[341] Ein und vierzigstes Schreiben.

Anmerkungen von Lucca und Pistoja.

Die Republik Lucca hat etwan dreyßig italienische Meilen im Umfange, das Land aber ist wegen seiner Fruchtbarkeit, wie auch guten Regierung dergestalt bebauet und mit Einwohnern besetzet, daß man in der Stadt und denen dazu gehörigen hundert und funfzig Dörfern über hundert und zwanzig tausend Menschen, davon dreyßig tausend die Waffen tragen können, rechnet. Rand links: Umfang des Gebiethes von Lucca. Rand links: Anzahl der Einwohner. Dieser Umstände ungeachtet, muß dennoch ein auswärtiger Schutz immer das beste thun, um ihre Freyheit gegen die Großherzoge von Florenz, welche den Staat von Lucca mit ihren Ländern ganz umzingelt haben, in Sicherheit zu stellen. Rand links: Gefährliche Nachbarschaft an Florenz. Verschiedene Unternehmungen der Großherzoge haben schon gezeiget, daß es ihnen nicht an Appetit fehle, diesen schönen und ihnen so bequem liegenden Strich Landes mit ihrem übrigen Gebiethe zu vereinigen, und der Republik Luccadas Schicksal wiederfahren zu lassen, welches Florenz, Siena und Pisa betroffen hat; es fehlet auch nicht an Gelegenheiten, Händel anzufangen, indem es nicht nur wegen der Gränzen und andern Gerechtigkeiten zwischen zween so nahen Nachbarn immer etwas zu streiten giebt, sondern auch Lucca die mediceischen Prinzen nur für Großherzoge in Toscana, nicht aber von Toscana, wie diese es fodern, erkennen will. Die innerliche Einigkeit ist bey solcher Bewandniß eines der vornehmsten Stücke, auf deren Erhaltung die Republik bedacht seyn muß, wenn sie die angenehme Freyheit, mit deren Losungsworte auch ihr Wapen und dessen Abbildung an den Thoren und öffentlichen Gebäuden, wie auch auf den Münzen pranget, auf die späten Nachkommen fortpflanzen will. Rand links: Wapen. Rand links: Regierungsform. Das oberste Regierungscollegium besteht aus einem Gonfaloniere oder Doge und neun Senatoren, welche sämmtlich aus dem großen Rathe genommen werden, und alle zween Monate abwechseln. Die Consiglieri, so auch Anziani genennet werden, führen den Titel von Excellentissimis, und wohnen auf Unkosten des Staats, so lange ihre Bedienung dauret, in dem Pallaste der Republik, woraus sie bey erfodernden Umständen ihrer Privatangelegenheiten nicht anders als incognito und in bedeckten Tragsesseln gehen. Der Doge kann nicht eher, als nach Verlauf von sechs Jahren wieder zu der höchsten Würde erhoben werden. Außer diesem kleinern Rathe ist noch ein größerer von hundert und dreyssig Nobili und hundert und zwanzig Bürgern, welche alle zwey Jahre abgewechselt werden. Rand links: Truppen. Die Wache desGonfaloniere und innern Raths besteht itziger Zeit aus sechs und siebenzig Schweizern, und die übrigen regulirten Truppen des Staats belaufen sich auf fünf hundert Mann. Die ordentlichen Einkünfte der Republik betragen viermal hundert tausend Scudi.

