträgerraupen (Fig. 4, Saccophora). Bei allen diesen Verbergungsmitteln handelt es sich übrigens nicht bloß um verfolgte Tiere, sondern auch um die Verfolger, die jene um so leichter beschleichen können, je weniger sie sich von ihrer Umgebung unterscheiden. So müssen z.B. die Streifen und Flecke der Tiger und Panther ebensowohl zu den Schutzzeichnungen gerechnet werden wie die der Zebras und Giraffen. Manche Krebstiere, Tintenfische, Fische, Amphibien und Reptilien (Chamäleon) vermögen durch Zusammenziehung oder Ausdehnung der sogen. Chromatophoren in der Haut sich ihrer jeweiligen Umgebung durch hellere oder dunklere Färbung ähnlich zu machen (s. Farbenwechsel). Auf andern Vorgängen beruhen die Farbenänderungen mancher Raupen, wie die des Abendpfauenauges (Smerinthus ocellatus, Fig. 21 u. 22), die nach dem Laube der Futterpflanze mehr blau- oder gelbgrün ausfallen, Puppen und Kokons, die ihre Farben der wechselnden Umgebung anpassen, wie z.B. die Puppen des Aurorafalters (Fig. 34 u. 35), die den Blättern der Futterpflanze ähnlich sind und im Herbste wie diese eine bräunliche Färbung annehmen. Ein andres Mittel, sich ihren Verfolgern zu verbergen, haben die Tintenfische in ihrer Fähigkeit, durch Ausscheidung eines dunkeln Farbstoffes das sie umgebende Wasser zu trüben. Manche Tiere besitzen besondere Schreckzeichnungen, wie gewisse Nachtschmetterlinge (Fig. 2, Spanische Fahne [Callimorpha Hera], Fig. 5, Abendpfauenauge [Smerinthus ocellatus]) und Heuschrecken (Fig. 26, Blauschrecke [Oedipoda coerulescens]), mit lebhaft gezeichneten und gefärbten Unterflügeln, die bei Tage nur bei plötzlicher Aufstörung sichtbar werden und zum Teil auch als Ablenkungsfarben (welche die Bisse der Insektenfresser nach ungefährlichen Stellen ableiten) zu deuten sind, zum Teil beständig drohend wirken, wie die Augenzeichnungen mancher Käfer (Fig. 3, Alaus oculatus), Raupen und Falter. Andre wehrlose Tiere, wie namentlich viele Raupen, aber auch manche Käfer (Fig. 13, mit dem Schwanze drohender Kurzflügler [Staphylinus olens]), nehmen eine sogen. Drohstellung an, indem sie das Haupt erheben, wie die Sphingidenraupen, oder ein starkduftendes Nackenhorn, wie die Schwalbenschwanzraupe (Papilio Machaon, Fig. 25), oder eine Schwanzgabel, wie die Hermelinspinnerraupe (Harpyia vinula, Fig. 19), ausstülpen, oder drohend den mit allerlei Auswüchsen geputzten Kopf schütteln, wie der stark gefürchtete Hickoryteufel (Eacles regalis, Fig. 16) Nordamerikas, oder Glotzaugen hervorschieben, wie die Weinvogelraupe (Deilephila Elpenor, Fig. 28 u. 29), oder die langen Vorderfüße spinnenartig bewegen, wie die Raupe des Buchenspinners (Stauropus fagi, Fig. 1). Hier ist auch an das Sträuben der Haare oder der Federn bei manchen Vögeln und Säugetieren im Augenblick des Angriffs zu erinnern. Eine sehr merkwürdige Schutzeinrichtung besteht in dem Fahrenlassen gefährdeter Gliedmaßen (s. Selbstverstümmelung). Auch die Nester mancher Vögel und die Kokons mancher Insekten sind, wie sie selbst zum Schutz der sich entwickelnden Tiere dienen, auch ihrerseits mit Schutzeinrichtungen versehen, erstere, indem sie durch äußere Umkleidung mit Baumflechten unscheinbar gemacht werden, letztere, indem sie mit von außen unzugänglicher Öffnung ausgestattet werden, wie der Kokon des kleinen Nachtpfaues (Saturnia carpini, Fig. 9), oder an langen Fäden aufgehängt werden, wie der Kokon einer brasilischen Lithoside (Fig. 6), und dadurch vielen Tieren unzugänglich werden. Vielen sonst schutzlosen Tieren gewährt die Fähigkeit schneller Flucht und ihre Ausrüstung mit scharfen, die feindliche Annäherung schon von weitem bemerkenden Sinnesorganen, andern wieder das Zusammenleben in größern Herden eine größere Sicherheit. Auch finden sich manche schutzlose Tiere in der Regel in der Gesellschaft bestimmter andrer, besser geschützter Arten, deren Nähe ihnen auf diese Weise gleichfalls Schutz gewährt (s. Symbiose und Schutzgemeinschaften).

Alle diese Schutzeinrichtungen erklärt die Selektionstheorie als Züchtungsergebnisse der natürlichen Auslese (s. Darwinismus, Bd. 4, S. 531).


Inhalt der Tafel ›Schutzeinrichtungen II‹.

1. Raupe des Buchenspinners (Stauropus fagi).

2. Spanische Fahne (Callimorpha Hera).

3. Alaus oculatus, Schnellkäfer.

4. Säckträgerraupe (Saccophora).

5. Abendpfauenauge (Smerinthus ocellatus); vgl. Fig. 21 u. 22.

6. Kokon einer brasilischen Lithoside.

7. Widderchen (Zygaena carniolica).

8. Feuerwanze (Pyrrhocoris aptera).

9. Kokon des kleinen Nachtpfauenauges (Saturnia carpini).

10. Sphäroniscus cingulicornis, Assel.

11. Dornschrecke (Melodon ensifer).

12. Indischer Bombardierkäfer (Pheropsophus).

13. Staphylinus olens, Kurzflügler.

14. Ahorneule (Acronycta aceris).

15. Blutfleckraupe (Euchelia Jacobaea); vgl. Fig. 24

16. Hickoryteufel (Eacles regalis).

17. Timarcha coriaria, Blattkäfer.

18. Maiwurm (Meloe variegata).

19. Gabelschwanzraupe (Harpyia vinula).

20. Cithaerias Esmeralda.

21. Raupe des Abendpfauenauges (Smerinthus ocellatus); vgl. Fig. 5.

22. Raupe des Abendpfauenauges (Smerinthus ocellatus); 22.J vgl. Fig. 5.

23. Gelber Bär (Arctia villica).

24. Blutfleck (Euchelia Jacobaea); vgl. Fig. 15.

25. Schwalbenschwanzraupe (Papilio Machaon).

26. Blauschrecke (Oedipoda coeruloscens).

27. Hufkäfer (Hoplia farinosa).

28–29. Weinvogelraupe (Deilephila Elpenor).

30. Schlangenraupe (Deilephila Nicaea).

31. Ithomia rufocincta.

32–35. Aurorafalter (Anthocharis Cardamines) mit Puppen.

36. Glomeris limbata, Tausendfüßer.


Schutzeinrichtungen I.
Schutzeinrichtungen I.
Schutzeinrichtungen II.
Schutzeinrichtungen II.
Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909.
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