Von den geselligen Kreisen, in welchen Mozart Unterhaltung und mannigfache Anregung fand, verdient vor allen der der Gräfin Thun geb. Uhlefeld genannt zu werden. Ihr Name ist uns schon oft in Mozarts Briefen begegnet1, sie gehörte zu den musikalischen Damen Wiens, welche ihn gleich anfangs unter ihre Protection nahmen, sie war es ganz besonders, die ihn in Wien einzuführen und bekannt zu [316] machen und sein Fortkommen auf alle Weise zu erleichtern suchte. Die hervorragende Stellung, welche sie durch Bildung und Herzensgüte, durch Feinheit und Liebenswürdigkeit im Verkehr noch mehr als durch Rang und Reichthum behauptete, machte sie dazu vor vielen geeignet. Sie war eine der wenigen Damen, mit welchen Kaiser Joseph auch in späteren Jahren einen intimen Verkehr unterhielt, welche er oft Abends ungeladen ohne alles Ceremoniel besuchte, und von denen er noch auf dem Todbett in einem herzlichen Brief Abschied nahm2. Ganz besonders war es die Musik, welche in ihrem Hause gepflegt wurde. Sie selbst war musikalisch, spielte das Klavier »mit der Anmuth, Leichtigkeit und Delicatesse, wohin nur weibliche Finger gelangen können«, wie Burney sagt3, den sie mit der größten Freundlichkeit aufnahm und ihn durch ihr natürlich munteres Wesen, ihre witzigen Einfälle und eine ihr eigenthümliche angenehme Ironie nicht weniger entzückte als durch ihren Geschmack, ihre Kenntnisse und ihr ernstes Interesse für Musik4. Ihr Lieblingscomponist fürs Klavier war damals (1772) Beecke (II S. 77), der auch noch im Jahr 1785, wie er Dalberg mittheilt, eine Sonate für drei Klaviere für die Gräfin Thun und ihre Tochter schrieb. Auch Reichardt, den sie bei seinem Aufenthalt in Wien im Jahr 1783 in besonderen Schutz genommen hatte, rühmt ne als eine der geistreichsten[317] und liebenswürdigsten Frauen des damaligen Wiens, deren musikalische Gesellschaften der Kaiser wie Erzherzog Maximilian gern besuchten5. Einen enthusiastischen Verehrer fand sie an Georg Forster, als dieser im Jahr 1784 in Wien verweilte. Er nennt in einem Brief an Heyne6 die ausgezeichnetsten Männer, deren Gunst und Theilnahme er sich erfreue, die wir auch als Mozarts Freunde und Gönner kennen, den lieben Hofrath von Born7, Baron von Gemmingen8, den intimsten Freund van Swietens, den alten Hofrath v. Spielmann9, einen Mann der sich der Gelehrsamkeit [318] in dasigen Landen mit wahrem Eifer annehme und zugleich der wichtigste Geschäftsmann im Departement des Fürsten Kaunitz sei, diesen großen Minister selbst (S. 179), den guten sanften Graf Cobenzl (S. 9), den alten Feldmarschall Haddik10 und reihet diesen die Gräfin Th u n an, »die vortrefflichste, aufgeklärteste Dame in Wien und alles, was ihr anhängt.« Näher spricht er sich über diesen Verkehr gegen Therese Heyne aus (a.a.O. S. 275): »Sie glauben nicht, wie herablassend, wie freundlich man ist. Kaum merkt man, daß man unter Leuten von Stande ist, und jeden Augenblick möchte mans vergessen und sie auf den vertrauten Fuß der gleichgebornen Freunde behandeln – betasten nenne ichs hier, wenn ich bei der Gräfin Thun bin, dem besten Weibe von der Welt, und ihren drei Grazien von Töchtern, wo jede ein Engel von einer eigenen Gattung ist. Die Mutter ist eine der vortrefflichsten Mütter, die ich kenne; die Kinder sind lauter unbefangene Unschuld, heiter wie die Morgensonne und voll natürlichen Verstandes und Witzes, den ich so mit Stillschweigen bewundere, wie den Verstand und Witz eines gewissen lieben Mädchens an der Leine. Die feinste Unterredung, die größte Delicatesse, dabei eine völlige Freimüthigkeit, eine ausgebreitete Lectüre, wohl verdaut und ganz durchdacht, eine so reine, herzliche, von allem Aberglauben entfernte Religion, die Religion eines sanften, [319] schuldlosen und mit der Natur und Schöpfung vertrauten Herzens. – – Fast alle Abend zwischen neun und zehn kommen diese [oben genannten] Leute bei der Gräfin Thun zusammen, da wird allerlei witziges Gespräch geführt, es wird Clavier gespielt, deutsch oder italiänisch gesungen, auch wohl, wenn die Begeisterung die Leute überfällt, getanzt.« Man kann sich vorstellen, ob es auch Mozart in diesem Kreise wohl geworden sei; Fürst Karl Lichnowsky, sein Freund und Schüler, war der Schwiegersohn der Gräfin Thun.
Ein Haus, in welchem die Künste, namentlich die Musik, und die Wissenschaften geehrt und gepflegt wurden und das einen Mittelpunkt für alle Celebritäten bildete, war das Greinersche, wie die Tochter Caroline Pichler dasselbe schildert (Denkw. I S. 92f.). »Außer den Dichtern Denis, Leon, Haschka, Alxinger, Blumauer u.s.w., welches damals berühmte Namen waren, besuchten auch Männer von strengen Wissenschaften häufig unser Haus. Ueberdieß reiste beinahe kein fremder Gelehrter oder Künstler nach Wien, der nicht Empfehlungsschreiben an Haschka oder unmittelbar an meine Eltern hatte. So kamen der berühmte Reisende Georg Forster, die Professoren Meiners und Spittler, Becker, Gögking, der Schauspieler Schröder, viele Musiker und Compositoren, wie Paisiello, Cimarosa zu uns; und daß die einheimischen Künstler Mozart, Haydn, Salieri, die Gebrüder Hickl, Füger und Andere nicht fehlten versteht sich von selbst.«
Ein anderes Haus, durch seine Erinnerungen für die Wiener ein wahrer Musensitz, war ebenfalls ein Sammelplatz der Musiker, das der Geschwister Martinez. Metastasio hatte bei seiner Ankunft in Wien im Jahr 1730 seine Wohnung bei Nicolai Martinez, Ceremonienmeister bei [320] der apostolischen Nunciatur (am Michaelerplatz 1223) genommen und hatte dieselbe bis zu seinem Tode im Jahr 1782 nicht verlassen. Er war der vertraute Freund dieser Familie geworden und hatte sich namentlich der Erziehung der Kinder angelegentlichst angenommen. Unter diesen war es besonders eine Tochter Marianne (geb. eher vor als nach 1740), welche durch ihre Talente und ihr lebhaftes, angenehmes Wesen ihn anzog so daß er sich vorzugsweise mit ihr beschäftigte11. Nicht nur hatte sie ihm eine vertraute Kenntniß der italiänischen, französischen und englischen Sprache und Litteratur und eine sehr vielseitige Bildung zu danken; er sorgte, da sie eine hervorstechende Anlage für Musik zeigte, auch für ihre musikalische Ausbildung. Jos. Haydn, welcher als ein ganz mittelloser junger Mensch, nachdem er aus dem Kapellhause entlassen war, in demselben Hause ein elendes Dachstübchen gemiethet halte, wurde angenommen dem jungen Mädchen linterricht im Singen und Klavierspiel zu geben und erhielt dafür drei Jahre lang die Kost umsonst12; wichtiger für ihn war es, daß er dort mit Porpora bekannt wurde, der als ein Freund Metastasios sich ebenfalls mit Mariannes Ausbildung beschäftigte. Später war sie unter sorgfältiger Anleitung, an der auch Metastasio selbst sich betheiligte (I S. 272), in einer Weise entwickelt daß sie als Sängerin, Klavierspielerin und Componistin große Bewunderung erregte. Hasse selbst äußerte sich gegen Burney, daß sie ungemeines Talent besäße, mit großem Ausdruck sänge, nett und meisterhaft. Klavier spiele und den Contrapunkt vollkommen inne hätte13. Burney kann gar die Worte nicht finden um seine Bewunderung [321] auszudrücken, sie erschien ihm als die vollkommenste Sängerin, die er je gehört, ihre geistlichen vier- und achtstimmigen Compositionen als die angenehmste Mischung von Harmonie und Arbeitsamkeit älterer und Melodie und Geschmack neuerer Zeit, ihre Klaviersonaten voll Feuer und glänzender Passagen, ihr angenehmes munteres Wesen ohne alle Ziererei ihrer hohen Bildung entsprechend14. Im Jahr 1773 wurde sie von der philharmonischen Akademie in Bologna zum Mitglied ernannt, später sandte man ihr von dort und von Pavia sogar das Doctordiplom; im Jahr 1782 wurde ihr Oratorium Isacco im Societätsconcert aufgeführt15. Sie lebte mit ihrem Bruder (Bibliothekar an der k.k. Hofbibliothek) auch nach Metastasios Tode, der ihnen sein sehr bedeutendes Vermögen hinterlassen hatte16, in sehr angenehmen Verhältnissen und gab Gesellschaften, welche durch geistresche Unterhaltung und musikalische Genüsse sich auszeichneten. Kelly, welcher dort eingeführt war, rühmt ihr nach (Remin. I p. 252), daß sie obgleich schon bejahrt alle Lebhaftigkeit und Heiterkeit der Jugend bewahrt hatte, gesprächig und angenehm im Verkehr war. Er erzählt, daß Mozart – welcher schon während seiner früheren Besuche in Wien als Knabe und Jüngling bei Metastasio freundliche Aufnahme gefunden hatte – sehr befreundet mit ihr war und regelmäßig an ihren musikalischen Gesellschaften Theil nahm, wo er ihn vierhändige Sonaten von ihrer Composition mit ihr spielen hörte.
