Berlin (Karte 1). In Berlin wurde im Juli 1871 die Ringbahn mit zwei Gleisen und sieben Bahnhöfen, jedoch ohne das damals noch fehlende westliche Stück Schöneberg-Moabit, eröffnet, war aber anfangs nur für den Güterverkehr bestimmt, um die verschiedenen Berliner Bahnhöfe in Verbindung zu bringen. Bald folgte indes auch die Einrichtung für Personenverkehr und noch in den 1870er Jahren der Schluß des Ringes sowie bald der Anschluß der Rangierbahnhöfe Tempelhof (Anhalter Bahn), Rummelsburg (Schlesische Bahn), Lichtenberg (Ostbahn), später Grunewald (Wetzlarer Bahn), endlich Pankow (Stettiner und Nordbahn) sowie Niederschöneweide-Johannisthal (Görlitzer Bahn). Der Personenverkehr blieb gering, bis mit dem Hinzutreten der im Frühjahr 1882 eröffneten Stadtbahn die Stadtringzüge eingerichtet wurden, die eine bedeutende Erweiterung und Umgestaltung der Ringbahn im Gefolge hatten, so insbes. die Hinzufügung zweier besonderer Gleise für den Güterverkehr.
Die Berliner Stadtbahn war 1872 von einer Privatgesellschaft in Aussicht genommen, um die östlich und westlich in Berlin einlaufenden Fernbahnen in Verbindung zu bringen und im Innern der Stadt Bahnhöfe für den Fernverkehr zu errichten. Im J. 1878 ging das Unternehmen in die Hände des schon vorher beteiligten preußischen Staates über und wurde nun viergleisig ausgestaltet.
Die eigentliche ursprüngliche Stadtbahnstrecke vom Schlesischen bis zum Bahnhof Charlottenburg, wo die über Grunewald-Wannsee-Potsdam-Belzig nach Nordhausen (Frankfurt) führende sogen. Wetzlarer Fernbahn anschließt, ist 12,145 km lang; davon liegen 7964 m auf gewölbtem, 1823 m auf eisernem Unterbau, 675 m auf Erdschüttung zwischen Stützmauern und 1683 m auf gewöhnlicher Dammschüttung. Alle gekreuzten Straßen werden mit einer Lichthöhe von mindestens 4,4 m überschritten. Die Krümmungen gehen herab bis auf 280, ausnahmsweise 250 m Halbmesser; die Neigungen bleiben unter 80/00. Die Kosten haben rund 68 Mill. Mk. betragen (etwa 5,65 Mill. Mk. für das Kilometer viergleisiger Bahn). Die beiden Gleispaare haben einen Abstand von 4 m zwischen den Gleisachsen.
Die Anzahl der Zwischenstationen beträgt neun (davon dienen Alexanderplatz, Friedrichstraße und Zoologischer Garten auch dem Fernverkehr), die kleinste Entfernung ist 690 m, die mittlere 1130 m. Die beiden nördlichen Gleise dienen dem Stadt- und Vorortverkehr, die beiden südlichen dem Fern- und einem Teil des Vorortverkehrs. Die Stadtbahn ist mit verschiedenen Eisenbahnen unmittelbar verbunden und entsendet Fernzüge nach der Lehrter, Wetzlarer, Schlesischen und Ostbahn, ferner Stadtzüge nach dem Nord- und Südring, nach Grunewald, Spandau, Potsdam und den Vorortstationen der Schlesischen, Görlitzer und Ostbahn.
Als unabhängig von der Stadt- und Ringbahn für sich bestehende, jedoch nach derselben Art betriebene Vorortbahnen, insbes. für den täglichen Verkehr der auswärts wohnenden, aber in Berlin beschäftigten Personen, daneben auch für Ausflugs verkehr bestimmt, sind noch zu nennen: die Wannseebahn und die Vorortbahnen nach Großlichterfelde-Ost und Zossen im Südwesten und die Vorortgleise der Stettiner und Nordbahn im Norden.