Die Stadt hat drey italienische Meilen im Umfange, und ihre Befestigung besteht aus eilf Bastionen, die nebst andern Werken anitzt mit zweyhundert und achtzig Canonen besetzt sind. Rand links: Größe der Stadt. Der Wall ist angenehm und allenthalben mit vierfachen, an etlichen Orten aber noch mit mehrern Reihen Bäumen bepflanzet. Die Gegend, worinnen die Stadt liegt, ist eine schöne Ebene, welche um und um mit Gebirgen beschlossen wird. Rand links: Handlung. Die Nahrung der Einwohner kömmt von der Handlung, Seidenwaaren und andern Manufacturen, in deren Ansehung die Stadt auch den Namen von industriosa erhalten hat. Das hier wachsende Oel und die Oliven (von der kleinen Art) werden für die besten in Italien gehalten, und ziehen[342] gute Einkünfte ins Land. In der Stadt werden bey vier und vierzig tausend Seelen gezählet, und muß man an ihren Einwohnern eine höfliche und ungezwungene Lebensart rühmen. Rand rechts: Zahl der Einwohner. Lebensart. Man sieht allhier auch mehrere junge Personen vom weiblichen Geschlechte auf den Straßen, in den Kramläden, Kirchen und in den Kinderlehren (welche in dieser Stadt fleißiger und mit besserer Einrichtung, als in vielen andern römischkatholischen Orten gehalten werden) als anderwärts in Italien. Rand rechts: Policey. Die Beobachtung einer guten Policeyordnung kann gleichfalls diesem Orte nicht abgesprochen werden, und bauet solche vielem unnützen Prachte und andern Verschwendungen, womit sich sonst die Unterthanen zu ruiniren pflegen, sorgfältig vor. Rand rechts: Verordnungen wegen des Gewehrs. Denen Reisenden wird bey ihrer Ankunft unter dem Thore das Schießgewehr abgefodert, sie dürfen aber nur sagen, zu welchem Thore sie bey dem Verfolge ihrer Reise hinaus gedenken, um solches daselbst wieder zu finden. Fremde behalten den Degen, wenn sie nur drey Tage in der Stadt bleiben, nach Verfließung solcher Zeit aber müssen sie besondere Erlaubniß dazu haben, welche außer dem hohen Adel und den Rittern von Malta oder St. Stephan nicht leicht ertheilet wird. Es darf auch weder ein Bürger noch jemand anders, ob er gleich im Rathe sitzt, einen Degen tragen, und haben allein die Soldaten solche Freyheit.

Fremden Ankömmlingen wird am ersten Abend zum Willkommen eine Musikgebracht, dabey aber auch die Erinnerung an eine Erkenntlichkeit für solche Ehre nicht vergessen. Die Stadt hat gute Häuser, wohlgepflasterte und breite, dabey aber meistentheils irregulaire Straßen.

Der Pallast der Republik ist ein weitläuftiges Gebäude, worinnen aber nichts merkwürdiges für einen Fremden vorkömmt, wo man dahin das in seinem Bezirke begriffene Arsenal nicht rechnen will, woraus zwanzig tausend Mann bewaffnet werden können. Rand rechts: Arsenal.

Die Domkirche nimmt einen großen Platz ein und ist von gothischer Baukunst oder Architectura Tedesca, wie man sie in Italien zu nennen pfleget. Rand rechts: Domkirche. Zum Schutzheiligen hat sie den heil. Martin, und bemerket man in derselben die vom Tintoretto gemalte Einsetzung des heiligen Abendmahls, das marmorne Grabmal der Familie von Giunigi, woran Andrea della Quercia seine Kunst bewiesen hat, ein marmornes bas-relief von Nikolas Pisano, und in der Sacristey acht große silberne Brustbilder, nebst einem goldenen und mit vieler andern künstlichen Arbeit, wie auch vier und zwanzig Bildnissen gezierten Crucifixe, welches Werk die Pisaner, wie man erzählet, auf eine gewisse Zeitlang für vier und zwanzig tausend Scudi versetzet, und nicht wieder zurück erhalten, als sie an dem Tage, da die bestimmte Zeit verflossen, zu seiner Einlösung zu spät, nämlich da die Thore zu Lucca schon geschlossen waren, angelanget. Das vornehmste Heiligthum dieser Kirche besteht in dem sogenannten Volto Santo, oder einem hölzernen Crucifixe, welches Nikodemus gearbeitet haben soll. Rand rechts: Il Volto Santo. Es ist solches vor andern darinnen unterschieden, daß erstlich der Leib mit einem damastenen oder sammtenen mit Golde gestickten Rocke bekleidet, und zum andern an statt der Dornenkrone eine kostbare goldene mit Edelgesteinen besetzte Krone auf seinem Haupte zu sehen ist. Rand rechts: Gekleidetes Crucifix. Die Einwohner von Lucca verehren es mit einer ungemeinen Andacht in einer mit vielem Porphyr und trefflichen Seulen von weißem Marmor gezierten Kapelle, worinnen eine Menge von maßivsilbernen Lampen Tag und Nacht brennet. Zu mehrerer Bezeugung ihrer Andacht ist dasselbe auch so gar auf denen Münzen des Staats ausgedrückt. Die zu dieser Kirche gehörige Bibliothek ist mit guten Manuscripten versehen.