Einer der angesehensten Dilettanten und Liebhaber der Musik jener Zeit war der Geh. Rath v. Keeß17. Er gab [322] wöchentlich zweimal in seinem Hause Gesellschafts-Concerte, wie Gyrowetz erzählt (Selbstbiogr. S. 9f.), »wo die ersten Virtuosen, die sich damals in Wien befanden, und die ersten Compositeurs als Jos. Haydn, Mozart, Dittersdorf, Hoffmeister, Albrechtsberger, Giarnovich u.a. versammelt waren. Dort wurden Haydns Symphonien aufgeführt, Mozart pflegte meistens sich auf dem Fortepiano hören zu lassen, und Giarnovichi, damals der berühmteste Virtuos auf der Violine18, spielte gewöhnlich ein Concert; die Frau vom Hause sang. Eines Abends geschah es, daß Mozart nicht gleich anfangs im Concert erschien und man auf ihn schon lange wartete, weil er ein neues Lied für die Frau vom Hause mitzubringen versprochen hatte. Man schickte mehrere Bediente um ihn zu suchen; endlich fand ihn einer im Gasthause und bat ihn alsogleich zu kommen, weil Alles schon seiner harrte und man sich auf das neue Lied freuete. Nun erinnerte sich Mozart daß er das Lied noch nicht componirt hätte; er bat sogleich den Bedienten ihm ein Stück Notenpapier zu bringen – nachdem dies geschehen war fing Mozart im Gastzimmer an das Lied zu componiren, und als er fertig war, ging er damit in das Concert, wo schon Alles in der gespanntesten Erwartung harrte. Dort wurde er nach einigen zarten Vorwürfen über sein langes Ausbleiben auf das Freudigste empfangen; [323] und als er sich endlich zum Clavier setzte, sang die Frau vom Hause das neue Lied mit einer zwar zitternden Stimme, allein es wurde dennoch enthusiastisch aufgenommen und beklatscht.«
Von der Laune, welche Mozart als Knabe hatte nur vor Kennern spielen zu wollen (I S. 30. 38), war er als vernünftiger Mann natürlich zurückgekommen. Es machte ihm Vergnügen zu spielen, wo man Vergnügen fand ihn zu hören und er war von der Schwäche sich bitten zu lassen in dem Grade frei, daß manche vornehme Herren in Wien ihm einen Vorwurf daraus machten daß er Jedermann etwas vorspiele. Eins verlangte er freilich, das in den musikalischen Gesellschaften damals ebenso schwer erreichbar gewesen zu sein scheint als heutzutage: Stille und Aufmerksamkeit der Zuhörer. »Nichts brachte ihn so sehr auf« sagt Niemtschek (S. 57) »als Unruhe, Getöse oder Geschwätz bei der Musik. Da gerieth der sonst so sanfte, muntere Mann in den größten Unwillen und äußerte ihn sehr lebhaft. Es ist bekannt, daß er einst mitten im Spiel vom Klavier aufstand und die unaufmerksamen Zuhörer verließ.« Auch half er sich wohl in diesem wie in anderen Fällen durch satirische Laune, wovon Rochlitz ein komisches Beispiel erzählt (A. M. Z. I S. 49ff.). Ein Kunstliebhaber – Ort und Namen verschweigt Rochlitz discret – bat eine Gesellschaft von Honoratioren, die Mozart zu besuchen und da zu spielen versprochen hatte. Er hielt Wort und überließ sich, da er unter Kennern und gebildeten Liebhabern zu sein glaubte, ganz dem Fluge seiner Phantasie; die Zuhörer, welche sich dabei langweilten, begannen eine immer lebhafter werdende Conversation. Als Mozart das bemerkte ließ er zwar sein Thema nicht fahren, bearbeitete es vielmehr mit steigender Heftigkeit, fing aber zu gleicher Zeit an sein Publicum unbarmherzig zu verhöhnen. [324] Glücklicherweise war ihm durch einen Zufall die italiänische Sprache in den Mund gekommen, welche seine Zuhörer nicht verstanden; indessen merkten sie doch um was es sich handle und verstummten beschämt. Mozart mußte, als Alles still geworden war, selbst über sein Herauspoltern bei sich lachen, er lenkte mit seinem Spielen ein und nahm die Melodie des damals beliebten Liedes Ich klage dir auf, variirte sie einigemal in einer Weise, die ihm für seine Leute passend schien und entzückte sie nun auch wirklich. Als er fortging, nahm er den Herrn des Hauses, der in der peinlichsten Verlegenheit gewesen war, mit zu sich, lud noch einige alte Musiker ein, bewirthete sie und phantasirte vor ihnen bis tief in die Nacht. Denn wenn er wirkliche Kenner und Musiker vor sich hatte, war er unermüdlich im Spielen. Nachdem er in Leipzig sein Concert gegeben hatte, in welchem er abwechselnd dirigirt und gespielt hatte, sagte er zu dem alten, vortrefflichen Violinspieler Berger: »Nun bin ich erst warm geworden. Kommen Sie mit zu mir, ich will Ihnen noch was spielen, wie sichs für Kunstverständige gehört.« Und nach kurzer Mahlzeit strömte er seine Ideen und Gefühle auf dem Instrumente aus bis gegen Mitternacht. Dann plötzlich, nach seiner Weise, aufspringend rief er: »Na, wars so recht? Nun, Papa, haben Sie den Mozart nach seiner Art gehört, das Uebrige können Andere auch«19.
Die Familie, in welcher es Mozart in Wien so recht wohl geworden zu sein scheint, war die des berühmten Botanikers Freih. v. Jacquin20, von der auch Car. Pichler, welche [325] von Jugend auf in derselben heimisch war, uns eine anziehende Beschreibung macht. »Sie war« schreibt sie 1844 (Denkw. I S. 179ff.) »schon vor 60–70 Jahren ein hellleuchtendes Augenmerk für die wissenschaftliche Welt in und außer Wien und auch ihrer angenehmen geselligen Verhältnisse wegen von Vielen gesucht. Wenn die Gelehrten oder gelehrt sein wollenden den berühmten Vater und den ihm nachstrebenden Sohn, den erst vor wenig Jahren verstorbenen Freih. Joseph v. Jacquin21, aufsuchten, so sammelte sich die jüngere Welt um den jüngern Sohn Gottfried, den ein lebhaft gebildeter Geist, ein ausgezeichnetes Talent für Musik mit einer angenehmen Stimme verbunden, zum Mittelpunkt des heitern Kreises machte, und um seine Schwester Franziska, die noch jetzt lebende Frau v. Lagusius. Franziska spielte vortrefflich Klavier, sie war eine der besten Schülerinnen Mozarts, der für sie das Trio mit der Clarinette geschrieben hat, und sang noch überdies sehr hübsch. Da wurden nun an den Mittwoch-Abenden, die seit ich denken kann in diesem Hause der Geselligkeit gewidmet [326] waren, auch selbst im Winter, wann die Familie Jacquin im botanischen Garten wohnte22, in den Zimmern des Vaters gelehrte Gespräche geführt, und wir jungen Leute plauderten, scherzten, machten Musik, spielten kleine Spiele und unterhielten uns vortrefflich.« Wie wohl und glücklich sich Mozart in dieser Familie fühlte spricht er in einem Briefe an Gottfried v. Jacquin aus, den er diesem im Sonnenschein seines Glücks über die glänzende Aufnahme, welche er in Prag fand, geschrieben hat (14. Febr. 1787)23. Dort heißt es: »Heute endlich war ich so glücklich einen Augenblick zu finden, um mich um das Wohlsein Ihrer lieben Eltern und des ganzen Jacquinschen Hauses erkundigen zu können. Ich hoffe und wünsche von Herzen daß Sie sich alle so wohl befinden mögen als wir beide uns befinden. Ich muß Ihnen aufrichtig gestehen daß (obwohl ich hier alle möglichen Höflichkeiten und Ehren genieße und Prag in der That ein sehr schöner und angenehmer Ort ist) ich mich doch recht sehr wieder nach Wien sehne, und glauben Sie mir, der Hauptgegenstand davon ist gewiß Ihr Haus. Wenn ich bedenke daß ich nach meiner Zurückkunft nur eine kurze Zeit noch das Vergnügen genießen kann in Ihrer werthen Gesellschaft zu sein und dann auf so lange – und vielleicht auf immer dieses Vergnügen werde entbehren müssen, dann fühle ich erst ganz die Freundschaft und Achtung, welche ich gegen Ihr ganzes Haus hege. – Nun adieu! Ich bitte Ihren würdigen Eltern meinen Respect zu melden und Ihren Herrn Bruder für [327] mich tausendmal zu embrassiren. Ihrer Frl. Schwester küsse ich tausendmal die Hände [s.o. S. 192f.]. Nun aber wäre es doch Zeit zu schließen? nicht wahr? schon längst werden Sie sich das denken24. – Schreiben Sie mir bald – aber bald, und sollten Sie vielleicht zu träge dazu sein, so lassen Sie den Salmann kommen und dictiren Sie ihm den Brief; doch es geht nie so vom Herzen, wenn man nicht selbst schreibt. Nun – ich will sehen, ob Sie so mein Freund sind, wie ich ganz der Ihrige bin und ewig sein werde«25. Auch bei seinem zweiten Aufenthalt in Prag meldet er ihm sogleich die gute Aufnahme des Don Giovanni (4. Nov. 1787)26 und fügt hinzu: »Ich wollte meinen guten Freunden (besonders Bridi27 und Ihnen) wünschen, daß Sie nur einen einzigen Abend hier wären um Antheil an meinem Vergnügen[328] zu nehmen«28. Die herzliche Zuneigung Mozarts zu dem lebhaft empfindenden Gottfried von Jacquin29, dessen warnender Mentor zu sein er, wie wir sahen (S. 174f.) sich rühmte, wurde durch das musikalische Talent desselben noch befestigt.
