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[81] Der Uebergang zur Kammer- und Orchestermusik bezeichnet einen Wendepunkt in Schumanns künstlerischer Entwicklung. Die damit gegebene Hinwendung zu den alten Kunstformen der Klassiker bedeutete zugleich ein Abgehen von den Prinzipien seiner Jugend. Die poetisirende Tendenz der Klavierwerke und der damit verbundene kräftige fortschrittliche Zug treten zurück zu Gunsten grösserer Objektivität und formeller Abrundung. Freilich, gänzlich vermochte Schumann auch fortan den Idealen seiner Jugend nicht zu entsagen. Auch in den Symphonien und Quartetten drängen sich allerhand geheimnissvolle Geister, so manche deutlich redende »innere Stimme« hervor und verbreiten über das Ganze jenen mystisch-phantastischen Schimmer, der die Jugendwerke verklärt. Im Grossen und Ganzen aber vollzieht sich eine bewusste Abkehr von der früheren Weise; Bach, Beethoven, Mendelssohn und nicht zuletzt Schubert mit seiner neuerstandenen Cdur-Symphonie zogen ihn mit unwiderstehlicher Gewalt von jenem »wüsten Zeug« hinüber auf das durch die Werke der Klassiker geheiligte Gebiet der Symphonie- und Sonatenform. Der Davidsbündler, der vordem das Schwert der Opposition geschwungen hatte, kehrt nunmehr in den Schoss der Tradition zurück; er verzichtet darauf, die Prinzipien seiner Jugendjahre bis in ihre letzten Konsequenzen zu verfolgen. Dies mag dem heutigen Historiker als ein Stillstand erscheinen, für Schumann selbst bedeutete es eine neue gewaltige Anspannung seiner geistigen Energie, ein Einleben in einen ihm bis dahin völlig ungewohnten Stil. Er hatte bis jetzt Randzeichnungen geliefert, nun schickte er sich an, al fresco zu malen. Man konnte füglich darauf gespannt sein, wie Schumann sich mit der Symphonie Beethovens auseinandersetzen würde, er, der Meister der Miniatur, des Aphorismus, des geisterhaft vorüberschwebenden Phantasiebildes. Es ist klar, dass die genannten Eigenschaften, die sowohl im Geiste der Zeit, wie namentlich auch in Schumanns[82] Naturell tief beschlossen waren, der Weiterentwicklung der Sonatenform nicht gerade günstig waren. Und in der That liegen die Vorzüge der Schumannschen Symphonie nicht auf der Seite der thematischen Arbeit, des logischen Aus- und Ineinanderspinnens der Motive. Die Neigung Schumanns zum Abrupten, Sprunghaften macht sich auch hier geltend; er reiht seine Motive lieber aneinander, als dass er sie auseinander entwickelte; im gegebenen Falle führt ihm seine unerschöpfliche Phantasie wohl auch zu rechter Zeit ein vollständig neues und überraschendes melodisches oder harmonisches Gebilde zu. Was Schumanns Symphonien besonders auszeichnet, die nie versagende Originalität der Gedanken, der tiefe Ernst und der hinreissende Schwung echter Begeisterung, dem sie alle entsprungen sind, das Alles sichert diesen Werken eine Ehrenstelle in der Geschichte der Symphonie nach Beethoven. Der Reichthum rhythmischer und harmonischer Kombinationen, vor allem aber der seitdem unerreichte, in Schumanns Scherzi niedergelegte Humor lassen den jüngeren Meister als würdigen Hüter des Erbes des älteren erscheinen. Es war ein Versuch, die romantischen Ideen jener Tage den klassischen Formen anzupassen. Dass dies damals noch nicht möglich war, das war weniger die Schuld Schumanns, als seiner den Charakter einer Uebergangsperiode tragenden Zeit.
