XX.

11.


Verehrungswürdiger O.B.2


Liebster, bester Freund! –


Die Ueberzeugung, daß Sie mein wahrer Freund sind, und daß Sie mich als einen ehrlichen Mann kennen, ermuntert mich, Ihnen mein Herz ganz aufzudecken, und folgende Bitte an Sie zu thun.

Ich will ohne Ziererey nach meiner angebornen Aufrichtigkeit zur Sache selbst schreiten. –

Wenn Sie die Liebe und Freundschaft für mich haben wollen, mich qui 1 oder 2 Jahre mit 1 oder 2 tausend Gulden gegen gebührende Interessen zu unterstützen, so würden Sie mir auf Acker und Pflug helfen! – Sie werden gewiß selbst sicher und wahr finden, daß es übel, ja ohnmöglich zu leben sey, wenn man von Einnahme zu Einnahme warten muß! – Wenn man nicht einen gewissen, wenigstens den nöthigen Vorrath hat, so ist es nicht möglich, in Ordnung zu kommen – mit nichts macht man nichts. –

Wenn Sie mir diese Freundschaft thun, so kann ich 1mo (da ich versehen bin) die nöthigen Ausgaben zur gehörigen Zeit folglich leichter entrichten, wo ich jetzt die Bezahlungen verschieben, und dann eben zur unbequemsten Zeit meine ganze Einnahme oft auf einmal hinausgeben muß; So kann ich mit sorgenloserem Gemüth und freyerem Herzen arbeiten, folglich mehr verdienen.

Wegen Sicherheit glaube ich nicht, daß Sie einigen Zweifel haben werden. – Sie wissen so ungefähr, wie ich stehe, und kennen meine Denkungsart Wegen der Souscription dürfen [489] Sie keine Sorge haben; ich setze die Zeit nur um einige Monate mehr hinaus; ich habe Hoffnung, auswärtig mehrere Liebhaber zu finden als hier.

Nun habe ich Ihnen in einer Angelegenheit, die mir sehr wichtig ist, mein Herz ganz sehen lassen. – Nun sehe ich mit Sehnsucht einer Antwort, aber wirklich einer angenehmen Antwort entgegen – und ich weiß nicht – ich kenne Sie einmal als den Mann, der so wie ich, wenn er anderst kann, seinen Freund, aber wahren Freund gewiß unterstützt. – Wenn Sie vielleicht sobald nicht eine solche Summe entbehren könnten, so bitte ich sie mir wenigstens bis morgen ein paar hundert Gulden zu leihen, weil mein Hausherr auf der Landstraße so indiskret war, daß ich ihn gleich auf der Stelle (um Ungelegenheiten zu vermeiden) auszahlen mußte, welches mich sehr in Unordnung gebracht hat!

Wir schlafen heute das erstemal in unserm neuen Quartier allwo wir Sommer und Winter bleiben; – ich finde es im Grunde einerley, wo nicht besser, ich habe ohnehin nicht viel in der Stadt zu thun, und kann, da ich den lieben Besuchen nicht ausgesetzt bin, mit mehrerer Muße arbeiten; und muß ich Geschäfte halber in die Stadt, welches ohnehin selten genug geschehen wird, so führt mich jeder Fiaker um 10 kr. hinein; um das ist auch das Logis wohlfeiler, und wegen Frühjahr – Sommer – und Herbst angenehmer, da ich auch einen Garten habe.

Das Logis ist – in der Währingergasse bei den 5 Sternen Nro. 135. Nun nehmen Sie meinen Brief – als das wahre Zeichen meines ganzen Vertrauens gegen Sie, und bleiben Sie ewig mein Freund, wie ich sein werde bis ins Grab


Ihr wahrer innigster Freund

W.A. Mozart.


P.S. Wenn werden Sie wieder bei Ihnen eine kleineMusique machen? Ich habe ein neues Trio3 geschrieben4.

[490] 2.


Verehrungswürdigster O.B.


Liebster bester Freund!