Das Denkmal, welches Mozart ihm gesetzt hat, ist die dem thematischen Verzeichniß zufolge am 23. März 1787 für ihn componirte Arie Mentre ti lascio o figlia30. Vergleicht man dieselbe mit den für Fischer componirten Arien, so erkennt man auch hier, wie sehr Mozart es verstand stets etwas den gegebenen Verhältnissen gemäßes zu schaffen. Weder der Umfang oder die Geläufigkeit der Stimme noch die gewaltige Kraft der Leidenschaft, welche jenen Arien ein so eigenthümliches Gepräge geben, sind hier vorausgesetzt; eine Baßstimme von mäßigem Umfang, namentlich ohne bedeutende Tiefe, eine geringe Volubilität der Stimme ist erforderlich um die hier gestellte Aufgabe zu lösen, aber allerdings musikalische Bildung und Empfindung. Die gewählte Situation läßt den Ausdruck einer heftigen, glühenden Leidenschaft nicht zu und mäßigt die Empfindung, ohne ihr etwas von ihrer Tiefe und Herzlichkeit zu nehmen: es ist der Schmerz des Vaters, welcher im verhängnißvollen Augenblick [329] von der Tochter Abschied nimmt, den wir vernehmen, nicht der des Jünglings, der sich von der Geliebten losreißt. So sind auch hier die äußeren Bedingungen zu den natürlichen Voraussetzungen des Kunstwerks geworden, das durch Schönheit der Form und edlen Ausdruck einen hohen Rang unter diesen Arien einnimmt31.
Auch sonst war Mozart für seinen Freund und dessen Familienkreis thätig, z.B. durch Lieder, die er zum größten Theil auf bestimmte Veranlassung für Bekannte schrieb. Von einem solchen ist in einem Briefe die Rede32, ein anderes trägt die Ueberschrift: »den 26. Mai 1787, in Hrn. Gottfried von Jacquins Zimmer, Landstraße«33. Auch sind zunächst für diesen Kreis, wie es scheint, mehrere kleine reizende Canzonetten für zwei Sopran- und eine Baßstimme auf italiänische Texte geschrieben, welche bei aller Einfachheit doch in harmonischen Wendungen, in der Stimmführung den Meister verrathen und von der lieblichsten Anmuth sind34. Daß diese Compositionen zunächst für den Jacquinschen [330] Kreis bestimmt waren schließe ich daraus, daß mehrere derselben, namentlich das zuerst genannte, in Wien unter Gottfried von Jacquins Namen gingen, wie dies auch mit mehreren einstimmigen Liedern der Fall war; diese sind in Mozarts eigener Handschrift erhalten und an ihrer Authenticität daher kein Zweifel. Auf dergleichen kleine Gelegenheitscompositionen legte er keinen Werth, sie gingen von Hand zu Hand, und da Jacquin auch selbst componirte, so konnte was von jenem Hause aus in Umlauf gesetzt wurde leicht auf seinen Namen kommen; daß er sich Mozarts Eigenthum habe anmaßen wollen, daran ist nicht zu denken. Wie zum Ersatz dafür gilt noch heute eine Arie, welche Jacquin componirt hat, für Mozarts Werk35.
[331] Mehrstimmige Gesänge der Art waren damals eine beliebte Unterhaltung in musikalischen Gesellschaften, nicht allein wie die eben erwähnten anmuthig heiteren, sondern auch komischen, ja derb komischen Charakters. Daß Mozart auch hierfür der Mann war wird Niemand bezweifeln, und sein komisches Bandl-Terzett ist nicht blos im Wiener Freundeskreis36 sondern weit und breit bekannt und beliebt geworden. Mozart hatte seiner Frau ein neues Band geschenkt, das diese als sie mit van Swieten eine Spazierfahrt machen sollten anlegen wollte, aber nicht finden konnte. Sie rief ihrem Manne zu: Liebes Mandl, wo ists Bandl? der darauf suchen half, auch van Swieten suchte mit und fand das Band. Aber nun wollte er es nicht hergeben, hielt es hoch in die Höhe, und da er ein großer Mann war, so bemühete sich das kleine Mozartsche Ehepaar vergebens dasselbe zu erhaschen, Bitten, Schelten und Lachen wurde immer lebhafter, bis zuletzt auch der Hund bellend van Swieten zwischen die Beine fuhr. Da lieferte er das Band aus und meinte, diese Scene sei wohl passend für ein komisches Terzett. Mozart ließ sich das gesagt sein, machte sich einen Text im Wiener Dialect – für die komische Wirkung ist dieser wesentlich –, der im Allgemeinen an die Situation erinnerte und schickte das Terzett, das mit Laune gesungen nie seine Wirkung verfehlen wird, an van Swieten37. Einen vierstimmigen [332] Pendant dazu Caro mio Druck und Schluck besaß die Wittwe Mozarts; nach einer Andeutung zu schließen war es ein dreistimmiger Canon, zu welchem eine komische Baßstimme hinzutrat38. Ein Quintett dieser Art Oh come lieto in seno ist erst vor Kurzem bekannt gemacht39. Ein vierstimmiger Canon wird von 2 Sopran- und 2 Tenorstimmen vorgetragen; nachdem das Thema die Runde gemacht hat, tritt ein Basso parlante dazu und schließt das Ganze mit einem komischen Effect; die Situation ist die oft wiederholte eines Ständchens über das ein Anderer zukommt. Die artige Composition ist leicht und bequem hingeschrieben und zwar, im Gegensatz zum Bandlterzett, ganz im italiänischen Geschmack.
Vorzugsweise beliebt waren für diese gesellige Unterhaltung die Canons. Man kann sich alle Tage überzeugen, [333] daß Kinder und musikalisch wenig gebildete Personen an dieser strengsten Form musikalischer Kunstwerke ein besonderes Vergnügen finden, weil es sie unterhält, wenn bei der gewissermaßen eigensinnigen Consequenz, mit der jede einzelne Stimme ihren selbständigen Gang verfolgt, ein so wohl zusammenstimmendes, harmonisch befriedigendes Ganze entsteht. Für den einigermaßen Kundigen kommt das Interesse hinzu, welches die geschickte Handhabung einer durch die allerstrengste Regel bedingten Form gewährt, durch welche ganz vorzugsweise epigrammatische Pointen in der schärfsten Beleuchtung hervortreten; sowie ja auch in der Poesie das Sonett, das Triolett und ähnliche Formen eben durch ihre Gebundenheit das Concetto, welches sie aussprechen, um so schlagender hervorspringen lassen. Dieser selbe Contrast, welcher der strengen Gesetzmäßigkeit der Form gegenüber die geistige Thätigkeit nur unabhängiger und als ein freies Spiel erscheinen läßt, ist auch im Canon wirksam, der schon in dem scharf ausgeprägten Gegensatz der einzelnen Stimmen, auf welchem seine Wirkung beruhet, eine Fülle von Mitteln besitzt um die verschiedenartigsten Pointen zu betonen, die dadurch daß sie in immer wechselnder Stellung, wie in verschiedener Beleuchtung, wiederkehren um so eindringlicher werden. Es kann daher nicht auffallen daß der Canon, wie das Epigramm, für die moralische Sentenz und den witzigen Einfall die gleich angemessene Form ist, sowohl den gewichtigsten Ernst als die ausgelassenste Komik auszudrücken vorzugsweise fähig ist. Freilich bedarf es der sichern Hand eines vollendeten Meisters um diese schwierige Form so zu beherrschen, daß sie nicht allein als ein contrapunktisches Kunststück erscheint das den gelehrten Kenner befriedigt, sondern als ein wohllautendes, wie von selbst entstandenes Gesellschaftslied, dessen eigenthümliche Schwierigkeiten [334] den Eindruck glücklicher Einfälle machen. Daher haben sich die größten Meister gern wie zur Erholung mit Canons beschäftigt40 und selbst so ernsthafte Männer wie Padre Martini41 und Michael Haydn42 haben es nicht verschmäht komische Canons zu schreiben. Auch Mozart hat dieses Genre cultivirt und unter seinem Namen kennt man eine ganze Reihe43 [335] ernsthafter44, lieblicher45 und in überwiegender Zahl komischer Canons. Zu den letzten machte er sich die Texte meistens selbst; sie sind größtentheils im Wiener Dialect46, nicht wenige so derb ab gefaßt, daß sie kaum zu drucken sind, obgleich sie in mündlicher Tradition sich doch erhalten haben. Ohne Ausnahme zeigen sie, jeder in seiner Art, nicht allein[336] die vollkommene Meisterschaft Mozarts in der Form, sondern auch seine wunderbare Natur die im Großen und Kleinen nur ganze, in sich abgerundete Kunstwerke hervorzubringen vermochte: in jedem Canon ist Ausdruck einer rein ausgesprochenen Stimmung, Reiz des Wohlklangs und Beides so durchaus entsprechend dem Wesen dieser Form, als könnte es eben nur mit diesen Mitteln ausgedrückt werden. Wenn wir im thematischen Verzeichniß an einem Tage (2. Sept. 1788) acht vierstimmige und zwei dreistimmige Canons verzeichnet finden, so ist es freilich an sich möglich daß ihn einmal eine Art von Canonsfieber überfallen habe, ungleich wahrscheinlicher aber ist es daß er an jenem Tage auf irgend eine Veranlassung zusammenschrieb, was er von dergleichen Sachen grade im Kopf und zur Hand hatte. Denn das meiste der Art entstand gewiß auf eine zufällige Anregung, wie dies von zwei dort auch verzeichneten Canons bekannt ist. Der in München verstorbene Tenorist Joh. Nepomuk Peierl kam im Jahr 1785 von Salzburg, wo er mit seiner Frau mehrere Jahre auf dem Theater gesungen hatte, auf kurze Zeit nach Wien und wurde dort mit Mozart bekannt. Er hatte eine eigenthümliche Aussprache, mit welcher man ihn gern hänselte und Mozart schrieb deshalb einen dreistimmigen Canon auf einen Text, der dadurch eine besonders komische Wirkung machte47. Kaum war derselbe gesungen als die Sänger das Blatt umwendeten, und ihn mit einem vierstimmigen Canon auf den Text: »O du eselhafter Peierl! o du peirlischer Esel! du bist so faul als wie ein Gaul, der weder Kopf noch Haren hat, mit dir ist gar nichts anzufangen, ich seh dich noch am Galgen hangen; [337] du dummer Gaul! du bist so faul! du dummer Peierl bist so faul als wie ein Gaul; o lieber Freund – – verzeihe mir! Nepomuk! Peierl! verzeihe mir!