Dramatische Werke.

[238] Beruf zum dramatischen Tonsetzer hatte Mozart unstreitig vor vielen andern. Dieses beweißt sein außerordentlich feiner Sinn, mit dem er den Karakter jeder Person, Lage und Empfindung aufs genauste zu treffen wußte. Dieses Talent erklärt zugleich den allmächtigen Zauber seiner Werke. Daher hat jede Komposizion einen bestimmten, scharfgezeichneten, eigenthümlichen Karakter, den selbst die Wahl der Tonart nicht verläugnet. Ich müßte, meinen Satz mit Beispielen zu belegen,[239] alle seine dramatischen Komposizionen anführen, denn alle besitzen diese Eigenschaft im höchsten Grade.

Werfen wir einen vergleichenden Blick auf seine dramatischen Arbeiten, nach der Chronologie ihrer Schöpfung, so fallt uns das allmählige Fortschreiten des großen Geistes zur höchsten Tendenz der Kunst deutlich in die Augen.

In den frühern, z.B. dem Schauspieldirekteur, finta semplice, Idomeneo und in der Entführung aus dem Serail, auch noch zum Theil im Figaro, strömt das ganze Feuer seiner jugendlichen Fantasie in üppiger Fülle ohne Grenzen. Es ist mehr Wärme als Licht darin. Die Massen des Gesanges und der Harmonie sind nicht so deutlich bestimmt, als in den spätern Werken, in welchen dieser[240] Strom der Empfindung immer sanfter sich in sein Bett zurückzieht, alles leichter, einfacher und korrekter wird. Nirgends ist diese Reife des Geschmacks sichtbarer, als in der Zauberflöte und Clemenza di Tito.

Und zu welchen Erwartungen war man noch berechtigt! –

Zu bedauern ist es, daß er zu seinen Meisterwerken die abgeschmacktesten Sujets – die Entführung, den Titus, und einige andere ausgenommen – bekam, an denen die kostbare Musik verschwindet ist. Hätte dieser Mozart mit Göthe, Schiller oder sonst einem deutschen Dichter vereint arbeiten können, da er nur die Sudeleien eines Schikaneder und nicht viel besserer Stiefsöhne Apollos mit seiner Kunst vergolden mußte: Deutschland hatte sich[241] der höchsten Tendenzen der Poesie und Musik zu rühmen! Wie oft verbesserte er mit ästhetischem Gefühl Worte und Ideen des Dichters, hob sie durch seine Melodien, belebte sie durch seine Harmonie! Nur um seiner Komposizion willen erträgt man die Texte.

Er schrieb neun italienische, und drei deutsche Opern.


La finta semplice, opera buffa. Für Kaiser

Joseph II.

1768


Mithridate, opera seria. Für Milano.

1770


Sulla, opera seria. Ebenfalls für diese Stadt.

1772


La giardiniera, opera buffa. Für Kaiser

Joseph II.

1774


[242] Idomeneo, opera seria. Für München.

1780


Figaro opera buffa. Für Wien.

1786


Il Don giovanni, opera buffa. Für Prag.

1787


Cosi fan tutte, opera buffa. Für Wien.


La Clemenza di Tito, opera seria. Für Prag.

1791


Deutsche Singspiele.


Die Entführung aus dem Serail. Für Wien.

1782


Der Schauspieldirektor, ein kleines

Singspiel für den Kaiser Joseph II.

nach Schönbrunn.

1786


Die Zauberflöte. Für das Theater

des bekannten Schikaneders.

1791
[243]

Noch eine Oper – ein deutsches Singspiel – hat er unvollendet gelassen. Dem Charakter der Musik und den Namen der Personen zu Folge, war es ein orientalisches Mährchen. Die Namen Sultan, Osmann u.s.w. kommen darin vor. Der Titel an der Partitur fehlt. Der Dialog ist so wenig bekannt, als für wen das Stück gearbeitet wurde.

Noch finden sich eine Anzahl einzelner Szenen, und kleiner Opern, die damals unter den Namen Serenaten gewöhnlich, und zu gewissen Gelegenheiten bestimmt waren – eine Art musikalischer Prologe, oder theatralischer Oratorien.

Das Erscheinen seiner Opern verdrängte den italienischen Singsang von den deutschen Bühnen, feuerte die Nationalkomponisten an, deutsche Singspiele zu[244] schreiben, mit welchen sie auch – Dank dem Himmel und ihren fixfingerigen Händen! – uns reichlich beschenkt haben. Seit der Zauberflöte giebt et Zaubertrommeln, arkadische Zauberspiegel, Zauberzithern, Zauberringe und noch eine Menge andrer Zauberopern. Freilich keine Mozartischen Zaubereien, aber doch Opern.

Ein alter italienischer Opernunternehmer, der seit Mozart die Abnahme seines Beifalls und seiner Kasse empfindlich spürte, seufzte allezeit, so oft er in seinem Repertorium an eine Oper von Mozart kam: Die ser ist mein Unglück! –

Quelle:
Arnold, Ignaz Ferdinand Cajetan: Mozarts Geist. Erfurt 1803, S. 238-245.
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