Der Uebergang zur Orchester- und Kammermusik führte Schumann der Hauptsache nach hinweg von dem ihm seit frühester Kindheit vertrauten Instrument, dem Klavier, das er, wie wir sahen, noch im Liede zu einer solch bedeutungsvollen Rolle herangezogen hatte. Naturgemäss dauerte es längere Zeit, bis er sich in der Kunst des Instrumentirens einigermassen zu Hause fühlte, und namentlich die erste Symphonie weist noch deutlich die Spuren dieser tastenden Versuche auf. Aber auch in seinen späteren, auf grösserer technischer Erfahrung beruhenden Werken hat Schumann den reichen Schatz der Klangfarben-Charakteristik, der ihm im Orchester Webers und Mendelssohns vorlag, nicht voll auszubeuten oder gar zu bereichern vermocht. Es war dem Tonpoeten, dessen Welt die des Klaviers war, versagt, im Glänze der Bühne und des Konzertsaales mit den übrigen zeitgenössischen Meistern auf dem Gebiet orchestraler Technik den Wettbewerb auszuhalten. So vermochte er auch nicht das Sprunghafte seiner symphonischen Arbeit, worin er sich auch in diesen Werken als echten Romantiker beweist, durch entsprechende Farbengebung zu vermitteln. Seine Symphonien sind, vielleicht mit Ausnahme der Cdur-Symphonie, von einer Meisterhand entworfene Bilderreihen, an Originalität und Fülle der Gedanken den Mendelssohnschen überlegen, an Eleganz und Glätte der Form ihnen nachstehend, Werke, die durch den Reichtum geistvoller Einzelheiten den Hörer jederzeit mehr fesseln werden, als durch grosszügigen symphonischen Aufbau im Sinne Beethovens.
Wie die Lieder, so haben auch die Symphonien Schumann's einen verschollenen Vorgänger aus jüngeren Jahren. Schon im Jahre 1832 hatte er einen Symphoniesatz in Gmoll geschrieben, der in Zwickau und Schneeberg aufgeführt worden war und bei Künstlern und Kritikern lebhaften Anklang gefunden hatte127. Es war zu einer Zeit, wo er mit der Kunst des Instrumentirens noch auf gespanntem Fusse stand und selbst seinem symphonischen Talente misstraute.
Erneute und entscheidende Anregung zur Bethätigung auf diesem Gebiete erhielt er durch die Leipziger Gewandhaus-Konzerte und das Verhältnis zu Mendelssohn. Der Meister, der eben der Liedkomposition neue Bahnen gewiesen, überraschte die musikalische Welt nunmehr mit drei grösseren symphonischen Werken.[83] Es sind die Bdur-Symphonie (Nr. 1, Op. 38), die »Sinfonietta« (»Ouvertüre, Scherzo und Finale«, Op. 52), und die Dmoll-Symphonie (1851 umgearbeitet und als Nr. 4, Op. 120 veröffentlicht).
Die B dur-Symphonie, die frischeste und jugendlichste von allen, »in feuriger Stunde geboren«128, verdankt ihr Dasein »jenem Frühlingsdrang, der den Menschen wohl bis in das höchste Alter hinauf und in jedem Jahre neu überfällt.«129 Angeregt durch ein Gedicht von Ad. Böttger, namentlich durch die Zeile: »Im Thale geht der Frühling auf«,130 entwarf Schumann das Ganze in 4 Tagen. Die Arbeit ging ihm unmittelbar vom Herzen; war es doch nicht allein der sehnsüchtig erwartete Lenz der Natur, den er begrüsste, auch dem Frühling seines eigenen Lebens, der ihm nunmehr nach so bangen Kämpfen leuchtete, giebt dieses Werk einen beredten Ausdruck. Ein Heroldsruf aus der Höhe ertönt:
da beginnt sich die Erde zu regen, sanfte Lüfte wehen über das keimende Grün, da und dort fliegt ein Schmetterling auf, bis sich endlich alle Lenzesgeister zusammengefunden haben und im Licht der Frühlingssonne ihren Reigen schlingen:
Das Larghetto mit seiner berückenden Hauptmelodie:
und seinem geheimnisvollen Posaunenchor am Schluss zeigt uns inmitten dieser ganzen Wunderwelt den Träumer, der mit gleich empfänglichem Gemüt ihre Schönheiten wie ihre leisen Schauer auf sich wirken lässt. Im Scherzo, wohl einem der phantastischesten Stücke Schumann's, treiben allerhand Kobolde ihren tollen Spuk. Das Finale, ursprünglich »Frühlings Abschied« genannt, mit dem Thema:
ist einer der liebenswürdigsten Sätze des Meisters; seine Heiterkeit vermögen einige während der Durchführung aufsteigende dunklere Schatten kaum merklich zu trüben.
