Der Rücktritt aus dem Dienste des Erzbischofs war nunmehr eine entschiedene Thatsache1, in die auch der Vater sich fügen mußte2. Allein dies wurde ihm außerordentlich schwer. Seine Ueberzeugung daß der Sohn allein nicht im Stande sei für sein Fortkommen und die gehörige Ordnung seiner Geldangelegenheiten zu sorgen, seine Furcht daß er den mannigfachen Verlockungen der vergnügungslustigen Hauptstadt nicht widerstehen könne, wurden ebensowohl durch das Unbehagen ohne ihn leben zu müssen als durch ein vielleicht unbewußtes Gefühl von Kränkung über die selbständige Haltung desselben ihm gegenüber erhöhet. Wir finden daher daß der sonst so verständige und liebevolle Vater seine an sich gerechte Sorge für den Sohn in der verkehrten Weise äußert, daß er, anstatt ihm seine neue schwierige Lage auf alle Weise zu erleichtern, [31] ihm vielmehr das Leben mit Bedenken und Vorwürfen erschwerte, die meistens übertrieben und oft ganz unbegründet waren; denn auch darin zeigte er sich schwach, daß er Einflüsterungen und Ohrenbläsereien gegen den Sohn nur allzuleicht Vertrauen schenkte. Er hatte sich so sehr daran gewöhnt alle Sorge für Wolfgang zu übernehmen, ihn zu leiten und zu führen, daß er es nun nicht über sich gewinnen konnte mit Ruhe und Zurückhaltung ihn seinen eigenen Weg gehen zu lassen. Mozart ließ sich dadurch nicht irren; er hielt fest an der Selbständigkeit, welche er dem Vater gegenüber hatte erringen müssen, aber auch an der Verehrung und Liebe für denselben, und wenn er auch dessen Vorwürfe und Eingriffe wiederholt abweisen mußte, so that dies seiner kindlichen Pietät keinen Eintrag.
Die erste Zeit schien freilich die Befürchtungen des Vaters mehr zu rechtfertigen als die glänzenden Hoffnungen des Sohnes. Es war Sommer geworden, die vornehmen Herrschaften gingen aufs Land, weder mit Unterricht noch mit Akademien war viel zu verdienen. Die Gräfin Rumbeck war und blieb vorläufig seine einzige Schülerin, da er seinen Preis von 6 Dukaten nicht herabsetzen wollte; indessen auch so konnte er sich nothdürftig durchschlagen. Er tröstete sich damit daß jetzt die schlechte Saison sei, wo man die Muße benutzen müsse um für den Winter vorzuarbeiten, und schrieb fleißig an sechs Sonaten fürs Klavier, die auf Subscription herausgegeben werden sollten; die Gräfin Thun und mehrere andere vornehme Damen übernahmen es Subscribenten zu sammeln – auch damit ging es im Sommer noch nicht recht vorwärts3. Auf ein in der Adventszeit zu gebendes Concert [32] war er ebenfalls bereits bedacht; Rossi machte ihm den Text zu einer italiänischen Cantate, die er für dasselbe componirte. Am meisten aber lag es ihm von Anfang an im Sinn für die Bühne in Wien zu schreiben, die er wie wir sahen (II S. 145ff. 401) schon früher ins Auge gefaßt hatte; seine ursprüngliche Neigung, das bestimmte Gefühl seines Berufs zur dramatischen Composition wurden durch die Leistungen des Wiener Theaters und das lebhafte Interesse des Publicums für dasselbe nur noch erhöhet. »Meine einzige Unterhaltung« schreibt er seiner Schwester (4. Juli 1781) »besteht im Theater; ich wollte Dir wünschen hier ein Trauerspiel zu sehen! Ueberhaupt kenne ich kein Theater, wo man alle Arten Schauspiele vortrefflich aufführt, aber hier ist es. Jede Rolle – die mindeste, schlechteste Rolle ist gut und doppelt besetzt.«
In der That hatten die Leistungen der Wiener Bühne damals eine hohe Stufe erreicht4. Seitdem dort der Kampf gegen den Hanswurst und die extemporirten Stücke begonnen hatte, durch welchen die Bühne zum Ausgangspunkt der sehr ernst gemeinten Bestrebungen wurde, sich auch von Wien aus an der Bewegung zu betheiligen, welche deutsche Litteratur und deutsche Bildung von Neuem wieder ins Leben rief, blieb das Theater im Wesentlichen der Mittelpunkt für die gesammten litterarischen Interessen. Die ersten Schriftsteller, welche sich auszeichneten, schrieben, mit der bestimmten Absicht den Geschmack zu verbessern und wahre Cultur zu verbreiten, für die Bühne, wie Klemm, Heufeld, Ayrenhoff, Gebler; ihnen schlossen sich die fähigeren und strebsameren Schauspieler wie [33] Müller und die Gebrüder Stephanie an5. Die neue, schwierige Aufgabe der Schauspieler spornte diese zu außerordentlichen Leistungen an; getragen von der allgemeinen Theilnahme und Achtung erwarb sich die früher so tief verachtete Schauspielkunst den Rang und die Rechte einer freien Kunst, man sah die Schaubühne als den wahren Gradmesser sittlicher und intellectueller Bildung an. Diese Hochschätzung der Kunst kam auch dem Künstler zu Statten, das Interdict mit welchem ihn die Gesellschaft belegt hatte wurde aufgehoben, der Schauspieler wurde aufgenommen in den geselligen Verkehr der gebildeten Stände, man sah ihn dort gern6. Namentlich seitdem Joseph II im Jahr 1776 das Wiener Theater den schwankenden Einflüssen einer wechselnden Privatverwaltung entzogen und dasselbe zum Hof-und Nationaltheater erklärt hatte, hob sich dasselbe rasch zu einer unerreichten Höhe. Er sah die Bühne als ein wesentliches Mittel der Nationalbildung an, nahm an derselben ein eingehendes Interesse und betheiligte sich selbst fortdauernd an der Leitung desselben, indem er mit offenem Blick und warmem Sinn den Leistungen und den Schicksalen seiner Schauspieler Theilnahme schenkte7. Er war darauf bedacht durch ermäßigte Preise8 den Besuch des Schauspiels allgemeiner zu machen und eine Unterhaltung, welche früher vorzugsweise den Charakter von Hoffesten oder Assembleen der vornehmen Welt gehabt hatte, für die Bildung des Bürgerstandes zu verwerthen; mit freudigem Interesse ging man darauf ein9. Auch [34] die litterarische Kritik, welche sich nach der Lockerung des Preßzwanges in einem breiten Strom ergoß, knüpfte besonders ans Theater an und verständigte die Leser über die Leistungen der Schriftsteller und Schauspieler. So wurde ein Publicum gebildet, das ohne Rücksicht auf Rang und Stand die allgemeine Bildung repräsentirte, und diesem konnten Dichter und Darsteller – die früher zur Unterhaltung der gnädigen Herren dienten – als Künstler gegenübertreten: ein Verhältniß, das auch auf die Stellung der übrigen Künstler, besonders der Musiker, einen wesentlichen Einfluß gewinnen mußte. Das Wiener Theaterpublicum jener Zeit wird als ein aufmerksames, einsichtiges und dankbares, gern und lebhaft anerkennendes gerühmt10; es hatte wohl Ursache dazu. Kurz ehe Mozart nach Wien kam, war durch Schröder und seine Frau dem Verein trefflicher Schauspieler die Krone aufgesetzt; neben ihnen wirkten Müller, Lange, Weidmann, Brockmann, Jacquet, Bergopzoomer, die Gebrüder Stephanie, die Damen Weidner, Adamberger, Jacquet, Sacco, Stierle, Nouseul – man sieht das Urtheil, welches Mozart fällt, kann wohl gerechtfertigt erscheinen11.
In demselben Sinn, in welchem Joseph II das Nationaltheater begründete, hob er das kostbare, nur der Schaulust dienende Ballet und die italiänische Oper auf; an die Stelle der letzteren sollte ein National-Singspiel – so pflegte der Kaiser die deutsche Oper zu nennen – treten12. Im December [35] 1777 beschloß er den ersten, bescheidenen Versuch mit den grade vorhandenen Kräften zu machen. Umlauf, damals Bratschist im Orchester, dessen Leitung ihm später übertragen wurde, hatte eine kleine Operette Die Bergknappen geschrieben, in welcher nur vier Personen auftraten. Die Hauptrolle war der Mlle. Cavalieri zugedacht, die zweite Mad. Stierle; die Männerrollen sollten der Tenorist Ruprecht und Bassist Fuchs übernehmen, die Choristen wurden aus den Kirchen zusammengesucht, die Direction erhielt der Schauspieler Müller. Man ging mit Eifer ans Einstudiren und nachdem der Kaiser in einer Generalprobe seine Zufriedenheit ausgesprochen hatte, ward im Februar 1778 die deutsche Oper mit den Bergknappen eröffnet, welche großen Zulauf und Beifall fanden13. Im Laufe des folgenden [36] Jahres wurden vierzehn Opern oder Singspiele aufgeführt, zum Theil Uebersetzungen mit italiänischer oder französischer Musik14, zum Theil von Wienern neu componirt, wie die Apotheke von Umlauf15, die Kinder der Natur von Aspelmeyer, Frühling und Liebe von Ulbrich, Diesmal hat der Mann den Willen von Ordonnez.
Von den in der ersten Oper Mitwirkenden war Mlle. Cavalieri die einzige, welche für eine Sängerin gelten konnte, sie aber war allerdings eine Bravursängerin von erstem Rang. Es war daher die nächste Aufgabe Kräfte zu versammeln, welche eine Oper bilden konnten, würdig sich dem Schauspiel zur Seite zu stellen; auch diese wurde vollständig gelöst. Die erste Frau des Schauspielers Lange, Mariane geb. Schindler, welche zuerst gewonnen wurde und durch Gesang und Spiel eine Stütze der Oper zu werden versprach, und namentlich in Gretrys Hausfreund und Lucile außerordentlichen Beifall gefunden hatte, starb schon im Winter 177916. An ihre Stelle wurde im folgenden [37] Jahr Aloysia Weber von München berufen17, die auch in der Ehe ihre Nachfolgerin wurde. Daß Mozart nicht durch jugendliche Neigung verblendet war, als er in ihr eine der ersten Sängerinnen ihrer Zeit erkannte, bewährte sich sowohl während ihres Aufenthalts in Wien als auf den Kunstreisen, die sie später eine Reihe von Jahren hindurch machte. Schon vor ihr war für zweite Rollen Therese Teyber18 angestellt worden, die durch ihre jugendlich frische Stimme gefiel, während die der Mad. Fischer19, einer kunstfertigen Sängerin bereits etwas gelitten hatte. Im Sommer 1781 war zu ihnen auch Mad. Bernasconi20 gekommen, wie man sagte auf Glucks Wunsch, der den Einfluß Graf Dietrichsteins benutzt hatte um sie dem Kaiser aufzudringen, welcher eigentlich für sie nicht sehr eingenommen war. »Das ist wahr« schreibt Mozart seinem Vater (29. Aug. 1781) »in Tragödien große Rollen zu spielen, da wird sie immer Bernasconi bleiben21. Aber in kleinen Operetten ist sie nicht [38] mehr anzusehen, denn es steht ihr nicht mehr an; und dann – wie sie auch selbst gesteht – ist sie mehr welsch als teutsch, sie redet auch auf dem Theater so Wienerisch wie im gemeinen Umgange – itzt stellen Sie sich vor! – und wenn sie sich bisweilen zwingen will, so ist es als wenn man eine Prinzessin in einem Marionettenspiel deklamiren hörte. Und das Singen, das ist dermalen so schlecht, daß kein Mensch für sie schreiben will«22.
Diesen Sängerinnen gesellten sich ebenbürtige Sänger zu. Bald nach Eröffnung der Oper wurden die Tenoristen Souter und Dauer23 engagirt, späterhin Adamberger24, einer der vorzüglichsten Tenoristen, ein Sänger von kunstgerechter Schule und Bildung und ein »sehr anständiger« Darsteller von Liebhaberrollen. Als Bassist wurde Fischer25 [39] gewonnen, durch Umfang, Kraft und Wohlklang der Stimme, durch künstlerische Durchbildung im Gesang und Spiel vielleicht der erste Baßsänger Deutschlands; neben ihm wirkten Günther und Schmidt als Bassisten und Saal als Baritonist mit26.
Mit solchen Mitteln ließ sich eine deutsche Oper ausführen, wenn Componisten dagewesen wären sie zu schreiben. Umlauf und einige andere, die sich ihm anschlossen, waren nicht die Männer für ein solches Unternehmen; Gluck componirte seit der Iphigenie in Taurien nicht mehr und begnügte sich 1780 eine ältere komische Oper Die Pilgrimme von Mekka27 auf die Bühne zu bringen. Salieri schrieb im folgenden Jahr auf ausdrücklichen Befehl Kaiser Josephs [40] eine deutsche komische Oper Der Rauchfangkehrer28, deren Text unter aller Kritik schlecht war29; übrigens war er zu sehr Italiäner, um für eine deutsche Oper wirksam zu sein. Es scheint nicht, als ob man in Wien Neigung hatte auf die Componisten, welche in Norddeutschland nach Hillers Vorgang für die Oper mit Erfolg thätig waren, wie Benda, Schweitzer, Wolf, Neefe, André, Reichardt irgend Rücksicht zu nehmen30; man führte ihre Opern nicht [41] auf, noch viel weniger war man darauf aus ihnen dort einen Wirkungskreis zu eröffnen31.