Das Bißthum von Lucca steht wie das bambergische und einige andere unmittelbar unter dem Pabste, und prangen dessen Bischöfe daher mit dem Pallio und dem Kreuze, wie[343] die Erzbischöfe zu thun pflegen. Rand rechts: Bischöfliches Vorrecht. Es ahmen auch die Canonici beym öffentlichen Gottesdienste den Kardinälen in ihrer Kleidung nach.

In St. Fredians Kirche zeiget man einen Marmorstein, der sechszehn Fuß in der Länge, sieben und einen halben Fuß in der Breite und vierzehn Zoll in der Dicke hat, vornehmlich aber deswegen mit großer Aufmerksamkeit von leichtgläubigen Gemüthern betrachtet wird, weil nach Aussage der dabey befindlichen Inscription St. Fredianus mit Beyhülfe der Canonicorum ihn im sechsten Jahrhunderte viele italienische Meilen von der Stadt auf die Schultern geladen, auf einen mit zwo jungen Kühen bespanneten Wagen geleget, und also wunderbarer Weise zum Baue der Kirche nach der Stadt gebracht hat. Rand links: Kirche St. Fredians. Fabel von einem großen Steine. An einem Grabmaale dieser Kirche liest man: Rand links: Grabmaal des Königs Richards.


Hic jacet corpus S. Ricardi Regis Angliæ.


Und oben darüber:


Agno D. Ricardum beatificanti.


Aus der englischen Historie aber kann man keinesweges sehen, wie der Körper eines derer Könige, welche den Namen Richard geführet, hieher sollte gekommen seyn.

Das Taufgefäß der Kirche St. Fredians ist von alter Arbeit aus weißem Marmor mit vielen Statuen besetzet, und von solcher Größe, daß es wie das pisanische zur Eintauchung der Proselyten hat dienen können. Rand links: Taufstein. Auf einem der Altare wird der Leib der heiligen Sitta aufbehalten. Rand links: Grab des Kardinals Bonvisi. Uebrigens verdienet noch das mit vieler Arbeit von eingelegtem Marmor gezierte Grab des Kardinals Bonvisi, der aus Lucca bürtig war, in Augenschein genommen zu werden.

In der Kirche Santa Maria, Corto Landini, hat Guidoreni auf dem Hauptaltare die Himmelfahrt Mariä und auf beyden Seiten etliche andere Stücke gemalet. Rand links: Gemälde in St. Marienkirche. Auf einem an dern Altare ist Maria in den Wolken und vor ihr zwo Personen abgebildet mit der Ueberschrift: Utejus nive dealbemur. Uebrigens hat diese Kirche an ihrem Gewölbe gute Frescogemälde, viele Verguldungen und auf den Altären schöne Marmorarbeit.

In der Kirche St. Paulini, eines der Schutzheiligen von der Stadt, hat Baccio di Monte-lupo, der auch daselbst begraben ist, verschiedene Proben seiner Bildhauerkunst hinterlassen. Rand links: Bildhauerarbeit in der Kirche St. Paulini. St. Pietro Maggiore. Wunderwerk eines Marienbildes. Der Hauptaltar verdienet insbesondere besehen zu werden.