« der auf der Rückseite stand, überraschten48. Fein und artig ist an dem Spaß allerdings nichts als der vortreffliche Canon von drastischer Wirkung. Dieser aber fand soviel Beifall daß er noch bei anderen Gelegenheiten, verstärkt durch einige Kraftsprüche, auf andere Personen angewendet wurde49, und ist auch später viel gesungen worden. Daß Mozart die Gabe der Improvisation selbst in solchen Formen in staunenswerther Weise besaß, bewährt auch eine von Rochlitz mitgetheilte Begebenheit (A. M. Z. III S. 450ff.). Mozart speiste den Abend ehe er von Leipzig nach Berlin reiste, von wo er nach einigen Tagen zurückzukommen dachte, beim Cantor Doles, in dessen Haus er viel und gern verkehrt hatte, und war sehr heiter. Die Wirthe, welche der Abschied traurig machte, baten ihn um eine Zeile von seiner Hand zum An denken; er machte sich lustig über ihr »Pimpeln« und wollte lieber schlafen als schreiben. Endlich ließ er sich doch ein Stückchen Notenpapier geben, riß es in zwei Hälften, setzte sich und [338] schrieb – nicht länger als höchstens 5 bis 6 Minuten. Dann gab er dem Vater die eine, dem Sohn die andere Hälfte. Auf dem einen Blättchen stand ein dreistimmiger Canon in langen Noten, ohne Worte, als man ihn sang, klang er herrlich, sehr wehmüthig. Auf dem zweiten Blättchen war ebenfalls ein dreistimmiger Canon ohne Worte, aber in Achteln, sehr drollig. Als man nun bemerkte, daß beide zusammengesungen werden könnten, schrieb Mozart erst den Text, unter den einen: »Lebet wohl, wir sehen uns wieder!« unter den anderen: »Heult noch gar wie alte Weiber.« So wurden sie nochmals gesungen; »es ist nicht zu sagen«, schließt Rochlitz »welch eine lächerliche, und doch tief, fast ergrimmt einschneidende – also vielleicht erhaben komische Wirkung dies auf uns alle machte; und irre ich nicht, auch auf ihn selbst, denn mit etwas wilder Miene rief er plötzlich: Adieu Kinder! und war fort!« Leider ist dieser Doppelcanon nicht erhalten!
Mancherlei komische Compositionen ähnlicher Art werden Mozart ohne Grund oder erweislich falsch zugeschrieben50; ein ergötzliches Erzeugniß seiner Laune, offenbar für eine bestimmte Veranlassung componirt ist der von ihm selbst sogenannte musi kalische Spaß, ein nach Art der ehemaligen Divertimenti (I S. 580ff.) für Saitenquartett und zwei Hörner in vier Sätzen geschriebenes Stück51. Hier sind [339] ebensowohl die ungeschickten Componisten als die ungeschickten Spieler verspottet; die letzten handgreiflich wie wenn die Hörner im Menuett, grade wo sie Solo eintreten, in lauter falschen Tönen sich ergehen, oder wenn die erste Violine zum Schluß der langen Cadenz, in der eine Reihe kleiner banaler Kunststückchen zusammenhangslos an einander gereiht sind, sich in die Höhe versteigt und beharrlich um einen halben Ton zu hoch greift, am übermüthigsten zum Schluß, wo in die F-dur Fanfare der Hörner jedes der Saiteninstrumente aus einer anderen Tonart derb hineinstreicht. Mit den halben Tönen nehmen die Leute es gar nicht genau, bequeme Terzen werden fortgeführt, auch wo sie nicht mehr passen; aber mitunter wenn eine Stimme scheinbar zu früh kommt, oder man einige Takte lang nur Begleitung hört, daß die Hauptstimme sich zu verpausiren scheint, oder wenn man im entscheidenden Moment einen Ton hört, der infam falsch klingt, lehrt die Fortsetzung daß kein Fehler passirt sondern der Zuhörer getäuscht ist, wobei man nicht selten zweifelhaft ist, ob nicht der vorgebliche Componist persiflirt werden soll. Dies geschieht unverholen in der ganzen Anlage und Behandlung der Sätze, die nach dem üblichen Muster zugeschnitten sind, Wendungen und Figuren wie sie damals üblich waren, auch mitunter eine frappante Modulation zeigen, aber eine völlige Unfähigkeit einen eigentlichen Gedanken zu fassen und durchzuführen; mit wenigen Takten ist es immer aus und meistens dreht sich alles um die hergebrachte [340] Formel der Schlußcadenz. Spaßhaft ist besonders im Finale der Versuch einer thematischen Verarbeitung, der ganz so klingt als habe der Componist dergleichen gehört und versuche nun, offenbar mit großer Genugthuung, es mit einigen Redensarten nachzumachen, und die unendlich in die Länge gezogene, angeblich humoristisch spannende Rückführung des Thema. Am merkwürdigsten ist offenbar dabei die Kunst dieses ziemlich lang ausgeführte Stück in einem solchen Helldunkel zu halten, daß das prätendirte Ungeschick nicht langweilig wird, sondern der Zuhörer wirklich so in der Schwebe erhalten bleibt daß er sich immer wieder überrascht fühlt. Zum Theil beruht diese Wirkung auf dem treffenden Blick für das was in solcher Unbehülflichkeit wirklich komisch ist – denn nirgends ist die Ironie gefährlicher als in der Musik, weil der Eindruck des Uebelklingenden schwer zu beherrschen ist –, zum Theil in der sicheren Meisterschaft, welche man immer durchfühlt und die den Zuhörer stets wieder festhält; allein es war eine eigene humoristische Laune erforderlich um auch hier ein leicht fließendes Ganze hervorzubringen, das durch die einzelnen Späße nicht gestört und zerrissen sondern nur gewürzt wird52.
[341] Zu den Compositionen, welche durch freundschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse wenigstens größtentheils hervorgerufen wurden, gehörten auch, wie wir schon an einigen Beispielen sahen, die Lieder. Das Lied hatte damals, namentlich in Wien und in dem größeren Theil von Süddeutschland, wo ähnliche musikalische und litterarische Zustände waren, bei weitem noch nicht die Bedeutung, welche es später erlangt hat. Auch in den geselligen Kreisen war die eigentlich kunstmäßige Musik, das Virtuosenthum, also was den Gesang anlangte die italiänische Musik, durchaus vorherrschend; wer sich als Dilettant geltend machen wollte, suchte es zu künstlerischer Ausbildung im Gesange zu bringen. In der Kammermusik, namentlich durch das Klavier, begann der Dilettantismus sich eine eigenthümliche Stellung zu erringen und von da aus seine Ansprüche auch an die Gesangsmusik zu machen, welche vorzugsweise das Lied zu befriedigen geeignet war. In Norddeutschland war die Lage der Dinge eine etwas andere. Die italiänische Oper in Dresden und Berlin stand zu isolirt um einen übermächtigen Einfluß zu gewinnen; der Mangel an kunstgeübten Sängern hatte die Ausbildung der Operette veranlaßt, durch welche das Lied, das weder im häuslichen Kreise noch im Wirthshaus53 verschollen war, zu höherer Bedeutung und Ausbildung gelangte54. Weiße wollte ja, wie wir sahen [342] (S. 97) durch seine Opern die Deutschen zum geselligen Gesange anleiten, und in der That wirkte auch die Operette auf die Ausbildung des Liedes wesentlich ein. Es ist nicht zufällig, daß um dieselbe Zeit die bescheidenen Anfänge unserer lyrischen Poesie ebenfalls in Norddeutschland entstehen, und daß Weiße, Gleim, Hagedorn, Jacobi u. A. als Liederdichter auftreten, denen Hiller als Liedercomponist sich beigesellt, dem auch hier nicht weniger Jünger nachfolgen als auf der dramatischen Bahn55. Einen neuen und bedeutenden Impuls erhielt aber auch die musikalische Behandlung des Liedes, seitdem Herder den Sinn für das Volkslied geweckt, und Goethe echte deutsche lyrische Gedichte gegeben hatte. Es waren vornämlich Reichardt56 und Schulz57, welche hierdurch angeregt, das deutsche Lied in seiner einfachen, volksthümlichen Weise mit künstlerischem Sinn auszubilden bestrebt waren.