So schien denn für Mozart der passendste Platz recht eigentlich bereitet zu sein und er wünschte nichts mehr als auf [42] diesem Gebiet thätig zu sein. Er hatte seine Operette Zaide mitgebracht um zu versuchen, ob er sie nicht zur Aufführung bringen könne; an dem Textbuch war, wie er schon fürchtete, die Sache gescheitert (II S. 401), aber Stephanie d.j. (welchen Mozart schon bei seinem Aufenthalt in Wien im Jahr 1773 kennen lernte), damals Inspicient der Oper, hatte von der Musik einen so günstigen Eindruck bekommen, daß er versprach Mozart ein neues, gutes Stück zu geben, welches er für die Wiener Bühne componiren sollte. Der Vater warnte ihn vor Stephanie, auf den man sich nicht verlassen könne; er hatte Recht, Stephanie d.j. war ein herrschsüchtiger, eigennütziger Mensch, der sich durch Anmaßungen und Intriguen aller Art verhaßt machte. Mozart kannte auch den schlechten Ruf in welchem er allgemein stand sehr wohl und war deshalb vorsichtig; ohne die bestimmte Zustimmung des Grafen Rosenberg, welcher seit 1776 die Oberdirektion des Theaters hatte, war er entschlossen keine Oper zu componiren, aber Stephanie erwies sich fortdauernd freundschaftlich gegen ihn und er fand keinen Grund ihm persönlich zu mißtrauen. Graf Rosenberg hatte ihn, so oft er ihm seine Aufwartung machte, freundlich empfangen, er hatte seinen Idomeneo bei einer Aufführung, welche die Gräfin Thun in ihrem Hause veranstaltete, bei welcher auch van Swieten und Sonnenfels zugegen waren, gehört und ihm, wie die anderen Kunstkenner, seinen Beifall bezeugt. So konnte Mozart bald seinem Vater die gute Nachricht geben (9. Juni 1781), daß Graf Rosenberg Schröder »dem vornehmen Acteur« Commission gegeben habe, sich um ein gutes Opernbuch umzusehen, das er Mozart zu schreiben geben könne. Nach einigen Tagen schon sprach ihm Stephanie von einem Stück, das er gefunden habe, in vier Akten, von denen der erste unvergleichlich sei, während die anderen freilich sehr abfielen, so daß es ihm zweifelhaft sei ob Schröder die Bearbeitung [43] desselben zugeben werde: »das mögen die miteinander ausmachen« schrieb er seinem Vater (16. Juni 1781). Das Buch wurde verworfen, allein die Angelegenheit blieb nicht stecken; offenbar wünschte der Kaiser Mozart eine Gelegenheit zu geben sich als deutschen Operncomponisten zu versuchen. Ende Juli war dieser am Ziel seiner Wünsche.
»Nun hat mir vorgestern« schreibt er (1. Aug. 1781) »der junge Stephanie ein Buch zu schreiben gegeben. – Das Buch ist ganz gut; das Sujet ist türkisch, und heißt Belmont und Constanze oder die Verführung aus dem Serail. Die Sinfonie, den Chor im ersten Act und den Schlußchor werde ich mit türkischer Musik machen. Mlle. Cavalieri, Mlle. Teyber, M. Fischer, M. Adamberger, M. Dauer und M. Walter werden dabey singen. – Mich freuet es so das Buch zu schreiben, daß schon die erste Arie von der Cavalieri und die vom Adamberger und das Terzett, welches den ersten Act schließt, fertig sind. Die Zeit ist kurz, das ist wahr, denn im halben September soll es schon aufgeführt werden, allein die Umstände, die zu der Zeit da es aufgeführt wird dabei verknüpft sind, und überhaupt alle anderen Absichten erheitern meinen Geist dergestalten, daß ich mit der größten Begierde zu meinem Schreibtisch eile und mit größter Freude dabey sitzen bleibe.« Die günstigen Umstände, welche Mozart so heiter machten, bestanden darin daß um jene Zeit der Besuch des Großfürsten Paul mit seiner Gemahlin erwartet wurde; bei den dann zu gebenden Festlichkeiten sollte seine Oper aufgeführt werden und er durfte sicher annehmen, daß der Kaiser und Graf Rosenberg es ihm anrechnen würden, wenn er so rasch etwas für sie fertig machte; das Alles aber sollte noch ein Geheimniß sein. Es war ihm sehr lieb jetzt bei guten Freunden zu wohnen, daß er in aller Bequemlichkeit den ganzen Tag zu Hause bleiben und schreiben könne, weil er bei ihnen [44] Mittags und Abends zu Essen erhalte: »Sie wissen daß ich mich gemeiniglich hungerig schreibe.« In diesem Sturm ging es fort; schon am 8. August 1781 konnte er berichten: »Ich bin den Augenblick eben mit dem Janitscharenchor fertig. Adamberger, die Cavalieri und Fischer sind mit ihren Arien ungemein zufrieden. – Ich hab der Gräfin Thun was fertig ist hören lassen; sie sagte mir auf die letzt daß sie sich getraue mir mit ihrem Leben gut zu stehen, daß das was ich bis dato geschrieben gewiß gefallen wird. – Ich gehe in diesem Punkt auf keines Menschen Lob und Tadel, bevor so Leute nicht Alles im Ganzen gehört oder gesehen haben, sondern folge schlechterdings meinen eigenen Empfindungen – Sie mögen aber daraus sehen, wie sehr sie damit muß zufrieden gewesen seyn.« Am 22ten August schrieb er, daß der erste Act fertig sei; bald nachher erfuhr er indessen daß der Großfürst erst im November kommen werde; »also kann ich meine Opera mit mehr Ueberlegung schreiben; ich bin recht froh« (5. Sept. 1781). Kurz darauf schrieb er dem Vater (26. Sept. 1781): »Nun sitze ich wie der Haase im Pfeffer. Ueber drey Wochen ist schon der erste Act fertig und eine Arie im zweiten Act und das Saufduett, welches in nichts als meinem türkischen Zapfenstreiche besteht; mehr kann ich aber nicht davon machen, weil jetzt die ganze Geschichte umgestürzt wird und zwar auf mein Verlangen. Im Anfange des dritten Actes ist ein charmantes Quintett oder vielmehr Finale, dieses möchte ich aber lieber zum Schluß des zweyten Actes haben. Um dies bewerkstelligen zu können muß eine große Veränderung, sa eine ganz neue Intrigue vorgenommen wer den und Stephanie hat über Hals und Kopf Arbeit.«
Allein auch ein anderer Umstand veranlaßte daß Mozart seine Oper liegen lassen mußte. Um die Ankunft des hohen Besuches würdig zu feiern war beschlossen worden zwei Glucksche [45] Opern, die Iphigenie in Tauris in deutscher Bearbeitung, die Alceste italiänisch von den Sängern der deutschen Oper aufführen zu lassen – »um zu zeigen was wir Deutschen im Stande sind zu leisten«, wie es in einem Bericht jener Zeit heißt32. Gewiß war die Wahl zu diesem Zweck sehr gut getroffen obgleich man in Wien wissen wollte, wie Mozart seinem Vater schrieb (29. Aug. 1781), daß der Kaiser nur mit vieler Mühe dazu zu bewegen gewesen wäre, da er im Herzen für Gluck keineswegs portirt sei, so wenig als für dessen Lieblingssängerin die Bernasconi33. Daß zwei [46] Opern Glucks gegeben werden sollten machte auch Mozart einen Strich durch seine Rechnung; bei dem Beifall, welchen sein Idomeneo vor einsichtigen und einflußreichen Kennern gefunden hatte, bei der Geneigtheit der Sänger darin aufzutreten, hatte er gehofft denselben in einer deutschen Bearbeitung, welche auch eine theilweise Umarbeitung der Composition nach sich ziehen würde, zur Aufführung zu bringen, allein eine dritte große Oper war zu viel und ließ sich auch neben den Gluckschen nicht mehr einstudiren34. Aber auch die komische Oper mußte vorläufig zurückgelegt wer den, bis Glucks zwei Opern zu Stande gekommen sein würden, – »und da haben sie noch ehrlich daran zu studiren«, schrieb er dem Vater (6. Oct. 1781). Zwar erhielt er Mitte November wieder etwas für seine Oper zu arbeiten, aber der ursprüngliche Plan sie bis zur Ankunft des Großfürsten zu vollenden war unausführbar geworden. Am 21. November traf »das Großthier der Großfürst« mit seiner Gemahlin unter dem Namen eines Grafen von Nord ein, am 25ten war ein glänzendes Fest in Schönbrunn. »Morgen ist Alceste in Schönbrunn«; schreibt Mozart harmlos (24. Nov. 1781) »ich habe mich um russische Favoritlieder umgesehen, um darüber Variationen spielen zu können«35.
[47] Kurz vor der Ankunft des Großfürsten (11. Nov.) waren der Herzog von Würtemberg mit seiner Gemahlin, die Prinzessin Elisabeth, die bestimmte Braut des Erzherzogs Franz, und ihr Bruder Prinz Ferdinand in Wien eingetroffen36. Hieran knüpfte sich für Mozart eine günstige Aussicht. Die Prinzessin, an deren Ausbildung in Wien noch die letzte Hand gelegt werden sollte, mußte auch einen Lehrer in der Musik erhalten, und diese Stellung, welche außer einem festen Einkommen den Vortheil einer näheren Berührung mit den einflußreichsten Personen mit sich brachte, hoffte Mozart zu erlangen. Seine Hauptstütze war der jüngste Bruder des Kaisers, Erzherzog Maximili an, damals Coadjutor des Churfürsten von Köln. Dieser, der sehr musikalisch war – er spielte selbst die Bratsche37 und unterhielt eine vorzügliche Harmoniemusik38 –, hatte Mozart von der Zeit her, als dieser bei seinem Besuch in Salzburg im April 1775 die Festoper und andere Musik componirt hatte39, im besten Andenken und erwies sich ihm als wohlwollender Gönner. »Gestern« schreibt er (17. Nov. 1781) »ließ mich Nachmittags um 3 Uhr der Erzherzog Maximilian zu sich rufen. Als ich hinein kam, stand er gleich im erstem Zimmer beym Ofen [48] und paßte auf mich, ging mir gleich entgegen und fragte mich: ob ich heute nichts zu thun hätte? – Ew. Königl. Hoheit, gar nichts, und wenn auch, so würde es mir allezeit eine Gnade seyn, Ew. Königl. Hoheit aufzuwarten. – Nein, ich will keinen Menschen geniren. – Dann sagte er mir, daß er gesinnt sey, Abends dem Würtembergischen Hofe eine Musique zu geben. Ich mochte also Etwas spielen und die Arien accompagniren, und um 6 Uhr sollte ich wieder zu ihm kommen. Mithin habe ich gestern allda gespielt«40. Bei ihm galt Mozart alles, er strich ihn bei jeder Gelegenheit heraus, und wäre er nur erst Churfürst von Köln, so würde Mozart, wie er meinte, sicher schon sein Kapellmeister sein. Er hatte sich auch bei der Prinzessin verwendet daß sie Mozart zu ihrem Musiklehrer annehmen möchte, aber zur Antwort erhalten, wenn es auf sie angekommen wäre, so hätte sie denselben gewählt, allein der Kaiser – »bei ihm ist nichts als Salieri!« ruft Mozart verdrießlich aus – hätte ihr wegen [49] des Singens Salieri angetragen, den sie also nehmen müsse, was ihr recht leid sei41.
Allerdings stand Salieri bei Joseph II in großem Ansehen. Als Schüler des von dem Kaiser sehr hoch geschätzten Gaßmann war er von Jugend auf in die Gunst desselben gewissermaßen hineingewachsen42, er nahm an seiner Privatmusik regelmäßig Theil und wußte sich das Wohlwollen seines hohen Gönners sowohl durch seine Musik, deren gefällige und des charakteristischen Ausdrucks nicht ermangelnde Weise dem Geschmack desselben zusagte, als durch sein persönliches Verhalten zu bewahren. Indessen hatte der Vorzug, welchen der Kaiser in diesem Falle Salieri gab, nicht in einem Mißwollen gegen Mozart seinen Grund; Salieri stand ihm persönlich nahe und war von ihm als Gesangscomponist geschätzt, Mozart kannte er damals nur als Klavierspieler. Als solchen schätzte er ihn und schenkte ihm ein lebhaftes Interesse; [50] Mozart konnte seinem Vater berichten (26. Dec. 1781), daß der Kaiser letzthin »das größte eloge von ihm gemacht habe, mit den Worten begleitet: c'est un talent decidé«. Er hatte ihn auch (am 24. Dec.) aufgefordert bei Hofe zu spielen und zwar um ihn einen Wettkampf mit Clementi43 bestehen zu lassen, der damals mit dem Ruf eines Klavierspielers von unerhörter Virtuosität nach Wien gekommen war. Mozart erzählt den Hergang seinem Vater folgendermaßen (16. Jan. 1782)44.
»Der Kaiser that (nachdem wir uns genug Complimente machten) den Ausspruch, daß er zu spielen anfangen sollte. La santa chiesa cattolica! sagte der Kaiser, weil Clementi [51] ein Römer ist. – Er präludirte und spielte eine Sonate45. – Dann sagte der Kaiser zu mir: Allons, d'rauf los! – Ich präludirte auch und spielte Variationen. – Dann gab die Großfürstin Sonaten von Paesiello (miserable von seiner Hand geschrieben) her, daraus mußte ich die Allegro, und er die Andante und Rondo spielen. – Dann nahmen wir ein Thema daraus, und führten es auf zwey Pianoforten aus. – Merkwürdig ist dabey, daß ich für mich das Pianoforte der Gräfin Thun gelehnt, und aber nur, als ich allein gespielt, darauf gespielt habe, weil es der Kaiser also gewollt, – und NB das andere war verstimmt und drey Tasten blieben stecken. – Es thut nichts, sagte der Kaiser. Ich nehme es so, und zwar auf der besten Seite, daß nämlich der Kaiser [52] meine Kunst und Wissenschaft in der Musik schon kennt, und mir den Fremden recht hat verkosten wollen. Uebrigens weiß ich von sehr guter Hand, daß er recht zufrieden war46; der Kaiser war sehr gnädig gegen mich«47. Clementi war von Mozarts Spiel entzückt. »Ich hatte bis dahin« sagt er »Niemand so geist- und anmuthsvoll vortragen gehört. Vorzugsweise überraschten mich ein Adagio und mehrere seiner extemporirten Variationen, wozu der Kaiser das Thema wählte, das wir, wechselseitig einander accompagnirend, variiren mußten.« Dagegen war Mozarts Urtheil über Clementi streng und scharf. »Der Clementi« schreibt er (17. Jan. 1782) »ist ein braver Cembalist, damit ist auch Alles gesagt. Er spielt gut, wenn es auf die Execution der rechten Hand ankommt; seine Forcen sind die Terzenpassagen. Uebrigens hat er um keinen Kreuzer Gefühl oder Geschmack, – mit einem Wort ein bloßer Mechanicus«48. Um dieses harte Urtheil begreiflich [53] zu machen, berichtet Berger daß er Clementi gefragt, ob er damals schon das Instrument in seinem späteren Stil behandelt habe, was dieser verneinte, indem er hinzusetzte, »daß er in jener früheren Zeit sich vorzugsweise noch in großer brillirender Fertigkeit und besonders in den vor ihm nicht gebräuchlich gewesenen Doppelgriff-Passagen und extemporirten Ausführungen gefallen, und erst später den gesangvollen edleren Stil im Vortrag durch aufmerksames Hören damaliger berühmter Sänger, dann auch durch die allmähliche Vervollkommnung besonders der englischen Flügel-Fortepianos, deren frühere, mangelhafte Construction ein gesangvolleres, gebundenes Spiel fast gänzlich ausgeschlossen, sich angeeignet habe.« Dadurch erkläre sich Mozarts Urtheil über Clementi einigermaßen natürlich, bemerkt Berger, da man bei der bekannten Redlichkeit und Geradsinnigkeit Mozarts nicht annehmen könne, daß irgend eine Nebenabsicht jenem Urtheil die Richtung gegeben habe49.