Ueber dem Haupteingange der Kirche di S. Pietro Maggiore liest man die Begebenheit und Strafe eines Spielers, der sich im Zorne an einem Marienbilde vergriffen, mit nachfolgenden Worten:


In matris suæ prodigiis mirabili, quæ in hac imagine A. D. MDCLXXXVIII. ab impio aleatore taxillis appetita mox confracto ejusdem brachio post unius pœnam cunctis benefica e porta urbis in Petri templum delata omnium votis cœlum hic aperit, Operarii B. M. V. & S. P. M. P. P. A. Sal. MDCCVI.


Dieses Wunder, wobey der Verbrecher nur mit einem zerbrochenen Arme bestrafet worden, ist zu unterscheiden von demjenigen, davon man in der Augustinerkirche einige Merk maale zeiget, und da, als ein erzürneter Spieler mit einem Steine nach einem Marienbilde geworfen, erstlich Maria ihr Kind, welches sonst vom Wurfe würde getroffen worden seyn, von dem rechten Arme auf den linken genommen (worauf es sich auch noch befindet), zum andern aus der Wunde der beschädigten Mariä Blut geflossen, und endlich der Missethäter alsbald von der Erde verschlungen worden seyn soll. Rand links: Ein noch größeres in der Augustinerkirche. Außerhalb der Kirche zeiget man den Platz, woselbst die Spieler gespielet haben, und in dessen Nähe das Bild vormals an der Kirchmauer gestanden; in der Kirche aber und insbesondere in derCappella del Sasso[344] findet sich der mit einem eisernen Ringe umgebene Stein, womit der Wurf geschehen, das Marienbild, und die Erdöffnung, welche, nach dem Vorgeben des gemeinen Mannes, keinen Grund hat und in gerader Linie nach der Hölle geht. Es ist solche nicht groß, und würde ein dicker Mensch nicht dadurch fallen; man hat sie aber noch zu aller Vorsorge mit einem eisernen Deckel und über demselben mit zwoen eisernen Stangen in der Figur eines Kreuzes verwahret. Bey der einen Seite des Marienbildes liest man an der Wand:


Proluat ut culpam, dat Virgo sanguinis undam,

At cadit, ignorans impius esse piam.


Auf der andern Seite:


Virginis ante aras vestra pro gente Patroni,

Assidua Mariam sollicitate prece.


Unter dem Bilde findet sich (auch in den Kupferstichen, welche es vorstellen und allhier ausgetheilet werden) die Nachricht:


Hanc Delparæ imaginem in Ecclesia D. Augustini Lucæ cultam a perdito aleatore olim saxo percussam mira sanguinis effusione insignem filio a dextera inlævam translato mirabilem impio dehiscente terra in infernum sepulto terribilem, Illustr. ac Rev. Sacrosanctæ Vaticanæ Basilicæ Canonici triplex prodigium venerati aurea corona redimiri curarunt. Anno Salutis MDCLXXXX.


In dieser Kirche zeiget man noch die Gemälde der Verkündigung Mariä von Ubaldi Senese, und ihre Himmelfahrt von Raphael d'Urbino.

St. Romano, ein den Dominicanern zugehöriger Tempel, hat ein treffliches Gemälde der Madonna della Misericordia vom Frate, oder wie man ihn insgemein zu nennen pfleget, Fra Bartolomeo di S. Marco, von welchem auch in der Kirche St. Giovanni eine schöne Madonna zu sehen ist. Rand rechts: St. Romano.

Auf einem Platze der Stadt bemerket man die Statue Mariä aus weißem Marmor über einer hohen Seule.