Anregungen dieser Art waren damals in Wien kaum [343] durchgedrungen. Auch dort hatten seit den siebziger Jahren Hofmann, Steffan, Beecke, Haydn u.a. Lieder componirt, allein sie machten keinen höheren Anspruch als geselliger Unterhaltung zu dienen, die Texte sind meistens unter dem Mittelmäßigen, die Compositionen von einer Einfachheit daß man zu merken glaubt, diese Lieder traueten sich selbst nicht recht in die beste Gesellschaft. Mozart componirte nur gelegentlich Lieder. Er hatte sich zwar, wie seine Frau in einem Brief an Härtel berichtet, ein eigenes Buch gemacht, in welches er Gedichte, die ihn ansprachen und zur Composition anregten, eintrug; allein seine Lecture war nicht ausgebreitet und was damals in Wien verbreitet war konnte ihn nicht sehr anziehen. Daß er sich auch hier sein Urtheil selbständig bewahrte, zeigt eine merkwürdige Aeußerung die er gegen seinen Vater thut (23. Dec. 1782): »Zugleich arbeite ich an einer Sache, die sehr schwer ist, nämlich an einem Bardengesang vom Denis über Gibraltar58; das ist aber ein Geheimniß, denn eine ungarische Dame will dem Denis diese Ehre erweisen. Die Ode ist erhaben, schön, Alles was sie wollen, allein zu übertrieben schwülstig für meine seinen Ohren. Aber was wollen Sie? das Mittelding, das Wahre in allen Sachen kennt und schätzt man itzt nimmer. Um Beyfall zu erhalten muß man Sachen schreiben, die so verständlich sind daß es ein Fiacre nachsingen könnte, [344] oder so unverständlich daß es ihnen, eben weil es kein vernünftiger Mensch verstehen kann, gerade eben deswegen gefällt.« Wie sehr Mozart recht hatte werden einige Zeilen dieser Ode59 beweisen
O Calpe! dir donnerts am Fuße,
doch blickt dein tausendjähriger Gipfel
ruhig auf Welten umher.
Siehe dort wölkt es sich auf
über die westlichen Wogen her,
wölket sich breiter und ahnender auf. –
Es flattert, o Calpe! Segelgewölk!
Flügel der Hülfe! Wie prächtig
wallet die Fahne Brittaniens,
deiner getreuen Verheißerin!
Calpe! Sie wallt! – Aber die Nacht sinkt,
sie deckt mit ihren schwärzesten,
unholdesten Rabenfittigen
Gebirge, Flächen, Meer und Bucht
und Klippen, wo der bleiche Tod
des Schiffers, Kiele spaltend, sitzt.
Hinan!
Aber wie viele urtheilten damals in Wien über den gefeierten Barden so vorurtheilsfrei wie der junge Componist?60
Daß Mozart seine Lieder nur nebenher, auf zufällige Anregung componirte, geht auch daraus hervor, daß er sie in langen Zwischenräumen, dann aber, wenn ein Anstoß kam, gewöhnlich gleich mehrere schrieb61. Er selbst hat deren [345] nur wenige selbst veröffentlicht62, meistens blieben sie wohl in den Händen derer für welche sie geschrieben waren und kamen in Abschriften unter das Publicum, woraus es sich erklärt daß so viele unter seinem Namen gingen, welche ihm nicht angehören, während manche, die von ihm sind, anderen zugeschrieben wurden63. Der größte Theil derselben [346] sind wirkliche Strophenlieder, wie die Lieder aus Campes Kinderbibliothek (Oeuvres 15. 17), zu denen auch das Lied zum Geburtstage des kleinen Fritz (25) gehört, dem ein höchst unpassender Text untergelegt ist. Diese sind absichtlich sehr einfach und leicht, im Kinderton gehalten, wie denn das reizende: »Komm lieber Mai« sich auch im Munde der [347] Kinder erhalten hat64. Scherzhaft gemeint ist das kleine Lied von Hagedorn: »Zu meiner Zeit bestand noch Recht und Billigkeit« (9); Mozart hat selbst darüber geschrieben: »ein bischen aus der Nase«, um den komischen Vortrag bestimmt zu charakterisiren. Was die Mehrzahl dieser Lieder vor den meisten gleichzeitigen weit hervorhebt und zum Theil noch auszeichnet, ist nicht sowohl die schön abgerundete Form, ansprechende Melodie und harmonische Feinheiten – Vorzüge, welche auch hier nicht vermißt werden –; es ist der Ausdruck einer poetischen Stimmung, mag dieselbe heiter belebt oder innerlich erregt sein, welche sie ausprägen65. Den Gedichten von Weiße, Jacobi, Overbeck, Hölty, Miller – und wie die mir unbekannten Dichter einiger Texte heißen mögen – gegenüber begreift man jetzt schwer, wie sie den Componisten in eine poetische, productive Stimmung versetzen konnten, und der leidenschaftliche Ausdruck, die starken Accente, welche auf manche Einzelnheiten in der Composition gelegt sind, erscheinen fast wie im Gegensatz zu den Worten der Gedichte66. Dabei ist freilich nicht außer Acht zu lassen, daß der Standpunkt litterarischer Bildung, welchen Mozart mit seiner ganzen Umgebung einnahm, auch [348] eine ganz verschiedene Auffassung und Empfänglichkeit für poetische Darstellungsweise bedingt; – wahrscheinlich wird auch eine nicht allzuferne Zukunft eine Anzahl heutiger Liederierte kaum mit geringerer Verwunderung betrachten. Viel wesentlicher ist es, daß Mozart auch hier seine eigenthümliche Natur offenbarte, welche ihn nicht sowohl das Wort und die Form der poetischen Darstellung, sondern den Kern derselben, das eigentlich belebende poetische Motiv auffassen läßt, welches ihn dann zu einer selbständigen Durchbildung und Darstellung anregt; daher finden wir eine Tiefe und Wahrheit im musikalischen Ausdruck der Empfindung, welche wir in den Gedichten vermissen67.
In einem Lied von sehr leidenschaftlichem, tief schmerzlichem Ausdruck – dem Abschiedslied von Jacobi (5) – sind zwei Strophen, in welchen die Empfindung in eigenthümlicher Art modificirt ist, neu componirt und erst zum Schluß tritt die erste Melodie wieder ein. Andere sind ganz durchcomponirt. Von diesen ist das Lied An Chloe (7) vielleicht am meisten bekannt und beliebt geworden wegen seiner angenehmen, leichten Melodie; es ist aber am wenigsten bedeutend und am wenigsten liedmäßig, sondern mehr nach Art italiänischer Canzonetten geformt68. Sehr viel eigenthümlicher und ebenso [349] schön im Ausdruck der Empfindung als in der, bei einem scheinbar nur dem Wechsel der Stimmung folgenden sich gehen lassen, doch fest geschlossenen und abgerundeten Form ist die Abendempfindung (6); leidenschaftlicher und fast dramatisch Unglückliche Liebe (10), wie denn auch eine ganz bestimmte Situation vom Dichter angezeigt ist durch die Ueberschrift: »Als Louise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte.« Die Krone aller Lieder aber durch herzinnigen Ausdruck des reinsten Gefühls und die reizende Rundung der Form ist wie billig Goethes Veilchen (4)69. Hier sieht man, welchen Eindruck wahre Poesie auf ihn machte, und wenn man bei anderen Liedern wahrnimmt, wie ihn die Divination des musikalischen Genies durch das Gedicht hindurch den poetischen Keim entdecken ließ, so liegt hier klar vor, wie mächtig die wirklich dichterische Gestaltung auch durch ihre Form auf ihn wirkte. Es kann jetzt wohl auffallen, daß ein so einfaches lyrisches Gedicht von Mozart als eine Romanze behandelt ist, welche mit dramatischer Lebendigkeit das Detail der kleinen Handlung ausführt, – wobei freilich nicht zu übersehen, daß durch den Meisterzug, mit welchem er zum Schluß die Worte: »Das arme Veilchen! es war ein herzigs Veilchen!« wiederholt, der echt lyrischen Grundstimmung ihr volles Recht gegeben wird70. [350] Diese Erscheinung erklärt sich theils aus der überall hervortretenden Richtung auf das Dramatische, welche Mozarts künstlerischer Natur eigenthümlich ist, theils aber und wohl noch mehr aus dem tief anregenden Eindruck, welchen Goethes klare, plastische, in aller Einfachheit in jedem Zuge wahre und anschauliche Darstellung auf ihn machte. Durch irgend einen Zufall muß ihm grade nur dieses Gedicht Goethes in die Hände gefallen sein; hätte er deren mehrere gekannt, er würde sie wohl noch lieber componirt haben als Weißesche. Warum hat er sie nicht gesucht? Nach Liedertexten suchte er wohl überhaupt nicht eifrig, sondern nahm sie, wenn sie ihm vorkamen, und Goethe war in den Kreisen, in welchen er lebte, schwerlich schon durchgedrungen. Wäre ihm dieser Frühling echter deutscher Poesie erschlossen worden, welche Blüthen würde er in ihm hervorgerufen haben!
Mozart hat als Liedercomponist beiweitem nicht die Bedeutung wie auf anderen Gebieten, obwohl seine Künstlernatur sich auch hier in ihren eigenthümlichen Zügen bewährt. Ohne Einfluß ist er aber auch hier nicht geblieben; namentlich hat Beethoven sich in seinen Liedern ihm sehr bestimmt angeschlossen und ist der durch Mozart bezeichneten Richtung bis zuletzt treu geblieben.
1 Vgl. S. 9. 11. 32. 43. 45. 65. 178f.
2 Es waren außer der Gräfin Thun die Fürstinnen Liechtenstein, Schwarzenberg, Lobkowitz. S. KellyRemin. I p. 209. Car. Pichler Denkwürd. I S. 141. Hormayr Gesch. Wiens V S. 94. Vehse Gesch. des österr. Hofes VIII S. 304ff.
3 Burney Reise II S. 160. Sie sagte ihm daß sie früher viel besser gespielt habe, aber sie habe sechs Kinder geboren von denen jedes etwas von ihr mit weggenommen habe (ebend. S. 216).