[54] Um die Gunst des Kaisers zu gewinnen suchte Mozart sich der Fürsprache seines Kammerdieners Strack zu versichern, der auch in musikalischen Dingen großen Einfluß besaß. Er erzählt seinem Vater (3. Nov. 1781), daß er an seinem Namenstag (31. Octbr.), den er bei der Baronin Waldstätten gefeiert habe, mit einer Nachtmusik von seiner Composition überrascht worden sei, welche er auf den Theresientag (15. Oct.) für die Schwägerin des Hofmalers Hickl geschrieben habe. »Die Hauptursache«, fährt er fort »warum ich sie gemacht, war um den Herrn von Strack (welcher täglich dahin kömmt) etwas von mir hören zu lassen, und deswegen habe ich sie auch ein wenig vernünftig gemacht; sie hat auch allen Beifall erhalten.« Er glaubte auch später sagen zu dürfen daß Strack sich als sein guter Freund zeige und ihm das Wort beim Kaiser rede, obgleich, wie er vorsichtig hinzufügte, »den Hofschranzen nie zu trauen ist« (23. Jan. 1782); und als sich das allgemeine Gerücht verbreitete, der Kaiser werde ihn in seine Dienste nehmen, erkannte er darin die Wirkung der Verwendung Stracks, obwohl er sich demselben gegenüber nicht mit Bitten und Sollicitiren weggeworfen hatte50. Auch diesmal erwies er sich nicht als geschickten [55] Diplomaten und schwerlich hat Strack seinen Einfluß beim Kaiser zu Mozarts Gunsten verwendet.
Joseph II hielt regelmäßig Nachmittags ein Concert bei sich51. Er speiste gewöhnlich allein im Musikzimmer, was nicht viel länger als eine Viertelstunde zu dauern pflegte; nach aufgehobener Tafel begann das Musiciren, wenn nicht wichtige Geschäfte abzumachen waren, wo man dann später anfing; mitunter wurde es spät darüber, die gewöhnliche Dauer war eine Stunde, so daß der Kaiser noch das Schauspiel besuchen konnte. Dreimal wöchentlich war größeres Concert, bei dem früher Gaßmann52, später Salieri, auch mitunter Umlauf sich einstellen mußten; Zuhörer erschienen nicht, auch Erzherzog Maximilian, wenn er bei diesen Zusammenkünsten zugegen war, nahm thätigen Antheil daran, [56] wie der Kaiser selbst. Joseph besaß eine gründliche musikalische Bildung53, er war ein Sänger von vortrefflicher italiänischer Schule54, er spielte Violoncell oder Viola, auch Klavier und las mit großer Fertigkeit Vocal- wie Instrumentalmusik vom Blatt, namentlich war er auch ein gewandter Partiturspieler. Gewöhnlich wurden einzelne Sachen aus Opern und Oratorien vorgenommen, der Kaiser begleitete aus der Partitur am Klavier und übernahm auch eine Tenor- oder Baßpartie, – er liebte dabei vorzugsweise das Pathetische55. Theils wurden ältere Lieblingscompositionen des Kaisers vorgenommen, theils machte er sich auf diese Weise mit neuen Werken bekannt, namentlich pflegten die Opern, welche zur Aufführung kommen sollten, von ihm und dem Erzherzog Maximilian hier erst durchgegangen und geprüft zu werden56. Meistens mußten die Sachen vom Blatt gespielt und gesungen werden, es machte dem Kaiser Vergnügen die Mitwirkenden auf die Probe zu stellen, es unterhielt ihn, wenn es recht confus herging und je mehr Kreibich, der gewöhnlich die Direction hatte, sich ereiferte und abarbeitete, um so herzlicher lachte der Kaiser57.
[57] Bei der gewöhnlichen Musik war außer dem Kaiser nur ein Quartett zugegen. Die erste Geige spielte Kreibich (oder Greybig), »ein Mann der für die Direction einer Musik geschaffen ist, der brave Einsichten in die Theorie derselben hat, dabei aber zum Nachtheil seiner Kunst ein bischen Charlatanerie vielleicht mehr affectirt als sie wirklich hat. Seine Furchtsamkeit setzt ihn außer Stande die Solostimmen mit Deutlichkeit und Eleganz, Rundung und Festigkeit des Bogens auszuführen.« Diese Furchtsamkeit verbunden mit Aufgeblasenheit machte ihn zum Stichblatt der Witze und Foppereien dieses musikalischen Cirkels58, und obgleich er von Charakter nicht böse sein sollte, war er doch nicht im Stande ein selbständiges Urtheil geltend zu machen, sondern ließ sich von Anderen willenlos gebrauchen, die ihn vorschoben und es gern sahen, wenn er dem Kaiser und dem Publicum gegenüber als der Leiter dessen erschien, was mit der Kammermusik vorging. Neben ihm wurden als Geiger gebraucht Woborzil, der Anführer des Orchesters in der deutschen Oper, Hoffmann, Ponheim und Krottendorfer, mittelmäßige Künstler und unbedeutende Menschen, »die sich eine Gnade daraus machen mußten den Finger auf den Mund zu legen«; von dem letzteren wird ausdrücklich gesagt daß er [58] Strack schmeichelte und seine Marionette war. Der Kammerdiener Strack war nämlich die Seele dieser Musik; er hatte die Aufsicht über die Sammlung der Musikalien, spielte das Violoncell und war stets bei den Concerten gegenwärtig, während die Uebrigen abwechselten; schon dies, mehr noch seine persönliche Stellung zum Kaiser gab ihm das entschiedenste Uebergewicht. »Es würde mich zu weit führen« heißt es »Ihnen eine Schilderung von dem moralischen Charakter dieses Mannes zu entwerfen. Sie kennen ja diese Art von Menschen, die, wie Schiller sagt, der Nothnagel sind wo die Menschen sich rar machen, in einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang werden wie der Schmetterling an der Nadel und ein Register über die – – ihres Herrn führen müssen. Genug, Strack war immer um Joseph und wußte seine Augenblicke so zu benutzen, daß er auch im musikalischen Fach Alles thun konnte, was er nur wollte.«
Es war eine Thatsache, daß im Kabinet selten gute Musik aufgeführt wurde, namentlich im Fach der Instrumentalmusik; wenn ein Quartett gespielt wurde, war es von einem untergeordneten Componisten, die Meister, welche damals eine neue Epoche auf diesem Gebiet begründeten, Haydn59 [59] und Mozart60, andere die ihnen nachzueifern suchten, wie Pleyel, Kozeluch, waren ausgeschlossen oder so gut wie ausgeschlossen. Man erkannte allgemein hierin den Einfluß Stracks, man wunderte sich daß Salieri »der Abgott des Kaisers«, der regelmäßig an diesen Privatmusiken Theil hatte, sein Ansehen dort nicht geltend machte; allein man wußte auch, daß er »zu viel Politik besaß um mit dem Schatten seines Monatchen in Collision zu kommen.« Was hätte er auch für ein Interesse dabei gehabt? Joseph war herangebildet in der Schule der italiänischen Musik, wie sie durch Hasse und Piccini ausgebildet war, sein Geschmack war vorzugsweise italiänisch und seine Neigung blieb dieser Richtung zugethan. Sein Wunsch eine nationale Musik sich entwickeln zu lassen ging wesentlich aus einer vernunftmäßigen Ueberzeugung hervor, und wenn er auch zu überlegenen Geistes war um das Bedeutende in Glucks und Mozarts Leistungen [60] zu übersehen, so war doch dies nicht eigentlich das was ihm behagte; offenbar war er gewohnt worden in der Musik eine Unterhaltung zu finden, für welche die selbständige Macht und Bedeutung, die Fülle des Reichthums, die Gluck, Haydn und Mozart ihrer Kunst errangen, überwältigend wurde. Salieri hatte keinen Grund die Geschmacksrichtung des Kaisers zu bekämpfen, die er selbst vertrat. Mit Talent und Geschick suchte er die Errungenschaften, welche die Musik in neuerer Zeit nach verschiedenen Richtungen hin gemacht hatte zu verwerthen und die italiänische Oper den Anforderungen eines geläuterten Geschmacks gerecht zu machen; er ist – mit Ausnahme der für Paris geschriebenen Opern, in welchen er sich mit Bewußtsein ganz an Glucks Weise anschloß – durchaus den Traditionen der italiänischen Oper treu geblieben, er hat kein wesentlich neues Element in dieselbe eingeführt und seine künstlerische Individualität war nicht stark und bedeutend genug um der Oper ein eigenthümliches Gepräge zu geben. Allein eben dieses Maaß von Talent, Geschicklichkeit und Geschmack hatte ihm die Gunst seines kaiserlichen Herrn und des Publicums erworben; er hätte eine ungewöhnliche sittliche und künstlerische Größe und Freiheit besitzen müssen um das neu aufgehende Genie als das größere anzuerkennen, sich selbst vor ihm zu beugen und in den Schatten zu stellen – und diese besaß er nicht. Salieri wird als ein wohlwollender und gutmüthiger Mann geschildert, unbescholten und liebenswürdig in seinem Privatleben, das mit dem verdienten Ruhm wohlthätiger und edler Handlungen geschmückt ist61; allein diese guten Eigenschaften hielten die Probe nicht aus vor der Eifersucht auf seinen Ruhm und seine Stellung als Künstler. [61] Er war im Jahr 1780 von einer längeren Reise in Italien, die ihm neue Ehre und Ruhm gebracht hatte, nach Wien zurückgekehrt, seine Stellung in der Gunst des Kaisers war dadurch nur mehr befestigt worden; da trat ihm in Mozart ein Rival entgegen, gefährlich schon durch den Glanz des Virtuosenthums, das den lauten Beifall der Menge am raschesten gewinnt, der durch die Entführung Salieris Rauchfangkehrer völlig niederschlug, durch den Idomeneo sich auch auf seinem eigentlichen Gebiet als einen gefährlichen Mitbewerber ankündigte und bald genug mit ihm in der italiänischen Oper in die Schranken trat. Salieri, der die Ueberlegenheit Mozarts mehr instinctartig fühlen als klar erkennen mochte, konnte demselben gegenüber nicht unbefangen bleiben. Ein Mißverhältniß in ihrem persönlichen Verkehr trat nicht ein62; Mozart war im Umgang mit seinen Kunstgenossen freundlich und behaglich, milden Urtheils, »auch gegen Salieri, der ihn nicht leiden mochte«, wie Frau Sophie Haibl, Mozarts Schwägerin, berichtete63; und dieser »besaß zu viel Politik« um mit seiner Abneigung gegen Mozart Aufsehen zu erregen64. Daß er ihm abgeneigt war, daß er sein Emporkommen im Stillen zu hindern suchte, galt unter Mozarts Bekannten und auch sonst in Wien als ausgemacht; [62] nicht allein durch herabwürdigende Urtheile am geeigneten Ort65, auch durch manche kleine Intriguen, wovon die unzweideutigen Spuren uns begegnen werden, hat er ihm zu schaden gesucht66.
Unter diesen Verhältnissen sieht man wohl waren Salieri und Strack im Musikzimmer des Kaisers natürliche Bundesgenossen, wenn es darauf ankam Elemente fern zu halten, die ihren altbegründeten Einfluß nothwendig untergraben mußten, falls es gelang, dem Geschmack des Kaisers eine andere Richtung zu geben. Wenn daher auch Joseph gegen Mozart aufmunternde Aeußerungen that, die ihm Muth machten, besonders da »große Herren dergleichen nicht gern sagen, weil sie immer einen Metzgerstich erwarten müssen«, so waren die Hindernisse, welche er in der Umgebung des Kaisers zu überwinden [63] hatte, doch offenbar mächtiger als die günstige Stimmung desselben, welche Mozart durch neue Leistungen immer wieder für sich rege machte. Dazu kam auch die Sparsamkeit des Kaisers, der sich nicht entschließen konnte, zu den verschiedenen Kapellmeistern welche er besoldete noch einem neuen ein Gehalt auszuwerfen.
Eine andere Aussicht auf eine feste Stellung – denn der Vater ließ nicht ab in ihn zu dringen vor allen Dingen sich diese zu verschaffen – bot sich ihm bei dem jungen Fürsten Liechtenstein67. Dieser beabsichtigte nach einer damals gewöhnlichen Sitte eine eigene Harmoniemusik in seine Dienste zu nehmen und wollte Mozart engagiren die Stücke dafür zu setzen; davon hatte er freilich keine hohe, aber eine sichere Einnahme zu erwarten, denn er war entschlossen nur einen lebenslänglichen Accord einzugehen. Allein auch diese Aussicht ging nicht in Erfüllung68, er blieb auf den zufälligen [64] Ertrag von Unterrichtsstunden, Concerten und Compositionen angewiesen. Damit ging es nun auch im Winter besser. Er hatte sichere Schülerinnen an der Gräfin Rumbeck und der Frau von Trattner69, zu denen später noch eine Dritte die Gräfin Zichi hinzukam – damit war für das Nöthigste gesorgt; sechs Sonaten für Klavier und Violine, für welche die Gräfin Thun und andere Gönnerinnen eine Subscription (der Preis war 3 Dukaten) eröffnet hatten, waren im November des Jahres 1781 vollendet und im Druck erschienen70; [65] in der Fastenzeit gab er eine Akademie, in welcher er auf den Rath seiner Gönner eine Auswahl der besten Stücke aus Idomeneo aufführte, und außer seinem Concert inD-dur (Beil. X, 102), zu dem er ein neues Rondo componirt hatte, welches Furore machte71, zum Schluß eine Phantasie spielte. Dies hatte man ihm gerathen, weil er dadurch am sichersten war seinen Rivalen Clementi, der um dieselbe Zeit ein Concert geben wollte, zu besiegen und er hatte es probat gefunden (23. Jan. 1782)72. Auch an Einladungen in Akademien [66] Anderer und in Gesellschaften sich hören zu lassen fehlte es nicht, für welche Gelegenheiten dann auch neue Compositionen geschrieben werden mußten73.