Einen scharfen Gegensatz zu diesem Werke bildet die D moll-Symphonie, ursprünglich »Symphonistische Phantasie für grosses Orchester« genannt131. Sie erscheint wie eine Uebertragung der »Phantasien« der ersten Periode auf das Orchester. Mit diesen hat sie gemein die freie, improvisatorische Form, die deutlich erkennbare Beziehung auf poetische Bilder, die dem Komponisten da und dort vorschwebten, endlich den wildleidenschaftlichen Ton, der aus den Allegrosätzen spricht. Auf eine latent zu Grunde liegende poetische Idee deutet[84] auch die Wiederverwendung gewisser Motive in den verschiedenen Sätzen hin; die bewusste, sorgfältige Art, wie diese Wiederkehr zumeist eingeleitet wird, geht auf irgend einen poetischen Grundgedanken zurück. So spielen die drei Themen, die schon der erste Satz bringt:
in den folgenden bedeutende Rollen. Diese Reminiscenzen, die noch in Beethovens 5. und 9. Symphonie nur episodische Bedeutung haben, werden hier von Schumann mit logischer Konsequenz zu einem integrirenden Theil des ganzen symphonischen Gebäudes erhoben. Neu und mit dieser Tendenz zusammenhängend ist ferner, dass Schumann keinen der 4 Sätze als ein geschlossenes Ganzes betrachtet, sondern die einzelnen Sätze ohne Pause miteinander verbindet.
Das dritte symphonische Werk dieses Jahres, die »Sinfonietta«, ist eine durchaus feinsinnige und graziöse Tonschöpfung. In ihrer Struktur durchsichtig, ihrem Ideengehalt nach licht und freundlich, bietet sie dem Verständniss weiter keine Schwierigkeiten dar. Am meisten fesselt durch seinen originellen Giguen-Rhythmus das Scherzo.
Die C dur-Symphonie (op. 61) bezeichnet den Höhepunkt von Schumanns symphonischer Thätigkeit, trotzdem sie unter ziemlich kritischen äusseren Umständen entstand. Schumann selbst schreibt darüber:132 »Die Symphonie schrieb ich im Dezember 1845 noch halb krank; mir ist's, als müsste man ihr dies anhören.[85] Erst im letzten Satz fing ich an, mich wieder zu fühlen; wirklich wurde ich auch nach Beendigung des ganzen Werkes wieder wohler.«
Der Energie des Wollens, mit der Schumann seiner damaligen seelischen Depression siegreich Herr wurde, verdanken wir eines der tiefsinnigsten Erzeugnisse der nachbeethovenschen Symphonie. Während die vorausgehenden Werke, insbesondere die Dmoll-Symphonie, noch deutlich die Einwirkung poetischer Ideen verraten und sich somit gleichsam als Nachhall der Werke der Sturm- und Drangperiode kennzeichnen, bewegt sich dieses Werk durchweg auf dem Boden der alten klassischen Symphonie. Die breit angelegten Themen, die Grossartigkeit der Konzeption gemahnen an Beethoven, die geniale Verarbeitung der Themen verrät sichtlich die zu jener Zeit wieder mit erneutem Eifer aufgenommene Beschäftigung mit Seb. Bach.
