1.

Wolfgang Amade Mozart stammt aus einer Familie, welche bereits im siebzehnten Jahrhundert in Augsburg ansässig war und dort in beschränkten Verhältnissen dem Handwerkerstande angehörig lebte. Sein Großvater, Johann Georg Mozart, ein Buchbinder, verheirathete sich am 7ten October 1708 mit Anna Maria Peterin, der Wittwe eines Buchbinders Augustin Banneger1. Aus dieser Ehe wurden mehrere Söhne geboren, von denen einer, Franz Alois, das Handwerk seines Vaters fortsetzte und als ein tüchtiger und geachteter Bürger in seiner Vaterstadt lebte.

Ein jüngerer Sohn, Johann Georg Leopold Mozart, geboren am 14ten November 1719, war der Vater unseres Mozart2. Mit einem klaren scharfen Verstand und einem [3] festen kräftigen Willen begabt, faßte er früh den Entschluß sich aus den beschränkten Verhältnissen des väterlichen Hauses durch tüchtige geistige Bildung zu einer höheren Stellung hinaufzuarbeiten, und er durfte sich gegen seinen Sohn rühmen, daß ihm dies bei einem fortgesetzten Kampf gegen ungünstige Verhältnisse nur durch ernste Beharrlichkeit und kluge Besonnenheit gelungen sei. Sein musikalisches Talent, welches sich früh zeigte, mußte ihm wie Vielen das Studiren erleichtern. Als Wolfgang im Jahr 1777 nach Augsburg kam, erfuhr er dort Manches über die Jugend seines Vaters, das auch dessen Erinnerungen wieder auffrischte. So schreibt er seinem Sohne davon wie er als Knabe in den Klöstern von St. Ulrich und zum heiligen Kreuz als Discantist gesungen habe3; später konnte er, als tüchtiger Organist eintreten, wie ein Herr von Freisinger dem Sohne bei dessen Aufenthalt in München im selbigen Jahr erzählte. »Der Vater der genannten schönen Freulein« schreibt dieser den 10ten October »sagt, er kennt den Papa sehr gut, er habe mit dem Papa studirt, er erinnert sich noch absonderlich auf Wessobrunn, wo der Papa (das war mir völlig neu) recht unvergleichlich auf der Orgel geschlagen hat, er sagte: daß war erschröcklich, wie es untereinander ging mit den Füßen und [4] Händen; aber wohl unvergleichlich. ja, ein ganzer Mann. bei meinem Vattern galt er sehr viell. und wie er die Pfaffen herumgefopt hat wegen den geistlich werden.« Der letzte Zug mochte den lebenslustigen Wolfgang, der sich über Alles und namentlich über die Pfaffen gern aufhielt, besonders interessiren, da er seinen Vater als einen ernsten und streng gläubigen Mann kannte, der allen Anforderungen der Kirche gewissenhaft genügte. Er selbst aber hatte seiner Jugend darum nicht vergessen, und schrieb an seine Frau, die den Sohn auf der Reise begleitete (den 15. Dec. 1777): »Darf ich wohl fragen, ob der Wolfgang nicht auf das Beichten vergessen hat? Gott geht vor allem! von dem müssen wir unser zeitliches Glück erwarten, und für das ewige immer Sorge tragen: junge Leute hörendergleichen Sach nicht gern, ich weis es, ich war auch jung; allein Gott sei Dank gesagt, ich kam doch bey allen meinen jugendlichen Narrenspossen immer wieder zu mir selbst, flohe alle Gefahren meiner Seele und hatte immer Gott und meine Ehre und die Folgen, die gefährlichen Folgen vor Augen.«

Das Leben hatte ihn früh in eine harte Schule der Entbehrungen genommen, die seinem Charakter und seinen Lebensansichten eine bestimmte Richtung gab. Frühzeitig hatte sich in ihm die Ueberzeugung befestigt, daß der Mensch nur durch eine stetige angestrengte Uebung seiner Fähigkeiten und Kräfte das ihm gesteckte Ziel, sowohl in der geistigen Ausbildung als in der bürgerlichen Stellung, erreichen könne. Demgemäß tritt als der auszeichnende Zug seines Charakters eine unerschütterliche Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue in allen Lebensverhältnissen, in großen wie in kleinen Dingen hervor, welche eine unnachsichtige Strenge in seinen Anforderungen an Andere, aber zuerst und vor Allen an sich selbst begründete. So zeigt er sich in seinen amtlichen Verhältnissen, [5] so als Lehrer und Erzieher, so namentlich in seinem religiösen Verhalten. Er ist ein strenger Katholik, der nicht ohne Verwunderung bei Protestanten Sittlichkeit und Tugend anerkennt4, nichts so sehr fürchtet als den nachtheiligen Einfluß, welchen ein längerer Aufenthalt in protestantischen Ländern auf das Seelenheil seiner Kinder ausüben könnte, und gelegentlich auch Bekehrungsversuche mit innerer Genugthuung anstellt5. Alles was die Kirche von ihren Bekennern fordert, erfüllt er nicht allein pflichtgetreu, sondern mit Eifer; er läßt Messen lesen, kauft Reliquien u.s.w., wo sich nur irgend eine Gelegenheit darbietet. Es kann kein Zweifel auf kommen, daß er hierin einer ungeheuchelten Ueberzeugung folgte. L. Mozart war ein Mann von wahrhafter Frömmigkeit, welche sich bei schweren Verlusten, unter drückenden Lebensverhältnissen bewährte und sich stets gleich blieb; seiner[6] Erziehung und seinen Lebensverhältnissen gemäß war es, daß er für diese fromme Gesinnung keinen andern Grund und keine andere Form anerkannte, als die welche in seiner Kirche überliefert waren. Mit derselben strengen Gewissenhaftigkeit, welche er übrigens bewährte, erfüllte er auch seine Pflichten gegen Gott und die Kirche.