Er war also beschäftigt genug und hatte wohl Recht die Vorwürfe, welche ihm von Salzburg gemacht wurden, daß er zu selten schreibe als ungerechte zurückzuweisen74. »Du darfst aus dem daß ich Dir nicht antworte« schreibt er seiner Schwester (13. Febr. 1782) »nicht schließen daß Du mir mit Deinem Schreiben beschwerlich fällst! Ich werde die Ehre von Dir, liebe Schwester, einen Brief zu erhalten, allzeit mit dem größten Vergnügen aufnehmen; wenn es meine (für meinen Lebensunterhalt) nothwendigen Geschäfte zuließen, so weiß es Gott ob ich Dir nicht antworten würde! Habe ich Dir denn niemalen geantwortet? Also – Vergessung [67] kann es nicht sein, Nachlässigkeit auch nicht, mithin ist es nichts als unmittelbare Hindernisse, wahre Ohnmöglichkeiten! Schlecht genug, wirst Du sagen; – aber um Gotteswillen schreibe ich nicht auch meinem Vater wenig genug? Sie kennen doch beyde Wien! hat ein Mensch (der keinen Kreuzer sicheres Einkommen hat) an einem solchen Orte nicht Tag und Nacht zu denken und zu arbeiten genug? Unser Vater, wenn er seinen Kirchendienst und Du Deine paar Scolaren abgefertigt hast, so können Sie beyde den ganzen Tag thun was Sie wollen und Briefe schreiben, die ganze Lytaneien enthalten; aber ich nicht. – Ich habe meinem Vater schon letzthin meinen Lebenslauf beschrieben und ich will Dir ihn wiederholen. Um 6 Uhr früh bin ich schon allzeit frisirt, um 7 Uhr ganz angezogen, dann schreibe ich bis 9 Uhr. Von 9 Uhr bis 1 Uhr habe ich meine Lectionen, dann esse ich, wenn ich nicht zu. Gast bin, wo man dann um 2 Uhr, auch um 3 Uhr speist, wie heute und morgen bey der Gräfin Zichy und Gräfin Thun. Vor 5 oder 6 Uhr Abends kann ich nichts arbeiten, und öfters bin ich durch eine Accademie daran verhindert; wo nicht, so schreibe ich. – – Da ich mich wegen den vorfallenden Accademien und auch wegen der Unsicherheit, ob ich nicht bald da bald dorthin gerufen werde, auf das Abendschreiben nicht verlassen kann, so pflege ich (besonders wenn ich früher nach Haus komme) noch vor dem Schlafengehen etwas zu schreiben; da verschreibe ich mich öfters bis 1 Uhr, und dann wieder um 6 Uhr auf. Liebste Schwester! wenn Du glaubst, daß ich jemals meinen liebsten, besten Vater und Dich vergessen könne, so – doch still! Gott weiß es, und das ist mir genug, der soll mich strafen, wenn ich es kann«75.
[68] Während dieser mannigfachen Beschäftigungen schlief die Oper nicht, wie er seinem Vater auf dessen Nachfrage meldete (30. Jan. 1782), sondern war nur der großen Gluckschen Opern und vieler sehr nothwendigen Veränderungen in der Poesie wegen zurückgeblieben; sie sollte aber gleich nach Ostern gegeben werden. Dazu kam es zwar noch nicht; indessen konnte er am 8. Mai berichten: »Gestern war ich bey der Gräfin Thun und habe ihr den zweiten Act vorgeritten, mit welchem sie nicht weniger zufrieden ist als mit dem ersten«; und am 29. Mai: »Künftigen Montag werden wir die erste Probe machen; ich freue mich recht sehr auf diese Oper, das muß ich Ihnen gestehen.«
Er hatte gute Ursache dazu, denn er konnte des Erfolges sicher sein. Aber leicht wurde ihm die Sache auch jetzt nicht gemacht, er hatte mit starken Kabalen zu kämpfen, und es bedurfte des bestimmten Befehls des Kaisers, damit die Oper am 12. Juli wirklich gegeben wurde. War die Erwartung des Publicums gespannt gewesen, so wurde sie nun durch den Erfolg der Oper vollständig gerechtfertigt; das Haus war gedrängt voll, Beifall und Dacaporufen nahmen kein Ende [69] und wiederholte Aufführungen folgten rasch auf einander76. Nachdem er dem Vater über die erste Vorstellung gleich in der Kürze berichtet hatte, folgten bald weitere Nachrichten über die nächsten Aufführungen.
»Gestern« schreibt er (20. Juli 1782)77 »ist meine Oper [70] zum zweyten Male gegeben worden. Könnten Sie wohl vermuthen, daß gestern noch eine stärkere Kabale war, als am ersten Abend? Der ganze erste Act ist verwischt worden, aber das laute Bravo-Rufen unter den Arien konnten sie doch nicht verhindern. Meine Hoffnung war also das Schluß-Terzett, da machte aber das Unglück den Fischer fehlen, dadurch fehlte auch der Dauer, – und Adamberger allein konnte auch nicht Alles ersetzen; mithin ging der ganze Effect davon verloren, und wurde für dieß Mal nicht repetirt. Ich war so in Wuth, daß ich mich nicht kannte, so wie auch [71] Adamberger, und sagte gleich, daß ich die Oper nicht geben lasse, ohne vorher eine kleine Probe für die Sänger zu machen. Im zweyten Acte wurden die beyden Duetts wie das erste Mal, und dazu das Rondo von Belmonte: Wenn der Freude Thränen fließen u.s.w. wiederholt. Das Theater war noch fast voller als das erste Mal; den Tag vorher konnte man schon keine gesperrten Sitze mehr haben, weder auf dem noble parterre, noch im dritten Stocke, und auch keine Loge mehr. Die Oper hat in den zwey Tagen 1200 fl. getragen.« Im nächsten Briefe (27. Juli 1782) heißt es:
»Meine Opera ist gestern allen Nannerin zu Ehren78 mit allem Applauso das dritte Mal gegeben worden, und das Theater war wiederum, ungeachtet der erschröcklichen Hitze, gestrotzt voll. Künftigen Freytag soll sie wieder seyn, ich habe aber dawider protestirt, denn ich will sie nicht so auspeitschen lassen. Die Leute, kann ich sagen, sind recht närrisch auf diese Oper. Es thut Einem doch wohl, wenn man solchen Beyfall erhält.« Am 30. Juli aber wurde sie schon wieder gegeben, am nächsten Freitag auch und das Theater »wimmelte allezeit von Menschen.« Im Lauf des Jahres ward sie sechzehnmal aufgeführt, und als Anfang Octobers der Großfürst mit seiner Gemahlin auf der Rückreise wieder nach Wien kam, wurde ihnen zu Ehren die Entführung gegeben, »wo ich für gut befunden, wieder an das Clavier zu gehen und zu dirigiren«, schreibt er dem Vater (19. Oct. 1782) »theils um das ein wenig in Schlummer gesunkene Orchester wieder aufzuwecken, theils um mich (weil ich eben hier bin) den anwesenden Herrschaften als Vater von meinem Kinde zu zeigen.«
Kaiser Joseph hatte erreicht, was er sich zum Ziel gesetzt hatte, die deutsche Oper war begründet; allein er schien die [72] Bedeutung dessen, was er hervorgerufen, selbst nicht gehörig zu ermessen79. Das Urtheil, welches er über die Entführung äußerte: »Zu schön für unsere Ohren, und gewaltig viel Noten, lieber Mozart!« ist ebenso bezeichnend für die oben charakterisirte Richtung seines Geschmacks80 als Mozarts freimüthige Antwort: »Grade soviel Noten, Ew. Majestät, als nöthig ist« den Künstler ehrt, der seines Strebens und seiner Kraft sich wohl bewußt ist81. Im Allgemeinen zollte man der Oper einen rückhaltslosen Beifall. Fürst Kaunitz, ein seiner Kunstkenner und leidenschaftlicher Freund des Theaters82, ließ sich den jungen Componisten vorstellen, empfing ihn auf die schmeichelhafteste Weise und blieb auch fernerhin sein Gönner und Fürsprecher. Der Altmeister Gluck, die vornehmste Persönlichkeit in der musikalischen Welt, wünschte die Oper zu hören, die so viel Aufsehen erregte; auf sein Begehren wurde sie, wie Mozart dem Vater schrieb (7. Aug. 1782), aufgeführt obgleich sie wenige Tage vorher gegeben war; er machte dem Componisten viele Complimente darüber und lud ihn zum Speisen zu sich ein.
[73] Die Oper hatte über Mozarts musikalische Stellung in Wien entschieden83; bald trug sie seinen Ruhm durch ganz Deutschland. Der preußische Gesandte, Baron Riedesel – der bekannte Reisende und Freund Winckelmanns – erbat sich von Mozart eine Abschrift der Partitur zur Aufführung in Berlin, wofür er ein angemessenes Honorar in Aussicht stellte84. Mozart hatte gleich nach der Aufführung seinem Vater die Originalpartitur geschickt, damit er die Composition kennen lernen sollte; es war nun das Bequemste, wenn sie in Salzburg copirt würde, er setzte daher seinen Vater von dem Antrag in Kenntniß und bat ihn rasch dort eine Copie anfertigen zu lassen85. Der Vater, der nun einmal die Handlungsweise [74] seines Sohnes mit argwöhnischem Blicke beobachtete, witterte in dem Umstand daß die Copiatur nicht in Wien vorgenommen werden sollte, etwas Verkehrtes. Er machte ihn darauf aufmerksam, ob er auch das Recht habe die Partitur anderweitig zu verkaufen86, ob er nicht, wenn dies in Wien ruchbar werde, sich selbst die Aussicht nehme wieder eine Oper zu schreiben, und noch dazu wegen einer versprochenen Entschädigung, von der man nicht wissen könne, ob und in welchem Betrag sie geleistet werden würde. Mozart hatte volles Recht einen so kränkenden Verdacht abzulehnen und den Vater darauf hinzuweisen87, daß ein Honorar von 100 Ducaten88 der Operdirection, die so schon Vortheil genug von der Oper habe, nicht auch das Recht geben könne die Partitur [75] anderen Bühnen zu überlassen89. Und mit seiner mißtrauischen Vorsicht hatte ihm der Vater diesmal Verlegenheit und möglicherweise Schaden bereitet. Er hatte die Abschrift vorläufig nicht anfangen lassen, und da nun große Eile vonnöthen war, ergab es sich daß sämmtliche Copisten in Salzburg beschäftigt waren und die Arbeit nicht übernehmen konnten; es blieb Mozart jetzt nichts übrig als dem Gesandten den ganzen Hergang mitzutheilen und [76] die Partitur in Wien so schnell es gehen wollte copiren zu lassen90.
In Prag wurde die Entführung im folgenden Jahr mit außerordentlichem Beifall gegeben91. »Ich kann den Beifall und die Sensation, die sie in Wien erregte, nicht aus eigener Erfahrung beschreiben«, sagt Niemtschek (S. 23) »aber ich bin Zeuge des Enthusiasmus gewesen, den sie bey ihrer Aufführung in Prag bey Kennern und Nichtkennern verursachte! Es war, als wenn das, was man hier bisher gehört und gekannt hatte, keine Musik gewesen wäre! Alles war hingerissen – alles staunte über die neuen Harmonien, über die originellen, bisher ungehörten Sätze der Blasinstrumente.« Auch in Leipzig, Hamburg und an anderen Orten92 wurde sie sehr bald mit Beifall gegeben93, und die Kritik stimmte fast ausnahmelos mit der Anerkennung des Publicums überein94.
Goethe, welcher durch Erwin und Elmire sowie Claudina von Villabella das Interesse bewährt hatte, [77] welches er an der Ausbildung des deutschen Singspiels nahm, war durch den Verkehr mit seinem Jugendfreund Kayser95 neu angeregt worden dasselbe nach den wohl verstandenen Normen und Bedingungen der italiänischen Operette zu gestalten. Der erste Versuch war Scherz, List und Rache, begonnen 1784 und Kayser gleich zur Composition geschickt (Riemer Mitth. II S. 194), welcher im folgenden Jahr die beiden ersten Akte einsandte, die in Weimar sehr gefielen (Goethe an Fr. v. Stein III S. 181. 190. Knebel Nachl. I S. 149); in Rom, wohin Kayser Ende 1787 Goethe folgte, wurde die Operette gemeinsam beendigt (Riemer Mitth. II S. 292). Allein Goethe, der meint es sei mehr Aufwand als billig darauf verwendet worden (Werke XXI S. 6f. vgl. Br. an Fr. v. Stein III S. 235), beklagt selbst daß er durch einen dunkeln Begriff des Intermezzo verleitet, das kleinlich scheinende Sujet zu einer Unzahl von Singstücken entfaltet habe, welche von Kayser nach altem Schnitt ausführlich behandelt seien. »Unglücklicherweise« sagt Goethe »litt es, nach früheren Mäßigkeitsprincipien, an [78] einer Stimmenmagerkeit, es stieg nicht weiter als bis zum Terzett, und man hätte zuletzt die Theriaksbüchsen des Doctors gern beleben mögen, um ein Chor zu gewinnen. Alles unser Bemühen daher uns im Einfachen und Beschränkten abzuschließen ging verloren als Mozart auftrat. Die Entführung aus dem Serail schlug alles nieder und es ist auf dem Theater von unserm so sorgsam gearbeiteten Stück niemals die Rede gewesen«96.