4 Burney a.a.O. S. 188. 215ff.
5 A. M. Z. XV S. 668f.
6 G. Forster sämmtl. Schr. VII S. 272.
7 Ign. v. Born geb. 1742 zeichnete sich als Naturforscher, besonders als Mineralog aus und wurde 1776 von Maria Theresia als Director des Naturalienkabinetts nach Wien berufen. Hier gewann er durch seine wissenschaftlichen und praktischen Verdienste eine sehr einflußreiche Stellung, welche er im Sinne der von Joseph erstrebten Aufklärung geltend machte; er war, wie wir noch sehen werden, einer der wirksamsten Freimaurer und seine Satire gegen die Mönche war von schlagender Wirkung. Seine persönliche Liebenswürdigkeit bei großer Kränklichkeit und den angenehmen Verkehr in seinem Hause rühmt Forster sehr (a.a.O. VII S. 266. 276). In Mozarts Stammbuch schrieb er 27. April 1787 folgende Worte Delius Apollo! qui tuas artes, tua munera Mozarto nostro dedisti, ut poscenti chorda sonos reddat, quos vult manus et mens, acutos, graves, citos, tardos, canoros, querulos, magnos, parvos, sine ulla offensione concinentes, fac ut cum grata lyrae suae musica faustorum quoque dierum numeri consonent et gratae sortis harmonia. Born starb 1791.
8 Otto v. Gemmingen, mit Mozart von Mannheim her befreundet (II S. 184. 330), kam im Sommer 1782 nach Wien (Meyer, Schröders Biogr. I S. 380), und man erwartete daß ihm die Leitung des Nationaltheaters übertragen werden würde. Er wurde 1799 zum badischen Gesandten ernannt, zog sich später auf seine Güter zurück und starb 1836.
9 Hofrath Anton von Spielmann, dessen musikalische Gesellschaften Mozart in seinen Briefen erwähnt, wird von Nicolai (Reise III S. 291) als ein Mann von Geschmack und Kenntnissen in Litteratur und Kunst gerühmt. Er besaß ein Haus mit schönem Garten auf der Landstraße (ebend. III S. 37), wo Nicolai in einem Concert seine kleine Tochter, welche von ihrer talentvollen Mutter unterrichtet war, als eine vielversprechende Klavierspielerin bewunderte (ebend. IV S. 554).
10 Der Feldmarschall Graf Haddik »ein herrlicher alter Soldat, ganz schlicht und plan« (G. Forster sämmtl. Schr. VII S. 269), war ebenfalls ein Liebhaber Mozartscher Musik (Beil. XIX, 4).
11 Cristini vita di Metastasio p. CCVI.
12 Griesinger biogr. Not. S. 13. Carpani Le Haydine p. 86.
13 Burney Reise II S. 260.
14 Burney Reise II S. 181f. 227ff. 254f.
15 Wiener Musikzeitg. 1842 S. 70.
16 Cristini vita di Metastasio p. CCXI.
17 Franz Bernh. Ritter v. Keeß, geb. 1720, starb als Vicepräsident des niederösterr. Appellationsgerichts in Wien 1795. Dieser »bekannte Musikfreund und Schätzer der Tonkünstler« nahm auch die Dilettantenconcerte im Augarten (S. 200f.) unter seine Protection (A. M. Z. III S. 46); er hinterließ eine bedeutende und kostbare Sammlung von Musikalien, bestehend aus »Symphonien, Concerten, Arien, Chören, Kirchenstücken und ganzen Opern, welche mit Mühe von ihm gesammelt oder von Meistern für ihn ausgesucht und zum Theil in seinem alleinigen Besitz waren«, wie es in der Versteigerungsanzeige heißt (Wiener Zeitg. 1796, N. 29 S. 1007).
18 Dafür erklärt ihn auch Dittersdorf Selbstbiogr. S. 233f. J.M. Jarnovich (Giarnovichi) geb. 1745 (in Palermo nach Fetis, in Ragusa nach Gyrowetz), Schüler von Lolli, brachte den größten Theil seines Lebens auf Reisen zu und starb 1804 in Petersburg.
19 Rochlitz A. M. Z. XIV S. 106. Für Freunde der Tonkunst III S. 222f.
20 Nic. Jos. v. Jacquin, geb. 1727 in Leyden, widmete sich der Medicin und insbesondere der Botanik und wurde durch Gerh. van Swieten 1752 nach Wien gezogen. Im Jahr 1755 trat er im Auftrage des Kaisers Franz I eine Reise nach Westindien an um die naturhistorischen Sammlungen Wiens zu bereichern; nachdem er 1759 zurückgekehrt war, wurde ihm die Aufsicht über die botanischen Gärten in Schönbrunn und Wien und eine Professur übertragen; in diesem Wirkungskreis und durch zahlreiche Schriften erwarb er außerordentlichen Ruhm. Er starb 1817.
21 Jos. Frz. v. Jacquin, geb. 1766, ließ schon im zwölften Jahre eine naturwissenschaftliche Abhandlung drucken; Car. Pichler erzählt, welche ehrfurchtsvolle Scheu ihr das eingeflößt habe. Am 24. April 1787 schrieb er in Mozarts Stammbuch
Tibi qui possis
Blandus auritas fidibus canoris
Ducere quercus
in amicitiae tesseram
Jos. Franc. a Jacquin.
Im folgenden Jahr trat er eine wissenschaftliche Reise an und wurde später der Nachfolger seines Vaters.
22 Der botanische Garten wurde von Maria Theresia in der Vorstadt Landstraße angelegt (Nicolai Reise III S. 34f.); als Mozart dort in der Nähe wohnte, scheint begreiflicherweise sein Verkehr mit dem Jacquinschen Hause besonders lebhaft gewesen zu sein.
23 Dieser Brief, auf den wir noch zurückkommen, ist gedruckt Wien. Zeitschr. 1842 N. 79 S. 627f.
24 Den zweiten gleich zu erwähnenden Brief schließt Mozart in seiner neckischen Weise: »Mein Urgroßvater pflegte seiner Frau, meiner Urgroßmutter, diese ihrer Tochter, meiner Großmutter, diese wieder ihrer Tochter, meiner Mutter, diese abermal ihrer Tochter, meiner leiblichen Schwester zu sagen, daß es eine sehr große Kunst sei wohl und schön zu reden, aber vielleicht eine nicht minder große zur rechten Zeit aufzuhören; ich will also dem Rath meiner Schwester, Dank unserer Mutter, Großmutter und Urgroßmutter, folgen und nicht nur meiner moralischen Ausschweifung, sondern meinem ganzen Briefe ein Ende machen.«
25 Ihm zeigte er auch, wie wir schon sahen, gleich den Tod des Vaters an.
26 Dieser Brief, dessen Original sich auf der k.k. Hofbibliothek in Wien befindet, ist ebenfalls Wien. Zeitschr. 1842 N. 79 S. 625f. gedruckt.
27 Bridi war der junge Kaufmann, welcher bei der Aufführung des Idomeneo mitsang (II S. 561); er war Kellys Reisegefährte, als dieser Haydn in Esterhaz besuchte (Remin. I p. 221). Später errichtete er in seinem Garten in Roveredo Mozart ein Monument mit der Aufschrift: Herrscher der Seele durch melodische Denkkraft (A. M. Z. XXVI S. 92).
28 Als er zu seinem »überraschenden Vergnügen« dort einen zweiten Brief von Jacquin erhielt, antwortet er im PS.: »Daß sich Ihre lieben Eltern, Ihre Frls. Schwestern und Hr. Bruder meiner sollten gar nicht erinnert haben? – das ist mir unglaublich! Ich schiebe es ganz auf Ihre Vergeßlichkeit, mein Freund, und schmeichle mir mich nicht zu betrügen.«
29 Charakteristisch sind die Worte, welche dieser (11. April 1787) in Mozarts Stammbuch schrieb: »Wahres Genie ohne Herz ist Unding – denn nicht hoher Verstand allein, nicht Imagination, nicht beide zusammen machen Genie – Liebe! Liebe! Liebe! ist die Seele des Genies.«
30 Die Arie ist gedruckt als Concertarie N. 9; der Text ist entlehnt aus Paisiellos Oper La disfatta di Dario.
31 Bezeichnend für Mozarts Art zu arbeiten ist es daß er an der Stelle, wo in der übrigens auch in dieser Hinsicht nicht schwierigen Arie eine sehr kühne und frappante Harmonienfolge eintritt, sich den Baß beim Niederschreiben gleich beziffert hat
als wolle er sich dieses Ganges der Harmonie versichern.
32 »Wenn es erst Noth hat Sie durch das Lied en question meiner Freundschaft zu versichern, so haben Sie weiter keine Ursache daran zu zweifeln: hier ist es. Ich hoffe aber daß Sie auch ohne diesem Liede meiner wahren Freundschaft überzeugt sind« (Prag 9. Nov. 1787).
33 André Verz. 99. Oeuvres V, 10 »Erzeugt von heißer Phantasie.«
34 Von diesen Terzetts ist meines Wissens nur eins gedruckt Mi lagnerò tacendo (Oeuvres V, 19 mit hinzugefügter Klavierbegleitung). Ein zweites Ecco quel fiero istante existirt in Mozarts Skizze vollständig auf der k.k. Hofbibliothek in Wien, wo das dritteSe lontan ben mio tu sei ebenfalls im Entwurf, der aber nicht ganz vollendet ist, sich befindet. In Mozarts thematischem Verzeichniß ist unter dem 16. Juli 1788 das vierte Più non si trovano notirt; und noch zwei andere Due pupille amabile und Luci care, luci belle sind mir aus Al. Fuchs Verzeichniß, leider ohne näheren Nachweis, bekannt. Ursprünglich waren sie ohne Begleitung geschrieben, später hat Mozart wenigstens zu einigen derselben ein Accompagnement von 3 Bassethörnern hinzugesetzt, das wohl durch zufällige Verhältnisse veranlaßt war.