Man würde sich aber sehr irren, wenn man ihn für einen bornirten Kopfhänger halten wollte. Er war vielmehr mit einem scharfen und klaren Verstande begabt, für dessen vielseitige Ausbildung er ungewöhnliche Anstrengungen machte, und hatte eine entschiedene Anlage und Neigung zur Kritik, ja zu Spott und Sarkasmus. Die harten und kümmerlichen Verhältnisse, durch welche er sich mühselig hindurcharbeiten mußte, unter Umgebungen, die er weit übersah, veranlaßten ihn früh seine Kritik gegen die praktischen Beziehungen der Menschen zu einander in ihren gewöhnlichen, meist kleinlichen und kümmerlichen Verhältnissen zu kehren, deren Erbärmlichkeit er leicht durchschauete. So setzte sich in ihm die Ueberzeugung fest, daß Eigennutz und Selbstsucht die einzigen Triebfedern menschlicher Handlungen seien, auf die man mit Sicherheit rechnen dürfe und die man mit Klugheit benutzen müsse; uneigennützige Menschenliebe und Freundschaft vorauszusetzen, sei eine Thorheit, die selten ungestraft bleibe. Dies Mißtrauen gegen die Menschen im persönlichen Verkehr, das er als das höchste Resultat praktischer Lebenserfahrung ansah, suchte er daher auch seinem Sohne einzuprägen – allein mit dem ungünstigsten Erfolg. Und in ihm selbst hat diese düstere Lebensanschauung keineswegs Gefühl und Gemüth erstickt; auch bei ihm, wie bei so Vielen, ist die Theorie schärfer, feindseliger als ihre Anwendung im wirklichen Leben. Wo Leopold Mozart kritisirt, wo er die Handlungsweise der Menschen analysirt, ist er schneidend und [7] scharf und zeigt sich von keinen Vorurtheilen befangen. Ungeachtet seiner Frömmigkeit spricht er die tiefste Verachtung und den bittersten Spott gegen Pfaffenthum und Pfaffenwirthschaft aus, – er hatte Gelegenheit beides in der Nähe kennen zu lernen –; ebensowenig blenden ihn vornehme Geburt und Stellung, vielmehr setzte er ihnen mit vollem Bewußtsein die Selbständigkeit der Bildung und Tüchtigkeit entgegen. Aber auch gegen die, welche ihm nahe stehen, selbst gegen seinen geliebten Sohn bleibt er vorurtheilsfrei. Es ist eine merkwürdige Erscheinung, die auf die Entwickelung Mozarts von dem heilsamsten Einfluß war, wie der Vater gegen den Sohn, den er liebt, wie nur je ein Vater seinen Sohn geliebt hat, dessen künstlerisches Genie er mit dem richtigsten Urtheil erkennt und in seiner fortschreitenden Entwickelung bewundert und verehrt, nie verblendet wird, nie seine Schwächen verkennt oder verdeckt, sondern mit unerbittlicher Strenge ihn warnt und tadelt, und zu regelmäßiger Pflichttreue erzieht. In diesem Verhältniß zu dem Sohne zeigt sich die eigenthümliche Mischung verschiedener Eigenschaften in Leopold Mozarts Charakter zur klaren bewußten Tüchtigkeit in der reinsten und erfreulichsten Weise: er hat es selbst anerkannt und ausgesprochen, daß die Ausbildung dieses Sohnes seine höchste Lebensaufgabe sei. Indessen beschränkte sich die Wärme seines Herzens und seiner Gesinnung, seine Bereitwilligkeit zu helfen und zu nützen keineswegs auf die, welche mit ihm durch Bande der Natur verbunden waren, er zeigt sich uns als einen treuen und zuverlässigen Freund, als einen in seinen beschränkten Verhältnissen liberalen Wohlthäter.

Die Anstrengungen, welche es ihn gekostet hatte eine nur leidliche Stellung zu erlangen, die unausgesetzte Mühe, welche er sich um die tägliche Existenz geben mußte, ließen ihn den Werth einer gesicherten bürgerlichen Stellung lebhaft empfinden [8] und je mehr er sich überzeugen mußte, daß sein Sohn hierauf Gewicht zu legen schwerlich lernen würde, um so mehr bestrebte er sich, durch seine Klugheit und Erfahrung ihm zu Hülfe zu kommen. Man hat wohl geringschätzig oder spottisch über die Sorge gerurtheilt, welche Leopold Mozart für die ökonomischen Angelegenheiten an den Tag legt. Allein mit Unrecht hat man theils ihm zur Last gelegt, was die Folge der engen und kümmerlichen Lebensverhältnisse war, gegen die er ankämpfen mußte, theils verkannt, daß der Briefwechsel, aus welchem wir unsere Kenntniß schöpfen, Mittheilungen dieser Art vorzugsweise hervorrufen mußte. Jedenfalls wird, wenn eine gewisse Aengstlichkeit sich hier verräth, die namentlich in späteren Jahren durch Kränklichkeit und Hypochondrie gesteigert wurde, dieselbe weit in den Schatten gestellt durch den seltenen Verein von allgemeiner und musikalischer Bildung, von Liebe und Strenge, richtiger Beurtheilung und ernster Pflichttreue, welche Leopold Mozart in der Erziehung seines Sohnes entwickelte, der ohne diese gewiß nicht das geworden wäre, was er durch sie geworden ist.

Es ist sehr zu bedauern, daß wir über den Bildungsgang und die früheren Lebensschicksale L. Mozarts gar nicht unterrichtet sind. In Augsburg glückte es ihm nicht, und seine Erinnerungen an Augsburger Zustände in späterer Zeit sind bitter und spöttisch. »So oft ich an deine Reise nach Augsburg dachte,« schreibt er seinem Sohne 18. Oct. 1777 »so oft fielen mir Wielands Abderiten ein: man muß doch was man im Lesen für pures Ideal hält Gelegenheit haben in Natura zu sehen.« Wir wissen nur, daß er mit großen Anstrengungen es durchsetzte Jurisprudenz zu studiren und sich zu diesem Zweck nach Salzburg begab; da es ihm aber nicht gelingen wollte eine Anstellung zu erhalten, sah er sich genöthigt als Kammerdiener in den Dienst des Grafen Thurn, Domherrn [9] in Salzburg, zu treten. Er hatte aber jederzeit die Musik gründlich getrieben, sich durch Unterricht in derselben hauptsächlich seinen Unterhalt erworben und genoß besonders als Violinspieler eines bedeutenden Russ, so daß der Erzbischof Sigismund ihn im Jahre 1743 als Hofmusicus in seine Dienste nahm, später zum Hofcomponisten und Anführer des Orchesters und 1762 zum Vice-Kapellmeister ernannte.