Ich habe immer geglaubt dieser Tagen selbst in die Stadt zu kommen, um mich bei Ihnen wegen Ihrer mir bewießenen Freundschaft mündlich bedanken zu können – Nun hätte ich aber nicht einmal das Herz vor Ihnen zu erscheinen, da ich gezwungen bin Ihnen frey zu gestehen daß ich Ihnen das mir geliehene ohnmöglich sobald zurückzahlen kann und Sie ersuchen muß mit mir Gedult zu haben! – Daß die Umstände dermalen so sind und Sie mich nach meinem Wunsch nicht unterstützen können, macht mir viele Sorgen! – Meine Lage ist so, daß ich unumgänglich benöthigt bin Geld aufzunehmen. – Aber Gott, wem soll ich mich vertrauen? Niemanden als Ihnen, mein Bester! – Wenn Sie mir nur wenigstens die Freundschaft thun wollen, mir durch einen andern Weg Geld zu verschaffen! – Ich zahle ja gern die Interessen, und derjenige der mir lehnte, ist ja durch meinen Charakter und meine Besoldung glaub ich gesichert genug – es thut mir leid genug, daß ich in diesem Falle bin, ebendeßwegen wünschte ich aber eine etwas ansehnliche Summe auf einen etwas längeren Termin zu haben, um einem solchen Falle vorbeugen zu können. – Wenn Sie, werthester Br., mir in dieser meiner Lage nicht helfen, so verliere ich meine Ehre und Credit, welches das einzige ist, welches ich zu erhalten wünsche – Ich baue gantz auf Ihre ächte Freundschaft und br. Liebe, und erwarte zuversichtlich daß Sie mir mit Rath und That an die Hand gehn werden. Wenn mein Wunsch in Erfüllung gehet, so kann ich frey Odem schöpfen, weil ich dann im Stande sein werde, mich in Ordnung zu bringen und auch darinnen zu erhalten; – Kommen Sie doch zu mir und besuchen Sie mich, ich bin immer zu Hauße; – ich habe in den 10 Tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet als im andern Logis die 2 Monate, und kämen mir nicht so oft so schwarze Gedanken (die ich mir mit Gewalt ausschlagen muß), würde es mir noch besser von Statten gehen, denn ich wohne angenehm – bequem – und – wohlfeil. – Ich will Sie [491] nicht länger mit meinem Gewäsch aufhalten, sondern schweigen und hoffen.


Ewig ihr verbundener Diener

wahrer Freund u. O.B.

W.A. Mozart.


d. 27 Juny 1788.

3.


d. 17 Julius 1789


Liebster bester Freund

und verehrungswürdiger Br.


Sie sind gewiß böse auf mich, weil Sie mir gar keine Antwort geben! – Wenn ich Ihre Freundschaftsbezeugungen und mein dermaliges Begehren zusammenhalte, so finde ich daß Sie vollkommen recht haben. Wenn ich aber meine Unglücksfälle (und zwar ohne mein Verschulden) und wieder Ihre freundschaftliche Gesinnungen gegen mich zusammenhalte, so finde ich doch auch, daß ich – Entschuldigung verdiene. Da ich Ihnen, mein Bester, alles was ich nur auf dem Herzen hatte in meinem letzten Brief mit aller Aufrichtigkeit hinschrieb5, so würden mir für heute nichts als Wiederholungen übrig bleiben, nur muß ich noch hinzusetzen 1mo daß ich keiner so ansehnlichen Summe benöthigt sein würde, wenn mir nicht entsetzliche Kosten wegen der Kur meiner Frau bevorständen, besonders wenn sie nach Baden muß; 2do da ich in kurzer Zeit versichert bin in bessere Umstände zu kommen, so ist mir die zurückzuzahlende Summe sehr gleichgültig, für die gegenwärtige Zeit aber lieber und sicherer wenn sie groß ist. 3tio muß ich Sie beschwören, daß wenn es Ihnen gantz ohnmöglich wäre mir diesesmal mit dieser Summe zu helfen, Sie die Freundschaft und br. Liebe für mich haben möchten, mich nur in diesem Augenblick mit was Sie nur immer entbehren können zu unterstützen, denn ich stehe wirklich darauf an; – zweifeln können Sie an meiner Rechtschaffenheit gewiß nicht, dazu kennen Sie mich zu gut. Mißtrauen in meine Worte, Aufführung und Lebenswandel können Sie doch auch nicht setzen, weil Sie meine Lebensart und mein Betragen kennen, folglich – verzeihen Sie mein Vertrauen zu Ihnen. Von Ihnen bin ich gantz überzeugt, daß nur [492] Ohnmöglichkeit Sie hindern könnte, ihrem Freund behülflich zu sein; können und wollen Sie mich gantz trösten, so werde ich Ihnen als meinem Erretter noch jenseits des Grabes danken – denn Sie verhelfen mir dadurch zu meinem fernern Glück in der Folge – wo nicht – in Gottesnamen, so bitte und beschwöre ich Sie um eine augenblickliche Unterstützung nach Ihrem Belieben, aber auch um Rath und Trost.


Ewig ihr verbundenster Diener

Mozart.


P.S. Meine Frau war gestern wieder elend. Heute auf die Igel befindet sie sich Gott Lob wieder besser; – ich bin doch sehr unglücklich! – immer zwischen Angst und Hoffnung! – und dann! – Dr. Closset war gestern auch wieder da.


46.


Sie haben recht, liebster Freund, wenn Sie mich keiner Antwort würdigen! – meine Zudringlichkeit ist zu groß. – Nur bitte ich Sie meine Umstände von allen Seiten zu betrachten, meine warme Freundschaft und Zutrauen zu Ihnen zu bedauern und zu verzeihen! – Wollen und können Sie mich aber aus einer augenblicklichen Verlegenheit reißen, so thun sie es Gott zu Liebe – was Sie immer entbehren können, wird mir angenehm seyn. – Vergessen Sie ganz meine Zudringlichkeit, wenn es Ihnen möglich ist, und verzeihen Sie mir. Morgen Freytag hat mich Graf Hadick gebeten ihm des Stadlers Quintett und das Trio, so ich für Sie geschrieben, hören zu lassen; ich bin so frey Sie dazu einzuladen. Häring wird es spielen. – Ich würde selbst zu Ihnen gekommen seyn, um mündlich mit Ihnen zu sprechen, allein mein Kopf ist wegen rheumatischen Schmerzen ganz eingebunden, welche mir meine Lage noch fühlbarer machen. – Noch einmal, helfen Sie mir nach Ihrer Möglichkeit nur für diesen Augenblick – und verzeihen Sie mir


Ewig ganz Ihr

Mozart.7


[493] 5.