35 Es ist die Baßarie Io ti lascio, o cara, addio, welche zuerst in Partitur – sie ist nur vom Saitenquartett begleitet – als Beilage I zur A. M. Z. I gedruckt ist. Dort ist freilich dabei bemerkt, sie sei aus Mozarts Originalhandschrift gedruckt und von ihm in wenig Minuten geschrieben, als er Abschied von einer Freundin nahm; – man hat die Abschiedsscene später nach Prag, nach Mainz verlegt und Liebesnovellen dazu erfunden. Allein die Wittwe Mozarts protestirte in einem Briefe an Härtel (25. Mai 1799) sogleich gegen die Echtheit, indem sie unterstützt durch das Zeugniß des Abbé Stadler bestimmt versicherte, die Arie sei von Gottfr. v. Jacquin bei der Abreise der Gräfin Hatzfeld (S. 211) componirt und Mozart habe die Begleitung ausgesetzt. Die Arie enthält wohl Mozartsche Wendungen, aber keinen charakteristischen Zug seines Geistes.
36 Mozart schreibt an Gottfr. v. Jacquin (Prag 14. Febr. 1787): »es giebt sich ja von selbst, daß wir ein kleines Quatuor in caritatis camera (und das schöne Bandl hammera) unter uns werden gemacht haben.« Auch in den Briefen an die Frau finden sich Anspielungen auf diese geselligen Lieder.
37 In Wien wurde mir von glaubwürdigen Leuten berichtet, daß die Wittwe Mozart die Veranlassung zu diesem Terzett in dieser Weise erzählt habe; in dem kurzen Vorbericht zum gedruckten Terzett (Oeuvres V, 8) ist das Detail, welches nicht für das Publicum zu gehören schien, fortgeblieben.
38 Sie schreibt an Härtel (25. Mai 1799), da von diesem Quartett nur die Singstimmen niedergeschrieben seien, habe sie Beethoven gebeten die Begleitung dazu zu setzen; bei genauerer Betrachtung fand sich daß keine erforderlich sei. In einem handschriftlichen Verzeichniß Mozartscher Canons fand ich den Anfang notirt
39 Im Jahr 1856 erschien in Wien bei Artaria Canto a 5 voci di Mozart, mit einer Vorbemerkung, daß Mozart diesen Scherz bei seiner Anwesenheit in Warschau componirt und seinem Freunde Dibowski daselbst das Manuscript überlassen habe, der im Jahr 1820 eine Abschrift Mozarts Sohn schenkte, welche in den Besitz der Frau Baroni-Cavalcabo gelangte und dem Druck zu Grunde liegt. Da von einer Reise Mozarts nach Warschau nicht das Geringste bekannt ist, so fürchte ich ein Mißverständniß; wahrscheinlich wird Dibowski mit Mozart in Wien oder sonstwo zusammengetroffen sein und von ihm diese Composition erhalten haben.Nach einer Mittheilung Hrn. W. Häsers in Stuttgart erhielt derselbe im Jahr 1806 von Strohbach diesen Canon in D-Dur, instrumentirt in Partitur, als eine Composition Cartelieris, mit der Ueberschrift Il segreto, vermuthlich aus einer Oper entnommen, denn die Singenden waren als Angelica, Costanze, Valerio, Popone und Salonio bezeichnet.
40 Es ist bekannt daß Jos. Haydn in seinem Schlafzimmer statt der Gemälde sechs und vierzig Canons von seiner Composition unter Glas und Rahmen aufgehängt hatte (Griesinger biogr. Notizen S. 97. Carpani Le Haydine p. 121. vgl. biogr. Skizze von Mich. Haydn S. 29).
41 Seine canoni berneschi waren nach Carpani (Le Haydine p. 113) allgemein verbreitet.
42 Neukomm theilte mir mit daß ein unter Mozarts Namen bekannter Kanon: »Sch ... nieder armer Sünder« von Mich. Haydn mit Beziehung auf eine bestimmte Person in Salzburg componirt sei; ein anderer komischer Canon von ihm, zu dem die spaßhafte Reimerei des Orgelbauers Egedacher in Salzburg Veranlassung gegeben hatte, ist im Facsimile mitgetheilt in der Cäcilia XVI S. 212. Die nahe Verwandtschaft mit den Mozartschen Texten leuchtet ein; vielleicht liegt darin etwas vom salzburgischen Spaß.
43 Oeuvres XV und XVI sind 2 zweistimmige, 9 dreistimmige, 9 vierstimmige und 1 sechsstimmiger Canon gedruckt; es ist sehr zweifelhaft ob alle echt sind. Aus dem thematischen Verzeichniß ergeben sich als von Mozart componirt
XV, 1 Difficile lectu [Nimm ists gleich warm] dreistimmig.
2 Caro bell' idol dreistimmig.
5 Ave Maria vierst.
6 Lacrimoso son io vierst.
XVI, 1 O du eselhafter [Gähnst du Fauler] vierst.
2 Alleluja vierst.
3 Grechtelseng [Alles Fleisch] vierst.
4 Gemma in Prater [Alles ist eitel] vierst.
6 Bona nox [Gute Nacht] vierst.
Außer diesen sind noch fünf nach Mozarts Autographen abgedruckt, denn die Wittwe schreibt (30. Nov. 1799), sie habe 13 Canons im Original eingeschickt. Von diesen sind mit ziemlicher Sicherheit zu erkennen
XV, 4 L. m. d. A. r. s. [Nichts labt mich mehr] vierst.
XVI, 5 Lieber Freistädter, lieber Gaulimauli [Wer nicht liebt] vierst.
7 L. m. i. A. [Laßt uns froh sein] sechsst.
9 [Laß immer] zweist. Allein dieser Canon, der ursprünglich keinen Text hatte, war nach Andrés handschr. Verz. (nachtr. Comp. H) ein Adagio für 2 Bassethörner und Fagott.
Ueber die anderen weiß ich keine Rechenschaft zu geben, indessen scheinen mir die sicher beglaubigten auch bei weitem die schönsten zu sein. Es fehlen aber auch in dieser Sammlung einige echt Mozartsche Canons, so der im thematischen Verzeichniß genannte vierstimmige Nascoso, der außerordentlich schön ist, und die bekannten »Im Grab ists finster« –. wie die decente Textversion lautet – und »Hätts nit gedacht daß Fischgraten so stechen thaten« (Zelter Briefw. II S. 128).
44 Hieher gehören besonders XV, 5. XVI, 2.
45 Namentlich sind anzuführen XV, 2. 6, und der eben genannte Nascoso.
46 Als Probe mögen zwei unverfängliche Originaltexte mitgetheilt werden
XVI, 3. »Grechtelseng grechtetseng, wir gehn in Prater. In Prater? itzt laß nach, i laß mi nit stimma. Ei bei Leib. Ei ja wohl. Mi bringst nit außi! Was blauscht der? was blauscht der? itzt halts Maul, i gieb dir a Tatschen!«
XVI, 4. »Gemma in Proda, gemma in d'Hetz, gemma zum Kasperl. Der Kasperl ist krank, der Bär ist verreckt, was thät ma in der Hetz draußt, im Prater giebts Gelsen und Haufen von Dreck.«
Daß der Spaß wesentlich mit im Text, in dessen dialogischem Charakter und gemeiner Ausdrucksweise beruhet, wird Jeder fühlen, der die neu untergelegten Worte vergleicht, die zwar durchaus anständig und gewählt sind, aber die eigentliche Wirkung aller dieser komischen Canons vollständig paralysiren.
47 XV, 1 Difficile lectu mihi Mars et jonicu (das letzte Wort ist so gebraucht, daß beim Singen cujoni herauskommt).
48 Das Blatt, auf welches Mozart die beiden Canons rasch hingeschrieben hat, ist aus der Sammlung desDr. Gaßner in Gießen facsimilirt in der Cäcilia I S. 179ff., wo auch über die Veranlassung das Nähere berichtet ist. Die Zeit ergiebt sich aus den Nachrichten, welche Lipowsky (Baiersches Musik-Lexikon S. 239f.) über Peierl mittheilt; die Angabe daß der Canon 1781 in München componirt sei (Holmes p. 183) ist wohl nur daraus gefolgert daß Peierl ein Münchner Sänger genannt wird.
49 Im thematischen Verzeichniß heißt er: »O du eselhafter Martin«, und so ist er allgemein bekannt. Bei Prof. Dehn in Berlin sah ich diesen Canon von Mozarts Hand geschrieben, der anstatt Martin, martinisch überall Jacob, jacobisch darüber geschrieben hatte; und in solcher Art mag Mancher damit geneckt sein.
50 Ich führe hier nur die dreistimmige sogenannte komische oder Schulmeister-Messe an, welche unter Mozarts, auch unter Haydns Namen geht; sie ist nach Carpanis Versicherung (Le Haydine p. 112f.) von Aumann, einem Augustinermönch in St. Florian und gelehrten Musiker. Eben derselbe erzählt daß es früher in Wien Sitte war am St. Cäcilientage dergleichen komische Musik in den musikalischen Gesellschaften aufzuführen.
51 Der musikalische Spaß ist nach dem thematischen Verzeichniß am 11. Juni 1737 componirt; in Partitur gedruckt ist er bei Heckel in Mannheim (Mozarts Sextetten) und unter dem Titel Bauern-Sinfonie bei Schlesinger in Berlin 1856. Das Original (André Verz. 156) zeigt daß Mozart die letzten Sätze, wahrscheinlich von der Zeit gedrängt, nicht erst in Partitur sondern gleich in Stimmen schrieb: ein neuer Beweis, wie klar ausgearbeitet er das im Kopfe hatte, was er niederschrieb.