Ueber die musikalischen Verhältnisse Salzburgs wird später ausführlicher zu sprechen sein. Hier mag nur bemerkt werden, daß die Mitglieder der Kapelle für kärglichen Lohn mit vielfachen Leistungen in Anspruch genommen wurden, da sie sowohl in der Kirche als bei Hofe fast täglich beschäftigt waren. L. Mozart unterzog sich diesen Anforderungen mit seiner gewohnten Pflichttreue und Schubart (Aesthetik der Tonkunst S. 157) bezeichnet ihn als denjenigen, der durch seine Bemühungen die Musik in Salzburg auf einen trefflichen Fuß gestellt habe. Seine amtliche Stellung brachte es mit sich, daß er auch als Componist auftreten mußte, und er war, obgleich von seinen Compositionen sehr wenig bekannt geworden ist, auch in dieser Richtung sehr fleißig. In einem Bericht von dem Zustand der Musik in Salzburg im Jahr 1757, der, wie ich glaube, von ihm selbst herrührt6, heißt es über ihn:

»Von des Herrn Mozards in Handschriften bekannt gewordenen Compositionen7 sind hauptsächlich viele contrapunctische und andere Kirchensachen8 zu merken; ferner eine [10] große Anzahl von Synfonien theils nur à 4 theils aber mit allen nur immer gewöhnlichen Instrumenten9; ingleichen über dreißig große Serenaten, darinnen für verschiedene Instrumente Solos angebracht sind. Er hat außerdem viele Concerte, sonderlich für die Flöttraverse10, Oboe, das Fagott, Waldhorn, die Trompete u.s.w., unzählige Trios und Divertimenti für unterschiedliche Instrumente11; auch zwölf Oratorien und eine Menge von theatralischen Sachen12, sogar Pantomimen, und besonders Gelegenheitsmusiken verfertigt, [11] als: eine Soldatenmusik mit Trompeten Pauken Trommeln und Pfeifen nebst den gewöhnlichen Instrumenten; eine türkische Musik; eine Musik mit einem stählernen Clavier; und endlich eine Schlittenfahrtsmusik mit fünf Schlittengeläut; von Märschen, sogenannten Nachtstücken, und vielen hundert Menuetten, Operntänzen und dergleichen kleineren Stücken nicht zu reden.«

Unter den späteren Compositionen L. Mozarts waren in Salzburg besonders die Stücke bekannt, welche auf dem Hornwerk (einer Art Orgel, die auf der Höhe des Schlosses gegen die Stadt hervorragte) Morgens und Abends gespielt wurden. Anfangs spielte dasselbe nur ein Stück, dann nach einer gründlichen Reparatur von Joh. Roch. Egedacher zwölf, von denen Eberlin fünf, L. Mozart sieben componirt hatte, die 1759 in Augsburg fürs Clavier herausgegeben wurden13. Bedeutender ist eine große Litania de Venerabili vom April 1762, deren Originalmanuscript im Mozarteum aufbewahrt wird; dieselbe, welche er sich bei seinem Aufenthalt in München im Jahr 1774 von seiner Frau schicken ließ, da man dort von seiner Composition etwas aufzuführen wünschte14. [12] Uebrigens hat er in späteren Jahren wenig oder gar nicht mehr componirt; die Verhältnisse in Salzburg sagten ihm so wenig zu, daß er sich nicht veranlaßt fand mehr zu thun als seine Stellung ihm auferlegte, die Erziehung seiner Kinder nahm seine ganze Zeit in Anspruch, und nachdem sein Sohn als Componist aufgetreten war, wollte er in keiner Weise mit ihm in Concurrenz treten15. Nichts desto weniger war er seiner Zeit als Componist, wie auch Schubart bezeugt, ehrenvoll bekannt. So schreibt er den 24. Nov. 1755, als seine Violinschule im Druck war, an den Drucker nach Augsburg: »Sie dürfen keck glauben, daß dieses nicht das letzte seyn wild, so ich unter die Presse giebe: dann, Ihnen im größten Vertrauen gesagt, man hat mir einen Brief von einem weiten Ort her zugeschrieben, wo man mir berichtet, daß man meine Violinschule mit Begierde erwartet, und daß man gedenket mich als ein Mitglied – erschrecken Sie nicht! – – oder – – lachen Sie nicht – – mich als ein Mitglied der Correspondirenden Societät musikalischer Wissenschaften zu ernennen16. Potz Plunder! das spritzt. Schwätzen Sie aber ja [13] nicht aus der Schule, denn es möchten nur Winde seyn. Ich einmal hab mein lebstag nicht einmal daran gedacht; das weis ich als ein ehrlicher Mann zu sagen.« Schubart urtheilt über ihn: »Sein Styl ist etwas altväterisch, aber gründlich und voll contrapunctischer Einsicht. Seine Kirchenstücke sind von größerem Werth als seine Kammerstücke.« Die Symphonie und die Klavierstücke, die einzigen Compositionen L. Mozarts, welche mir bekannt sind, scheinen dies zu bestätigen. Sie sind dem Umfange und der Anlage nach klein und knapp und ohne irgend eine Spur von Eigenthümlichkeit in der Erfindung, während sie zur Entfaltung contrapunctischen Wissens gar keine Veranlassung bieten.

