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[140] Aus: W.A. Mozarts Leben von Franz Niemetschek (Prag 1798)


Nach dem Neudruck: Prag [1905].


[S. 44.] Die Körperbildung dieses außerordentlichen Menschen hatte nichts Auszeichnendes; er war klein, und sein Angesicht, wenn man das große feurige Auge1 ausnimmt, kündigte die Größe seines Genies nicht an.

Der Blick schien unstet und zerstreut, außer wenn er bey dem Klavier saß; da änderte sich sein ganzes Antlitz! Ernst und versammelt ruhte dann sein Auge; auf jeder Muskelbewegung drückte sich die Empfindung aus, welche er durch sein Spiel vortrug und in dem Zuhörer so mächtig wiederzuerwekken vermochte.[140]

Er hatte kleine schöne Hände; bey dem Klavierspielen wußte er sie so sanft und natürlich an der Klaviatur zu bewegen, daß sich das Auge daran nicht minder als das Ohr an den Tönen ergötzen mußte. Es ist zu verwundern, wie er damit so vieles besonders im Basse greifen konnte. Diese Erscheinung muß man der trefflichen Applikatur zuschreiben, die er nach eigenem Geständnisse dem fleißigen Studium der Bachischen Werke zu danken hatte.

Das Unansehnliche in seinem Äusseren, der kleine Wuchs seines Körpers kam von seiner frühen Geistesanstrengung her und von dem Mangel an freyer Bewegung in der Zeit seiner Kindheit. Er war zwar von schönen Eltern erzeugt und soll selbst ein schönes Kind gewesen seyn, aber von dem sechsten Lebensjahre an war er an eine sitzende Lebensweise gebunden. Um diese Zeit fing er schon an zu schreiben2! Und wie viel hat der Mann nicht in seinem Leben, besonders in den letzten Jahren, geschrieben? Da Mozart bekanntermaßen in der Nacht am liebsten spielte und komponierte und die Arbeit oft dringend war: so kann sich jeder vorstellen, wie sehr ein so fein organisirter Körper darunter leiden mußte! Sein früher Tod muß diesen Ursachen hauptsächlich zugeschrieben werden.

[S. 57.] Wie reizbar seine Empfindsamkeit gewesen sey, wie lebhaft sein Kunstsinn, kann man aus dem schließen, daß er bey der Aufführung einer guten Musik bis zu Tränen gerührt wurde, vorzüglich wenn er etwas von den beyden großen Haydn hörte. Aber nicht allein Musik, jeder andere rührende Gegenstand ergriff sein ganzes Gefühl und erschütterte ihn. Seine Einbildungskraft war immer thätig, immer mit Musik beschäftigt; daher schien er so zerstreut und gedankenlos.

[S. 63.] In seiner Ehe mit Konstanza Weber lebte Mozart vergnügt. Er fand an ihr ein gutes liebevolles Weib, die sich an seine Gemüthsart vortrefflich anzuschmiegen wußte und dadurch sein ganzes Zutrauen und eine Gewalt über ihn gewann, welche sie nur dazu anwendete, ihn oft von Übereilungen abzuhalten. Er liebte sie wahrhaft, vertraute ihr alles, selbst seine kleinen Sünden, und sie vergalt es ihm mit Zärtlichkeit und treuer Sorgfalt.

Fußnoten

1 Die beste Nachprüfung dieser Schilderung bieten die Bildnisse Mozarts von Joseph Lange, Leonard Posch und Dora Stock.


2 d.h.: komponieren.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 141.
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