1 Der Erzbischof wünschte der Welt auch zu zeigen, daß es nur an ihm läge, wenn er Mozart fortjagte, nicht minder ausgezeichnete Künstler in seine Dienste zu ziehen und ließ Leop. Kozeluch, der für den ersten Klavierspieler in Wien galt, einen Gehalt von 1000 fl. antragen, wenn er nach Salzburg kommen wollte. Dieser lehnte es ab, wie Mozart seinem Vater schrieb (4. Juli 1781), weil er sich in Wien besser stände und hatte zu seinen Freunden gesagt: »Die Affaire mit dem Mozart schreckt mich am meisten ab; wenn er so einen Mann von sich läßt, wie würde er es mit mir machen.«
2 An Breitkopf schrieb er (10. Aug. 1781): »Meinen Sohn betreffend, so ist solcher nicht mehr in hiesigen Diensten. Er wurde vom Fürsten, der damals in Wien war, als wir in München waren, nach Wien berufen. Da nun Se. Hochfürstl. Gnaden meinen Sohn ganz außerordentlich allda mißhandelt haben und ihm im Gegentheile der ganze hohe Adel ganz besondere Ehre erwiesen, so konnten sie ihn auch leicht bereden seinen mit einem elenden Gehalt vergesellschafteten Dienst niederzulegen und in Wien zu verbleiben.«
3 »Nun sagte mir aber die Gräfin Thun« schreibt er (25. Juli 1781) »daß vor dem Herbst an die Subscription nicht zu denken wäre, weil alles was Geld hat auf dem Lande ist, sie hat dermalen nicht mehr als 10 Personen und meine Scolarin nicht mehr als 7.«
4 Devrient Gesch. der deutsch. Schauspielkunst III S. 117ff.
5 Vgl. Sonnenfels Programm seiner Theaterdirection im Jahr 1770 in Müllers Abschied von der Bühne S. 73ff.
6 Müller Abschied S. 79. Lange Selbstbiogr. S. 25.
7 Lange Selbstbiogr. S. 65ff. Meyer Biogr. Schröders I S. 361.
8 Müller Abschied S. 95. A. M. Z. XXIV S. 253.
9 Car. Pichler Denkwürdigkeiten I S. 78ff.
10 Meyer a.a.O. I S. 361f. 375.
11 Eine Uebersicht und Charakteristik der damaligen Mitglieder der Wiener Bühne geben K. R[isbeck] Briefe über Deutschland I S. 258ff. Nicolai Reise IV S. 587ff., Meyer in der Biographie Schröders I S. 355ff.
12 Vgl. II S. 146f. Genauen Bericht über die Entstehung der deutschen Oper giebt Müller (Abschied von der Bühne S. 253ff.); vgl. A. M. Z. XXIV S. 254f. K. R[isbeck] (Briefe über Deutschland I S. 269) erzählt, der Mangel an guten Schauspielen habe dazu genöthigt, dem Theater eine kleine deutsche Oper beizufügen, deren Mitglieder bei denen der alten Komödie in tiefster Verachtung ständen, so daß es fast täglich zu den lächerlichsten Auftritten von Verfolgung, Cabale, Eifersucht und Schelmerei käme.
13 In Forkels musik. krit. Bibl. II S. 392 findet sich folgender Bericht aus Wien vom Febr. 1778: »Endlich wurde am 17 dieses die so sehnlich erwartete erste deutsche Operette Die Bergknappen hier aufgeführt. Sie übertraf die Erwartung des Publicums. Die Musik und die Dekoration war besonders vortrefflich. Mlle. Cavalieri, welche vormals in der hiesigen italiänischen Opera buffa gesungen, zeichnete sich besonders durch Absingen einiger sehr schweren und künstlichen Arien, auch durch eine sehr gebesserte Action aus. Mde. Stierle erhielt ebenfalls sehr großen Beyfall. Als das Stück geendet und der Vorhang niedergefallen war, verlangte das Publicum die Schauspieler noch einmal zu sehen. Sie zeigten sich hierauf alle vier und Mlle. Cavalieri hielt ein sehr schönes Danksagungs-Compliment an die Zuschauer. Se. Maj. der Kaiser suchen auf alle mögliche Art diese Operetten emporzubringen und lassen die besten Sujets dazu aussuchen. Die Rollen sind schon gegenwärtig alle doppelt besetzt, damit durch die Unpäßlichkeit eines oder anderen Sängers die Aufführung nicht gehindert werde. Unser berühmter Schauspieler Hr. Müller hat Auftrag dieselben in der Action, sowie Hr. Umlauf, welcher sich durch die musikalische Composition dieser Operette soviel Ehre erworben, im Singen zu unterrichten. Außerdem ist merkwürdig, daß diese Operetten nicht unter der gewöhnlichen Theatercensur, sondern unmittelbar unter dem Ober-Kammerherrn und Sr. Maj. dem Kaiser stehen.«
14 Dahin gehörten Robert und Kalliste (La sposa fedele) von Guglielmi, Röschen und Colas von Monsigny, Lucile, Silvain, der Hausfreund von Gretry, Anton und Antonette von Gossec.
15 Die Apotheke von Engel war früher von Neefe componirt und 1772 und 1773 mit Beifall gegeben worden (mus. Monatsschr. 1792 S. 66).
16 Lange Selbstbiogr. S. 104ff. Müller Abschied S. 253. 261.
17 Leop. Mozart schrieb seinem Sohn (2. Dec. 1780) daß Graf Hardeck, der kaiserliche Gesandte in München, diese Berufung vermittelt habe.
18 Sie ist zu unterscheiden von Elisabeth Teyber (I S. 87. II S. 531), wahrscheinlich eine jüngere Schwester derselben; später verheirathete sie sich mit dem Tenoristen Ferd. Arnold, der damals ebenfalls bei der deutschen Oper angestellt war, und verließ nachher mit ihm Wien.
19 Mad. Fischer, geb. Straßer »singt sehr gut und ist eine treffliche Actrice« nach Mozarts Bericht (II S. 83), der sie in Mannheim hörte. Sie war dort 1758 geboren, durch Giorgetti gebildet, 1772 als Sängerin engagirt und ging 1778 mit nach München. Im folgenden Jahr heirathete sie den Bassisten L. Fischer und ging mit ihm nach Wien (Reichardt musik. Monatsschr. 1792 S. 68). Ihre Declamation und Action wird als wahr und lebendig, nur mitunter zu heftig charakterisirt (musik. Alman. Alethin. 1782 S. 57).
20 Vgl. I S. 212.
21 »Mad. Bernasconi war Glucks Liebling. Ihre Alceste, ihre Iphigenia, ihre Locandiera zeichneten die Schauspielerin aus« (Meyer Biogr. Schröders I S. 369).
22 »Die Bernasconi ist hier und hat 500 Ducaten Besoldung, weil sie alle Arien um ein gutes Komma höher singt«; schrieb Mozart schon 27. Juni 1781 »das ist aber wirklich eine Kunst, denn sie bleibt richtig im Ton. Sie hat jetzt versprochen um einen halben Ton höher zu singen, da will sie aber noch soviel mehr haben.«
23 Dauer war früher beim Theater in Gotha, und hatte sich dort Müller als einen launigen Schauspieler mit schöner Tenorstimme und musikalischer Bildung empfohlen (Abschied S. 181. 189. 194).
24 J. Adamberger, geb. in München 1743, wurde durch Balesi (II S. 48. 436) gebildet, und sang seit 1762 auf mehreren Theatern Italiens, wo er sich Adamonti nannte. Später kehrte er nach München zurück – dort hörte ihn Burney im Jahr 1772 (Reise II S. 94) –, und ging von da nach Wien. Hier verheirathete er sich 1781 mit der ausgezeichneten Schauspielerin Mariane Jacquet (geb. 1752, gest. 1804), und starb im Jahr 1803.
25 Ludwig Fischer, geb. in Mainz 1745, wurde in Mannheim von Raaff (II S. 86ff.) zum Sänger gebildet, dort engagirt ging er mit der Kapelle nach München und wurde von da nach Wien berufen. Im Jahr 1783 verließ er Wien, reiste nach Paris und Italien, wurde 1784 vom Fürsten Thurn und Taxis und 1789 in Berlin angestellt (Reichardt musik. Monatsschr. 1792 S. 67f.). Dort starb er im Jahr 1825.
26 Das Personal der Oper in den Jahren 1781 bis 1783, welches ich mit der Angabe ihres Gehalts Meyer a.a.O. I S. 356f. entlehne, war folgendes.
Sänger. Adamberger (2133 fl. 20 Kr.). – Souter (1200 fl.). – Dauer (?). – Fischer (1200 fl.). – Günther (1200 fl.). – Schmidt (1200 fl.). – Ruprecht (700 fl.). – Hoffmann (600 fl.). – Frankenberger (400 fl.). – Saal (800 fl.).
Sängerinnen. Mlle. Cavallieri (1200 fl.). – Mad. Lange (1706 fl. 20 Kr.). – Mad. Fischer (1200 fl.). – Mlle. Teyber (800 fl.). – Mlle. Haselbeck (600 fl.). – Mlle. Brenner (400 fl.). – Mad. Saal (800 fl.). – Mad. Bernasconi (500 Duk.).
Das Orchester, dessen Leitung Kapellmeister Umlauf (850 fl.) hatte, bestand aus 6 ersten, 6 zweiten Violinen, 4 Bratschen, 3 Violoncells, 3 Contrabässen, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Clarinetten, 2 Fagotts, 4 Hörnern, 2 Trompeten und Pauken. Die Besoldung desselben betrug 16124 fl.
27 Sie war ursprünglich französisch unter dem TitelLa rencontre imprévue im Jahr 1764 für Wien geschrieben; Schmid Gluck S. 107ff.
28 Mosel über das Leben und die Werke des Ant. Salieri S. 72f.
29 Leop. Mozart wünschte später für das Salzburger Theater diese Oper zu erhalten und hatte sich an seinen Sohn gewandt, der ihm darauf antwortete (10. Dec. 1783): »Ich schreibe Ihnen nur in größter Eile daß ich die Oper Der Rauchfangkehrer schon um 6 Dukaten gekauft und im Hause habe. – Nach Ihrem Schreiben zu urtheilen glauben Sie es sei eine welsche Opera; nein, es ist ein deutsches und obendrein elendes Originalstück, welches den Hrn. Doktor Auernbrugger in Wien zum Verfasser hat. Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen davon erzählt habe daß Hr. Fischer öffentlich auf dem Theater darüber satirisirt hat.« Ebenso lautet das Urtheil in Cramers Magazin der Musik I S. 353. Auernbrugger war übrigens als Arzt rühmlich bekannt, seine Töchter Franziska und Mariane zeichneten sich als Klavierspielerinnen aus (Nicolai Reise IV S. 554); von der letzteren, einer Schülerin Salieris, die früh starb, wurden Compositionen gedruckt (Cramer Magaz. I S. 928).
30 Der Gegensatz zwischen Nord- und Süddeutschland, in den politischen und confessionellen Verhältnissen begründet, machte sich auch in der Litteratur und Kunst unangenehm genug bemerkbar und hatte ebenfalls auf die musikalischen Sympathien und Antipathien bestimmenden Einfluß. In Forkels musik. Alman. 1784 S. 189ff. wird die Frage, warum die Musik der Wiener Componisten im Norden durchgängig gefalle, die nordische in Wien so wenig, ausführlich in einem Bericht aus Wien behandelt, woraus sich der beiderseitige Standpunkt erkennen läßt. Nicolai erzählt (Reise IV S. 556) er habe in Wien manche sonst eifrige und geschickte Liebhaber der Musik von Ph. Em. Bach nicht allein mit Gleichgültigkeit, sondern sogar mit innerem Widerwillen sprechen hören, Kozeluch und Steffan wären ihnen für das Klavier Alles. Adamberger wurde um sein Urtheil über eine berühmte Sängerin aus Norddeutschland gefragt und erklärte, sie sänge lutherisch, was er auf näheres Befragen dahin erläuterte: »Lutherisch singen nenne ich, wenn man eine schöne Stimme bei einem Sänger hört, wie sie derselbe von der Natur erhalten hat, wenn man ferner eine gute musikalische Bildung wahrnimmt, wie sie in Norddeutschland recht häufig gefunden wird, wenn aber gar keine italiänische Schule des Gesanges sichtbar ist, durch die man doch ganz allein erst zum wahren Sänger gebildet wird« (Allg. Wiener Musikzeit. 1821 S. 56).
31 Man s. den Brief Heufelds II S. 148. Wieland hatte dem Schauspieler Müller seinen Schweitzer als einen trefflichen Compositeur empfohlen, der zum deutschen Gesang allen vorzuziehen sei, da er die deutsche Sprache verstehe, und dem es sehr zu wünschen sei daß ihn der Kaiser nach Wien berufe, weil er in Gotha versaure (Müller Abschied S. 188). Wir wissen daß er ihn selbst Gluck vorzog (II S. 139); ebenso urtheilte Gottl. Hufeland, der von Wien aus (3. März 1783) an Salzmann schrieb: »Ich habe hier ein paar Stücke von Gluck gehört: Alceste und die Pilgrimme von Mekka. Einige schöne Stücke sind nicht zu verkennen, aber im Ganzen halte ich noch immer Schweitzer für einen größern Operncomponisten« (Stöber Alsatia 1853 S. 92); eine enthusiastische Charakteristik Schweitzers findet man auch im musikalischen Almanach (Alethin. 1782 S. 51ff.). Auch Georg Benda, der in Gotha unzufrieden war, hatte gegen Müller seine Neigung ausgesprochen nach Wien zu kommen und seine Ariadne dort aufzuführen (Müller Abschied S. 185). In Forkels musikalischer Bibliothek (III S. 340) wurde sogar schon die Nachricht aus Wien (Nov. 1778) mitgetheilt, der berühmte Benda, auf dessen geistliche und theatralische Werke Deutschland die größte Ursache habe stolz zu sein, sei bei dem deutschen Nationaltheater als Kapellmeister und dessen würdiger Sohn zur deutschen Oper mit einem namhaften Gehalt aufgenommen. Allein dies war unrichtig. Im Winter 1782 kam Fried. Ludw. Benda der Sohn, damals in Ludwigslust, nach Wien und fand als Violinspieler großen Beifall, sowie seine Frau als Sängerin, von welcher Gluck erklärte, daß er keine Sängerin kenne, welche eine so wahre und gute Art des Vortrags und Gesanges habe (Berl. Litt. u. Theat. Zeitung 1783 I S. 122ff. II S. 300. Cramer Magaz. d. Musik I S. 353); allein eine Anstellung erfolgte nicht.
32 Cramer Magazin der Musik I S. 353. In diesem Bericht, welchem Schmid (Gluck S. 379) gefolgt zu sein scheint, heißt es Glucks Alceste, Iphigenia in Tauris und Orpheus seien italiänisch gegeben; allein in Mozarts Briefen ist immer nur von Alceste und Iphigenie, ausdrücklich auch von der deutschen Bearbeitung der letzteren die Rede, und damit stimmt auch die bestimmte Angabe Müllers (Abschied S. 270 vgl. A. M. Z. XIV S. 268) überein. Die deutsche Uebersetzung war von Alxinger (Forkel musik. Alman. 1783 S. 153). Nicht ohne Bedeutung ist es, daß Alceste nicht nach der neuen französischen Bearbeitung, sondern in der ursprünglichen italiänischen Gestalt gegeben wurde.