Während die bisher besprochenen Stadtring- und Vorortbahnen Berlins mit den Fernbahnen in Verbindung stehen und den Übergang von Betriebsmitteln der Hauptbahnen gestatten, ist dies bei der ersten dem binnenstädtischen Personenverkehr allein gewidmeten elektrischen Hoch- und Untergrundbahn nicht der Fall. Sie führt von dem östlichen Endpunkt (Warschauer Brücke) auf eisernem Viadukt durch die Skalitzer und Gitschiner Straße, sodann am Ufer des Landwehrkanals zur Haltestelle Möckernbrücke. Bald dahinter gabelt sie sich; der eine Zweig führt, nach Norden umbiegend, zuletzt als Unterpflasterbahn zum Leipziger Platz, der andre über die Gleise der Potsdamer Bahn hinweg durch die Bülowstraße zum Nollendorfplatz; hier geht die Bahn mittels steiler Rampe in die Unterpflasterstrecke über und erreicht, beim Knie links umbiegend, die Bismarckstraße. Von dort geht sie mit scharfer Wendung rechts zum Wilhelmsplatz. Die Bahn soll von der Bismarckstraße nach Westend fortgesetzt werden, ebenso vom Potsdamer Platz über Spittelmarkt, Alexanderplatz nach der Schönhauser Allee. Die Bauarbeiten sind bereits im Gange. Ein Teil der Züge von der Warschauer Brücke nach dem Knie und umgekehrt berührt den Potsdamer Platz; die andern fahren mittels eines westlich von Station Möckernbrücke gelegenen Verbindungsstücks (Gleisdreieck mit Vermeidung aller Schienenkreuzungen durch Bauwerke) direkt durch. Die Strecke Warschauer Brücke-Knie mit der Abzweigung nach dem Potsdamer Platz ist 11,2 km lang und kostete einschließlich der Bauzinsen 34 Mill. Mk. (also 3 Mill. Mk. für das Kilometer). Die Zahl der Fahrgäste im J. 1905 betrug 34,5 Millionen, die Einnahmen 4,3 Mill. Mk. Außerdem sind zurzeit geplant: von der Stadt Berlin eine Süd-Nordlinie Kreuzberg-Müllerstraße durch die Friedrichstraße oder eine Parallelstraße (Unterpflasterbahn), ferner von der Kontinentalen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in Nürnberg eine Schwebebahn Gesundbrunnen-Alexanderplatz-Prinzenstraße-Rixdorf; endlich beabsichtigt die Große Berliner Straßenbahn ihre Linien an einzelnen Stellen (so in der Leipziger Straße) in unterirdische zu verwandeln.
London (Karte 2). Die älteste Stadtbahn ist die sogen. Untergrundbahn, die einen geschlossenen Ring bildet, von dem der nördliche Teil der Metropolitan-Bahn, der südliche der Metropolitan District-Bahn gehört. Diese Ringbahn, die eine große Anzahl Londoner Bahnhöfe verbindet, wurde im Laufe der 1860er und 1870er Jahre zum Teil mit recht erheblichen Kosten gebaut. Außerdem besitzen die genannten Gesellschaften noch eine Reihe von Anschlußstrecken. Die Untergrundbahn ist zweigleisig ausgebaut; ihre Züge laufen zum Teil nur im Innern der Stadt, zum Teil auch über die anschließenden Vorortlinien in die weitere Londoner Umgebung. Sie wurde nach dem Muster der Hauptbahnen angelegt, deren Verkehr sie zum Teil vermitteln helfen sollte, lange Jahre mit Dampflokomotiven betrieben, ist neuerdings aber für elektrischen Betrieb eingerichtet worden. Nur dem binnenstädtischen Verkehr dienen dagegen die folgenden zweigleisigen Strecken, die in großer Tiefe, 1520 m und mehr, unter der Straße liegen, meist als Röhrenbahnen ausgeführt sind, Aufzüge für die Reisenden an den Stationen besitzen und deren Züge mittels Elektrizität befördert werden: die City- und Süd-London-Bahn, 1890 eröffnet, neuerdings nach Norden über Islington bis Euston Station verlängert, die kurze City- und Waterloo-Bahn, die 1900 eröffnete Zentral-London-Bahn. In neuester Zeit traten hinzu die Große Nord- und City-Bahn, die Große Nord-Piccadilly- und Brompton-Bahn, die Bakerstreet-Waterloo-Bahn und die Charing Cross Euston- und Hampsteadt-Bahn. Außerdem sind noch eine Reihe andrer Bahnen geplant. Neben diesen eigentlichen Stadtbahnen wird ein Unterpflastertunnel für Straßenbahnverkehr (Holborn-Strand) ausgeführt.