Den größten und ausgebreitetsten Ruf erwarb er sich aber durch den im Jahr 1756 erschienenen »Versuch einer gründlichen Violinschule.« Es war die erste und eine lange Reihe von Jahren hindurch die einzige und in vielen Auflagen und Uebersetzungen allgemein verbreitete17 Anweisung zum Violinspiel, was man jedenfalls als einen Beweis gelten lassen wild, daß sie für ihre Zeit in Beziehung auf technische Ausbildung Verdienstliches geleistet hat. Was das Buch auch jetzt noch interessant macht ist der ernste und tüchtige Sinn, welcher sich in demselben ausspricht und uns den ganzen Mann kennen lehrt. Gründlichkeit und Tüchtigkeit der musikalischen Ausbildung ist es, die er seinem Schüler geben will, dieser soll nicht allein die Finger üben, sondern überall klar sein über das was er zu leisten hat und warum: »es ist doch [14] untröstlich immer so auf gerathewohl hinzuspielen, ohne zu wissen, was man thut« (S. 245); ein guter Violinist soll selbst in der Rhetorik und Poetik bewandert sein, um mit Verstand vortragen zu können (S. 107). Daher besteht er darauf, daß der Schüler nicht weiter eile, ehe er ganz könne, was er zu lernen hat18; überhaupt will er ihm die Sache gar nicht zu leicht und bequem machen, er soll sich anstrengen und sich Mühe geben. So schreibt er zu Anfang der Uebungen (S. 90): »Hier sind die Stücke zur Uebung. Je unschmackhafter man sie findet, je mehr vergnügt es mich: also gedachte ich sie wenigstens zu machen«; nämlich um zu verhüten, daß der Schüler sich gewöhne, aus dem Gedächtniß zu spielen. Dieselbe Tüchtigkeit zeigt sich auch in seiner Geschmacksrichtung. Er verlangt vor Allem einen »rechtschaffenen und mannbaren Ton« (S. 54); der Schüler soll gleich anfangs die Geige etwas stark beziehen, »damit durch das starke Niederdrücken der Finger und kräftige Anhalten des Bogens die Glieder abgehärtet und dadurch ein starker und männlicher Bogenstrich erobert werde. Denn was kann wohl abgeschmackters seyn, als wenn man sich nicht getrauet die Geige recht anzugreifen; sondern mit dem Bogen (der oft nur mit zween Fingern gehalten wird) die Seyten kaum berühret, und eine so künstliche Hinauswispelung bis an den Sattel [15] der Violin vornimmt, daß man nur da und dort eine Note zischen höret, folglich nicht weiß, was es sagen will, weil alles nur lediglich einem Traume gleicht. Solche Luftviolinisten sind oft so verwegen, daß sie die schwersten Stücke aus dem Stegereif wegzuspielen keinen Anstand nehmen. Denn ihre Wispeley, wenn sie gleich nichts treffen, höret man nicht: dieß aber heißt bei ihnen angenehm spielen. Die größte Stille dünket sie sehr süße. Müssen sie laut und stark spielen; alsdann ist die ganze Kunst auf einmal weg« (S. 101f.). Ein einfacher und natürlicher Gesang ist das höchste Ziel auch für den Violinspieler; so daß man mit dem Instrumente, soviel es immer möglich ist, die Singkunst nachahme; denn dieß ist das »schönste in der Musik« (S. 50); »wer weiß denn nicht, daß die Singmusik allezeit das Augenmerk aller Instrumentisten seyn soll, weil man sich in allen Stücken dem Natürlichen, soviel es immer möglich ist, nähern muß?« (S. 107)19. Dabei geht es scharf über die Virtuosen her, die »meynen, was sie wunderschönes auf die Welt bringen, wenn sie in einem Adagio cantabile die Noten rechtschaffen verkräuseln und aus einer Note ein paar Dutzend machen. Solche Notenwürger legen dadurch ihre schlechte Beurtheilungskraft zu Tage, und zittern, wenn sie eine lange Noten aushalten oder nur ein paar Noten singbar abspielen sollen, ohne ihr angewöhntes, ungereimtes und lächerliches Fickfack einzumischen« (S. 50). Sie werden um so härter getadelt, da es ihnen meistens an der nöthigen Kenntniß fehle um zu wissen, wo [16] sie ihre Verzierungen anbringen dürften ohne gradezu Fehler in die Composition zu bringen, und bei einem passenden Beispiel bemerkt er (S. 209): »Hier können jene ungeschickten Spieler, die alle Noten verkräuseln wollen, die Ursache einsehen, warum ein vernünftiger Componist sich ereifert, wenn man ihm die schon ausgesetzten Noten nicht platt wegspielet« (vgl. S. 195). Auch andere Fehler werden an den Virtuosen streng gerügt, wie das unausgesetzte Tremolo der Spieler »die bey jeder Note beständig zittern, als wenn sie das immerwährende Fieber hätten« (S. 238), oder »das beständige Einmischen des sogenannten Flascholets, wodurch eine recht lächerliche und, wegen der Ungleichheit des Tones, eine wider die Natur selbst streitende Musik entsteht« (S. 107), oder das alles Zeitmaaß aufhebende Eilen und Schleppen der »Virtuosen von der Einbildung.« Ich setze die ganze Stelle her, weil sie beweist, wie hoch L. Mozart die Freiheit des Meisters achtete, indem er die Willkühr des Virtuosen verwarf. »Viele« sagt er S. 262 »die von dem Geschmacke keinen Begriff haben, wollen bey dem Accompagnement einer concertirenden Stimme niemals bey der Gleichheit des Tactes bleiben, sondern sie bemühen sich immer der Hauptstimme nachzugeben. Das sind Accompagnisten vor Stümpler und nicht vor Meister. Wenn man manche italiänische Sängerin, oder sonst solche Einbildungsvirtuosen vor sich hat, die dasjenige, was sie auswendig lernen, nicht einmal nach dem richtigen Zeitmaaße fortbringen: da muß man freilich ganze halbe Täcte fahren lassen, um sie von der öffentlichen Schande zu retten. Allein wenn man einem wahren Virtuosen, der dieses Ruhmes würdig ist, accompagnirt; dann muß man sich durch das Verziehen oder Vorausnehmen der Noten, welches er alles sehr geschickt und rührend anzubringen weiß, weder zum Zaudern noch zum Eilen verleiten lassen; sondern [17] allemal in gleicher Art der Bewegung fortspielen: sonst würde man dasjenige was der Concertist aufbauen wollte, durch das Accompagnement wieder einreißen. Ein geschickter Accompagnist muß also einen Concertisten beurtheilen können. Einem rechtschaffenen Virtuosen darf er gewiß nicht nachgeben: denn er würde ihm sonst sein tempo rubato verderben. Was aber das gestohlene Tempo ist, kann mehr gezeigt als beschrieben werden. Hat man hingegen mit einem Virtuosen von der Einbildung zu thun? da mag man oft in einem Adagio Cantabile manche Achttheilnote die Zeit eines halben Tactes aushalten, bis er gleichwohl von seinem Paroxismus wieder zu sich kömmt; und es geht nichts nach dem Tacte: denn er spielt Recitativisch.« Die technische Ausbildung und Tüchtigkeit ist ihm aber nicht der Zweck, sondern nur das Mittel um das höhere Ziel zu erreichen. Er verlangt, daß der Spieler fähig sei sich in denjenigen Affect zu setzen, welcher in dem vorzutragenden Stück selbst herrscht, um hierdurch in die Gemüther der Zuhörer zu dringen und ihre Leidenschaften zu erregen (S. 52 vgl. S. 253)20. Als das wesentlichste Erforderniß für den Geiger um dies zu erreichen bezeichnet er den Bogenstrich (S. 122), welcher »bald eine ganz modeste, bald eine freche, bald eine ernsthafte, bald eine scherzhafte, itzt eine schmeichelnde, itzt eine gesetzte und erhabene, itzt eine traurige, itzt aber eine lustige Melodie hervorbringe, und folglich dasjenige Mittelding sey, durch dessen vernünftigen Gebrauch wir die erst angezeigten Affecten bei den Zuhörern zu erregen in den Stand gesetzt werden. Ich verstehe,« [18] setzt er hinzu »wenn der Componist eine vernünftige Wahl trifft; wenn er die jeder Leidenschaft ähnlichen Melodieen wählet, und den gehörigen Vortrag recht anzuzeigen weiß. Denn der Halbcomponisten« sagt er anderswo (S. 136) »giebt es leider genug, die selbst die Art eines guten Vortrags entweder nicht anzuzeigen wissen, oder den Fleck neben das Loch setzen. Mancher Halbcomponist« heißt es (S. 252) »ist von Vergnügen entzückt und hält nun erst von neuem selbst recht viel von steh, wenn er seinen musikalischen Galimatias von guten Spielern vortragen hört, die den Affect, an den er nicht einmal gedacht hat, am rechten Orte anzubringen, und die Characters, die ihm niemals eingefallen sind, soviel es möglich ist zu unterscheiden, und folglich die ganze elende Schmiederey den Ohren der Zuhörer durch einen guten Vortrag erträglich zu machen wissen.« Man siebt, er war ein geschworner Feind der Halbheit und Untüchtigkeit; gründliches Studium in allem Technischen und geistige Durchbildung zu klarem vernünftigen Denken sind das, was er vom Künstler mit unnachsichtiger Strenge verlangt. Er räumt zwar ein, daß ein besonderes Naturell manchmal den Abgang der Gelehrsamkeit ersetze und daß ein Mensch bei der besten Naturgabe oft die Gelegenheit nicht habe sich in den Wissenschaften umzusehen (S. 108); allein das hebt die Regel nicht auf und nimmt jenen Anforderungen nichts von ihrem Rechte.