52 Ueber einen musikalischen Spaß verwandter Art berichtete die Breslauer Zeitung (1855 N. 170 S. 1090f.), Mozart habe einst auf einem Dorf unweit Wien im Wirthshaus fröhlich getanzt, trotz der elenden Musik, die ihm den Ausruf entlockte: »Das ist ja ein Geklimper als ob Mäuse auf den Saiten tanzten!« Die vier Musikanten, welche ihn erkannten, haben ihn begrüßt und dann nicht eher losgelassen, als bis er ihnen versprochen ein ganz leichtes Quartett für sie zu schreiben und sie auf den anderen Tag zu sich bestellt habe. Da habe er ihnen denn ein rasch hingeworfenes Quartett gegeben »für Leute, die Noten kennen und ohne die Finger zu bewegen, mit dem Bogen nur auf und ab die leeren Saiten zu streichen haben.« Die Anekdote ist nicht beglaubigt; das Quartett, welches ohne Mozarts Namen unter dem Titel Neugebornes musikalisches Gleichheitskind in Prag bei Haas erschienen ist – ich verdanke die Mittheilung desselben Hrn. Musikdir. Mosewius – ist so insipid und unmusikalisch, ohne Wohlklang und Pointe, daß an Mozart dabei gar nicht gedacht werden kann.
53 Das geistliche Lied bleibt für den nächsten Zweck dieser Betrachtung ganz außer dem Spiel.
54 Daß auch früher viele, selbst bedeutende Componisten wie Telemann, Graun, Ph. Em. Bach u.a. Lieder, oder wie sie damals genannt wurden, Oden für den Gebrauch der Hausmusik componirten, ist bekannt; in Marpurgs kritischen Briefen ist die musikalische Ode (Chanson, Strophenlied) sowohl historisch als ästhetisch gewürdigt; allein der bedeutende Einfluß der Operette auf die Umgestaltung des Liedes ist nicht zu verkennen.
55 Klopstock kommt hier wenig in Betracht; seine Oden haben allerdings einzelne Componisten gefunden, wie – um Neefe nicht zu nennen – Gluck und Reichardt, der auch ein persönlicher Verehrer Klopstocks war (A. M. Z. XVI S. 22ff.) und über die Composition Klopstockscher Oden schrieb (Kunstmagazin I S. 22ff.); aber von durchgreifendem Einfluß sind sie nicht gewesen.
56 Reichardt machte 1782 (musikal. Kunstmagazin I S, 3ff.) auf die Volkslieder. aufmerksam, zu denen der Liedercomponist als zu seiner wahren Quelle zurückkehren müsse.
57 Die erste Sammlung der Lieder im Volkston von J.A.P. Schulz erschien Berlin 1782. Die schon im Titel ausgesprochene Richtung ist in der Vorrede noch bestimmter charakterisirt.
58 Die Nachricht daß die Engländer den mit unerhörten Mitteln von der Land- und Seeseite zugleich unternommenen Sturm der Spanier auf das seit 1779 von ihnen belagerte Gibraltar im September 1782 ruhmvoll zurückgeschlagen hatten, erregte in Wien, wo man auf der Seite der Engländer stand, großen Jubel. Auch Mozart schrieb seinem Vater (19. Oct. 1782): »Ja wohl habe ich, und zwar zu meiner großen Freude (denn Sie wissen wohl, daß ich ein Erz-Engländer bin) Englands Siege gehört!«
59 Sie ist gedruckt in Retzers Nachlese zu Sineds Liedern (Wien 1784) S. 84ff.
60 Ein Skizzenblatt Mozarts, das einen Theil dieser Ode im ersten flüchtigen Entwurf enthält, ist aus dem Archiv des Mozarteums in Salzburg als Facsimile zum zweiten Bande mitgetheilt worden. Ob die Composition je vollendet wurde ist mir unbekannt.
61 So componirte er am 7. Mai gleich drei Lieder von Weiße; auf dem Autograph (André Verz. 94–96) ist daneben notirt »Weiße erster Band p. 18. 14. 29«; – Weißes lyrische Gedichte Leipz. 1772 gehörten zu Mozarts kleiner Bibliothek. Am fruchtbarsten war das Jahr 1787, in welchem der Verkehr mit Jacquins am lebhaftesten gewesen zu sein scheint; im Mai sind vier, am 24. Juni zwei, am 6. November in Prag wieder zwei, endlich am 11. December noch ein Lied componirt. Dann ist eine Pause bis zum 14. Jan. 1791, wo drei Lieder, welche bestellt waren, niedergeschrieben sind. – Drei Lieder (Oeuvres V, 22. 24. 26), deren Entstehungszeit nicht bekannt ist, sind nach der Handschrift zu urtheilen (André Verz. 92), wenn nicht etwa schon in Salzburg, doch gewiß in der ersten Zeit des Wiener Aufenthalts entstanden.
62 Soviel ich weiß sind nur das Veilchen und das Abschiedslied unter dem Titel: Zwo deutsche Arien zum Singen beim Klavier in Musik gesetzt von Hrn. Kapellmeister Mozart (Wien bei Artaria 1790), vielleicht auch An Chloe und Abendempfindung bei Mozarts Lebzeiten einzeln erschienen. Die drei 1791 componirten Lieder (Oeuvres V, 15. 16. 17) sind nach einer Andeutung Nissens für eine damals herausgegebene Kinderzeitschrift geschrieben, doch habe ich dies nicht feststellen können.
63 Bald nach Mozarts Tode erschienen theils einzeln theils in Sammlungen echte und unechte Mozartsche Lieder; eine angeblich vollständige Sammlung unter dem Titel: Sämmtliche Lieder und Gesänge beim Fortepiano vom Kapellm. W.A. Mozart (Berlin, Rellstab). Allein von den 33 Gesängen, welche sie enthält, sind nur 5 echt (vgl. A. M. Z. I S. 744ff.). Durchaus zuverlässig, auf die ausführlichen und sorgfältigen Mittheilungen der Wittwe gestützt ist die Sammlung im fünften Heft der Oeuvres (Breitkopf u. Härtel). Hier, wo es sich um die eigentlichen deutschen Lieder handelt, sind auszuscheiden
8. Das Bandlterzett.
19. Terzett. Mi lagnerò; vgl. S. 330.
11. 18. Zwei französische Lieder, vgl. II, S. 105.
20. 21. Zwei italiänische Canzonetten.
14. Arie: Männer suchen stets zu naschen; vgl. S. 288.
13. Cantate: Die ihr des Unermeßlichen.
15. Kriegslied; vgl. S. 288.
Es bleiben also ein und zwanzig eigentliche Lieder zurück, von welchen 28 ursprünglich mit Begleitung der Orgel, 30 der Mandoline geschrieben ist. Von einem zweiten Lied mit Mandolinenbegleitung – die wahrscheinlich durch eine besondere Liebhaberei eines Bekannten veranlaßt wurde – kenne ich nur den Anfang aus Andrés handschr. Verz. (Abschr. XIV)
Ein Wiegenlied mit Klavierbegleitung »Schlafe mein Prinzchen« ist nachträglich bei Nissen (Nachtrag S. 20) veröffentlicht, zwei andere
und
befinden sich handschriftlich im Archiv des Mozarteum in Salzburg; sie scheinen mir aus früherer Zeit herzurühren, wie die drei bereits erwähnten.
64 Eine nicht ganz kindliche Lieblingswendung Mozarts
pflegen sie sich mundgerecht zu machen.
65 Dies gilt allerdings in geringerem Grade von den vorher einer älteren Zeit zugewiesenen Liedern, bei denen man auch die ursprünglichen Textworte nicht übersehen darf.
66 Ich erinnere nur beispielsweise an den Schluß des zweiten Liedes Zufriedenheit: »Und angenehm ist selbst mein Schmerz, wenn ich vor Liebe weine«; oder an die Worte in der betrogenen Welt (3): »Es wird ein prächtig Fest vollzogen, bald hinkt die Reue hinterdrein.«
67 Man nehme z.B. gleich das erste Lied von Weiße: Der Zauberer. Sieht man ab von dem schäferhaften Costum, das uns fremd ist, und dem matten, theilweis unbeholfnen Ausdruck und halt sich an die Situation des jungen Mädchens, das zuerst sich des Gefühls der Liebe mit Furcht und Staunen bewußt wird, so wird man diese in Mozarts Composition wieder finden; Weißes Schäferin allerdings nicht.
68 Von den beiden italiänischen Canzonetten, welche ebenfalls in die Sammlung aufgenommen sind, ist die erste Un moto di gioja (20) – deren Original nach der Angabe von Al. Fuchs im Besitz einer Gräfin Wimpfen ist – leicht und gefällig; die zweite Ridente la calma (21) stammt ohne Zweifel aus früherer Zeit und würde recht gut in eine der älteren italiänischen Opern passen.
69 Das Facsimile des Liedes nach dem Original, welches mein Freund Wilh. Speyer in Frankfurt besitzt, ist dem ersten Bande beigegeben.
70 Auch ein Recensent in der musik. Realzeitung 1790 S. 1, der dem Trennungslied und dem Veilchen nachrühmt, daß sie mit Einsicht, Geschmack und seiner Empfindung ausgeführt seien, hebt besonders hervor: »Sehr überraschend und vorzüglich schön ist die Behandlung des Textes am Schluß, da Hr. M. am Ende der dritten Strophe die Worte noch einmal wiederholt: Das arme Veilchen! es war ein herzigs Veilchen!«
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