Wien (Karte 3). In Wien wurde in den 1890er Jahren der Bau eines ausgedehnten Stadtbahnnetzes begonnen. Es besteht aus vier zweigleisigen Linien mit zusammen 40 km Länge. Die Wientallinic verbindet den Nordbahnhof in weitem Bogen von 12,7 km Länge durch den Osten, Südosten und Süden der innern Stadt mit der Westbahn und schließt an diese bei Hütteldorf (vgl. Tafel). Sodann verzweigen sich drei weitere Linien von einer gemeinsamen Vorortstation (Heiligenstadt) der Franz-Josephbahn im Norden nach Süden zu: die Donaukanallinie (5,1 km lang) folgt dem stadtseitigen Ufer dieses Kanals und schließt beim Hauptzollamt an die Wientallinie und an die alte Verbindungsbahn. Die Gürtellinie (12,8 km) durchschneidet, der Gürtelstraße folgend, den Westen der Stadt von Norden nach Süden und schließt bei der Lobkowitzbrücke an die Wientallinie. Die dritte der bezeichneten Linien, die Vorortelinie (9,3 km), umzieht noch weiter westwärts die Außenstadt und mündet bei Penzing in die Westbahn. Außerdem besitzt die gemeinsame Station Heiligenstadt einen Anschluß an die, bestehende Donauuferbahn, deren Fortsetzung in weitem Bogen den Südosten der Außenstadt umzieht und bei Penzing wieder in die Westbahn einläuft. Diese Bahnen sind vom Staat erbaut worden und dienen dem Binnen- und Vorortverkehr. Sie liegen zum Teil auf Viadukten, zum Teil in offenen oder überdeckten Einschnitten.
Paris (Karte 4). In Paris, wo bis ins letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts für den Verkehr sehr mangelhaft gesorgt war, hat die Stadtverwaltung in letzter Zeit ein großartig angelegtes Netz von Hoch- und Untergrundbahnen geschaffen. Die Linien werden elektrisch betrieben, ohne daß übrigens ein Übergang der Betriebsmittel von den Fernbahnen stattfindet, einmal um sie den Zwecken des Binnenverkehrs im Bau und Betrieb ohne jede Fessel frei anpassen zu können (indem der Übergang ganz andre Krümmungsgrenzen, größere Tunnelprofile etc. verlangt), dann aber auch, weil die Vertreter der Stadt fürchteten, daß durch eine allzu große Erleichterung des Vorortverkehrs ihr eine Menge von Bürgern entzogen werden und ihre Steuereinkünfte (städtische Zollabgaben) erheblich beeinträchtigt werden würden. Die Stadtbahn ist vollspurig, doch sind die Tunnel der Untergrundstrecken so niedrig, daß die Betriebsmittel der Hauptbahnen nicht übergehen können. Die erste Linie wurde im J. 1900 zur Weltausstellung eröffnet. In den nächsten Jahren folgten eine Reihe weiterer Strecken. Zurzeit sind die übrigen Strecken zum großen Teil im Bau. Außer diesen von der Stadt Paris erbauten Linien wird noch eine Nord-Südlinie von der Porte de St.-Ouen nach der Porte de Versailles hergestellt. Die Linien der Stadtbahn (le Métropolitain, kurz le Métro genannt) sind in der Innenstadt meist unterirdisch (Tunnel aus Beton), in den äußern Stadtteilen dagegen als Hochbahnen mit Eisenviadukten ausgeführt. Die Fahrpreise auf den von der Stadt gebauten (an eine Betriebsgesellschaft verpachteten) Linien sind einheitlich für das ganze Netz: I. Klasse 25 Cent, II. Klasse 15 Cent. An den Kreuzungspunkten, wo die Linien in verschiedenen Höhen unter- und übereinander weggeführt sind, liegen Umsteigestationen. Die Endbahnhöfe haben in der Regel Schleifenform. Außer diesen eigentlichen Stadtbahnen gibt es auch unterirdische Verlängerungsstrecken der Fernbahnen im Innern der Stadt, so vorn Bahnhof Quai d'Austerlitz nach dem Quai d'Orsay der Orléansbahn.