Ich hebe diese Stellen nicht etwa aus, weil sie heute noch ziemlich ebenso gültig sind als damals; denn sie werden heute da wo es noth thäte so wenig nützen als damals. Aber sie zeigen uns die Grundsätze und Ansichten, nach welchen L. Mozart auch bei der musikalischen Erziehung seines Sohnes verfuhr, und wenn mit diesen sich die richtige Einsicht in die Freiheit und Ueberlegenheit einer genialen Natur vereinigte,[19] so wird man eingestehen, daß dem Genie die trefflichste Erziehung auf das Glücklichste entgegenkam.

Das für seine Zeit bedeutende Werk fand auch eine entsprechende Anerkennung. In Marpurgs histor. kritischen Beiträgen (III S. 160ff.) wird es mit den Worten angezeigt: »Ein Werk von dieser Art hat man schon lange gewünschet, aber sich kaum getrauet zu erwarten21. Der gründliche und geschickte Virtuose, der vernünftige und methodische Lehrmeister, der gelehrte Musicus, diese Eigenschaften, deren jede einzeln einen verdienten Mann macht, entwickeln sich allhier zusammen. – Ein berühmter Geminiani konnte nur der englischen Nation, ein vortrefflicher Mozart aber nur der deutschen, ein Werk von dieser Natur vor Augen legen und sich eines allgemeinen Beifalls würdig machen.« Es ist daher sehr begreiflich, daß von den kritischen Briefen über die Tonkunst, welche unter Marpurgs Einfluß in Berlin im Jahre 1759 und 1760 herausgegeben wurden, der erste an ihn mit der Erklärung gerichtet wurde, daß die Gesellschaft, welche sich vorgenommen habe ihre Briefe stets an Personen von Verdienst zu richten, keinen glücklicheren Anfang als mit ihm zu machen wisse. Auch Schubart sagt (Aesthetik der Tonkunst S. 157): »Durch seine Vorschule, die in sehr gutem Deutsch und mit tiefer Einsicht abgefaßt ist, hat er sich ein großes Verdienst erworben. Die Beispiele sind trefflich gewählt und seine Applicatur ist nichts weniger als pedantisch. Er neigt [20] sich zwar zur Tartinischen Schule, läßt aber doch dem Schüler mehr Freiheit in der Bogenlenkung als dieser.«

Charakteristisch ist hier auch das Lob der guten Schreibart, das keineswegs unverdient ist und damals einen Künstler noch ungleich höher auszeichnete als etwa heutzutage, wo ja die Künstler nicht selten als Schriftsteller am meisten glänzen wollen. Sein Stil ist klar und scharf, seine Neigung zu Sarcasmen drängt sich so sehr hervor, daß er sich in der Vorrede deshalb entschuldigt. Und so wie in diesem Buche, so erkennt man ihn auch in seinen Briefen als einen Mann, der nicht nur im Umgange mit der Welt – und namentlich seine Reisen brachten ihn in die verschiedensten Verkehrsverhältnisse – sich eine feinere Bildung erworben hat, sondern mit der Litteratur bekannt ist, mit Einsicht und Kritik gelesen hat, und seine durch selbständiges Urtheil gebildete Ansichten und Ueberzeugungen mit gleicher Entschiedenheit und Klarheit auf ästhetischem Gebiet geltend macht, wie auf sittlichem22.

[21] Mit einer solchen Bildung und den durch sie bedingten Ansprüchen mußte sich Leopold Mozart in Salzburg ziemlich isolirt fühlen. Gegen den Hof hatte er die Pflichten seines Dienstes zu erfüllen, und je kärglicher er dafür besoldet wurde, um so mehr wurde dafür gesorgt, ihn wie alle Angestellten seine Abhängigkeit nachdrücklich empfinden zu lassen. Bei den vornehmen Familien, welche in Salzburg lebten, war er meist als Lehrer beschäftigt, denn sein Unterricht wurde mit Recht als der beste angesehen, allein ein näheres Verhältniß konnte sich auch mit diesen nicht entwickeln; sich bei ihnen einzuschmeicheln, um in bescheidener Unterordnung sein Gutes zu genießen, dazu war Mozart viel zu stolz, da er fühlte daß sie an Bildung, durch welche allein ein gleichberechtigter Verkehr möglich gewesen wäre, unter ihm standen. Mochte sich aber auch seine Kritik und sein Sarcasmus im Stillen gegen sie wenden, so besaß er doch Lebenserfahrung und Mäßigung genug, um seine Stellung zu ihnen nicht zu gefährden, um wohlgelitten und geachtet zu sein, ohne sich je etwas zu vergeben. Auch seinen Kunstgenossen gegenüber sehen wir ihn einsam dastehen. Der größte Theil derselben bestand ohne Zweifel aus musikalischen Handwerkern ohne höhere Bildung und Interesse, mit denen ein eigentlicher Verkehr in geistiger und socialer Beziehung für ihn nicht möglich war; allein auch mit den bedeutenderen [22] Musikern Salzburgs finden wir ihn in keinem engen Verkehr, der über die nächsten Berührungen, wie sie Amt und Kunstübung mit sich führen mußten, hinausgegangen wäre. Es läßt sich meistens noch erkennen, daß Mangel an einer über das Technische der Musik hinausgehenden Intelligenz, häufig auch an sittlicher Bildung, ein lockerer und leichtfertiger Lebenswandel Mozart von ihnen zurückhielt, und in keinem Fall läßt sich nachweisen, daß irgend eine unedle Leidenschaft ihn dabei bestimmt habe. So finden wir denn einen kleinen Kreis, meist dem Mittelstande angehörig, mit welchem die Familie Mozart einen geselligen Verkehr unterhielt, der zwar zum Theil recht lebhaft und freundschaftlich war, aber im Ganzen mehr Unterhaltung und Erheiterung, und zwar in der anspruchslosesten Weise, als geistige Anregung und Bildung dargeboten zu haben scheint. »Der Geist der Salzburger« sagt Schubart (Aesthetik der Tonkunst S. 158) »ist äußerst zum Niedrigkomischen gestimmt. Ihre Volkslieder sind so drollig und burlesk, daß man sie ohne herzerschütternde Lache nicht anhören kann. Der Hanswurstgeist23 blickt allenthalben durch und die Melodien sind meist vortrefflich und wunderschön.« Diese Richtung konnte dem ernsten und kritischen L. Mozart, der wohl kaustisch aber nicht komisch war, unmöglich behagen; auch sehen wir, daß er in den dadurch hervorgerufenen [23] Conversationston, wie er auch in den Briefen sich zeigt, nur gezwungen eingeht.