33 Reichardt berichtet von seiner Unterredung mit Joseph II im Sommer 1783 (A. M. Z. XV S. 667): »Erzherzog Maximilian brachte das Gespräch auf Gluck, den beyde als großen Tragiker für die Scene zu ehren schienen; doch war dem Kaiser dies und jenes auch nicht so ganz an Glucks Opern wie es wohl sein sollte.« Derselbe erzählt eine charakteristische Anecdote (musik. Monatsschr. 1792 S. 57): »Kaiser Joseph amüsirte sich einstmals nebst seinem Bruder, dem Erzherzog Maximilian mit Glucks Iphigenia in Tauris. Beide sangen bei der Begleitung eines Claviers und ein paar Violinen. Gluck selbst kam dazu. Er schüttelte mit dem Kopf und zupfte ängstlich an seiner Perücke. Der Kaiser bemerkte es und fragte ihn: Wie? Sind Sie nicht mit uns zufrieden? Gluck (der kein starker Fußgänger war) antwortete mit seiner gewöhnlichen Freimüthigkeit: Ich wollte lieber zwei Meilen Post laufen, als meine Oper so – – ausführen hören. Der Kaiser lächelte und sagte: Seien Sie nur ruhig, Sie sollen Ihre Oper nicht länger mißhandeln hören. Setzen Sie sich aus Clavier und geben Sie uns etwas Besseres als wir Ihnen geben können.« – Höflicher war freilich Weigl, der den Kaiser Franz, welcher in einem Quartett mitspielte und die Vorzeichnung nicht beachtete, um »ein allergnädigstesfis« bat.
34 Vgl. II S. 560f. Die Gluckschen Opern wurden mit großer Pracht ausgestattet; der Balletmeister Crux aus München wurde mit anderen Tänzern berufen um die Ballets zu arrangiren; auch selbständige Ballets wurden wieder aufgeführt (Müller Abschied S. 269f. Meyer Biogr. Schröders I S. 378. A. M. Z. XXIV S. 268).
35 Unter den mancherlei Neuigkeiten, welche Mozart seinem Vater aus jener geräuschvollen Zeit mittheilt, ist ein für den Kaiser charakteristischer Zug wohl mittheilenswerth. Er hatte den bedeutendsten Schauspielern gestattet sich eine Rolle auszuwählen um in derselben vor dem Großfürsten aufzutreten. Lange hatte den Hamlet gewählt, was ihm Graf Rosenberg abschlug, weil es Brockmanns Rolle sei; dieser aber hatte sich geäußert, er werde ihn auch nicht spielen, weil ja der Großfürst selbst ein Hamlet sei. Der Kaiser, der es erfuhr, schickte Brockmann 50 Dukaten.
36 »Der Herzog von Würtemberg ist ein charmanter Herr, wie auch die Herzogin und die Prinzessin; der Prinz aber ist ein achtzehnjähriger Stecken und ein wahres Kalb«, lautet Mozarts bündige Charakteristik in einem Briefe an den Vater (17. Nov. 1781). Vgl. Erinnerung an F.L.W. Meyer I S. 77.
37 Cramer Magazin II S. 959.
38 A. M. Z. XV S. 668.
39 I S. 239f.
40 Uebrigens fand Mozart den Erzherzog in seinem ganzen Wesen nicht zu seinem Vortheil verändert, worüber er sich in demselben Brief unumwunden ausspricht. »Wem Gott ein Amt giebt, giebt er auch Verstand – so ist es auch wirklich beym Erzherzog. Als er noch nicht Pfaff war, war er viel witziger und geistiger und hat weniger, aber vernünftiger gesprochen. Sie sollten ihn itzt sehen! Die Dummheit guckt ihm aus den Augen heraus, er redet und spricht in alle Ewigkeit fort und Alles im Falset, er hat einen geschwollenen Hals, – mit einem Wort, als wenn der ganze Herr umgekehrt wäre!« Auch bei seinem Aufenthalt in Paris hatte der Erzherzog manchen Anstoß gegeben. Le voyage de l'archiduc fut de toute façon une mésaventure – sagt Mde. Campan (mém. sur la vie de Marie-Antoinette ch. 5 p. 107f.). Ce prince ne fit partout que des bévues. Die Königin war darüber sehr unglücklich und Joseph II hielt sich, als er nach Paris kam, unverholen über die Dummheiten seines Bruders auf.
41 Im folgenden Jahr zeigte sich von Neuem eine Gelegenheit, in den Dienst der Prinzessin Elisabeth zu treten. Salieri war ihr Maestro, aber nicht im Stande sie im Klavier zu unterweisen, und hierauf hatte Mozart die nächsten Ansprüche; »er müßte sich nur bemühen« schreibt er dem Vater (31. Aug. 1782) »mir mit Jemand Andern in dieser Sache Schaden zu thun – das könnte seyn! Uebrigens kennt mich der Kaiser, die Prinzessin hätte schon das vorigemal gern von mir gelernt, und ich weiß, daß in dem Buche, worin die Namen aller die zu ihrer Bedienung bestimmt sind enthalten sind, auch mein Name steht.« Aber Salieri war viel zu vorsichtig um einen Mann wie Mozart, zumal nachdem er durch die Entführung einen entschiedenen Ruf erlangt hatte, in eine Stellung kommen zu lassen, in der er ihm gefährlich werden kennte. Ein unbedeutender Musiker, Namens Summerer, wurde Klavierlehrer bei der Prinzessin Elisabeth; Mozart tröstete sich, als er erfuhr sein Gehalt betrage 400 fl., denn dabei sei kein Gewinn, durch Warten, Fahren und Vernachlässigen anderer, wie es der Dienst bei einer Prinzessin mit sich bringe, gehe leicht soviel darauf (12. Oct. 1782).
42 Mosel Salieri S. 22.
43 Muzio Clementi, geb. in Rom 1752 (oder 1750), erhielt dort einen gründlichen und vielseitigen musikalischen Unterricht und zeichnete sich schon früh als Klavierspieler so aus, daß ein Engländer Beckford ihn als vierzehnjährigen Knaben mit nach England nahm um ihn dort ausbilden zu lassen. Nachdem er darauf eine Zeitlang in London den Flügel in der Oper gespielt hatte, reiste er 1780 nach Paris, und von da über Straßburg und München nach Wien. Nach seiner Rückkehr blieb er, mit Ausnahme einer Reise nach Paris im Jahr 1785, in London bis 1802, war dann bis 1810 auf Reisen und hielt sich von da an bis zu seinem Tode (1832) in London auf.
44 Ludwig Berger, Clementis Schüler, hat die Erzählung, welche ihm sein Lehrer im Jahr 1806 über diese Zusammenkunft ganz übereinstimmend mit der Mozartschen gemacht hatte, mitgetheilt (Cäcilia X S. 238ff. A. M. Z. XXXI S. 467ff.). »Kaum einige Tage in Wien anwesend« erzählte Clementi »erhielt ich von Seiten des Kaisers eine Einladung, mich vor ihm auf dem Fortepiano hören zu lassen. In dessen Musiksaal eintretend, fand ich daselbst Jemand, den ich seines eleganten Aeußern wegen für einen kaiserlichen Kammerherrn hielt; allein kaum hatten wir eine Unterhaltung angeknüpft, als diese sofort auf musikalische Gegenstände überging und wir uns bald als Kunstgenossen – als Mozart und Clementi – erkannten und freundlichst begrüßten.« Ein in Kleinigkeiten etwas abweichender Bericht ist nach einem englischen Nekrolog Clementis mitgetheilt A. M. Z. XXXIV S. 657f.
45 »Bemerkenswerth ist« sagt Berger »hier noch Clementis Eigenthümlichkeit auf den Fermaten seiner Sonaten längere und höchst interessante, thematisch ausgeführte Zwischenspiele und Cadenzen zu extemporiren, was ihn auch bei jener Concurrenz zur Wahl einer Sonate veranlaßte, die zu dem Zweck zwar geeignet, aber in anderer Hinsicht doch hinter manchen seiner früheren Compositionen dieser Gattung zurückstand. Es war folgende (Oeuvres VI, 2:)
und wir haben diesem Thema vielleicht das geniale, in seiner Art unübertroffene Allegro der Ouverture der Zauberflöte zu danken.« Clementi fand es rathsam bei der Wiederherausgabe dieser Sonate sich die Priorität durch die vorausgeschickte Bemerkung zu sichern : Cette sonate, avec la Toccata qui la suit, a été jouée par l'auteur devant Sa. M.I. Joseph II en 1781; Mozart étant présent. Daß Mozart sich dieser Reminiscenz bewußt war ist kein Grund zu bezweifeln; ich werde darauf zurückkommen.
46 Dittersdorf bestätigt dies, indem er in dem Bericht über sein Gespräch mit Joseph II unter Anderem Folgendes anführt (Selbstbiogr. S. 236f.): »Kaiser. Haben Sie den Mozart spielen gehört? – Ich. Schon dreimal. – Kaiser. Wie gefällt er Ihnen? – Ich. Wie er jedem Kenner gefallen muß. – Kaiser. Haben Sie auch den Clementi gehört? – Ich. Ich habe ihn auch gehört. – Kaiser. Einige ziehen ihn dem Mozart vor, worunter Greybig à la tête ist. Was ist Ihre Meinung hierüber? Grade heraus! – Ich. In Clementis Spiel herrscht bloß Kunst, in Mozarts aber Kunst und Geschmack. – Kaiser. Ebendas habe ich auch gesagt.«
47 Dafür schickte ihm der Kaiser 50 Dukaten, »welche ich dermalen recht nöthig brauche.«
48 Als später seine Schwester in Salzburg mit Clementischen Sonaten bekannt wurde, schrieb er ihr (7. Juni 1783): »Nun muß ich meiner Schwester wegen den Clementischen Sonaten ein paar Worte sagen. Daß die Composition davon nichts heißt wird Jeder, der sie spielt oder hört, selbst empfinden. Merkwürdige oder auffallende Passagen sind keine darin, ausgenommen die Sexten und Octaven und mit diesen bitte ich meine Schwester sich nicht gar zu viel abzugeben, damit sie sich dadurch ihre ruhige und stette Hand nicht verdirbt, und die Hand ihre natürliche Leichtigkeit, Gelenkigkeit und fließende Geschwindigkeit dadurch nicht verliert. Denn was hat man am Ende davon? Sie soll die Sexten und Octaven in der größten Geschwindigkeit machen (welches kein Mensch wird zu Wege bringen, selbst Clementi nicht) – so wird sie ein entsetzliches Zackwerk hervorbringen, aber sonst weiter in der Welt nichts. Clementi ist ein Ciarlattano, wie alle Welsche! Er schreibt auf eine Sonate Presto, auch wohl Prestissimo und alla breve, und spielt sie Allegro im 4/4 Takt. Ich weiß es, denn ich habe ihn gehört! Was er recht gut macht, sind seine Terzenpassagen; er hat aber in London Tag und Nacht darüber geschwitzt. Außer diesen hat er aber nichts – gar nichts – nicht den geringsten Vortrag, noch Geschmack, viel weniger Empfindung.« Dies Urtheil bezieht sich nicht so wohl auf die Sonate als auf die Toccata, welche allerdings Prestissimo überschrieben und eine brillante Etude für Terzen- und Quartenpassagen in Triolen ist.
49 Die humane Auffassung Bergers ist gewiß richtig. Doch möchte ich nicht dafür einstehen daß auf die herbe Fassung von Mozarts Urtheil nicht seine Abneigung gegen die Welschen einigen Einfluß übte, die im Allgemeinen, wie wir immer klarer erkennen werden, nur zu wohl begründet war.
50 »Was Sie schreiben wegen dem Gerede«, antwortet er dem Vater (10. April 1782) »daß ich ganz sicher zum Kayser in Dienste kommen würde, ist die Ursache daß ich Ihnen nichts davon geschrieben, weil – ich selbst kein Wort davon weiß. Daß auch hier die ganze Stadt davon voll ist und mir schon eine Menge Leute dazu gratulirt haben, ist sicher und daß beym Kayser auch ist davon gesprochen worden und er es vielleicht im Sinn hat, will ich ganz gern glauben, – aber bis Dato weiß ich kein Wort. So weit ist es gekommen, daß es der Kayser im Sinn hat, und das ohne daß ich dazu einen Schritt gethan habe. Ich bin etwelchemal zum Hrn. v. Strack (welcher gewiß mein recht guter Freund ist) gegangen, um mich sehen zu lassen, und weil ich gern mit ihm umgehe; aber nicht oft um ihm nicht beschwerlich zu fallen und keine Gelegenheit zu geben, als hätte ich Absichten dabey; – und wenn er als ein ehrlicher Mann reden will, so muß er sagen, daß er nicht ein Wort von mir gehört hat, welches ihm hätte Anlaß geben können nur zu denken, daß ich bleiben möchte, geschweige erst zum Kayser zu kommen. Wir sprachen nichts als von Musique. Aus eigenem Triebe also und ganz ohn all Interesse redet er so vortheilhaft von mir beym Kayser. Ist es so weit ohne mein Zuthun gekommen, so kann es auch so zum Schluß kommen. Denn rührt man sich, so bekömmt man gleich weniger Besoldung – der Kayser ist ohnehin ein Knicker. Wenn mich der Kayser haben will, so soll er mehr bezahlen, denn die Ehre allein beym Kayser zu seyn ist mir nicht hinlänglich.«
51 Die folgende Darstellung gründet sich auf einen ausführlichen Bericht über Josephs Kammermusik in der musikalischen Correspondenz 1790 S. 27ff., der für alle wesentlichen Punkte wörtlich benutzt ist. Einige andere Notizen über die hier berührten Verhältnisse und Persönlichkeiten bestätigen nur was dort überliefert ist.
52 Mosel Salieri S. 22.
53 Mosel a.a.O. S. 71f.
54 A. M. Z. XXIV S. 285.
55 In der A. M. Z. XV S. 512 wird folgende Anecdote als eine in Wien da sie vorfiel allgemein bekannte erzählt. »Kaiser Joseph II schrieb sich selbst für seine schöne Baßstimme zuweilen eine Kleinigkeit, die dann gewöhnlich sehr gut ausfiel. Einst machte er sich aber an eine große Arie und legte sie in eine der kleinen italiänischen Opern ein, die er auf seinem Privattheater in Schönbrunn gab. Es sollte Niemand wissen, sie sei von ihm, aber Jeder wußte es. Auch Mozart. Mozart, was sagst Du [so redete der Kaiser nicht an] zu der Arie? fragte ihn der Kaiser. Je nun, antwortete der kindlich freie und kindlich heitere Mensch, die Arie ist wohl gut, aber der sie gemacht hat, doch viel besser.«
56 A. M. Z. XV S. 66.
57 Eine charakteristische Scene erzählt Mosel Salieri S. 130f.
58 Dittersdorf erzählt eine Geschichte der Art (Selbstbiogr. S. 241). Der Kaiser sang eine komische Arie, mit welcher der Kasperl des Marinellischen Theaters viel Beifall gefunden hatte, in derselben Weise nach und fragte, wie er seine Sache gemacht habe. O, o, erwiederte Kreibich, Ew. Majestät sind der leibhafte Kasperl. Der Kaiser lachte überlaut, und meinte es sei doch grob ihn vor seiner Kapelle einen Kasperl zu nennen; als aber Kreibich ganz bestürzt um Verzeihung bat, sagte er, es sei schon verziehen, gewissen Leuten nehme man nichts übel; Kreibich habe sich gut revanchirt dafür daß er ihn so oft einen Hanswurst genannt habe, und das werde er auch bleiben, wenn er (der Kaiser) auch einmal im Singen Kasperle sei. Man nannte aber in Wien den Kaiser seiner Witze wegen den Kasperl (Erinnerung an F.L.W. Meyer I S. 73).