Dieser streng einheitlichen, formvollendeten Schöpfung gegenüber lenkt die Es dur-Symphonie (die »rheinische«) in die früheren Bahnen ein. Es ist wieder mehr ein Spiel mit kleinen Tonbildern, was uns Schumann hier bietet, als eine grosszügige symphonische Entwicklung. Auch die Anknüpfung an äussere Erlebnisse tritt deutlich zu Tage, vor Allem in dem vierten Satze, der den gelegentlich der Kardinalserhebung des Erzbischofs von Geissel veranstalteten kirchlichen Feierlichkeiten seine Entstehung verdankt. Auch in den übrigen Sätzen spiegelt sich das heitere Leben und Treiben des Rheinlandes wieder. Unter den vielen Kunstwerken, die der sagenumwobene Strom schon seit Alters in der Seele deutscher Künstler entstehen liess, gebührt der Symphonie Schumanns ein Ehrenplatz. Behagliche Heiterkeit:
ab und zu ein volkstümlicher Ton:
romantische Schwärmerei:
verbunden mit einer leisen Hinneigung zu katholischem Mysticismus (besonders im 4. Satze) bilden den Grundcharakter des Werkes, das, zu einer Zeit schon erlahmender Gestaltungskraft seines Schöpfers entstanden, dennoch noch einmal seine Phantasie in ihrem alten leuchtenden Glanze offenbart.
Nicht dasselbe lässt sich von den in den letzten Lebensjahren entstandenen Ouvertüren rühmen, die ihre Entstehung grossentheils neuen Opernplänen[86] verdanken. Es sind die Ouvertüren zur »Braut von Messina« (op. 100), zu »Julius Cäsar« (op. 128) und zu »Hermann und Dorothea« (op. 136); ihnen gesellt sich als Gelegenheitsstück die »Fest-Ouverture über das Rheinweinlied« (op. 123) bei. Merkwürdiger Weise entschlagen sich diese Stücke aller poetisirenden Tendenzen im Stile der Mendelssohn'schen Ouvertüren und wollen als wirkliche Eröffnungsstücke gelten. Schumanns Geist hat hier seine Aufgabe nicht mehr zu bewältigen vermocht; weder die Erfindung noch die Verarbeitung der Themen reicht auch nur von ferne an die Ouvertüren zu »Genoveva« oder gar zu »Manfred« heran. Um so mehr lagen sie dem unermüdlich nach neuen Operntexten ausspähenden Meister selbst am Herzen. So schenkte erdie Partitur der erstgenannten Ouvertüre seinem Liebling Brahms mit folgender Widmung:
»Willkommen zum I. Mai, Johannes, nimm sie liebend an, die Partitur. Bist Du ein Maikind?
Dein Robert«.
Aehnlich wie mit den Symphonien verhält es sich mit Schumanns Kammermusikwerken. Auch hier betrat er ein Gebiet, dessen Stil und Technik er sich erst erobern musste. Dass er sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Energie und Gewissenhaftigkeit unterzog, beweisen die zahlreichen Abänderungen, die er mit seinen drei 1842 geschriebenen Streichquartetten (op. 41) vornahm. Was hinsichtlich der thematischen Struktur von den Symphonien gilt, lässt sich im Prinzip ohne Weiteres auch auf diese Werke übertragen. In Betreff ihrer Bedeutung, wie auch des ihnen eigenthümlichen Stiles führt die Untersuchung ganz allgemein zu dem Ergebniss, dass Schumann da das Grösste auf diesem Gebiete geleistet hat, wo er das Klavier zur Mitwirkung heranzog.
Die erwähnten drei Streichquartette waren gewissermassen die Frucht der in den 30er Jahren öfters bei ihm abgehaltenen »Quartettmorgen« und wohl mit angeregt durch ähnliche Versuche Hermann Hirschbachs, für dessen sehr stark zur Programm-Musik hindrängende Tendenzen Schumann noch damals eine bezeichnende Vorliebe hatte. Dass sie echten Quartettstil aufweisen, liess sich nach Schumanns ganzem bisherigem Bildungsgang nicht erwarten; das Klaviermässige darin spielt noch eine bedeutende Rolle. Trotzdem aber bilden die drei Werke eine der werthvollsten Bereicherungen der Quartett-Literatur. Selbst dem strengen Moritz Hauptmann entlockten sie Worte ungetheilter, staunender Bewunderung. Auch hier werden die formalen Mängel vollständig gedeckt durch die Genialität der Erfindung und den staunenswerthen poetischen Reichthum.
