§. 6.

[7] In diesem Stücke könnten die Herren Mathematiker ihren Ruhm verewigen. Der gelehrte Herr M. Lorenz Mizler, hat vor einigen Jahren schon den nie genug zu rühmenden Vorschlag gethan, eine Gesellschaft musikalischer Wissenschaften in Deutschland anzulegen. Sie hat auch wirklich schon im Jahr 1738. ihren Anfang genommen. Es ist nur zu bedauren, daß eine solche edle Bestrebung nach der redlichen Verbesserung der musikalischen Wissenschaften nicht allezeit reichlich unterstützet wird. Das ganze musikalische Reich wüßte es einer solchen gelehrten Gesellschaft nimmer genug zu verdanken, wenn sie den Instrumentmachern ein so nützbares Licht anzündete, dadurch der Musik eine ungemeine Zierde zuwachsen könnte. Man wird es mir ia nicht verargen, wenn ich ganz aufrichtig sage: daß an genauer Untersuchung der Instrumente mehr lieget, als wenn man durch die Bemühung vieler Gelehrten endlich vom Grunde erörtert: warum zwo unmittelbar auf einander folgende Octaven oder Quinten nicht wohl in das Gehör fallen. Bey rechtschaffenen Componisten sind sie ohnehin schon längst des Landes verwiesen: und es ist genug, daß sie, wegen ihrem allzuvollkommenen Verhältniß, dem aufmerksamen Ohr, da es eben eine Veränderung erwartet, durch sträfliche Wiederholung zur Last fallen. Ist es denn nicht mehr in Betrachtung zu ziehen, daß wir so wenig gute Instrumente sehen; daß selbige von so ungleicher Arbeit, und von so verschiedener Klangart sind: als wenn wir ganze Reihen papierener Intervallen ausmessen und hinschreiben; davon oft viele in der Ausübung wenig oder gar nichts nützen? Diese gelehrten Herren könnten[7] also durch eine nützliche Untersuchung, Z.E. was für Holz zu einem Geiginstrumente das tauglichste? Wie solches am besten auszutrocknen wäre?4 Ob nicht bey der Ausarbeitung das Dach und der Boden nach den Jahren5 einander entgegen stehen sollten? Wie die Schweislöcher des Holzes am besten zu verschliessen seyn, und ob nicht auch der innere Theil desswegen mit Fürnüß ganz fein zu bestreichen, und was für Fürnüß der tauglichste wäre? Hauptsächlich aber, wie hoch, wie dick, u.s.f. das Dach, der Boden, und der Zarge seyn müssen? Mit einem Worte: durch ein richtiges System, wie eigentlich die Theile einer Geige sich gegen einander regelmässig verhalten sollen, könnten, sage ich, diese gelehrten Herren durch Hülfe der Mathematik, und mit Beyziehung eines guten Geigenmachers die Musik ungemein verbessern.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 7-8.
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