Von Lucca bis Pistoja sind zwanzig italienische Meilen, davon die ersten fünfe in einer schönen Ebene, die übrigen aber bis auf etliche Meilen vor Pistoja, in bergichten Gegenden sind, die jedoch bis auf ihre Gipfel bebauet werden, und wegen ihrer Eintheilungen in Absätze oder Terrassen keine unangenehme Aussicht machen. Rand rechts: Weg nach Pistoja. Der Weg ist an den meisten Orten gepflastert, und bey trocknem Wetter, wenn man die Hügel ausnimmt, nicht schlimm. Die ebenen Gegenden haben alles, was zu einem schönen Lande erfodert wird, und genießt man aller derjenigen, ja noch mehrerer Augenweide, als man in dem Mayländischen antrifft.

Pistoja ist wegen der Niederlage des Catilina, und in den mittlern Zeiten wegen der guelfischen und gibellinischen Unruhen bekannt, itziger Zeit aber in so schlechtem Stande, daß man ungeachtet ihrer Größe nur fünf tausend Seelen darinnen zählet. Rand rechts: Pistoja. Rand rechts: Schlechter Zustand dieses Ortes. Fruchtbarkeit. Indessen liest man häufig in öffentlichen Inscriptionen, womit die Einwohner sich hervor zu thun suchen P. P. P. oder Populus Pistojensis Posuit Ihr Grund und Boden ist sehr fruchtbar, und werden insbesondere die hiesigen Wassermelonen oder Angurien, die zu einer außerordentlichen Größe gelangen, für die besten in Italien geachtet. Vermuthlich machen die aus der Fruchtbarkeit des Landes und der geringen Anzahl der Einwohner entstehenden wohlfeilen Preise der Lebensmittel, daß sich bey vierzig adeliche Familien in der Stadt aufhalten.

Der Dom ist von gothischer Baukunst und mit guten Begräbnißmonumenten der Bischöfe versehen, worunter dasjenige, so dem Kardinal Forteguerra zum Gedächtnisse gereichet, von Andrea Verrochio angefangen, und von Lorenzetti vollendet worden. Rand rechts: Domkirche. Hinter dem[345] Hauptaltare ist die Himmelfahrt Christi von Bronzino auf Holz gemalet. In der Gegend des Taufsteins findet man an der Wand fünf biblische Historien in bas-reliefs oder erhabenen Figuren aus weißem Marmor. Rand links: Epitaphium des alten Juristen Cini. Nahe dabey zeigt sich an der Wand folgende Inscription: Cino, eximio Juris interpreti Bartholique præceptori dignissimo populus Pistojenfis civi suo B. M. fecit. Obiit anno Dom. 1336. Untenher liest man auf einem kleinern Steine:Ossa Domini Cini Jurisconsulti eminentissimi ex antiquo sarcophago ad cenotaphium suum recollecta. 1624. Obenher stellen etliche von Andrea Pisano verfertigte basreliefs den Cinum lehrend und unter seinen Zuhörern vor. Cinus war ein guter Freund des Petrarchä.

Auf dem Platze vor der bischöflichen Kirche stehtil Battisterio, ein großes hohes und achteckiges Gebäude, welches in vorigen Zeiten zur Taufe gebrauchet worden. Rand links: Il Battisterio. Außer der achteckigen Figur hat es vieles mit dem pisanischen Baptisterio überein. Das innere große Gefäß, worinnen die Eintauchung hat verrichtet werden können, ist von weißem Marmor, dienet aber heutiges Tages zu nichts anders, als daß in der Charwoche das Weihwasser, so man durchs ganze Jahr brauchet, darinnen eingesegnet und geweihet wird. In der Mitte ist die vom Andrea Vacca di Carrara im Jahre 1723 verfertigte Statue Johannis des Täufers, der eine kleine Schüssel in der Hand hält, aus sehr schönem weißen Marmor aufgerichtet.

Die Franciscanerkirche hat viele große Gemälde, und darunter das letzte Abendmahl des Heilandes, wie auch die Auferweckung Lazari von Bransina. Rand links: Franciscanerkirche. Auf einem Grabsteine liest man: Hic jacet egregius legum Doctor, Magister Thomas de Weston, Anglicus, qui obiit A. D. MCCCCIIII. (oder MCCCCVIII. weil die Schrift undeutlich ist) die XXIX. mensis Augusti. Ejus anima in pace requiescat.