Die Einwirkung der klassischen Vorbilder ist unverkennbar. Ein unverhüllter Anklang an Bach findet sich in dem »Quasi Trio« des dritten Quartetts, nämlich an die E Dur-Gavotte der 6. französischen Suite; Beethovens Einfluss zeigt sich namentlich in den langsamen Sätzen. Auch Anklänge an die Art und Weise Schuberts fehlen nicht. Trotz alledem jedoch weiss Schumannseine Eigenart wohl zu wahren. In Harmonik, Rhythmik und Stimmführung sind diese drei Quartette Erzeugnisse seines reichen Geistes, echte Kinder der jugendlich aufstrebenden Romantik.
Das Es Dur-Quintett (op. 44) und das Es Dur-Quartett (op. 47) – wer gedenkt bei ihrer Nennung nicht der beglückenden Stunden edelsten Kunstgenusses, die ihm beim Anhören dieser beiden Meisterwerke zu Theil geworden? Der faszinirende Eindruck, den das erstere bei seiner ersten Aufführung am 8. Januar 1843 (Clara spielte dabei den Klavierpart) hervorrief, dauert heute noch ungeschwächt an; er hat Schumann rasch zu einer europäischen Berühmtheit gemacht. In der That ist dieses Werk ein Meisterwurf des Komponisten. Das Klavier entfaltet den gesammten Farbenreichthum, den es Schumann zu verdanken hat, aber auch der Behandlung der Saiteninstrumente ist die Sorgfalt, Lust und Liebe anzumerken, die sich der Meister durch die vorhergegangene fruchtbare Beschäftigung mit dem Quartettsatz errungen hatte. Auch nach der Seite des Gedankeninhalts und seiner Verarbeitung hin erreicht Schumann hier eine Höhe wie selten vor- und nachher. Aus unscheinbarem Stamm treiben die schönsten Melodieknospen hervor, und alle Saiten des menschlichen Herzens bringt dieses Werk zum Tönen. Stürmisch vorwärts drängende Kraft und sinnendes Träumen, Humor und wildschmerzliche Leidenschaft, toller Gespensterspuk und verklärte Mystik lösen einander in wohlberechnetem Kontrast und in wirksamer Steigerung ab. So hat sich dieses Quintett den gewiss seltenen Vorzug errungen, Kammermusik werk und doch zugleich im edelsten Sinne populär zu sein.
Sein Seitenstück, das Quartett, entbehrt dieses populären Zuges. Es trägt einen, intimeren, aristokratischeren Charakter. Unverkennbar ist der Hauch Bach'schen Geistes, der die beiden letzten Sätze durchweht. Das Scherzo mit seinen beiden in effektvoller Weise miteinander kontrastirenden Trios verräth wie wenige seinesgleichen die Hand des im Reich der Kobolde und Gespenster durchaus heimischen Meisters. Streichinstrumente und Klavier sind aufs innigste miteinander verwachsen. Wenn auch letzteres in beiden Werken unzweifelhaft eine dominirende Stellung einnimmt, so ist doch die Rolle der ersteren keineswegs eine untergeordnete, und namentlich im Quartett bietet die Partnerschaft beider ausserordentlich viel Reizvolles und Neues, insofern eben Schumanns Klavier eine andere Sprache redet, als das der Klassiker und damit auch auf den Kammermusikstil belebend und anregend einwirkte.
Ein zweites Geschwisterpaar von Werken bilden die in demselben Jahre (1847) komponirten Trios in D Moll (op. 63) und F Dur (op. 80). Beide[92] rechtfertigen vollauf den Ruf, den die ebenerwähnten Werke Schumann als Kammermusik-Komponisten eingetragen hatten. Dem Stimmungsausdruck nach ergänzen sich beide, das erste ist leidenschaftlich und düster, das zweite zart und freundlich. Nicht auf derselben Höhe steht das dritte Trio in G Moll (op. 110) aus dem Jahre 1851, das bereits die Spuren geistiger Ermattung an sich trägt.