Leopold Mozart heirathete am 21. Nov. 174724 Anna Maria Pertlin (oder Bertlin), eine Pflegetochter des Stiftes von St. Gilgen; beide galten ihrer Zeit für das schönste Ehepaar in Salzburg und die noch vorhandenen Portraits wider sprechen dem nicht25. Sie war, soweit man sich aus Briefen und Berichten von ihr eine Vorstellung machen [24] kann, eine Frau von großer Gutmüthigkeit und voll Liebe für die Ihrigen, ohne bedeutend zu sein, und die oft gemachte Erfahrung, daß große Männer Begabung und Bildung zum großen Theil ihren Müttern verdanken, findet bei Mozart keine Anwendung. Sie ordnete sich willig der anerkannten Ueberlegenheit ihres Mannes unter und überließ was außerhalb des Haushalts lag, den sie mit Ordnung und Sparsamkeit zu führen wußte, mit unbedingtem Vertrauen seiner Sorglichkeit und Thätigkeit, wobei seiner Neigung das Regiment zu führen von ihrer Seite einige, nicht blos körperliche Bequemlichkeit entgegenkam. Auf diesen sich ergänzenden Eigenschaften beider beruhete gewiß wesentlich die treue herzliche Liebe, mit welcher beide Gatten aneinander und an ihren Kindern hingen, welche unter dem stillen aber um so nachhaltigeren Einfluß eines reinen und tüchtigen Familienlebens den besten Grund für ihre sittliche Bildung gewannen. An der Mutter, welche dem Ernst und der strengen Pflichttreue des Vaters gegenüber mehr Sinn für heitere Lebensfreude und die bescheidenen Genüsse ihrer beschränkten Stellung zeigte, hingen die Kinder sehr, aber daß es ihr an Autorität mangele zeigte sich als sie den Sohn auf seinem Ausflug nach Paris begleitete, wo sie auch gegen bessere Einsicht weder seiner Lebhaftigkeit zu imponiren noch seiner Liebenswürdigkeit zu widerstehen vermochte. Sie war keineswegs ohne Verstand, allein an Bildung stand sie dem Manne nach, und zeigt eine Neigung für das derbkomische, die sie als Salzburgerin charakterisirt; in dieser Hinsteht ist Wolfgang ihr echter Sohn, der von dieser Laune einen guten Theil mitbekommen hat.

Fußnoten

1 Der Auszug aus den Hochzeitamts-Protocollen lautet buchstäblich: Anno 1708 d. 7. October. Johann Georg Mozart, ein Buchbinder ledig, und Anna

Maria Peterin, weyl. Augustin Bannegerß Buch-

binderß Seel. Wittib, beede hießig, sein Beystand

Joh. Georg Mozart, Maurmeyster, ihrer seithß

Franz Xaveri Bauneger, Zühngießer.

Ein in Oel gemaltes Portrait desselben, das im Mozarteum zu Salzburg aufbewahrt wird, zeigt einen stattlichen schönen Mann, dem aber weder Sohn noch Enkel ähnlich sehen.


2 Der Auszug aus den Taufregistern besagt: Am 14ten November 1719 ward im Pfarrsprengel von St. Georg geboren und getauft Joh. Georg Leopold Mozarth, ehelicher Sohn des Johann Georg Mozarth, Buchbinders (bibliopega) und der Anna Maria. Taufpathen: Georg Grubher, Canonicus bei St. Peter in Augsburg und Maria Schwarz.


3 »Ob ich den Hofrath Oefele kenne?« schreibt Leop. Mozart den 13. October 1777 »das glaube! ich hab als Discantist im Kloster St. Ulrich in Augsburg unter der Messe eine Cantate gesungen, als er mit der schönen Lepin, einer Kaufmannstochter, die schön sang und Clavier spielte, und mit der er über 30000 Fl. erheyrathet, in der Capelle des Prelaten vom Prelaten selbst zusammengegeben wurde.« Und in einem Briefe vom 29. Nov. 1777 heißt es: »Ich war einige Zeit Discantist zum heiligen Kreuz und sang oben auf dem Stieg bei der Orgl.«


4 »Die Barone Hopfgarten und Bose sind unsere getreuen Reisegefährten gewesen, bald haben wir ihnen, bald sie uns Quartier bestellt. Sie werden da ein paar Menschen sehen, die Alles haben, was ein ehrlicher Mann auf dieser Welt haben soll. Und wenn sie gleich Lutheraner sind, so sind sie doch ganz andere Lutheraner und Leute, an denen ich mich oft sehr erbauet habe.« (Brief aus Paris 1. April 1764.)


5 »Unter meinen Freunden in London ist ein gewisser Sipruntini, ein großer Virtuose auf dem Violoncell. Er ist der Sohn eines holländischen Juden, fand aber diesen Glauben und seine Ceremonieen und Gebote, nachdem er Italien und Spanien durchgereist hatte, lächerlich und verließ den Glauben. Da ich neulich von Glaubenssachen mit ihm sprach, fand ich aus allen seinen Reden, daß er sich dermalen begnügt Einen Gott zu glauben und ihn zuerst, dann seinen Nebenmenschen wie sich selbst zu lieben und als ein ehrlicher Mann zu leben. Ich gab mir Mühe ihm Begriffe von unserem Glauben beyzubringen, und ich brachte es so weit; daß er nun mit mir einig ist, daß unter allen christlichen Glauben der katholische der beste ist. Ich werde nächstens wieder eine Attaque machen; man muß ganz gelinde darein gehen. Geduld! Vielleicht werde ich noch Missionarius in England.« (Brief aus London 13. Sept. 1764.)