Allerliebster Freund u. O.B.


Sie werden ohne Zweifel von Ihren Leuten vernommen haben, daß ich gestern bei Ihnen war, und (nach Ihrer Erlaubniß) uneingeladen bei ihnen speirn wollte. – Sie wissen meine Umstände, kurz – ich bin, da ich keine wahren Freunde finde, gezwungen bey Wucherern Geld aufzunehmen; da es aber Zeit braucht um unter dieser unchristlichen Klasse Menschen doch noch die christlichsten aufzusuchen und zu finden, so bin dermalen so entblößt, daß ich Sie, liebster Freund, um Alles in der Welt bitten muß, mir mit Ihrem entbehrlichsten beyzustehen.– Wenn ich wie ich hoffe in 8 oder 14 Tagen das Geld bekomme, so werde Ihnen gleich das mir itzt gelehnte wieder zurückzahlen. – Mit dem, was ich Ihnen schon so lang ausständig bin, muß ich Sie leider noch bitten Gedult zu haben. – Wenn Sie wüßten was mir das alles für Kummer und Sorge macht – es hat mich die gantze Zeit her verhindert meine Quartetten zu endigen8. – Ich habe nun sehr große Hoffnung bei Hofe, denn ich weiß zuverlässig, daß der K ... meine Bittschrift, nicht wie die andern, begünstigt oder verdammt, herabgeschickt sondern zurückbehalten hat9. – Das ist ein gutes Zeichen. – Künftigen Samstag bin ich Willens meine Quartetten bey mir zu machen, wozu ich Sie und Ihre Fr. Gemahlin schönstens einlade. Liebster, bester Freund und Br. – entziehen Sie mir meiner Zudringlichkeit wegen Ihre Freundschaft nicht, und stehen Sie mir bey. Ich verlasse mich ganz auf Sie und bin ewig


Ihr dankbarster

Mozart.


P.S. Nun habe ich 2 Scolaren, ich möchte es gerne auf 8 Scolaren bringen; suchen Sie es auszustreuen daß ich Lectionen annehme10.


[494] 6.


Liebster bester Freund!


Verehrungswürdigster Br.


Geschäfte halber habe ich heute nicht das Vergnügen haben können, mit Ihnen mündlich zu sprechen. – Ich habe eine Bitte – Meine Frau schreibt mir daß Sie merke man möchte (obwohl es nicht zu prätendiren seye) sowohl wegen Quartier als auch wegen Kost und Brod gerne etwas Geld sehen, und verlanget also ich möchte ihr schicken. Ich in der Meinung alles auf die letzt beim Abzug in Ordnung zu bringen befinde mich nun deswegen in einer großen Verlegenheit. Meine arme Frau mochte ich nicht unangenehmen Sachen aussetzen – und entblößen kann ich mich dermalen nicht. Wenn Sie, bester Fr., mich mit etwas unterstützen können, daß ich ihr es sogleich hinausschicke, so verbinden Sie mich recht sehr11. – Es kömmt ohnehin nur auf einige Tage an, so empfangen Sie in meinem Namen fl. 2000 – wovon Sie sich dann gleich bezahlt machen können.


Ewig Ihr

Mozart.


den 25. Juny 1791.

Fußnoten

1 Gedruckt Wiener Zeitschr. 1842 N. 61 S. 483f.


2 O.B. d.i. Ordensbruder.


3 In Mozarts Verzeichniß ist das Trio in E-dur unter dem 22. Juni 1788 eingetragen.


4 Unten ist von Puchberg hinzugeschrieben: »Den 17. Juny 1788 200 fl. gesendet.«


5 Dieser Brief ist mir nicht bekannt geworden.


6 Nach dem Autograph herausgegeben von Hanslick in den österreichischen Blättern für Litter. u. Kunst 1853 N. 9 S. 51.


7 Darunter hat Puchberg notirt: »Den 8 April 1790 fl. 25 in Bancozetteln geschickt.«


8 Im Mai und Juni 1790 schrieb Mozart die beiden letzten Quartetts in B-dur und F-dur; daraus ergiebt sich das Jahr dieses Briefes.


9 Vgl. oben S. 188f.


10 Puchberg hat hinzugeschrieben: »Den 17 May fl. 150 gesandt.«


11 Von Puchbergs Hand ist hinzugesetzt: »Eod. d. fl. 25 geschickt.«


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 3, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1858, S. 1.
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