New York (vgl. nebenstehenden Plan) bildet mit seinen Vororten Brooklyn, Staaten Island, Hoboken, Jersey City etc. eine Großstadt von mehr als 4,5 Mill. Einwohnern und befindet sich immerfort in raschem Wachstum. Da es durch Wasserläufe in verschiedene Gebiete geteilt wird, spielt die Schiffahrt im Verkehrsleben eine wichtige Rolle; im übrigen kommen nur Eisenbahnen in Betracht, während Droschken und Omnibusse kaum in Frage kommen. Das Hauptgeschäftszentrum liegt in dem südlichen Teil des eigentlichen New York, das die zwischen Hudson und East River etwa 3,5 km breite, aber 20 km von Norden nach Süden sich erstreckende Insel Manhattan völlig ausfüllt. Im Norden liegen die Wohnungen, im Süden die Geschäftsräume. Dem binnenstädtischen Verkehr dienen die Hochbahnen, deren erste Strecke 1878 eröffnet wurde. Sie bestehen aus vier Linien, die in der 2., 3., 6. und 9. Avenue liegen. In Brooklyn gehen die Hochbahnen (bis auf eine) von der ältesten East River-Brücke aus, über die ebenfalls eine Hochbahn führt. Einzelne Strecken der Hochbahn sind dreigleisig angelegt, wobei das mittelste Gleis dem Schnellverkehr dient. Da die Hochbahnen im Verein mit den Straßenbahnen den Verkehr nicht bewältigen konnten, wurde in den 1890er Jahren der Bau einer neuen Tiefbahn beschlossen. Sie besteht aus einer Stamm- und drei Seitenlinien. Die Stammlinie (viergleisig) führt von der City Hall im Süden nordwärts am Grand Central-Depot vorbei zum Zentralpark und teilt sich hier in zwei zweigleisige Strecken (zum Teil Hochbahnen), deren eine den Harlem River unterfährt und in Bronx endigt.
Außerdem führt eine vierte Strecke von der City Hall südwärts zur Battery, unterfährt den East River und endigt in Brooklyn. Auf der viergleisigen Strecke dienen die äußern Gleise dem Lokalverkehr (Stationsentfernung 400600 m), die innern dem Stadt-Schnellverkehr; die hier verkehrenden Züge halten nur an jeder vierten bis sechsten Station des Lokalverkehrs. Auch dem Fernverkehr wird in Zukunft eine neue Linie der Pennsylvaniabahn dienen, die von Jersey City aus unter dem Hudson nach Manhattan und dann unter dem East River hindurch nach Brooklyn führen soll, wo die Long Island-Bahn erreicht wird. Ebenso werden von der New York-Zentralbahn umfassende Erweiterungen geplant.
Meyers-1905: Stadtbahnen
Buchempfehlung
Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
140 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro