Unter Allen, die je in Tönen gedichtet, gab es schwerlich eine poetischere Individualität, als Robert Schumann. Es mögen ihn Andere an klarer, durchsichtiger Linienführung, an plastischer Abrundung ihrer Bilder und Ideen, an dramatischer Gestaltungskraft, an Gedankenkühnheit übertroffen haben – in jenem Dichten und Träumen der Seele aber, das uns in ihre tiefsten Gründe hinabtauchen läßt, in jenem Sich-in-sich-selbst-versenken und Sich-von-innen-beschauen, das uns das geheimnißvollste Denken und Fühlen, Leben und Weben des Menschenherzens offenbart, ist ihm Keiner gleichgekommen. Schumann ist eine durchaus deutsche Natur. Aller Oberflächlichkeit fremd, von unerschöpflicher Tiefe und Fülle des Gemüths, ist er, trotz des regsten Phantasielebens, völlig unsinnlicher idealistischer Art, ein echtes Kind seines Vaterlandes. Der deutsche Hang, zu sinnen und zu grübeln über sich und die ganze Welt verbindet sich in ihm mit einer anderen Eigenschaft unseres Volkes: jenem Humor, der zwischen Freud und Leid schwebt und unter Thränen lächelt. Recht von Herzen heiter ist er selten. Ein Hauch von Melancholie und Weltschmerz liegt mehr oder weniger über der Mehrzahl seiner Schöpfungen ausgebreitet und verleiht ihnen einen eigenthümlichen Zauber. Es[195] ist keine absolute Schönheitswelt, die uns Schumann's Genius offenbart, sondern vielmehr eine völlig eigenartige, subjective; eine der subjectivsten ohne Frage, die uns je eine Künstlerseele erschlossen. Er gefällt sich im mystischen Halbdunkel einer Traumwelt, welche zu dem scharfen Licht, in dem unsre realistischere Gegenwart lebt, in auffälligem Gegensatz steht. Ein Liebling der großen Menge ist er so lang er lebte nicht gewesen; erst sehr allmälig hat sie das rechte Verhältniß zu ihm, die gebührende Schätzung seiner Bedeutung gefunden. Sein Wesen war ihr zu abgeschlossen, seine Individualität zu individuell. Zu neu noch erschien die uns Heutigen inzwischen geläufiger gewordene Forderung eines liebevollen Entgegenkommens von Seiten des Hörers und Spielers, eines bereitwilligen Versenkens in des Künstlers ureigene Welt, die in seinem Schaffen ausgesprochen lag, um allsobald Befriedigung zu finden. Nur langsam gewöhnte man sich daran, daß, um ihn hinnehmen zu dürfen, man sich zuvor ihm dahingegeben haben müsse; aber man ward endlich dessen inne, wie überreich er jegliche Hingebung lohne. In jedem einzelnen seiner Werke hat Schumann ein Stück seines Selbst niedergelegt; darum ist auch sein Schaffen untrennbar von seinem Sein und Leben, untrennbarer vielleicht als dasjenige irgend eines Meisters Werfen wir einen Blick auf sein Leben, um dem Verständniß des Werdens und Waltens dieser tief in sich gekehrten Künstlerseele näher zu treten!
In Zwickau, der sächsischen Bergstadt, erblickte Robert Schumann am 8. Juni 1810 das Licht der Welt. Dort besaß sein Vater, August Schumann, eine Buchhandlung, die er, das Kind unvermögender Eltern, sich durch eine von früher Jugend an unermüdliche und gesegnete Thätigkeit erworben und zu einer allgemein geachteten emporgehoben hatte. Von fünf Kindern[196] das jüngste und von der Natur bevorzugteste, ward Robert der Liebling seiner Eltern, wie Aller, die ihn kannten; insbesondere aber beglückte den Vater die Hoffnung, in diesem geliebtesten Sohne vielleicht dereinst die eigenen Neigungen und Fähigkeiten wieder aufleben zu sehen. Er selbst hatte sich in seiner Jugend viel mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt und seit dieser Zeit eine Vorliebe für literarische Thätigkeit beibehalten, obgleich seine Leistungen auf diesem Gebiet keineswegs bedeutender Art waren. Die ersten Schuljahre des Knaben gingen jedoch vorüber, ohne etwas Bemerkenswerthes an ihm wahrnehmen zu lassen: er war ein Schüler wie Andere auch. Nur in musikalischer Beziehung begannen sich seit seinem siebenten Jahre die Spuren einer Begabung zu zeigen, die in der übrigens gänzlich unmusikalischen Familie nirgend ihres Gleichen hatte. Leider nur war der Musikunterricht, wie überhaupt die Gelegenheit, die die Stadt in damaliger Zeit zur Ausbildung eines Talentes bot, äußerst mangelhafter Art. Nicht den erfahrenen Händen eines Künstlers von Beruf, deren es eben keinen gab, konnte Robert übergeben werden; in der Person eines altfränkischen, pedantischen Herrn, des Baccalaureus Kuntzsch, Lehrer am dortigen Lyceum, ward ihm vielmehr ein Claviermeister zugewiesen, der, außer aller Beziehung zur musikalischen Welt stehend, die Musik nur als Nebensache und Verdienst betrachtete und dem Knaben nicht viel mehr, als eine blose Anleitung zur Kenntniß des Nothwendigsten im Clavierspiel zu geben vermochte. Dennoch hat der spätere Meister Schumann bis in seine letzten Lebensjahre dem alten Lehrer, der seine ersten kindlichen Schritte im Reiche der Tonkunst leitete, allzeit eine dankbare Erinnerung bewahrt.
Es war, als ob der Zauber der Musik die bisher schlummernden Seelenkräfte des Knaben erst geweckt habe, denn auch der[197] Dichtkunst erschloß sich nun sein jugendlicher Sinn. Nicht nur, daß er sich mit Eifer der Lectüre zuwandte, die ihm die Buchhandlung des Vaters in reicher Auswahl darbot, er versuchte sich auch in eigenen Poesien und verfaßte kleine »Räubercomödien«, die er mit Hülfe seines Vaters, seines Bruders und mehrerer Schulkameraden sogar auf einer eigens dazu eingerichteten kleinen Bühne zur Aufführung brachte und in denen der erfreute Vater die ersten, verheißungsvollen Vorzeichen einer ruhmreicheren schriftstellerischen Laufbahn erblickte, als sie ihm selbst vergönnt gewesen war. Immer mächtiger regte sich in dem jungen Geiste eine lebhafte Productionslust und -kraft; auch in der Kunst des Componirens und Phantasirens erprobte er, obschon ohne irgend welche Kenntniß der Generalbaßlehre, sein Glück. Die ersten selbstschöpferischen Versuche: kleine Tänze, fallen bereits zwischen das siebente und achte Lebensjahr. Auch wird erzählt, daß ihm die besondere Gabe eigen gewesen sei, Gefühle und charakteristische Züge in Tönen wiederzugeben; soll er doch das verschiedene Wesen seiner Spielkameraden durch gewisse Figuren und Gänge auf dem Clavier so treffend bezeichnet haben, daß dieselben staunend und lachend ihre eigenen Porträts wiedererkannten.
So schien es, als ob zwei Künste, Musik und Poesie, sich den Besitz des Knaben streitig machten, den sie beide mit ihren Gaben geschmückt hatten, als Robert in Carlsbad, dahin er den Vater im August 1819 begleitete, Ignaz Moscheles, den berühmten Meister des Pianofortespiels, hörte und damit zum ersten Mal in seinem Leben der Erscheinung vollendeter und allgemein bewunderter Künstlerschaft gegenübertrat. Was war natürlicher, als daß sich dieselbe fortan zum Ideal der jugendlich empfänglichen Seele gestaltete, dem Knaben bei seinen musikalischen Bestrebungen voranleuchtend, ihn zur Nacheiferung begeisternd[198] und tausend stolze Zukunftsträume und Pläne in ihm erzeugend? Von nun an trat die Tonkunst in den Vordergrund seiner Interessen und seine Begabung neigte immer entschiedener nach dieser Seite; obgleich er, dem Wunsche seiner Eltern folgend, zur Erzielung einer classischen Bildung, Ostern 1820 in die Quarta des städtischen Gymnasiums eintrat. Auch seine freundschaftlichen Verbindungen nahmen mehr und mehr einen musikalischen Charakter an. Nur noch mit ihm ähnlich gesinnten, ihm durch gleiches Streben verwandten Naturen suchte und unterhielt er Verkehr. Sogar ein ganzes kleines Orchester wußte er aus den ihm verfügbaren Kräften seines Bekanntenkreises zu organisiren und die Uebungen desselben mit Geschick zu leiten. Den 150. Psalm, den er zwischen seinem 12. und 13. Lebensjahr für Chor mit Instrumentalbegleitung componirte, brachte er unter Anderem mit seinen Kameraden zur Aufführung.
Mittlerweile gelangten seine musikalischen Talente auch außerhalb des Hauses zur Geltung. Mehrere seinen Eltern befreundete Familien, wie die regelmäßig im Gymnasium veranstalteten Abendunterhaltungen, gaben ihm häufige Gelegenheit zur Ausübung seiner Künste, und ließ er sich hier sowohl als Solospieler, wie auch als Begleiter und Declamator hören. Mochten nun diese Debüts des Schülers nicht nach dem Sinn des Clavierlehrers sein, oder dieser vielleicht das Ueberlegensein desselben drückend empfinden; kurz er weigerte sich, den Unterricht länger fortzusetzen und erklärte den Knaben für fähig, sich fortan selbst weiter zu bilden. Und so blieb er denn in der That sich und seinem Genius überlassen, welcher immer mächtiger die Flügel regte, sodaß im Vater, der Robert's musikalisches Treiben schon längst und namentlich durch Einführung der besten und neuesten musikalischen Literatur unterstützt hatte, der Gedanke Raum gewann, ihn ganz einer Kunst zu widmen, zu[199] der er von Natur berufen schien. Er trat zu diesem Zweck mit Carl Maria von Weber in Dresden in Verbindung, dessen musikalischer Leitung er den Sohn anzuvertrauen gedachte; doch zerschlug sich die Sache wieder, und Robert blieb nach wie vor in musikalischer Beziehung sein eigener Meister. Das Autodidaktische seiner Studien sollte ihm erst später empfindlich fühlbar werden, als er nach Absolvirung des Gymnasiums, zu Ostern 1828 die Universität zu Leipzig bezog und dort den Unterricht des bekannten Clavierlehrers Friedrich Wieck genoß, durch den er zuerst eine wahrhaft rationelle und künstlerische Durchbildung erzielende Methode des Clavierspiels kennen lernte.
Noch bevor er aber seine Vaterstadt verließ, war der erste große Schmerz an den Jüngling herangetreten. Der geliebte Vater wurde ihm 1826 durch den Tod entrissen; seine Mutter aber, eine gute, nur etwas schwärmerisch überspannte Frau, die trotz aller zärtlichen Liebe für den Sohn doch jeglichen Verständnisses für seine tiefere Künstlernatur entbehrte, stellte im Verein mit dem Vormund die sehr bestimmte Forderung an ihn, ein Brodstudium zu wählen und seine Lieblingskunst fernerhin lediglich als dilettantische Unterhaltung zu betreiben. So schwer es ihm wurde, Robert fügte sich der Mutter Wunsch und entschied sich für das Studium der Rechtswissenschaft. Ehe er sich zu demselben anschickte, unternahm er, nach glänzend bestandenem Abiturientenexamen, eine erste größere Reise. Jean Paul zu Liebe, für den er schwärmte, wurde Bayreuth besucht. Auch in Nürnberg und Augsburg ward gerastet und in München die erwünschte Bekanntschaft Heinrich Heines gemacht; dann führte ihn sein Weg nordwärts, einem unwillkommenen Studium entgegen.
Ob es Schumann mit der Aufnahme desselben jemals rechter Ernst gewesen, wir wissen es nicht; genug, es schien,[200] als wolle sich der Genius in ihm rächen für das dem guten Herzen abgerungene Versprechen, als bäume er sich auf gegen das Emporkommen einer anderen als künstlerischen Macht. Und der achtzehnjährige Jüngling war nicht stark genug, den Kampf gegen seine innerste Neigung lange mit Glück zu kämpfen; er war auch zu lange der verzogene Liebling des Hauses gewesen, um sich leicht darein zu ergeben, dem liebsten und höchsten seiner Wünsche zu entsagen. Vielleicht reflectirte er auch über das Alles nicht viel; er folgte seinem Impuls, nach Künstlerart sich der Sorge entäußernd, im Augenblick lebend und der Zukunft das Weitere getrost anheimstellend. Mochte er sich nun das studentische Leben in seiner Phantasie idealer ausgemalt haben, als er es in Wahrheit fand? – durch die uns aus jener Zeit von ihm erhaltenen Briefe wenigstens geht mehr als ein Ausspruch der Enttäuschung. Die Juristerei dünkte ihm »eiskalt und trocken«, und immer entschiedener trat seine Abneigung gegen dieselbe hervor. Das politische Treiben der Burschenschafter widerte ihn an; er zog sich in sich selbst zurück, mehr mit den Geistern seiner Träume als mit Menschen verkehrend und seinen Umgang nur auf wenige alte Freunde beschränkend, die er in Leipzig wiedergefunden hatte. Das heitere, neckische Wesen, das seine Kindheit gekennzeichnet hatte, war ohnehin längst jener träumerischen, melancholischen Weise gewichen, die ihm sein ganzes späteres Leben hindurch treu geblieben ist. Er zeigte sich sinnend und schweigsam, verschlossen und nach innen gekehrt, selbst seinen Freunden gegenüber. Was man gemeinhin liebenswürdig nennt, das war er nicht. Reizbaren, empfindlichen Naturells, wies er alle Eindrücke von sich, die das Gleichgewicht seines Innern zu beunruhigen drohten, und nur dem Einfluß ihm zusagender Elemente verhielt er sich zugänglich. Die Geselligkeit fand ihn meist einsilbig,[201] zerstreut, theilnahmlos. So reich und herrlich es um sein Innenleben bestellt war, er zeigte der Welt eine stumme passive Außenseite, sich frühzeitig daran gewöhnend, die Tiefe und Fülle seines Gemüths mehr in Tönen als in Worten auszusprechen. Erst der sich ihm darbietende musikalische Verkehr veranlaßte ein allmäliges Hervortreten aus seiner Abgeschiedenheit, und zwar war es vornehmlich das Haus einer ihm von früher her bekannten kunstsinnigen Frau, der Gattin des berühmten Mediciner Carus, das sich ihm gastlich öffnete und ihm die willkommene Gelegenheit der Bekanntschaft mit verschiedenen interessanten Persönlichkeiten vermittelte, unter denen Marschner und Friedrich Wieck zu nennen sind.
Als lebendiges Zeugniß der bedeutenden Lehrkraft des Letzteren trat seine Tochter Clara, ein neunjähriges Mädchen auf, deren schon damals erlangte Virtuosität Schumann's Aufmerksamkeit und den Wunsch erregte, einer gleichen Ausbildung theilhaftig zu werden. Er wandte sich daher mit der Bitte an Wieck, ihn unter seine Schüler aufzunehmen, und hatte die Genugthuung, dieselbe, wie schon erwähnt, erfüllt zu sehen. Was seiner Technik an künstlerischer Durchbildung mangelte, das empfing er nun durch den Unterricht des trefflichen Meisters. Nur für die Theorie der Musik vermochte dieser ihm kein Interesse abzugewinnen; er blieb bei der Ansicht, daß sie ein trockenes, langweiliges Ding und bei einigem musikalischen Instinct völlig entbehrlicher Natur sei. Erst später, als es ihm mit seinen Compositionsversuchen mehr Ernst ward, lernte er die Unrichtigkeit dieser Ansicht und die Unentbehrlichkeit der Compositionslehre erkennen.
Indessen fehlte es auch jetzt nicht an erneuten Anläufen zum Produciren. Hatte er es in Zwickau bereits zu Opern- und Ouvertürenanfängen gebracht, so entstanden nun mehrere[202] Gesang- und Clavierstücke, auch ein Quartett für Pianoforte und Streichinstrumente. Daneben widmete er besonders Franz Schubert's Compositionen, sammt denen Beethoven's und Bach's, ein eifriges Studium. Er hatte sich zum Zweck eines möglichst vollständigen Genusses dieser und anderer hervorragender Werke einen musikalischen Freundeskreis gebildet, der ein vollstimmiges Streichquartett und mehrere Clavierspieler zählte und somit hinreichende Gelegenheit zur Bekanntschaft mit den vorhandenen Tonschätzen gewährte. Das ganze musikalische Leben Leipzigs, das in den berühmten Gewandhaus-Concerten gipfelte, begünstigte seine Neigung auf das lebhafteste. Die Jurisprudenz blieb dagegen vernachlässigt, während die Philosophie ihn anzog und zu eigenen Studien wie zu fleißigem Besuch der betreffenden Collegien anregte. Nebenher beschäftigte ihn die eifrige Lectüre der neueren poetischen Literatur. Byron, Goethe, Heine, die Romantiker – Tieck und E.T.A. Hoffmann voran – waren seine Lieblinge. Ganz besonders that Jean Paul es ihm an; er brachte ihn, seinen eigenen Worten zufolge, »oft dem Wahnsinn nahe.« Die zart empfindende, wenn auch überschwängliche, durchaus unplastische Art des vergötterten Dichters mochte ein musikalisches Echo in seiner schon frühzeitig zur Gefühlsschwelgerei geneigten Seele wecken; denn wie er später bei Veröffentlichung seiner »Papillons« seine Freundin, Frau Voigt, auf die »Flegeljahre« als den Schlüssel zum eigentlichsten Verständniß dieser seiner Phantasiegestalten hinweist, so verräth auch seine briefliche Ausdrucksweise deutlich genug die Jean Paul'sche Einwirkung. So lesen wir in einem Schreiben vom Jahre 1828: »Ach, eine Welt ohne Menschen, was wäre sie? ein unendlicher Friedhof, ein Todtenschlaf ohne Träume, eine Natur ohne Blumen und ohne Frühling, ein todter Guckkasten ohne Figuren – und doch! – diese Welt mit Menschen, was ist[203] sie? ein ungeheuerer Gottesacker eingesunkener Träume, ein Garten mit Cypressen und Thränenweiden, ein stummer Guckkasten mit weinenden Figuren!« –
Mittlerweile ging die Zeit dahin, die Schumann für seinen Aufenthalt in Leipzig bestimmt hatte, und das Frühjahr des Jahres 1829 führte ihn zur »Fortsetzung seiner Studien« nach Heidelberg. Im Grunde waren es vielmehr Natur und Kunst, deren Cultus der junge Student der Rechte sein Leben daselbst widmete. Fast täglich wurden Ausflüge zu Wagen in die nähere und entferntere herrliche Umgebung gemacht, und es wird erzählt, daß Schumann bei solchen Gelegenheiten nie versäumt habe, seine Fingerübungen auf einer ihn stets begleitenden sogenannten stummen Claviatur anzustellen, dieselbe, über deren Unzulänglichkeit als Bildungsmittel er sich später in seinen »musikalischen Haus- und Lebensregeln« ausgesprochen hat. Die Wissenschaft blieb nach wie vor ausgeschlossen von seinen Interessen. Auch eine Reise nach Oberitalien, die er zu Schluß des Sommerhalbjahres unternahm, trug nicht zur Verlebendigung derselben bei. Seine Briefe berichten von musikalischen Eindrücken. Die italienische Sprache ist ihm »eine ewige Musik«, einem »lang ausgehaltenen A-moll-Accord« vergleichbar. Was er schaut und erlebt wird ihm eben unwillkürlich zu Musik und Poesie. Vergeblich weist ihn das Vorbild seines Heidelberger Lehrers Thibaut darauf hin, daß man zugleich ein berühmter Rechtsgelehrter und ein ernsthafter Musiker sein könne. »Der Weg zur Wissenschaft«, schreibt er an Wieck, »geht über Alpen und über recht eisige; der Weg zur Kunst hat seine Berge, aber es sind indische, voller Blumen, Hoffnungen und Träume«; ja er erklärt gerade heraus, daß er den ihm aufgedrungenen Beruf »nicht zu lieben, kaum zu achten« vermöge. Dennoch zögerte er, sich von demselben vollständig loszusagen; er erachtete sich,[204] des der Mutter gegebenen Versprechens halber, noch immer für gebunden. Der darauffolgende Winter aber war ausschließlicher denn je der Musik geweiht. Schon der Tagesanbruch fand ihn meist am Flügel, so daß er oft mit Recht sagen durfte, er habe am Morgen sieben Stunden gespielt. In dem Maß als seine Virtuosität sich vervollkommnete, wuchsen auch seine improvisatorischen Leistungen. Erzählt doch einer seiner Studiengenossen, Töpken, später, daß er, so große Künstler er auch gehört, doch nie wieder gleich unvergeßliche musikalische Eindrücke empfangen habe. Sein Ruf als Clavierspieler verbreitete sich demgemäß mehr und mehr, und die Gesellschaft bemühte sich, sein Talent ihren Kreisen zugänglich zu machen. Häufig folgte er auch in der That ihren Aufforderungen und ließ sich sogar bestimmen, in dem Concert eines Musikvereins öffentlich aufzutreten. Der rauschende Beifall, den er bei dieser Gelegenheit erntete, blieb jedoch der einzige Lorbeer, der ihm als Virtuos bestimmt war, und der so verheißungsvolle Beginn seiner Pianistenlaufbahn bildete zugleich den Abschluß derselben. Bald darauf ward er des geselligen Treibens wieder müde, sein altes Einsiedlerleben begann von neuem, und immer tiefer versenkte er sich in seine künstlerischen Studien. Da rief ihn Ostern 1830 ein musikalisches Ereigniß nach Frankfurt. Paganini, der wunderbarste Meister des Violinspiels, der größte Virtuos überhaupt, den die Welt bis dahin gesehen, kam dahin, und Schumann hörte ihn. Wohl scheint es, daß der gewaltige Eindruck, den er hiermit empfing, den letzten entscheidenden Anstoß gab zu seinem bald darauf lautwerdenden Entschlusse, sich gänzlich dem Virtuosenberuf zu widmen. Er wandte sich brieflich an seine Mutter und legte ihr die dringende Bitte an's Herz, seinen Wünschen nicht länger entgegen zu treten und auf die Stimme des Genius in ihm zu achten, die ihn ernst und zuversichtlich auf den Weg zur[205] Kunst weise. Er forderte sie schließlich auf, sich an Wieck in Leipzig zu wenden und von seinem Ausspruch die Entscheidung abhängen zu lassen.
Und es kam, wie er gewünscht: des Meisters Spruch lautete günstig; er stellte der Begabung seines ehemaligen Schülers das beste Zeugniß aus und erklärte sich gleichzeitig zur Uebernahme der Ausbildung desselben bereit. Nun widerstrebte die Mutter nicht länger den Wünschen ihres Lieblings. Sie ließ es, wenn auch mit bangem Herzen, geschehen, daß er Heidelberg und der Jurisprudenz nunmehr den Rücken kehrte und in Leipzig im Hause seines musikalischen Lehrmeisters ein neues Leben begann, das ihm die Erfüllung seiner Träume und Ideale bringen sollte.
Nicht in der Weise freilich, wie Mutter und Sohn es erwartet, war seinen Wünschen die Verwirklichung beschieden. Um sich, wie wir hörten, der Virtuosenlaufbahn zu widmen, hatte Robert sich der Führung Friedrich Wieck's übergeben; doch war sein jugendlich-feuriger, selbständiger Geist seinem technischen Können zu weit vorausgeeilt, als daß ihm die langsamen, stetigen Fortschritte, die sich unter der Leitung des Lehrers erkennen ließen, genügt hätten. In dem Glauben, ein Mittel zur schnelleren Erreichung der nöthigen mechanischen Fertigkeit gefunden zu haben, stellte er vielmehr im Geheimen allerhand Experimente an, deren Ende sich jedoch als ein so unglückliches ergab, daß er nicht nur den Gebrauch seines Mittelfingers, sondern in Folge dessen auch der ganzen rechten Hand für das Clavierspiel verlor. Hiermit war seiner Laufbahn als Virtuos für immer ein Ziel gesetzt, und mit gebieterischem Zwang sah Schumann sich auf das Studium der musikalischen Theorie hingewiesen, wollte er den ihm einzig übrigbleibenden Weg, den des Componisten, betreten. Unterstützt von dem Musikdirector Heinrich Dorn, begann er dasselbe auch alsbald, als dessen Resultat im Jahre[206] 1832 verschiedene Pianofor tecompositionen zur Oeffentlichkeit gelangten.
Unter diesen seinen Erstlingswerken schon zeigt sich op. 2, die »Papillons«, als ein echtes Kind Schumann'schen Geistes. Es sind kurze, in buntem Wechsel aneinandergereihte Tonsätze graziös-phantastischer Art, in denen sich dem Tieferblickenden mehr enthüllt, als sie dem Flüchtiggenießenden darbieten zu vollen scheinen. Schon hier – wie in den Abegg-Variationen op. 1, die er über den Namen eines schönen Mädchens schrieb, das auf einem Mannheimer Balle sein Interesse erweckte – gewahren wir die Schumann eigene Weise, in seinem Schaffen einen symbolischen Ausdruck zu finden für irgend ein poetisches oder wirkliches Erlebniß, das ihn eben erfüllt. Aus der alten absolut-musikalischen Sphäre tritt er in eine poetisch-musikalische – eine Richtung, die für die gesammte romantische Schule charakteristisch ist. Er zieht die äußeren anregenden Objecte mit hinein in seine künstlerische Darstellung und regt so nicht allein den empfindenden, sondern auch den denkenden Menschen an; wie Liszt ihn ja als »den Tonsetzer dieser Epoche« bezeichnet, »der am meisten Musik denkt.« Neu dem Gedanken wie dem Ausdruck nach stellen sich diese seine Clavierdichtungen dar. Eine »Fähigkeit, im kleinsten Raum ein unendliches Volumen auszudrücken, wie sie weder vor noch nach ihm vorgekommen ist,« rühmt Louis Ehlert Schumann nach, der »die Kunst der musikalischen Diminutivpoesie erst geschaffen hat.« Das Vermögen durch Töne zu charakterisiren und individualisiren war ihm von je so geläufig, daß er es, wie erwähnt, schon von Kindheit auf übte, und mit Vorliebe pflegte er in seinen Pianofortecompositionen die musikalische Porträt- und Genremalerei. Es sei hier nur beispielsweise an die Porträtskizze Chopin's im »Carneval«, an die Mendelssohn's Züge tragende »Erinnerung«[207] im Jugendalbum, an »Vogel als Prophet« in den »Waldscenen«, an »Versteckens« oder »Gespenstermärchen« in den vierhändigen Clavierstücken erinnert! – Dabei tummelt sich sein seiner Humor in voller Freiheit. Schumann gefällt sich als echter Romantiker in einer mystischen Symbolik, er giebt uns gerne Räthsel auf und verbirgt eher den mitzutheilenden Inhalt, als daß er ihn offenbart. Zuweilen deutet er durch eine kurze Ueberschrift, einen Vers oder dergl. die poetische Grundlage an, sich hiermit praktisch den Anhängern der sogenannten Programmmusik anschließend; zu andern Malen überläßt er es uns selber, dem rothen Faden auf die Spur zu kommen, der das Geheimniß lichtet. Bekenntnisse persönlichster Art, – »Ohrenbeichten« nennt sie Gumprecht1 – vernehmen wir in seinen Clavierwerken, in denen sich seine reiche Innerlichkeit am ungefesseltsten äußert. Entsprang doch das Einzelwerk bei Schumann augen scheinlich weniger aus dem Bedürfniß, den Gegenstand selbst zu formen und zu schildern, als um der Gelegenheit willen, die es ihm bot, den ihm innewohnenden Gefühlen und Gedanken durch den behandelten Stoff Ausdruck zu verleihen, und gilt es doch somit, in ihnen mehr das Subject, als das Object, mehr den Schöpfer, als das Geschaffene zu suchen, welches letztere sich nicht wie im classischen Kunstwerk von seinem Urheber vollkommen abgelöst hat, sondern in ihm seinen Commentar findet.
Auch in seiner literarischen Thätigkeit kommt Schumann's Subjectivismus zum Ausdruck. Der originelle schriftstellerische Erstlingsversuch, mit dem er, durch Chopin's Erscheinen in der musikalischen Welt veranlaßt, in der »Allgemeinen musikalischen Zeitung« 1831 debütirte, ist ein ebenso lebendiges Zeugniß[208] dafür, als seine mehrjährige Wirksamkeit an der 1834 von ihm selbst begründeten »Neuen Zeitschrift für Musik«. Nur anfänglich von seinen Freunden Wieck, Knorr und Schuncke dabei unterstützt, widmete er längere Jahre hindurch seine besten Kräfte der Zeitung, deren kunstförderlicher Einfluß in jenen Tagen musikalischer Lauheit und kritischer Oberflächlichkeit nicht hoch genug anzuschlagen ist. Es galt, wie Schumann selber sagt, kein geringeres Ziel, als »die Poesie der Kunst wieder zu Ehren zu bringen,« »die Erhebung deutschen Sinnes durch deutsche Kunst;« und der Weg, auf dem dies erreicht werden sollte, war: »anerkennungsvolles Hinweisen auf die älteren großen Meisterwerke, offener Kampf gegen die gehaltlosen, unkünstlerischen Erzeugnisse der Neuzeit und Aufmunterung junger strebsamer Talente.«
Wohl nimmer vor Schumann's literarischem Auftreten ist die Aufgabe der Kritik so hoch und so tief, so ernst und so edel aufgefaßt worden, als von ihm, der dieselbe also bezeichnet: »Thörichten, Eingebildeten schlägt sie die Waffen aus der Hand; Willige schont, bildet sie; Muthigen tritt sie rüstig freundlich gegenüber; vor Starken senkt sie die Degenspitze und salutirt.« Oder: »Wir gestehen, daß wir die für die höchste Kritik halten, die durch sich selbst einen Eindruck hinterläßt, dem gleich, den das anregende Original hervorbringt.« In der That dürften sich wenig kritische Arbeiten finden, welche solcher Forderung gleichermaßen gerecht zu werden vermöchten als die seinen, die – freilich mehr poetische Phantasien als eigentliche Kritiken – sich durch die Fülle geistreicher Einfälle, die Anmuth der Form, die Gewandtheit in Bild und Rede als kaum minder werthvolle Kunstwerke darstellen, als er sie uns in Tönen gab. Recht im Gegensatz zur trocken anatomischen Weise der früheren handwerksmäßigen Kritik, welche nur das[209] Technische des Tonwesens in's Auge faßt, erscheint Schumann als Hauptvertreter der bereits durch E.T.A. Hoffmann angebahnten phantastisch-poetischen Richtung, die den Werth einer Composition zunächst nach ihrem dichterischen Gehalt, erst in zweiter Linie nach der Schulrichtigkeit ihrer Form bemißt. Dabei setzt uns der weitaussehende objective Blick des im Uebrigen so subjectiven Künstlers billig in Staunen. Selbst für das der eignen Art fremdest Gegenüberstehende fehlt ihm nicht die liebevolle Erkenntniß – wie beispielsweise seine berühmte Beurtheilung der Berlioz'schen »Episode de la vie d'un artiste« beweist, und gar selten nur (etwa Meyerbeer und seinen »Hugenotten« oder den Italienern gegenüber) kommt ihm die gewohnte und allenthalben so wohlthuend geübte Gerechtigkeit abhanden. Jedenfalls gebührt Schumann das große Verdienst, die Literatur der Musik angenähert zu haben, indem er die musikalische Kritik zu einem literarischen Gegenstand umschuf. Auch durfte die »Neue Zeitschrift für Musik« sich alsbald rühmen, als ein die Kunstinteressen jener Zeit wesentlich beeinflussendes Organ, den Ruf einer Anzahl berühmter Namen theils begründet, theils befestigt zu haben. Nennen wir unter den letzteren nur Franz Schubert, Mendelssohn, Hiller, Chopin, Franz, Gade, Henselt, Heller, Berlioz etc., und gedenken wir, wie er dabei auch für ein besseres Verständniß unserer größten Tonheroen: Bach und Beethoven, unablässig wirkte, so genügt dies, um die Bedeutung der schriftstellerischen Thätigkeit Schumann's zu erkennen. Seine eigene tonschöpferische Wirksamkeit blieb übrigens innerhalb der Zeitschrift gänzlich außer Betracht. Nur als Rückhalt gegenüber den Verlegern, die, laut seinen Klagen, »nichts von ihm wissen wollten,« erwies sie sich ihm selber nutzbringend. »Sie können glauben,« schreibt er an Dorn, »daß, fürchteten die Verleger nicht den Redacteur, auch von mir die Welt nichts[210] erfahren würde, vielleicht zum Besten der Welt.« Schmerzlich genug entbehrte er die Aufmunterung, ohne die, wie er selbst sagt, »keine Kunst gedeiht,« ob er selber sich auch nie genug that und sich bewußt war, als Componist »einen vielleicht von allen Andern verschiedenen Weg zu gehen.« Sein Streben aber blieb immer dasselbe hohe, reine, unbestechliche, seine Thätigkeit immer die gleiche hingebende, beharrlich dem Ideal zugewandte.
Solchergestalt als producirender Künstler und wissenschaftlich gebildeter Kritiker eine zwiefache Wirksamkeit auf die Kunst seiner Zeit ausübend, wie sie unter seinen musikalischen Vorgängern ohne Beispiel war, bethätigte Schumann die ihm innewohnende seltene und außerordentliche Arbeitskraft. Nicht nur, daß nach dem schon im Jahre 1835 erfolgten Tode seines Freundes und Mitredacteurs Ludwig Schuncke und dem wohl damit in Verbindung stehenden Rücktritt Wieck's und Knorrs von der Redaction, er als alleiniger Herausgeber und Träger der Zeitschrift übrig blieb: er wußte, trotz aller literarischer Fesseln, noch Muße für sein freies musikalisches Schaffen zu gewinnen. Und auch in seinem tonschöpferischen Gestalten begegnen wir dem Dichter, wo wir oft nur dem Musiker zu begegnen meinen. Beide verknüpfen sich in ihm zu so engem Bündniß, daß wir oft kaum wissen, ob dem Einen oder dem Andern die Palme gebühre, ob der dichterische oder der rein musikalische Gehalt der bedeutsamere sei. Namentlich in seiner ersten Schaffensperiode – etwa bis zurB-dur-Symphonie op. 38 – überwiegt die poetische Intention; die Fülle und Tiefe der Ideen strebt über die alten Formen hinaus zu neuer Gestaltung. Ganz und gar in die Wundertiefen des romantischen Inhalts versenkt, die zu ergründen er vor Andern berufen war, verliert der Meister selber zuweilen die Gewalt, die Gestalten, die[211] er emporrief, in fest umrissene Formen zu bannen, in klar erkennbare Gruppen zu sondern; sodaß, inmitten der Fülle der Erscheinungen, wir nicht allsogleich ihrer vollen Schönheit und Eigenthümlichkeit froh zu werden vermögen. Ausschließlicher als seine Vorgänger Weber, Schubert und Mendelssohn, die Vermittler zwischen Classicität und Romantik, steht Schumann, dessen gesammtes Denken und Empfinden schon von Jugend an durch die Welt der Romantik gefangen genommen worden war, auf dem Boden der jüngeren Richtung. Mochte er immerhin in seinen späteren umfangreichen Instrumentalgebilden zu den classischen, den von Beethoven erweiterten Formen zurückgreifen: der in ihnen niedergelegte Gefühlsinhalt bleibt auch hier der gleiche romantische, wie Liszt es ja als den »geheimen Gedanken Schumann's« bezeichnet, »die classischen Formen mit Romantik zu durchdringen.« Indem er sie mit Geist von seinem Geist erfüllt, gelingt es ihm, selbst innerhalb vollkommen ausgestalteter Kunstgattungen Originelles, Hochbedeutendes zu geben, ob auch nicht so völlig Neues und Eigenthümliches als in seinen Clavierwerken, darin er sich selbst seine Form schuf.
Durchaus romantischer Natur ist auch die Idee der »Davidsbündlerschaft«, die sich nicht nur, nach Schumann's Worten »wie ein rother Faden durch die Zeitschrift hinzieht, ›Wahrheit und Dichtung‹ in humoristischer Weise verbindend,« sondern auch mehrfach in seine Compositionen – »die Davidsbündlertänze«op. 6, den »Carneval« op. 9 – hereinklingt. Wir haben uns unter derselben einen Bund zu denken, der »nur im Kopf seines Stifters existirte« und dessen gegensätzliche Künstler-Charaktere: Florestan, Eusebius, Raro, Serpentinus etc., ihm, als Spiegelbilder einzelner Persönlichkeiten des damaligen Leipziger Musikkreises, dazu dienten, verschiedene Richtungen der Kunstanschauung und eine reiche Mannigfaltigkeit der Stimmungen[212] zur Aussprache zu bringen. Ziel und Aufgabe des phantastischen Bundes war die Bekämpfung des musikalischen Philisterthums; daher David, der alte Sängerheld und siegreiche Philisterfeind, zum Schutzpatron desselben erkoren ward. Schumann selbst liebte es, sich hinter den Pseudonymen Florestan und Eusebius zu verbergen, in denen er seine Doppelnatur (und zwar in Florestan die feurige, leidenschaftliche, in Eusebius dagegen die weiche, träumerische Seite seines Gemüths) personificirte. Sie figuriren auch als Autoren auf dem Titel der wunderbaren Claviersonate in Fis-moll, op. 11, die Liszt als das bedeutendste Werk dieser Gattung seit Beethoven bezeichnet hat. Des Künstlers ganze Eigenthümlichkeit zeigt sich in ihr enthüllt. Schwärmerisch-melancholisch, leidenschaftlich, humoristisch, grüblerisch und doch kräftig, energisch zugleich, zieht sie uns in ihre Zauberkreise, sammt den »Phantasiestücken« op. 12, den »symphonischen Etüden« op. 13, dem »Concert ohne Orchester« op. 14, den »Kinderscenen« op. 15, der »Kreisleriana« op. 16, der Liszt gewidmeten Phantasie op. 17, der »Humoreske« op. 20, derG-moll-Sonate op. 22, und dem »Faschingsschwank«op. 26 zu den genialsten Clavierdichtungen zählend, die wir überhaupt besitzen. Sie ist Clara Wieck gewidmet, seiner Freundin und Kunstgenossin, die schon als Kind das lebhafteste Interesse in ihm erweckt hatte. Die freundschaftlich-künstlerische Theilnahme, die er während eines jahrelangen nahen Verkehrs für sie empfunden und die sich stets in begeisterter Anerkennung ihres Genius geäußert, verwandelte sich inzwischen in eine tiefe, feurige Herzensneigung als das Mädchen zur Jungfrau erblüht war. Eine reiche Fülle herrlichster Tondichtungen entlockte die Macht der Liebe der Künstlerbrust: »das Concert, die Sonate, die Davidsbündlertänze, die Kreisleriana und die Novelletten hat sie beinahe allein veranlaßt,« schreibt er an einen Freund.[213] Aber es waren nicht zarte Blüten, von Glück und Sonnenschein gezeitigt – unter bitterem, schmerzlichen Kampf vielmehr, unter Kummer und Herzeleid waren sie geboren. Friedrich Wieck verweigerte seine Einwilligung zur Verbindung Schumann's mit seiner Tochter, und erst nach jahrelangem Hoffen, Harren und Entbehren sollten die Beiden an das Ziel ihrer Wünsche gelangen. Schumann's Plan, zur schnelleren Erreichung desselben sammt seiner Zeitschrift nach Wien überzusiedeln, stellte sich während eines halbjährigen Aufenthaltes daselbst vom October 1838 – April 1839 als unvortheilhaft heraus. Dagegen fand ein anderer Wunsch des Künstlers um so bereitwilligere Erfüllung: die Universität Jena ertheilte ihm im Februar 1840, seiner theoretischen wie praktischen Verdienste um die Musik willen, die philosophische Doctorwürde.
Am 12. September desselben Jahres endlich durften Robert Schumann und Clara Wieck in der Kirche zu Schönefeld bei Leipzig ihre Hände ineinanderlegen zum Bunde für's Leben. Es war ein stilles häusliches Glück, das er sich gründete, ein ganz seinem Beruf geweihtes, nur von zeitweiligen Kunst- und Erholungsreisen unterbrochenes Leben, noch beschaulicher und zurückgezogener als dasjenige, dem Schumann sich vordem hingegeben hatte. Aber dies stille friedliche Glück schien eine fruchtbare Atmosphäre für sein Schaffen, denn unzählige duftende Blüten und Knospen förderte es an's Licht. Man hat dies erste Jahr seiner Ehe Schumann's »Liederjahr« genannt und mit Recht: es waren ja eben nur Liedertöne, die dem vollen Herzen entsprangen, das seine junge Seligkeit in die Welt hinaussang. Wer aber kennte sie nicht, jene Schätze, die der Sänger uns in ihnen geschenkt, und die erklingen und die Herzen erheben werden, so lange es deutsche Zungen und deutsche Herzen giebt? Er hat es verstanden, mit seinem dichterischen[214] Sinn die köstlichsten Perlen auszulesen, die unsere junge Lyrik hervorgebracht. Goethe und Rückert, Heine und Chamisso, Eichendorff und Kerner, Geibel und Lenau und wie sie Alle heißen, haben ihm ihre Gaben dargeboten und er hat ihnen seinen lebendigen Odem eingehaucht und mit der musikalischen Wiedergeburt ein unsterbliches Leben verliehen. Gedenken wir nur der Rückert'schen »Widmung« op. 25, des »Nußbaums«, der »Mondnacht«, der »Frühlingsnacht«, wie des ganzen Eichendorff'schen »Liederkreises« op. 39, und der berühmten Cyclen »Frauenliebe und -Leben« op. 42 und »Dichterliebe« op. 48, oder der späteren Gesänge »Meine Rose« op. 90, »Dein Angesicht« op. 127, sowie der zweistimmigen Lieder op. 43 etc., so bezeichnen wir damit das Herrlichste, was wir in dieser Art überhaupt unser Eigenthum nennen.
Schumann selbst sagt einmal: »Ich getraue mir nicht, mehr versprechen zu können, als ich gerade im Lied geleistet, und bin auch zufrieden damit.« Als Liedercomponisten gebührt ihm denn auch ohne Frage im Verein mit Franz Schubert die höchste Stelle. In unmittelbarster Nachbarschaft des Wiener Meistersängers hat er seinen Platz, sodaß nur individuelle Neigung zu entscheiden vermag, wem von Beiden sie die Krone reicht. Auf dem von Beethoven und Schubert Ueberkommenen fußt Schumann; aber er führt es nach einer neuen selbständigen Richtung hin weiter. Sein dichterisches Naturell läßt ihn dem Liede nicht wie Jene von der rein musikalischen, sondern vielmehr von der poetischen Seite beikommen. Die poetische Intention hebt er in den Vordergrund und bildet demgemäß das declamatorische Element mit Vorliebe aus. Vermittelst einer sorgfältigen Auswahl der unterzulegenden Texte und einer auch den Einzelmomenten des Gedichts gerecht werdenden erhöhten Feinheit der Charakteristik erzielt er eine gesteigerte[215] Einheit zwischen Ton- und Dichtwerk, zu der namentlich die geistvolle Behandlung des begleitenden Pianoforte das ihrige hinzubringen muß. Aus ihrer bisherigen nebensächlichen, der Singstimme gänzlich untergeordneten Rolle hebt er die Clavierbegleitung zur vollen Gleichberechtigung mit jener empor. Ihr überträgt er die Ergänzung und individuellere seelenmalerische Deutung des Textes und macht sie zur eigentlichen Trägerin des Ganzen, zum fertigen Landschaftsbild so zu sagen, dem die hinzukommende Stimme oft kaum mehr als die nöthige Staffage und Lasuren hinzuzufügen braucht.
Die Aufgaben, die er hiermit dem Pianofortespieler stellt sind freilich oft ziemlich schwieriger Art. Seine Claviertechnik ist überhaupt keineswegs leicht und handlich, und an »Häkelperioden«, wie er sie bei Chopin bezeichnet, fehlt es auch seiner eigenen Schreibweise nicht, wie sie ja ohnehin – wir erinnern nur an die weitgriffigen Accorde, die gewagten Sprünge, außer dem verschwimmenden Helldunkel des Colorits, die ungewöhnlichen Begleitungsfiguren – eine gewisse Wahlverwandtschaft mit diesem seinem Lieblinge offenbart. Charakteristisch für Schumann ist beiläufig die häufige Verwendung von Syncopen, die seinen Rhythmen etwas seltsam Kurzathmiges, verhalten Leidenschaftliches, ja Fieberhaftes giebt; desgleichen die Vermischung gerader und ungerader Bewegungen. Seine Rhythmik ist immer originell und interessant; auch seine Harmonik piquant und kühn. Er scheut keine Härten, wo sie am Platze sind. Die Genoveva-Ouvertüre z.B. beginnt er mit einem frei anschlagenden kleinen Nonenaccord, und das Larghetto der B-dur-Symphonie schließt er mit einer Harmoniefolge, die Wagner zum Verfasser haben könnte. Die Rücksicht auf sinnlichen Reiz gilt ihm durchaus wenig, und wenn seine Melodik an schmeichelndem Wohllaut und frischer Sinnlichkeit hinter der des von ihm[216] so hochgehaltenen Schubert zurücksteht, so wohnt ihr dafür ein geistigeres Wesen inne.
Sind nun Bach und Beethoven, Schubert und Chopin als diejenigen zu bezeichnen, denen sich Schumann's Genius am verehrungsvollsten zuneigte und somit auch auf seine eigene Entwickelung einen tieferen Einfluß gestattete, ohne daß sich dieser etwa in Anklängen kund gäbe, denen wir bei dem völlig originellen Schumann fast nirgend begegnen, so dürfen wir auch Mendelssohn's nicht vergessen, dessen Nähe nach der formellen Seite hin bestimmend auf den phantastischen Künstler wirkte und ihn wohl vorzugsweise veranlaßte, statt der zunächst verfolgten selbsteigenen Wege classische Bahnen einzuschlagen. Es scheint, daß er sich besonders in der Orchestration dem Vorbild des Kunstgefährten anschloß, dessen Größe auf Kosten seiner eigenen hervorzuheben er nicht müde wird. Hatte er sich nämlich, wie er ja überhaupt vom Clavier aus den Weg zum Componisten genommen und lange Zeit hindurch einzig am Clavier zu componiren pflegte, während der ersten Epoche seines Schaffens (bis 1840) fast lediglich auf Pianoforte- und sodann auf Gesangcompositionen beschränkt (seine ersten 23 opera umfassen ausschließlich Claviermusik, die nächsten bis op. 37 vorwiegend Lieder), so wandte er sich nun den großen Formen der Instrumentalmusik zu, einem Gebiet, das er bisher nur versuchsweise betreten hatte. Als das hauptsächlichste Ergebniß dieser neuen Phase seiner künstlerischen Entwickelung erschien dieB-dur-Symphonie op. 38, die durch Böttger's Gedicht: »Du Geist der Wolke« angeregt worden sein soll. Sie ist die lichtvollste, sonnigste seiner symphonischen Arbeiten, und Louis Ehlert meint, sie habe etwas so Hochzeitliches, Freudiges, als feiere Schumann darin seine symphonischen Flitterwochen. Ihr folgten weiterhin die Conception der erst viel später veröffentlichten [217] D-moll-Symphonie, wie ein unter dem Titel »Ouvertüre, Scherzo und Finale« bekannt gewordenes, gleichfalls symphonisch angelegtes Werk und verschiedene in das Bereich der Kammermusik gehörende werthvollste Spenden: drei Streichquartette op. 41, das Clavierquartett op. 47 und das Quintett op. 44 – wohl die bedeutendste Erscheinung im Kammerstil seit Beethoven.
Aber auch auf ein völlig neues, bisher unbebautes Terrain führte den Meister sein Genie, als es ihn zu einer seiner umfangreichsten Schöpfungen, seinem »Paradies und Peri« inspirirte. In der Mitte stehend zwischen Oratorium und Oper, nur weder geistlich wie das Eine, noch dramatisch wie die Andere, läßt sich dasselbe keiner der bisher vorhandenen Kunstgattungen unterordnen, sondern nimmt das Recht einer besonderen Form in Anspruch. Das zu Grunde gelegte Gedicht ist der »Lalla Rookh« des englischen Dichters Thomas Moore entnommen und von einem Freunde Schumann's (Flechsig) übersetzt, von ihm selbst aber für die Composition bearbeitet worden. Ueber den Werth der letzteren, die am 4. Dec. 1843 in Leipzig (mit Frau Livia Frege als Peri) zur ersten Aufführung kam, hat die musikalische Welt längst das Urtheil gesprochen. Reichthum an Erfindung, Fälle poetischen und seelischen Gehaltes, technische Vollendung in Behandlung des vocalen und instrumentalen Elementes gewährleisten ihm eine bleibende Bedeutung nicht allein unter den cantatenartigen Tondichtungen unsres. Jahrhunderts, sondern unter den Meisterwerken aller Zeiten.
Das äußere Leben Schumann's ging indessen seinen gewohnten, stillen Gang. Sein Verkehr blieb auf wenige Freunde und namhafte Kunstgenossen beschränkt; im Uebrigen bildete seine Gattin, die in treuer, aufopfernder Fürsorge bemüht war, alles Störende, Unliebsame von ihm fern zu halten, die liebevolle[218] Vermittlerin zwischen ihm und dem praktischen Leben. Da ward im April 1843 das Leipziger Conservatorium unter Felix Mendelssohn's Leitung eröffnet, und gemeinsam mit mehreren anderen hervorragenden künstlerischen Persönlichkeiten ließ auch Robert Schumann sich zur Mitwirkung an demselben bereit finden. Die ihm zuertheilten Lehrfächer waren: Pianoforte- und Partiturspiel, sowie Compositionsübungen. Gleichwohl vermochte er diesem neuen Amt kein sehr thätiges Interesse abzugewinnen; war doch sein Naturell zu abgeschlossen und unmittheilsam und entbehrte der Fähigkeit, sich leicht verständlich zu machen, wie ihm ja selbst die Gabe, sich mit seinen Kindern eingehend zu beschäftigen, abging. Nichtsdestoweniger erhielt er seine Beziehungen zur Musikschule, als deren stolzester Schmuck er neben Mendelssohn diente, bis zu seiner Uebersiedelung nach Dresden aufrecht. Eine längere Unterbrechung seiner Thätigkeit daselbst gestattete er sich nur, als er mit seiner Frau im Januar 1844 eine größere Kunstreise nach Rußland unternahm, von der sie, reich an Triumphen, erst im Juni zurückkehrten. Bald darauf erfolgte Schumann's Rücktritt von der Leitung der musikalischen Zeitschrift, wenige Monate später, mit Beginn des Winters sodann seine Uebersiedelung nach Dresden, nachdem er mit seiner Gattin in einer musikalischen Matinée am 8. December öffentlich von Leipzig Abschied genommen hatte.
»Um der Musik ganz als Künstler zu leben,« hatte Schumann Leipzig mit Dresden vertauscht; doch war er während des ersten Jahres dort zu leidend, als daß es nicht zunächst der Wiederherstellung seiner Gesundheit dringend bedurft hätte. Ein Zustand äußerster Nervenerregtheit, wie er schon einmal vor Jahren (im October 1833) seine Leipziger Freunde in Schreck und Besorgniß versetzt hatte, trat, während er mit Composition des »Faust«-Epilogs beschäftigt war, mit erneuter[219] und gesteigerter Heftigkeit auf und erfüllte seine Familie mit ernstester Sorge. Derselbe äußerte sich insbesondere durch Arbeitsunfähigkeit, Mattigkeit, Gehörstäuschungen und qualvolle Beängstigungen, die eine seltsame Todesfurcht im Gefolge hatten. Vor hohen Wohnungen und Bergen, vor metallenen Werkzeugen, Vergiftung empfand er eine peinliche Furcht, und der Anblick des Sonnensteins z.B., einer Irrenanstalt bei Pirna an der Elbe, dünkte ihm unerträglich; den Umgang mit Menschen aber mied er sorgfältiger denn je. Der Arzt suchte die Veranlassung der Krankheit in geistiger Ueberanstrengung und verordnete kalte Sturzbäder und eine veränderte, ihn zerstreuende Beschäftigung. Durch den Gebrauch der ersteren hob sich in der That auch der Zustand des Kranken so weit, daß er seine gewohnte Thätigkeit wieder aufnehmen konnte; doch blieb seine Gesundheit von dieser Zeit an schwankend. Erst später, als sie sich wiederum besserte, ward auch sein äußeres Leben zugänglicher, und namentlich sein Kunstgenosse Ferdinand Hiller, die Dichter Auerbach und Reinick und die Maler Bendemann und Hübner werden als ihm befreundete Elemente genannt.
Fragen wir nach den künstlerischen Ergebnissen der nächstfolgenden Jahre, so erscheinen diese, wahrscheinlich in Folge des wechselnden Befindens Schumann's, in quantitativer Beziehung weniger reichhaltig. Doch bleiben, außer einer Anzahl Studien, Skizzen und Fugen (BACH) für Pedalflügel und Orgel, als Werke von hoher Bedeutung das Clavierconcert op. 54 – ein Meisterwerk ersten Ranges – zwei Claviertrios op. 63 und 80, und die C-dur-Symphonie op. 61 zu bezeichnen. Die letztere schließt sich, gleich den übrigen symphonischen und Kammermusik-Werken des Künstlers, würdig an diejenigen Beethoven's und Schubert's an, als deren directer Geisteserbe Schumann zu betrachten ist.[220]
Hauptsächlich die Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Gatten wohl bestimmte Clara Schumann, gegen Ende jenes leidenvollen Jahres 1846 eine Kunstreise nach Wien in seiner Begleitung anzutreten. Die außerordentlichen Erfolge, die sie daselbst errang, veranlaßten einen längeren genußreichen Aufenthalt, der sie in den vornehmsten künstlerischen Kreisen der Kaiserstadt heimisch werden ließ und dem, als sie sich endlich von dort loßzureißen vermochten, ein kurzer, aber nicht minder glanzvoller Besuch Prags sich anschloß. Auch nach Berlin und Zwickau folgten bald darauf kurze Ausflüge, die der Aufführung einiger Compositionen Schumann's galten.
Mag es sein, daß diese Reisen und die mannigfachen Abwechselungen und Zerstreuungen, die sie mit sich führten, auf sein körperliches Befinden eine wohlthätige Wirkung übten; genug, wir sehen ihn während des Jahres 1847 mit einem Plane beschäftigt, den der Spätsommer des darauffolgenden Jahres zur Reise brachte. Auch Schumann konnte der dem Musiker so nahe liegenden Versuchung nicht widerstehen, auch einmal das höchste Gebiet seiner Kunst, das des musikalischen Dramas, zu betreten, und so entstand – nachdem er eine Anzahl früherer Projecte (darunter Faust, Nibelungen, Wartburgkrieg, Janko, Sakontala) wieder verworfen hatte – sein Opern-Unicum »Genoveva«. Es hat innerhalb des ersten Vierteljahrhunderts nur wenig Aufführungen erlebt; die Leipziger und Weimaraner Bühne nur, die erste unter Schumann's, die zweite unter Franz Liszt's Leitung, sahen es erscheinen, eine kurze Zeit lang wiederkehren und verschwinden. Ganz vorübergehend tauchte es dann 1859 und 60 noch einmal auf. Erst während der letzten Jahre (von 1873 an) ward es in München, Wien, Wiesbaden, Hannover, Carlsruhe, Mannheim, Leipzig, Berlin, Hamburg, Cöln, Dresden u.a. O. wieder lebendig.[221] Wenn aber die Kritik in weit überwiegender Stimmenmehrheit ihm jedwede dramatische Wirkung und Fähigkeit, sich auf dem Repertoire zu erhalten, streitig macht, so haben die Erfahrungen in Wiesbaden und Leipzig mindestens bewiesen, daß ihm nicht alle Bühnenberedtsamkeit mangelt, ob auch des Componisten eigene Ansicht, daß in seiner »Genoveva« »kein Tact zu finden sei, der nicht durch und durch dramatisch wäre«, sich als irrig genug herausstellt. Die Bühnentechnik, das specifisch dramatische Talent ging Schumann ab, und die Höhepunkte der Oper sind – begreiflich bei der ausgeprägt lyrischen, subjectiven Natur des Tondichters – ohne Frage die lyrischen Momente, wie die Ouvertüre, das Gebet der Genoveva, das Duett zwischen ihr und Golo im zweiten Act, die Geistererscheinung. Bedenklich zumal schwächt sich der vierte Act mit seinem conventionellen Opernschluß, trotz der poetischen Scene am Kreuz, nach dem Vorausgegangenen ab. Freilich ist der aus Tieck's und Hebbel's gleichnamigen Dichtungen zusammengestellte Text, in dessen Autorschaft sich Reinick und Schumann theilen, ein wenig glückliches Product und insbesondere durch das Ausscheiden der für die Sage charakteristischen Momente, der Hirschkuh und des Schmerzenreich, unsrer Theilnahme fern gerückt. Gänzlich umgangen ist der eigentliche Träger der Handlung in der Oper: das Recitativ, das sich, nach der Ansicht des Componisten, »durchaus überlebt« hat. Eine Auflösung der alten geschlossenen Form der Arie etc. ist angestrebt und eine Verschmelzung der Melodie dieser aufgelösten Arienform mit dem Recitativ angebahnt, die auf den Weg zu Wagner's Sprachmelodie hindeutet. Das Ganze ist ein interessanter Versuch mit der alten Opernschablone zu brechen, freilich ein Versuch, dem die Consequenz der Methode fehlt.
Noch ein anderes, tief bedeutungsvolles Werk, das, obwohl[222] zunächst nicht für die Bühne gedacht, doch gerade in den letzten Jahren des öfteren auf derselben erschienen ist, sehen wir zu jener Zeit (1848 und 49) in Schumann Leben und Gestalt gewinnen: die Musik zu Byron's »Manfred.« Er selbst sagt von ihr, er habe sich noch nie einer Composition mit so viel Liebe und Aufwand von Kraft hingegeben, wie dieser einen – und fürwahr, für den, der Schumann's Leben kennt, liegt der Gedanke nicht fern, daß die Wahlverwandtschaft des Stoffes und der Dichterbrust, der er entsprungen, mit seiner eigenen Seele eine geheimnißvolle Anziehungskraft auf ihn übte. Vielleicht ist diese Schöpfung mit ihrer düsteren Poesie und meisterlichen Charakteristik, ihrem hochtragischen gewaltigen Schwunge und ihrer das innerste Herz treffenden Empfindungsgewalt das grandioseste, in seiner Totalität vollkommenste Vermächtniß, das er uns hinterlassen; es ist ein ergreifendes Seelengemälde seiner selbst, und mit frommer Ehrfurcht fühlen wir, daß es mit des Künstlers Herzblut geschrieben ward. »Ich denke, meine Musik hat nichts vom Handwerk an sich und kostet dem Herzen mehr als man ahnen mag.« Wer denkt wohl beim »Manfred« nicht an die Worte Schumann's, die man als Motto über seine Werke setzen könnte?
Noch das Adventlied für Solo, Chor und Orchesterop. 71 gehört seiner Entstehung nach in diese Periode, sowie einige kleinere Gesang- und Claviercompositionen, von welchen namentlich das »Jugendalbum« op. 68 zu nennen ist, das im Verein mit den »Kinderscenen« seinem Autor die Herzen der Jugend erschlossen hat. Und nicht nur die Herzen der kleinen, sondern auch der großen Kinder; denn wer möchte sich des holden Reizes erwehren, den diese kleinen, köstlich frischen Tonbilder auf uns üben? Mag es sein, daß die Humoreske und Impromptus die Phantasie- und Nachtstücke, die Sonaten und Phantasien etc.[223] in ihrer tiefen Schönheit unerkannt an Manchem vorübergehen, – diese Jugendskizzen aber greifen mit dem Zauber der Erinnerung zu mächtig in jedes Herz, als daß sie ihrem Schöpfer nicht allenthalben Freunde erwecken müßten.
Das Jahr 1848 sollte in das äußerlich wie innerlich so zurückgezogene Leben Schumann's durch die Gründung des Dresdner Chorgesangvereins, zu dessen Leitung er berufen ward, (die Direction der Liedertafel hatte er schon 1847 übernommen) einige Abwechselung bringen. Der Verkehr mit den jungen, frischen Kräften that ihm wohl, die veränderte Thätigkeit belebte ihn und gab ihm die willkommene Anregung zu den im Laufe des nächstfolgenden Jahres entstandenen Chorcompositionen. Es war eine reiche künstlerische Ausbeute, die ihm das Jahr 1849 brachte, und Schumann selbst bezeichnete es als sein »fruchtbarstes Jahr.« Die »Waldscenen« op. 82, die vierhändigen Clavierstücke op. 85, das »spanische Liederspiel« op. 74, das Concertstück für Pianoforte und Orchester op. 92, das »Neujahrslied« und vieles Andere ward innerhalb desselben geschaffen. Insbesondere entzündete sich seine schöpferische Begeisterung an Goethe's Dichtungen. Die »Lieder und Gesänge«, wie »das Requiem für Mignon« aus Wilhelm Meister op. 98, desgleichen die »Scenen aus Faust«, an denen er von 1844 bis 50 arbeitete (die Ouvertüre schrieb er erst 1853 in Düsseldorf), beschäftigten ihn in dieser Zeit. Zumal der zuerst geschriebene dritte Theil des »Faust«, woselbst die Dichtung den Boden der Realität verläßt und die mystische Weise des Dichters eine verwandte Seite in Schumann's künstlerischem Naturell berührte, gehört zu den unvergänglichsten Eingebungen seines Genius.
Der Frühling des kommenden Jahres sah Schumann und seine Gattin wieder einmal auf Reisen. Leipzig, Bremen und[224] Hamburg nahmen sie auf, und überall wurden sie, wie Clara schreibt, »auf Händen getragen.« Dann folgte ein mehrwöchentlicher Aufenthalt in Leipzig, wo er am 25. Juni 1850 die erste Aufführung seiner Oper »Genoveva« leitete. Noch im Spätsommer aber vollzog sich ein Ereigniß von hoher Wichtigkeit: Schumann wandte sich mit den Seinen von Dresden hinweg, um einem Rufe als städtischer Musikdirector nach Düsseldorf zu folgen und somit in die durch Weggang seines Freundes Ferdinand Hiller erledigte Stelle einzutreten. Nahezu ein Jahr lang hatten die Vorbereitungen und Verhandlungen gewährt, bevor er sich zur Annahme der sich ihm bietenden Stellung entschließen konnte. Die Hoffnung, mit dem Amt eines zweiten Capellmeisters am Dresdner Hoftheater betraut zu werden, die sich ebenso vereitelte als die frühere Aussicht einer Berufung als Dirigent der Leipziger Gewandhausconcerte, verzögerte seine Entscheidung. Zuletzt noch schreckte ihn ein Bedenken seltsamer Art: die gefürchtete Existenz einer Irrenanstalt in der Nähe Düsseldorfs. Doch verstand es Freund Hiller, alle seine Besorgnisse zum Schweigen zu bringen, und so fand endlich in den ersten Septembertagen 1850 die Uebersiedelung statt.
Mit Jubel ward das berühmte Künstlerpaar in seiner neuen Heimat empfangen. Eine Festfeier ward zu seiner Begrüßung veranstaltet, und der Meister, als er bereits am 24. October sein Amt officiell antrat, mit Aufmerksamkeiten und Ehren überschüttet. Man war stolz auf seinen Besitz und bemühte sich, dies auf jede Weise an den Tag zu legen; aber er selber auch fühlte sich zufrieden und behaglich in dem neuen Wirkungskreise. Nur von kurzer Dauer indeß sollte diese allseitige Zufriedenheit sein. In Schumann's passivem, unmittheilsamen Naturell lag keinerlei Befähigung zum Dirigenten wie zum Lehrer; selbst die dazu nöthige physische Kraft und[225] Ausdauer ging ihm ab, und selbstverständlich konnte dieser Mangel nicht lange ein Geheimniß bleiben in den betreffenden Kreisen. Eine allgemeine, sich steigernde Mißstimmung machte sich fühlbar, gleichzeitig mit der überhandnehmenden Krankheit des Künstlers, und endlich, im Herbst 1853, war ihm der bittere Schmerz beschieden, sich seines Amtes enthoben und einen Andern an seine Stelle gesetzt zu sehen.
Die Production erscheint in diesen letzten Jahren noch immer als eine reiche. Die Es-dur-Symphonie (die sogenannte »rheinische«, fünfsätzige, op. 97, zu der er durch den Anblick des Cölner Doms die Anregung empfing), die schon früher concipirte und nun vollendete Symphonie in D-moll op. 120, die Ouvertüren zu Schiller's »Braut von Messina«, Shakespeare's »Julius Cäsar«, Goethe's »Hermann und Dorothea«, über das »Rheinweinlied« und zu den erwähnten »Faust-Scenen«, eine Messe, ein Requiem, »die Pilgerfahrt der Rose«, die Uhland'schen und Geibel'schen Balladen für Chor und Orchester: »der Königssohn«, »des Sängers Fluch«, »das Glück von Edenhall« und »vom Pagen und der Königstochter«, die Melodramen: »die Flüchtlinge« und »der Haideknabe« op. 122 ein drittes Claviertrio op. 110, zwei Violinsonaten op. 105 und 121, ein Celloconcert op. 129, eine Phantasie mit Violine und Orchester op. 131 und eine dergleichen für Piano und Orchester op. 134 sind, von Clavier- und ein- und mehrstimmigen Vocalcompositionen ganz zu geschweigen, als das Wesentlichste zu nennen. Im Ganzen waren es 135 Opera, die zu des Meisters Lebzeiten erschienen. Eine Anzahl nachgelassener Werke (bis op. 148, auch Verschiedenes ohne Opuszahl) kam erst nach seinem Tode an's Licht. Selbstverständlich verleugnen die letzten seiner Schöpfungen nicht die Spuren des körperlichen und seelischen Leidens, unter dem sie entstanden.[226] Die Abnahme einer vordem überreichen Schöpferkraft macht sich in ihnen wehmüthig fühlbar und mahnt uns an das tragische Ende, das dem herrlichen Genius beschieden war.
Und so entwickelte sich denn die furchtbare, unheimlich lauernde Krankheit, die ihn so früh von dieser Erde hinwegnehmen sollte, inzwischen mehr und mehr. Die alten unheilverkündenden Anzeichen, die einst vor Jahren geheimnißvoll aufgetaucht und wieder verschwunden waren, wiederholten und steigerten sich; auch die Gehörstäuschungen, die ihn früher heimgesucht, stellten sich wieder ein. Eine in Scheveningen gebrauchte Badecur (1852) veranlaßte nur vorübergehende Besserung, und im Juli 1853 fühlte er sich bei einem Besuche in Bonn von einem betäubenden, einem Nervenschlag ähnlichen Zustande befallen, der seine eigene Besorgniß in hohem Grade erregte. Es war eben nach dem Ausspruche des Arztes ein organisches Gehirnleiden, das durch überangestrengte Thätigkeit, »geistige Ausschweifung«, wie er's nannte, zur unglückseligsten Entwickelung kam. Doch trat wiederum ein Stillstand im Verlauf der Krankheit ein, und die Sonne schien noch einmal hell und freundlich in das thatenreiche Künstlerleben. Die Begegnung mit Johannes Brahms, den der kranke Meister der musikalischen Welt so verheißungsvoll zuführte, fällt wie ein Lichtstrahl in jene dunklen Tage; eine Musikfahrt nach den Niederlanden aber, die letzte Kunstreise, die er im November 1853 mit seiner Gattin unternahm, sollte in Wahrheit einem Triumphzuge gleichen. »In allen Städten sah er sich mit Freuden, ja mit vielen Ehren bewillkommnet« und »mit Verwunderung sah er, daß seine Musik in Holland beinahe heimischer sei, als im Vaterlande.«
Zu Ende des Jahres kehrte Schumann nach Düsseldorf zurück, wohl ahnungslos, welch' entsetzliches Geschick sich binnen[227] wenigen Wochen an ihm erfüllen sollte. Zurückgezogener denn je verbrachte er dieselben im Kreise seiner Familie. Literarische Arbeiten hielten ihn beschäftigt, von denen er seine »Gesammelten Schriften über Musik und Musiker« zur Herausgabe vorbereitete. Ein anderes Werk, eine Zusammenstellung der Aussprüche unserer großen Dichter über Musik, die er »Dichtergarten« zu nennen gedachte, blieb unvollendet. Inmitten dieser Beschäftigung brachen die unheilvollen Symptome seiner Krankheit von neuem über ihn herein und steigerten sich bald in erschreckendem Maße; tiefer und tiefer senkten sich über ihn die Schatten der Nacht herab, auf die kein Morgen der Genesung wieder folgen sollte. Die Gehörstäuschungen zeigten sich wieder, in denen er bald einen ihn unablässig verfolgenden einzelnen Ton, bald ganze Harmonien und Tonstücke zu hören glaubte. Auch Geisterstimmen und deren Einflüsterungen vernahm er und fühlte sich denselben Tag und Nacht rastlos preisgegeben. So schrieb er eines Nachts ein Thema nieder, das, wie er sagte, Franz Schubert und Mendelssohn ihm gesandt hätten, und über welches er noch während des Ausbruchs der Krankheit fünf Variationen geschrieben hat. Dann verlangte er der Pflege eines Arztes und einer Heilanstalt übergeben zu werden, »da er zu Hause nicht wieder genesen könne.« Er erkannte seinen Zustand mit furchtbarer Klarheit und bereitete alles zum Abschied vor; ja er bat, ihm während der aufgeregten Momente fern zu bleiben. Was half es, daß seine Gattin alles aufbot, den ruhelosen Geist zu bannen mit der Macht ihrer Liebe, und die Wahnbilder zu verscheuchen, die ihn schreckten? Nur einen Augenblick lang währte die heilsame Wirkung – dann hielt ein neues Phantom den Umdüsterten gefangen. So währte es vierzehn Tage, da trieb die qualvolle Seelenangst den Kranken zu einem Schritt der Verzweiflung.[228]
Am Fastnachtsmontag, den 27. Februar 1854, um die Mittagszeit war's, als Schumann den Besuch seines Arztes und eines Freundes empfing. Inmitten des Gesprächs entfernte er sich schweigend. Als er nach längerer Zeit nicht zurückkehrte, suchte ihn seine Gattin: er war im Hause nirgends zu finden. Unbemerkt war er entkommen, der Rheinbrücke zu, und hatte dort durch einen Sturz hinab in den Strom seinem traurigen Leben ein Ende zu geben versucht. Aber Schifferknechte waren in der Nähe, sie retteten den unglücklichen Meister aus den Fluten. Flehentlich soll er sie gebeten haben, ihn doch sterben zu lassen, und noch einmal versucht haben, aus dem Kahn zu entspringen – vergebens! Der Kelch des Leidens war noch nicht bis zur Neige geleert, er sollte noch weiter leben – aber wie!
Wenige Tage später, am 4. März, ward Robert Schumann auf Anrathen der Aerzte in die Privatheilanstalt zu Endenich in Bonn gebracht, daselbst die ruhelose Seele endlich nach langem Kampfe zur Ruhe kommen sollte – zur letzten, ewigen Ruhe freilich. Er empfing während seines zweijährigen Aufenthalts dort noch Besuche von Bettina von Armin, Joachim und Brahms, die jedoch, der sich in Folge derselben kundgebenden heftigeren Aufgeregtheit des Kranken halber, fernerhin unterbleiben mußten. Auch sein Biograph und Schüler, von Wasielewski, dem wir neben der späteren, mehr kritischen Arbeit Reißmann's,2 die eingehendsten Forschungen über Schumann's Leben und Schaffen verdanken, und dessen Werk3 auch das wesentlichste Fundament dieser Skizze bildet, sah ihn noch einmal wieder. Selbst ungesehen, belauschte er den kranken Künstler, am Clavier sitzend, in Phantasien verloren, die ein erschütterndes[229] Zeugniß des Gebrochenseins seiner geistigen und physischen. Kräfte gewährten. Mit seiner Gattin unterhielt er eine Zeitlang einen Briefwechsel; erst in der letzten Stunde der Erlösung aber, die ihm am Nachmittage des 29. Juli 1856 schlug, sah sie ihn wieder und drückte ihm mit treuer Hand die Augen zu.
Zwei Tage später, am 31. Juli, ward die sterbliche Hülle Robert Schumann's auf dem Kirchhof zu Bonn zur Ruhe gebracht; dort ward ihr eine freundliche, von Platanen überschattete Stätte des Friedens bereitet, und Ferdinand Hiller, sein Kunstgenosse, rief ihm den letzten Freundesgruß in die Ewigkeit nach.
Es hat lange gewährt, bevor seine Schöpfungen Eingang gefunden in die Geister und Herzen seines Volkes, die sich dem ihm durch Freundschaft und Streben verbundenen Mendelssohn doch leicht und willig erschlossen. Auch hat die Kritik ihre Pflichten vielfach verabsäumt ihm gegenüber, der doch in offener Darlegung der Bedürfnisse seiner Natur mit Jean Paul sagte: »Luft und Lob sind das Einzige, was der Mensch nicht entbehren kann.« Nur bei den Koryphäen seiner Kunst, wie gleich beim Beginn seiner Componistenlaufbahn bei Moscheles und Franz Liszt, fand er die Anerkennung, die ihm gebührt und die ihm die Nachgeborenen nun freudig spenden. Wir wissen's heute: Er brauchte Mendelssohn den Preis der früh erlangten Popularität nicht zu beneiden; denn reichlich aufgewogen ward die schnellere, unmittelbare Einwirkung, die Jener auf die Entwickelung der Tonkunst geübt, durch die ungleich tiefere und nachhaltigere, wie sie Schumann beschieden war. Es ist uns jetzt ja kein Geheimniß mehr, daß die moderne Weiterentwickelung der Musik wesentlich durch ihn bedingt ward. Und darum thaten wir wohl daran, wenn wir, sein Gedächtniß[230] zu feiern, sein Denkmal aufrichteten in unserer Mitte; nicht nur in Leipzig, der musikreichen Stadt, die am längsten Zeuge seines Wirkens gewesen,4 sondern auch am Rheine, wo er gelitten und vollendet und wo er den letzten Schlummer schläft.5 Denn ob er selbst sich auch bescheiden mochte mit dem Bewußtsein, den Besten seiner Zeit genügt zu haben – der Spruch der Nachwelt hat ihn für alle Zeiten in die Reihe derer gestellt, die nimmer sterben hinieden![231]
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