6 Er ist gedruckt in Marpurgs hist. krit. Beiträgen III S. 183ff. und ist die Hauptquelle für Gerber und durch ihn für die Späteren geworden.


7 Er hatte im Jahr 1740 sechs Sonaten à 3 selbst in Kupfer radirt, hauptsächlich um eine Uebung in der Radirkunst zu machen.


8 Von diesen sind im Dom zu Salzburg ein Offertorium de Sacramento (A dur), eine Missa brevis (A dur), und drei Litaniae breves (in G, B, Es dur) vorhanden und werden noch von Zeit zu Zeit aufgeführt. Sie sind für vier Singstimmen mit Begleitung von 2 Violinen, Baß, 2 Hörnern und Orgel gesetzt, die letzte Litanei auch mit obligaten Posaunen.


9 Achtzehn seiner Symphonien sind thematisch verzeichnet im Catalogo delle Sinfonie che si trovano in manuscritto nella officina musica di G.G.J. Breitkopf in Lipsia. P. I (1762) p. 22. Suppl. I (1766) p. 14. Suppl X (1775) p. 3. Die dort zuletzt angeführte Symphonie in G dur ist in Partitur gestochen und zwar durch ein Versehen als die zwölfte der bei Breitkopf & Härtel herausgegebenen Symphonien W.A. Mozarts.


10 In einem gleich zu erwähnenden Briefe vom Jahr 1755 (den mir der verst. Musikdirektor Drobisch in Augsburg mitgetheilt hat) heißt es: »Es hat mich bey meinem Aldaseyn ein gewisser Cantorist (oder wer es ist) ersucht, er möchte mir einige Flautotravers Concerte abhandeln. Es ist derjenige, welcher die Töne von den Schlittengeleuthen [wahrscheinlich zu dem gleich zu erwähnenden Stück] abgelanget und ausgesucht hat. Hier will ich den Anfang des ersten Allegro eines jeden Concerto hersetzen. Ob er nicht etwa schon etwas beyhanden hat..... Ich kann ihm auch 14à tre nämlich à flauto travers, Violino e Violoncello schicken. Wenn er den Anfang wissen will, so will ihm solche bei nächster Gelegenheit notieren.«


11 Ein Divertimento à 4 instr. conc. a Viol. Violonc. 2 Co. B. in D dur ist in dem erwähnten Catalogo Suppl. II (1767) p. 11 verzeichnet.


12 Gerber nennt als solche Semiramis, die verstellte Gärtnerin, Bastien und Bastienne, Operette. Dies sind später zu besprechende Werke Wolfgang Mozarts, die wohl aus dem Grunde als Compositionen seines Vaters angesehen worden sind, weil dieser die Arbeiten des Sohnes aus früherer Zeit aufbewahrte, so daß man die Manuscripte unter seinem Nachlaß fand. Ganz unbekannt ist mir La Cantatrice ed il Poeta, intermezzo à 2 persone, das Gerber noch unter L. Mozarts theatralischen Compositionen anführt.


13 Der vollständige Titel lautet: Der Morgen und Abend | den Inwohnern | der Hochfürstl. Residenz-Stadt Salzburg | melodisch und harmonisch | angekündigt. | Oder | 12 Musikstücke für das Klavier | deren eines täglich | in der Festung Hohensalzburg auf dem | Hornwerke | Morgens und Abends gespielt wird; | auf Verlangen vieler Liebhaber | herausgegeben | von | Leopold Mozart | Hochfürstl. Salzburgischen Kammermusikus | Ao 1759. Angezeigt ist das Werk in Marpurgs hist. krit. Beitr. IV S. 403ff.


14 »Suche mir in meiner Musik die zwei Litaneyen de Venerabili, die im Stundgebete gemacht werden. Eine von mir ex D, die neuere, fängt an mit Violin und Baß staccato. Du kennst sie schon, die zweite Violin hat beim Agnus Dei lauter dreifache Noten. Dann des Wolfgangs Litaney, in welcher die Fuge Pignus futurae gloriae.« (Brief 14. Dec. 1774.)


15 Vgl. A. M. Z. XXIII S. 685, wo ein wie es scheint wohl unterrichteter Berichterstatter sagt: »Mozarts Vater, ein gründlicher Kirchencomponist, der aber nichts wollte als in und mit seiner Zeit achtbar einherschreiten – stand noch im Dienste des Erzbischofs als Kapellmeister und Kirchencomponist. Aber die Jahre, häusliches Leiden und eine gewisse Art und Weise seines Patrons, nach welcher derselbe nur das Fremde hochhielt, das Heimische gleichgültig behandelte, wie damals noch die meisten deutschen Fürsten zu thun pflegten, dabei auch von den Seinigen viel verlangte und ihnen so wenig als irgend möglich gab: dies vereinigt hatte den Vater Mozarts endlich ermüdet und mürbe gemacht. Er schrieb nichts mehr, zog sich zurück bloß auf das, was man amtlich von ihm zu fordern berechtigt war und ließ das Andere gehen wie es eben gehen wollte.«


16 Dies ist die von Mag. Mitzler im Jahr 1738 in Leipzig gegründete Societät der musikalischen Wissenschaften; vgl. musikal. Almanach 1782 S. 184ff. In der Violinschule S. 7 preist L. Mozart diese Gesellschaft und wünscht sie möge ihre wissenschaftlichen Untersuchungen auf Fragen richten, welche für die Musik von praktischem Interesse seien.


17 Die Ausgaben sind bei Fétis verzeichnet. Wie man ihn durch die holländische Uebersetzung ehrte werden wir später sehen.


18 Charakteristisch ist folgende Aeußerung (S. 57): »Hier steckt wirklich der größte Fehler, der sowohl von Meistern als Schülern begangen wird. Die ersten haben oft die Geduld nicht die Zeit abzuwarten; oder sie lassen sich von dem Discipel verführen, welcher alles gethan zu haben glaubet, wenn er nur bald ein paar Menuete herabkratzen kann. Ja vielmal wünschen die Eltern oder andere des Anfängers Vorgesetzte nur bald ein dergleichen unzeitiges Tänzel zu hören, und glauben alsdann Wunder, wie gut das Lehrgeld verwendet worden. Allein, wie sehr betrügt man sich!« Vgl. auch S. 121.