Die Kirche S. Francesco di Sala ist wegen der sieben darinnen befindlichen Gemälde von Andrea del Sarto, der den Zunamen wegen seines Vaters, welcher ein Schneider war, erhalten, sehenswürdig. Rand links: S. Prancesco di Sala.

Die Kirche St. Prosperi gehört den Patribus Oratorii, für welche erst vor etlichen Jahren der Kardinal Fabroni ein schönes Gebäude nebst einer Bibliothek und andern vortheilhaften Anstalten gestiftet hat. Rand links: St. Prospero Rand links: Bibliothek. Die Bibliothek besteht, ohne die Codices Manuscriptos mit zu zählen, aus vierzehn tausend Bänden, und ist täglich offen. Die Schenkung derselben ist im Jahre 1726 geschehen, und in der päbstlichen Bekräftigung wird die Erlaubniß gegeben, alle verbothene Bücher allhier zu haben, wenn solche nur wohl verschlossen gehalten und niemanden, als welcher des päbstlichen Stuhls Erlaubniß hat, dergleichen Schriften zu gebrauchen, zu lesen gegeben werden. In dem Vorzimmer der Bibliothek stehen zwey treffliche neuere Stücke von Bildhauerarbeit in weißem Marmor. Der Meister derselben nennet sich Cornaquini, und stellet das eine die Ankunft der Hirten bey der Krippe Christi, das andere die Abnehmung des Heilandes vom Kreuze vor. Beyde sind nur drey bis vier Fuß hoch.

Der bischöfliche Pallast, nächst an der Domkirche, ist ein schlechtes Gebäude, woran die Statue des Pabstes Leo des eilften, der vorher Bischof zu Pistoja gewesen, bemerket wird. Rand links: Bischöflicher Pallast.

Von Pistoja sind noch zwanzig italienische Meilen nach Florenz. Wenn man seinen Weg nicht über Prato nimmr, sondern solches linker Hand liegen läßt, weil ohnedem der Weg dahin nicht allzugut ist, so kommt man sieben uno eine halbe Meile vor Florenz nachPoggio à Cajano, woselbst der Pabst Leo der zehne, aus dem mediceischen Hause, einen wegen[346] seiner Aussichten in die herumliegenden Berge sehr angenehmen Pallast angefangen, und der Großherzog Franciscus vollendet hat. Rand links: Poggio à Cajano. Rand rechts: Gemälde. Von außen hater kein sonderliches Ansehen, Liebhaber der Malerey aber finden darinnen sehr gute Stücke von der Lavinia Fontana, Hannibal Carracci, Rubens, Antonio Domenico Gabbiani, Georgio Vasari und andern. Die Gemälde des großen Saales sind von Andrea del Sarto, Franciabigio und Giacomo da Pontormo. Eine Galerie geht um das ganze Gebäude. Der Thiergarten ist zwo italienische Meilen vom Schlosse entfernet.

In den hiesigen Gegenden wächst eine Art von sehr großem Rohre, dessen man sich in den Weinbergen, an statt der hölzernen Stangen mit großem Vortheile bedienet. Rand rechts: Großes Rohrgewächs. Rindvieh. Beschlagung der Ochsen. Weg von Pistoja nach Florenz. Das Rindvieh ist hier herum von weißer Farbe, und hat man die Gewohnheit, die Ochsen in Nothställen an den Klauen der vordersten Füße zu beschlagen, und ihnen gleichsam eiserne Schuhe anzulegen.

Von Pistoja bis Florenz ist der Weg angenehm, man findet aber an demselben keine Palläste oder Landhäuser und Gärten, welche man, je mehr sich die Stadt Florenz nähert, desto häufiger billig vermuthen könnte.


Florenz, den 24 Jenner 1730.

Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 341-347.
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