59 Gegen Haydn hatte Joseph II eine bestimmte Abneigung. Reichardt erzählt (A. M. Z. XV S. 667), Joseph habe ihm zu seinem Befremden gesagt er halte nicht viel von den Späßen wie Haydn sie mache und sei arg über ihn hergezogen. »Reichardt erfuhr aber bald, daß ein zwar angenehmer, aber ziemlich beschränkter Violinist und Instrumental-Componist Kreibich mit Namen, der Kammerdiener des Kaisers war [dies beruht auf einer Verwechslung mit Strack] und in seiner kleinen Kammermusik die erste Violine spielte, ein großer Antagonist von Haydn sei und es beim Kaiser auch bereits soweit gebracht hatte, daß in dem kaiserlichen Theater nur selten Haydnsche Symphonien gespielt werden durften« (vgl. Reichardts vertr. Briefe aus Wien II S. 91). »Joseph wurde nur während seiner Reisen auf Haydn aufmerksam gemacht« berichtet Griesinger (Biogr. Not. über J. Haydn S. 63f.). Er hatte ihm aufgetragen die Oper La vera costanza zu schreiben; die Rollen wurden gegen Haydns Wunsch und Bestimmung vertheilt und der Kaiser selbst konnte es nicht durchsetzen daß man Haydn willfahrte, so daß dieser seine Oper zurückzog; vgl. Dies Biogr. Nachr. v. J. Haydn S. 57.
60 Als Dittersdorf dem Kaiser sein Urtheil über den Geiger Jarnowich abgegeben und dieser sich freuet eine solche Autorität Kreibich entgegenhalten zu können, antwortet er: »Da werden mir Ew. Majestät den Greybig auf den Hals hetzen, und ich will mich lieber in seine Gnade als in sein Maul recommandiren. – Kaiser. Sie werden sich doch wohl nicht vor dem Hanswurst fürchten? – Ditt. O gar sehr! Denn wenn er gewahr wird, daß ich nicht seiner Meinung bin, so wird er mir ein noch garstigeres Lob beilegen als dem Haydn und Mozart« (Dittersdorfs Selbstbiogr. S. 234). Auch später als Dittersdorf über Mozarts Quartetts günstig urtheilt, ist Joseph sehr zufrieden, daß er ihm ein Stäbchen in die Hand gegeben womit er Greybig auf seinen Gänseschnabel klopfen wolle (ebend. S. 239), und eben derselbe war ja à la tête derjenigen, welche Clementi Mozart vorzogen.
61 Außer Mosels Biographie vergl. man die Schilderung bei Rochlitz (Für Freunde der Tonkunst IV S. 342ff. A. M. Z. XXVII S. 412f.).
62 A. Hüttenbrenner, ein Schüler Salieris, erzählt nach dessen Mittheilungen (A. M. Z. XXVII S. 797), daß Mozart oft zu Salieri kam, mit den Worten: »Lieber Papa, geben Sie mir einige alte Partituren aus der Hofbibliothek, ich will sie bei Ihnen durchblättern«; über deren Studium er dann manchmal das Mittagsbrot versäumte.
63 Die anziehenden Mittheilungen der Frau S. Haibl sind in einem österreichischen Journal gedruckt, das ich leider nicht näher zu bezeichnen weiß, weil ich nur die Ausschnitte benutzen konnte, welche Al. Fuchs gesammelt hatte ohne Angabe des Journals, dem sie entnommen waren.
64 Er besuchte ihn noch wenige Tage vor seinem Tode und fehlte auch beim Leichenbegängniß nicht (A. M. Z. XXVII S. 797).
65 Es ist nicht ganz richtig, wenn Mosel (Salieri S. 211f.) sagt, man könne Salieri »nicht einmal Tadel der Erzeugnisse des großen Meisters sondern bloß Schweigen über die Vorzüge derselben« nachweisen, ein Schweigen, das »freilich seine Quelle gehabt haben möge in einiger Eifersucht auf den Ruhm seines Nebenbuhlers, deren auch der edelste Künstler sich nicht völlig erwehren kann.« Allerdings äußerte er sich in späteren Jahren mit Anerkennung und Hochachtung über Mozart (Hüttenbrenner A. M. Z. XXVII S. 797); Rochlitz, welcher solche Aeußerungen Salieris anführt (Für Freunde der Tonkunst IV S. 345f.), betont aber doch im Nekrolog Salieris (A. M. Z. XXVII S. 412), daß Salieri später Mozart habe Gerechtigkeit widerfahren lassen und findet die Behauptung daß er in früheren Jahren seinem deutschen Rivalen in Josephs Gunst und in theatralischer Wirksamkeit schweres Spiel gemacht habe, bei seiner italiänischen Natur und einem leicht zur Heftigkeit aufgereizten Temperament sehr glaublich. Indessen habe ich von glaubwürdigen Zeugen in Wien gehört, daß Salieri noch im hoben Alter, wenn er im vertrauten Kreise zu sein glaubte, mit einer für die Zuhörer peinlichen Leidenschaftlichkeit die ungerechtesten Urtheile über Mozarts Compositionen aussprach.
66 Daß eine Eifersucht dieser Art auch nicht im entferntesten das schändliche Gerede rechtfertigt als ob Salieri Mozart vergiftet habe, sei nur mit einem Wort gleich hier angedeutet.
67 Aloys, Fürst von Liechtenstein (geb. 175*, gest. 1805) war der älteste Sohn des regierenden Fürsten der älteren Linie Franz Joseph, dessen Einkünfte damals auf 900000 Kaisergulden geschätzt wurden; K. R[isbeck] Briefe I S. 272.
68 Dieser Beziehung zum Fürsten Liechtenstein verdankt wahrscheinlich eine Gelegenheitscantate ihre Entstehung, welche vor 1784 geschrieben sein muß, weil sie in Mozarts eigenhändigem Catalog nicht verzeichnet ist. Sie führt den Titel »Cantate componirt für Herrn Fürsten Aloys von Lichtenstein von W. A. Mozart« auf einer nach dem Original (das mir nicht bekannt geworden ist) gemachten Abschrift in der kön. Bibliothek zu Berlin, deren Kenntniß ich Prof. Dehn verdanke. Dem Text nach scheint sie zur Verlobung oder Vermählung des Fürsten geschrieben zu sein und kann nur als eine reine Gelegenheitscomposition angesehen werden. Der Text ist bis zum Aeußersten trivial und ungeschickt und die Feierlichkeit, welche die Musik diesen Worten unterthäniger Verehrung giebt, streift mitunter aus Komische; wie z.B. gleich zu Anfang die Anrede »Durchlauchtigster!« dreimal, durch sich steigernde Accorde des Orchesters unterbrochen, wiederholt wird. Sie ist für zwei Solostimmen (Sopran und Tenor) und Chor mit vollständigem Orchester componirt und besteht aus vier Sätzen. In dem langsamen feierlichen Einleitungssatz (As-dur!) sprechen die beiden Solostimmen, mit welchen Violine und Violoncell concertiren, ihre Devotion aus, nicht ohne Würde und Anstand, aber im Ganzen einigermaßen langweilig. Angenehmer ist das darauf folgende Andante (As-dur) in welchem die Solostimmen mit dem Cher abwechseln; daran schließt sich ein munterer Chor (C-dur) von festlichem Charakter, der meistens etwas Fanfarenartiges annimmt und in den längeren, fugirten Schlußsatz auf Amen in rascher Bewegung ausläuft. Sicherheit und Geschicklichkeit wird natürlich nirgends vermißt, einzelne bedeutende Züge treten kaum hie und da hervor; das Ganze scheint mehr auf die Wirkung des Augenblicks und zufälliger Umstände berechnet zu sein als andere Gelegenheitscompositionen Mozarts.
69 »Um 10 Uhr« schrieb er dem Vater (26. Dec. 1781) »habe ich die Stunde bei der Frau von Trattner und um 11 Uhr bei der Gräfin Rumbeck. Jede giebt mir für zwölf Lectionen 6 Ducaten, und dahin gehe ich alle Tage, ausgenommen sie schicken – welches mir niemalen lieb ist. Bey der Gräfin habe ich es schon ausgemacht, daß sie niemalen schickt; triff ich sie nicht an, so habe ich doch mein Billet; die Trattnerin ist aber zu oeconom dazu.« – Frau v. Trattner war eine Schülerin, die ihn durch ihr Talent interessirte; Niemtschek erwähnt (S. 59) eines Briefes, welchen Mozart an sie über den Vortrag seiner für sie geschriebenen Klavierphantasie richtete, aus dem man sehen könne, daß er nicht nur die Praxis sondern auch die Theorie seiner Kunst vollkommen verstanden habe. Nissen erwähnt in einem Brief an Breitkopf u. Härtel (27. Nov. 1799) zwei interessante Briefe Mozarts über Musik an Frau v. Trattner, die damals im Besitz Gelineks sein sollten.
70 In der Wiener Zeitung vom Jahr 1781 No. 98 erschien folgende Anzeige: »In der Kunsthandlung Artaria & Comp. auf dem Kohlmarkt der Michaelerkirche gegenüber sind neu aufgelegt und zu haben 6 Sonaten für das Clavier mit Begleitung einer Violine von dem genugsam bekannt und berühmten Herrn Wolfgang Amadee Mozart op. 2 (5 fl.).« Sie finden sich Oeuvres IV abgedruckt. Von ihnen war n. 2 (inC-dur) schon in Mannheim componirt (II S. 134) und n. 4 (aus B-dur) seiner Schwester ebenfalls schon bekannt, wie er ihr schreibt (4. Juli 1781), also wohl in Salzburg geschrieben. – Sie wurden bald nach ihrem Erscheinen in Cramers Magazin der Musik (I S. 485) als einzig in ihrer Art gepriesen; reich an neuen Gedanken verriethen sie überall die Spuren des großen Genies ihres Verfassers, seien dabei sehr brillant und dem Instrument angemessen, Violine und Clavier so künstlich verbunden, daß beide in beständiger Aufmerksamkeit unterhalten würden, aber beide einen fertigen Spieler verlangten; eine vollständige Beschreibung des originellen Werkes sei nicht möglich.
71 Als er die Sonaten nach Salzburg schickte, schrieb er (2. März 1782): »Zugleich überschicke ich Ihnen auch das letzte Rondeaux, welches ich zu dem Concert ex D gemacht habe, und welches hier so großen Lärm macht. Dabey bitte ich Sie aber es wie ein Kleinod zu verwahren und es keinem Menschen, auch dem Marchand und seiner Schwester [welche damals bei dem Vater zu ihrer musikalischen Ausbildung im Hause waren s. I S. 139] nicht zu spielen geben. Ich habe es besonders für mich gemacht und kein Mensch als meine liebe Schwester darf es mir nachspielen.« Dies Rondo ist als der Schlußsatz des Concerts, welches bei André in Offenbach als op. 7 gestochen ist, bekannt gemacht, der ursprünglich componirte letzte Satz ist nicht gedruckt worden.
72 Clementi reiste Anfang Mai 1782 wieder von Wien ab.
73 So spielte er in einer Akademie bei Auernhammers mit der Tochter – die wir noch näher kennen lernen werden – das Concert a due (II S. 360) und »eine Sonate zu zweyen, die expreß dazu componirt ist und allen Succeß gehabt hat« (24. Nov. 1781). Seiner Schwester schrieb er (4. Juli 1781): »Dann habe ich drey Arien mit Variationen geschrieben, die könnte ich Dir freylich schicken, aber es ist mir nicht der Mühe werth, ich will lieber warten, bis was zusammenkommt.« Dergleichen Sachen schrieb er auch für seine Schülerinnen; »ich schließe«, heißt es in einem Brief (20. Juni 1781) »denn ich muß noch für eine Scolarin Variationen fertig machen.«
74 Schon am 25. Juli 1781 schrieb er: »Nun muß ich meine liebe Schwester um Verzeihung bitten, daß ich ihr nicht zu ihrem Namenstage schriftlich gratulire; der Brief liegt angefangener im Kasten. Als ich Samstag den Brief anfing, kam der Bediente der Gräfin Rumbeck und sagte daß Alles aufs Land gehen wollte, ob ich nicht auch mitgehen wollte? Weil ich dem Cobenzl nichts abschlagen will, so ließ ich also den Brief liegen, machte geschwind meine Sachen zusammen und ging mit. Ich dachte mir, meine Schwester wird mir es nicht übel nehmen. Ich wünsche ihr also in der Octav alles mögliche Gute und Ersprießliche was ein aufrichtiger Bruder seiner Schwester nur immer wünschen kann und küsse Sie auf das zärtlichste.«
75 Er ließ es auch an kleinen Beweisen der Anhänglichkeit und Aufmerksamkeit gegen die Seinigen nicht fehlen. »Ich nehme mir die Freyheit« schrieb er dem Vater (23. März 1782) »Ihnen mit einer Dose und ein Paar Uhrbändi aufzuwarten. Die Dose ist ganz artig und das Gemälde stellt eine englische Geschichte vor; die Uhrbänder sind von keinem sonderbaren Werthe, doch dermalen die größte Mode.« Beides hatte er, wie er dem Vater zu seiner Beruhigung geschrieben, nicht gekauft, sondern vom Grafen Zapara zum Geschenk erhalten. Auch der Schwester schickte er verschiedene Putzsachen und bat es sich aus daß sie ihn zu ihrem Commissionär mache (I S. 140f.), wie er ihr auch für ihre Herzensangelegenheiten warme Theilnahme bewährte (I S. 141). Die alten Salzburger Freunde hatte er in Wien nicht vergessen, er bat sich Nachrichten über sie von seiner Schwester »dem lebendigen Salzburger Protokoll« aus (I S. 140), und wünschte auch von dort noch als actives Mitglied des Bölzelschießens angesehen zu werden (II S. 19).