19 Ph. Em. Bach räth dem Klavierspieler, so viel als möglich geschickte Sänger zu hören; »man lernt dadurch singend denken, und wird man wohl thun, daß man sich hernach selbst einen Gedanken vorsinget, um den rechten Vortrag desselben zu treffen« (Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen I S. 90).


20 »Worin besteht der gute Vortrag?« sagt Ph. Em. Bach (Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen I S. 86) »In nichts anderem als der Fertigkeit musikalische Gedanken nach ihrem wahren Inhalt und Affecte singend oder spielend dem Gehör empfindlich zu machen.«


21 Mozart hatte sich in der Vorrede auf Marpurg berufen, der in den Beiträgen I S. V gesagt hatte, es fehle unter andern an einer Anweisung zur Violine »in solchem guten Geschmack, als nämlich Hr. Bach vom Clavier, Hr. Quanz von der Flöte und Hr. Baron von der Laute geschrieben haben.« Dies sei für ihn der stärkste Antrieb gewesen sein Werk zu vollenden; ob es so abgefaßt sei, wie Hr. Marpurg und andere gelehrte Musikverständige wünschen, könne nicht er sondern nur die Zeit beantworten.


22 Charakteristisch ist es, daß er sich an Gellert schriftlich wandte, um ihm seine Verehrung auszusprechen, wie aus der von Nissen (S. 10ff.) mitgetheilten Antwort Gellerts hervorgeht, von der ein Theil hier Platz finden möge. »Ich müßte sehr unempfindlich sein« schreibt Gellert »wenn mich die außerordentliche Gewogenheit, mit der Sie mich ehren, nicht hatte rühren sollen; und ich würde der undankbarste Mann sein, wenn ich Ihren so freundschaftlichen Brief ohne Erkenntlichkeit hatte lesen können. Nein, mein werthester Herr, ich nehme Ihre Liebe und Ihre Freundschaft mit eben der Aufrichtigkeit an, mit der Sie mir sie anbieten. – Also Sie lesen meine Schriften gern, hochzuverehrender Herr, und ermuntern auch Ihre Freunde sie zu lesen? Diese Belohnung, wie ich Ihnen aufrichtig sage, habe ich von dem Orte, aus dem ich sie erhalte, ohne Eigenliebe kaum hoffen dürfen. – Hat der Christ, eines von meinen letzten Gedichten, auch Ihren Beifall? Ich beantworte mir diese Frage beynahe mit Ja. Sein Inhalt, Ihr edler Charakter, den Sie, ohne es zu wissen, in Ihrem Briefe mir entworfen haben, und meine redliche Absicht, scheinen mir dieses Ja zu erlauben.« – Das Datum des Briefes ist nicht mitgetheilt. Der oben erwähnte Baron v. Bose schenkte in Paris dem »kleinen siebenjährigen Orpheus« Gellerts Lieder mit der Aufforderung ihnen seine unwiderstehlichen Harmonieen zu leihen, »damit sie der fühllose Religionsverächter lese und aufmerke, damit er sie höre und niederfalle und Gott anbete.« Vielleicht gab dies Veranlassung zu jenem Briefe. Später meldet Wolfgang von Mailand seiner Schwester den Tod Gellerts, welchen sie dort erfuhren. (Beil. V, 2).


23 Stranitzky, der auf der Wiener Bühne den Hanswurst einführte, gab demselben den Salzburger Dialect (Sonnenfels ges. Schriften VI S. 372), und nun blieb Hanswurst ein Salzburger, wie auch der Salzburger häufig für einen Hanswurst galt. Man wirst sonst den Salzburgern nicht bloß Derbheit, sondern eine gewisse Schwerfälligkeit des Geistes vor, die bis zur Stumpfsinnigkeit gehe. Auch darüber klagt Mozart, und in Salzburg selbst giebts ein Sprichwort: Wer nach Salzburg kommt wird im ersten Jahr dumm, im zweiten ein Fex (Cretin), im dritten erst ein Salzburger.


24 Nissen giebt zwar 1743 an, allein das richtige Jahr geht aus einer Erwähnung L. Mozarts in einem Briefe vom 21. Nov. 1772 hervor: »Heute ist die Jahreszeit unsers Hochzeittages. Es werden, wie ich glaube, 25 Jahre sein, daß wir den guten Gedanken hatten uns zu heirathen; diesen Gedanken hatten wir zwar viele Jahre zuvor. Gute Dinge wollen ihre Zeit« (Nissen S. 267). »Und dies wird bestätigt durch das Kirchenbuch in Salzburg, nach welchem am 21. Nov. 1747 vom Stadtcaplan Leopold Joly in Gegenwart der Zeugen Sebastian Seyser, Chorvicar an der Metropolitankirche und Franz Speckner, Hofkammerdiener und Tanzmeister, in der Domkirche getraut wurden Leopold Mozart Hofmusikus, des Georg Mozart Buchbinders zu Augsburg und der Maria Anna Sulzer ehelicher Sohn mit Maria Anna Pertl, des Nikolaus Pertl, Pflegkommissars in Hildenstein und der Eva Rosina Altmann, eheliche Tochter.« – Es fällt auf, daß der Name von Leopold Mozarts Mutter Sulzer nicht stimmt mit dem im Augsburger Kirchenbuch angegebenen.


25 Ein Portrait Leopold Mozarts ist gestochen vor der Violinschule, eine Bleistiftzeichnung aus seinen jüngeren Jahren wird in Salzburg im Mozarteum aufbewahrt. Sie stimmt im Wesentlichen mit dem später zu erwähnenden Familienbilde vom Jahr 1780 überein, nur daß alle Züge weniger scharf sind und das Gesicht überhaupt voller ist. Gerber erwähnt eines Miniaturbildes, welches ihm ebenfalls die Bemerkung bestätigte, daß L. Mozart in seiner Jugend ein schöner Mann gewesen sei. Als Wolfgang 1777 nach München kam, fanden Jugendfreunde seines Vaters, daß er diesem accurat gleich sehe, nur ein wenig größer sei; von dieser Aehnlichkeit ist in den Portraits beider nichts zu entdecken. – Von der Mutter befindet sich ein lebensgroßes Oelgemälde in Salzburg im Mozarteum, welches auf dem nach ihrem Tode gemalten Familienbilde copirt worden ist; sie erscheint dort als eine stattliche Frau von kräftiger, fast imposanter Schönheit.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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