Nicht ohne Interesse sind dagegen die beiden Violinsonaten in A Mol (op. 105) und D Moll (op. 121), die aus demselben Jahre (1851) stammen. Beide tragen mit Ausnahme der langsamen Sätze einen vorwiegend düsteren und grüblerischen Charakter. Deutlich genug gelangt hier nochmals die alte Wärme des Empfindens zum Durchbruch. Interessant ist ferner, zumal bei der A Moll-Sonate die enge Verbindung beider Instrumente zu einem geschlossenen Ganzen, auch hier ermöglicht durch Schumanns eigentümlichen Klavierstil, der, wie in den Liedern mit der Singstimme, so hier mit dem Instrument jene eigenartige Mischung eingeht, die zu wirklich neuen und originellen Klangbildungen geführt hat.[93]
Von sonstigen Leistungen auf dem Gebiete der Kammermusik seien noch genannt die ursprünglich als Trio bezeichneten »Phantasiestücke« (op. 88), ein Werk »ganz leiser Natur«,133 wie Schumann sagte, ferner die »Märchen-Erzählungen« (op. 132) und die »Märchenbilder« (op. 113), alle überaus stimmungsvoll und voll fesselnder Einzelzüge.
Auch auf dem Gebiete der Konzert-Litteratur hat sich Schumann den besten Werken seiner Vorgänger mit zwei Schöpfungen würdig zur Seite gestellt, mit dem Amoll-Konzert (op. 54) für Klavier und dem Amoll-Violoncellokonzert (op. 129). Beide ragen darum turmhoch über das gewohnte Niveau empor, weil sie sich von allen Konzessionen an das Virtuosenthum als solches konsequent fernhalten. »Ich kann kein Konzert schreiben für Virtuosen,« schreibt Schumann im Jahre 1839 seiner Braut,134 »ich muss auf etwas anderes sinnen.«
Die Idee, ein Klavierkonzert zu schreiben, stammt noch aus der Zeit, da er selbst die Virtuosenlaufbahn hatte einschlagen wollen; sie lebte von Neuem auf in seiner Bräutigamszeit und verwirklichte sich schliesslich 1841 in der Komposition des »Allegro affettuoso«, dem er dann vier Jahre darauf die zwei übrigen Sätze anfügte. Der erste Satz, in der Form etwas freier gehalten, ist ein letzter Nachzügler der Klavierphantasien aus der Sturm- und Drangperiode. Sein Hauptthema kehrt, mehrfach umgebildet, im Verlaufe des Ganzen wieder und verleiht ihm so den Charakter der Einheitlichkeit. Der letzte Satz ist ausserdem interessant durch die kühnen rhythmischen Rückungen des Edur-Satzes (6/4 statt 3/2, man nehme immer 2 Dreiviertel-Takte zusammen!) Orchester und Klavier sind eng miteinander verwachsen, ohne dass jedoch die glänzende Rolle des Soloinstrumentes dadurch irgendwie beeinträchtigt würde.
Mit seinem Cellokonzert hat Schumann die ohnehin nicht sehr umfangreiche Litteratur dieses Instrumentes um ein werthvolles Stück bereichert. Auch hier entschlägt er sich jedes virtuosen Flitters – vielleicht nur allzu streng, denn die Allegrosätze kommen nicht durchweg zu ihrer vollen Geltung, während dagegen die getragenen Partieen die ganze Innigkeit der Schumannschen Cantilene offenbaren.
Die übrigen Konzertstücke, »Introduktion und Allegro appassionato« (op. 92), »Konzert-Allegro mit Introduktion« (op. 134, Brahms gewidmet), beide für Klavier und Orchester, ferner die Phantasie für Violine und Orchester (op. 131, Joachim zugeeignet), wozu sich noch ein unveröffentlichtes Violinkonzert gesellt – alle diese Werke erreichen nicht mehr die Höhe der beiden eben genannten.
Als »etwas ganz kurioses« bezeichnet Schumann selbst sein Konzertstück für vier Hörner und Orchester135. Das alte Concerto grosso feiert in diesem Werke eine wunderliche Auferstehung. Die Wirkung ist eine aussergewöhnliche, glänzende; das massive Auftreten des Hornes, das gerade die Romantiker zu besonderen Wirkungen verwandt haben, verleiht dem Ganzen einen frischen, romantischen Charakter.
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