76 »Die Entführung« heißt es in einem Bericht aus Wien in Cramers Magazin I S. 352 »ist voll Schönheiten. Sie übertraf die Erwartung des Publicums, und des Verf. Geschmack und neue Ideen, die hinreißend waren, erhielten den lautesten und allgemeinsten Beifall.«
77 Er war eben beschäftigt seine Oper, die man nun allenthalben hören wollte, für Harmoniemusik zu arrangiren, als er von Salzburg eine Bestellung erhielt für eine festliche Veranlassung in der Hafnerschen Familie (I S. 547) eine neue Serenate zu componiren; man hatte sich an Leop. Mozart gewandt, dem es gelegen kam, daß Wolfgang durch eine solche Arbeit, die ihm geläufig war und dem Vater Vortheil brachte, sich seine Verpflichtungen gegen ihn erleichtern konnte. Er hat ihn daher eine Serenate rasch zu schreiben, denn die Zeit war nahe, wo sie gebraucht werden sollte; dieser war, so ungelegen es ihm kam, dazu bereit. »Nun habe ich keine geringe Arbeit«, schreibt er (20. Juli 1782) »bis Sonntag acht Tage muß meine Opera auf die Harmonie gesetzt seyn, sonst kömmt mir ein Anderer zuvor und hat anstatt meiner den Profit davon, und soll nun eine neue Symphonie machen! Wie wird das möglich seyn! Sie glauben nicht, wie schwer es ist, so was auf die Harmonie zu setzen, daß es den Blas-Instrumenten eigen ist und doch dabey nichts von der Wirkung verloren geht. Je nu, ich muß die Nacht dazu nehmen, anderst kann es nicht gehen, und Ihnen, mein liebster Vater, sey es aufgeopfert. Sie sollen alle Posttage sicher Etwas bekommen, und ich werde, so viel möglich, geschwind arbeiten, und so viel es die Eile zuläßt, gut schreiben.« Er hielt Wort, wenn es auch so rasch nicht ging als er selbst wünschte. »Sie werden Augen machen« schreibt er im nächsten Brief (27. Juli 1782) »daß Sie nur das erste Allegro sehen; allein – es war nicht anderst möglich, ich habe geschwind eine Nachtmusique machen müssen, aber nur auf Harmonie, sonst hätte ich sie für Sie auch brauchen können. Mittwoch den 31 ten schicke ich die zwei Menuett, das Andante und letzte Stück; kann ich, so schicke ich auch einen Marche – wo nicht, so müssen Sie halt den von der Hafnermusique (der sehr unbekannt ist) nehmen [Beil. X, 48]. Ich habe sie ex D gemacht, weil es Ihnen lieber ist.« Ganz fertig ward in den wenigen Tagen die Serenate allerdings noch nicht, denn im Brief vom 31. Juli heißt es: »Sie sehen daß der Wille gut ist, allein wenn man nicht kann, so kann man nicht! Ich mag nichts hinschmieren – ich kann Ihnen also erst künftigen Posttag die ganze Sinfonie hinschicken.« Nach acht Tagen konnte er dafür schreiben (7. Aug. 1782): »Hier schicke ich Ihnen einen kurzen Marsch! wünsche nur daß noch Alles zur rechten Zeit kommen möchte und nach Ihrem Geschmack seye. Das erste Allegro muß recht feurig gehen, das letzte so geschwind als möglich.« Als er sich später diese Symphonie schicken ließ um sie in seiner Akademie aufzuführen, schrieb er (15. Febr. 1783) dem Vater: »Die neue Hafner-Sinfonie hat mich ganz surprenirt, denn ich wußte kein Wort mehr davon, die muß gewiß guten Effect machen.« Man erkennt in dieser kleinen Begebenheit den ganzen echten Mozart, in seiner Gutmüthigkeit und Dienstbeflissenheit gegen seinen Vater wie in seiner Productionskraft und Elasticität; der sich entschuldigt, daß die Symphonie neben anderen Arbeiten nicht in vierzehn Tagen fertig war – und das zu einer Zeit, wo ihm nicht nur seine Oper sondern, wie wir sehen werden, seine Hochzeit Kopf und Herz einnahmen – und hinterher verwundert ist, daß er seine Sachen so gut gemacht habe. – Dies ist offenbar die Symphonie n. 5 der Sammlung bei Breitkopf u. Härtel, welche im Autograph (André Verz. 126) die Ueberschrift trägt à Vienna nel mese di Luglio 1782, obgleich nur ein Menuet und kein Marsch dabei ist. Mozart hat für die Aufführung in Wien später noch 2 Flöten und 2 Clarinetten zum ersten und letzten Satz hinzugesetzt, die in der gedruckten Partitur fehlen; der zweite Menuet und der Marsch waren wohl auf besonderen Blättern geschrieben und nicht aufbewahrt, weil sie in Wien nicht gebraucht wurden.
78 Der 26. Juli, St. Annentag ist der Namenstag der Schwester.
79 Die Wahrheit der folgenden Anecdote ist durch Niemtschek, der sie S. 23 berichtet, hinreichend verbürgt.
80 Sie wird näher durch das erläutert, was Joseph II gegen Dittersdorf äußerte: »In seinen Theaterstücken hat Mozart den einzigen Fehler, daß er, wie sich die Sänger sehr oft beklagt haben, dieselben mit seinem vollen Accompagnement übertäubt« (Dittersdorf Selbstbiogr. S. 237).
81 Es ist bekannt daß Napoleon von Cherubini auf ein ähnliches Urtheil über dessen Composition auf den Tod des General Hoche die gleiche Antwort erhielt (A. M. Z. XXXVI S. 21). Es bedarf nicht der ausdrücklichen Versicherung daß Cherubini die Anecdote von Mozart erst später erfahren habe, um überzeugt zu sein daß er nicht der Mann war einem Anderen nachzusprechen (A. M. Z. II S. 735).
82 Mancherlei dahin gehörige Züge geben Lange Selbstbiogr. S. 98f. Müller Abschied S. 100ff. Meyer Biographie Schröders I S. 341. 343. 346.
83 Sie ist in Wien auf dem Repertoir geblieben bis im Jahr 1788 die deutsche Oper ganz aufgelöst wurde; dann erschien sie zuerst am 23. Sept. 1801 auf demselben. – Der Schauspieler Philipp Hasenhuth erzählte in späteren Jahren, daß er, als er 1783 oder 1784 das Theater in Baden gepachtet hatte, die Entführung als das beliebteste Zugstück mit sehr schwachen Kräften aufzuführen unternahm. Bei der Quartettprobe war kein Bratschist da; Hasenhuth, der erst seit Kurzem die Violine spielen lernte und kaum den Altschlüssel kannte, setzte sich selbst zur Bratsche. Ein kleiner Mann, der sich als Zuhörer eingefunden hatte, nahm neben ihm Platz, als er den Mangel bemerkte, ergriff eine Bratsche und spielte mit. Bald aber sah er seinen stümpernden Nachbar unwillig an und gab seinen Zorn immer deutlicher zu erkennen, bis er am Schluß der Ouverture die Bratsche fortwarf und mit der Aeußerung: »der Herr ist ein wahrer Krautesel!« fortlief. Da die Oper ganz außerordentlich gefiel, gab der zufriedene Director seiner Gesellschaft ein Festessen und lud, als er hörte daß Mozart in Baden sei, auch diesen ein. Es war der Bratschist aus der Probe, der ohne alle Verlegenheit gutmüthig sagte: »Ich war neulich wohl ein wenig unhöflich, aber ich habe Sie nicht gekannt, und der Teufel hätte auch das falsche Kratzen aushalten können!« (Nach einer Aufzeichnung bei Al. Fuchs.)
84 Dies war insofern nicht ohne Bedeutung, weil die Andrésche Composition der Entführung seit 1781 in Berlin mit Beifall gegeben wurde.
85 »Ich habe gleich versprochen« schreibt er (25. Sept. 1782) »sie copiren zu lassen. Nun, da ich die Oper nicht habe, so müßte ich sie vom Copisten entlehnen, welches sehr ungelegen wäre, da ich sie nicht drey ganze Tage sicher behalten könnte, indem öfters der Kayser darum schickt, welches erst gestern geschehen ist, und sie dann auch öfters gegeben wird, da sie nun wirklich schon zehn Mal seit dem 16. August ist gegeben worden. Mithin wäre mein Gedanke, sie in Salzburg copiren zu lassen, allwo es heimlicher und wohlfeiler geschehen könnte! Ich bitte Sie also, sie sogleich in die Partitur rein schreiben zu lassen, aber auch mit vieler Eile.«
86 In Italien, wo die Oper in der Regel auf eine bestimmte Bestellung geschrieben wurde, war es Sitte daß die Abschriften der Partitur nicht vom Componisten, sondern vom Theatercopisten verkauft wurden (I S. 214).
87 Beim Idomeneo hatte er selbst den Sohn daran erinnert, daß man um schlechte Bezahlung die Partitur nicht hingeben könne (II S. 447).
88 Auch dieses scheint noch außerordentlich erhöhet zu sein; wenigstens schrieb Schröder an Dalberg, der angefragt hatte, unter welchen Bedingungen Mozart wohl eine Oper schreiben würde (22. Mai 1734): »Mozart hat für die Entführung aus dem Serail 50 Ducaten bekommen; unter diesem Preis wird er wohl keine componiren.« Später waren allerdings 100 Ducaten das gewöhnliche Honorar für eine Oper (Dittersdorf Selbstbiogr. S. 241).
89 »Ich war selbst bey Hrn. Baron von Riedesel«, antwortet er (5. Oct. 1782) »welcher ein charmanter Mann ist und versprach ihm (voll Vertrauen daß die Oper schon beim Abschreiber seyn wird) sie ihm zu Ende dieses Monats oder längstens zu Anfangs Novembers zu liefern. Ich bitte Sie also zu sorgen, daß ich sie bis dahin haben kann. Um Ihnen aber alle Sorge und Bedenklichkeit zu nehmen, die ich mit dem dankbarsten Herzen als einen Beweiß Ihrer väterlichen Liebe verehre, so kann ich Ihnen nichts Ueberzeugenderes sagen, als daß ich dem Hrn. Baron recht sehr verbunden bin, daß er die Opera von mir und nicht vom Copisten begehrt hat, von welchem er sie alle Stunden um baares Geld hätte haben können. – Und überdieß wäre es mir sehr leid, wenn mein Talent mit einem Male bezahlt werden könnte, besonders mit hundert Ducaten! Ich werde dermalen (nur weil es nicht nöthig ist) Niemanden nichts sagen; wird sie, wie ganz zuverlässig, (und welches mir auch das Liebste dabey ist) aufgeführt, so wird man es ganz sicher erfahren; mich aber deßwegen meine Feinde nicht auslachen, mich nicht als einen schlechten Kerl behandeln und mir nur gar zu gern eine Opera zu schreiben geben, wenn ich nur will, welches letztere ich aber schwerlich wollen werde. Denn ich werde eine Opera schreiben, aber nicht um mit 100 Ducaten zu sehen, wie das Theater in vierzehn Tägen dadurch vier Mal so viel gewinnt; sondern ich werde meine Opera auf meine Ankösten aufführen, in drey Vorstellungen wenigstens 1200 fl. machen, und dann kann sie die Direction um 50 Ducaten haben; wo nicht, so bin ich bezahlt und kann sie überall anbringen. Uebrigens hoffe ich, werden Sie noch niemalen einige Spur von Neigung zu einer schlechten Handlung bey mir bemerkt haben. Man muß keinen schlechten Kerl machen, aber auch keinen dummen, der andere Leute von seiner Arbeit, die ihm Studium und Mühe genug gekostet hat, den Nutzen ziehen läßt, und allen fernern Anspruch darauf aufgiebt.«
90 Die Entführung wurde in Berlin erst am 16. Oct. 1788, dem Geburtstag der Königin, aufgeführt und oft wiederholt (Chronic von Berlin II S. 440ff.); aber in Schwedt war sie bereits 1784 gegeben (Berl. Litt. u. Theat. Ztg. 1784 II S. 160).
91 Cramers Magazin der Musik I S. 999.
92 Daß Mozart von diesen Aufführungen auf anderen Bühnen, die dadurch reich wurden, irgend einen Gewinn hatte ist nicht wahrscheinlich. Auch um den Ertrag eines Klavierauszuges wurde er gebracht. »Nun ist geschehen was ich meinem Sohne vorhergesagt habe« schrieb Leop. Mozart seiner Tochter (16. Dec. 1785). »Die Entführung aus dem Serail ist in Augsburg im Clavierauszug bereits erschienen, auch in Mainz gestochen. Seit dem März, wo er anfing, hat mein Sohn nicht fertig werden können. Er hat die Zeit und Torricella [in Wien, der ihn stechen ließ] die aufgewandten Kosten verloren.«
93 Erst Ende 1784 hatte Leop. Mozart die Freude die Entführung in Salzburg zu sehen, wo sie mit großem Beifall aufgenommen wurde.
94 S. Beil. XVII.
95 Christoph Kayser, geb. in Frankfurt 1736, gehörte dem Freundeskreise von Goethe und Klinger, später auch Lavater und Lenz an. Er wird im musik. Almanach (Alethin. 1782 S. 29) als ein Virtuos vom wahren großen Klaviergeschmack gepriesen, der sich durch echte Bescheidenheit auszeichne, ein begeisterter Verehrer Glucks, wovon auch ein Aufsatz im deutschen Mercur (1776 III S. 233ff.) Zeugniß ablegt. Goethe sandte ihm im December 1779 das eben vollendete Singspiel Jery und Bätely zur Composition nach Zürich, wo er seit mehreren Jahren sich aufhielt (Riemer Mitth. II S. 111f.); im Frühjahr 1781 brachte Kayser einige Monate in Weimar zu (Br. an Lavater S. 116. 121. 123) und wurde auf Goethes Betrieb mit Unterstützung des Herzogs nach Wien zu Gluck geschickt (Riemer Mitth. II S. 127). Auch 1785 war Goethe eifrig bestrebt ihm in München und Wien die Wege zu bahnen, wie es scheint ohne Erfolg (Briefw. m. Knebel I S. 70. 72). Später lebte Kayser in Zürich und Winterthur. Seine Compositionen der Goetheschen Opern sind meines Wissens nicht gedruckt.
96 Vgl. Göthe Briefw. mit Zelter II S. 121. Riemer Mittheil. II S. 292.
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