103. Mozarteum.

[155] Paris 14. Mai 1778.

Nun habe ich schon so viel zu thun, wie wird es erst auf den Winter gehen? – Ich glaube ich habe Ihnen schon im letzten Brief geschrieben, daß der Duc de Guines, dessen Tochter meine Scolarin in der Composition ist, unvergleichlich die Flöte spielt, und sie magnifique die Harfe; sie hat sehr viel Talent und Genie, besonders ein unvergleichliches Gedächtniß, indem sie alle ihre Stücke, deren sie wirklich 200 kann, auswendig spielt; sie zweifelt aber stark, ob sie auch Genie zur Composition hat – besonders wegen Gedanken, Ideen. Ihr Vater aber, der (unter uns gesagt, ein bischen zu sehr in sie verliebt ist) sagt, sie habe ganz gewiß Ideen, es sei nur Blödigkeit, – sie habe nur zu wenig Vertrauen auf sich selbst. Nun müssen wir sehen. Wenn sie keine Ideen oder Gedanken bekömmt (denn jetzt hat sie wirklich gar – keine), so ist es umsonst, denn – ich kann ihr, weiß Gott, keine geben. Die Intention vom Vater ist, keine große Componistin aus ihr zu machen. »Sie soll«, sagte er, »keine Opern, keine Arien, keine Concerte, keine Sinfonien, sondern nur große Sonaten für ihr Instrument und für meines schreiben.« Heute habe ich ihr die 4. Lection gegeben, und was die Regeln der Composition und das Setzen anbelangt, so bin ich so ziemlich mit ihr zufrieden. Sie hat mir zu dem ersten Menuett, den ich ihr aufgesetzt, ganz gut den Baß dazu gemacht; nun fängt sie schon an, dreistimmig zu schreiben; es geht, aber sie ennuyirt sich gleich, aber ich kann ihr nicht helfen, ich kann unmöglich weiter schreiten, es ist zu früh, wenn auch wirklich das Genie da wäre. So aber ist leider keines da, man wird alles mit Kunst thun müssen, sie hat gar keine Gedanken, es kömmt nichts, ich habe es auf alle mögliche Art mit ihr probirt. Unter anderm kam mir auch in den Sinn einen ganz simplen Menuett aufzuschreiben und zu versuchen, ob sie nicht eine Variation darüber machen könnte? – Ja das war umsonst. – Nun, dachte ich, sie weiß halt nicht, wie und was sie anfangen soll. – Ich fing also nur den ersten Tact an zu variiren und sagte ihr, sie soll so fortfahren und bei der Idee bleiben; das ging endlich[156] so ziemlich. Wie das fertig war, so sagte ich zu ihr, sie soll doch selbst etwas anfangen – nur die erste Stimme, eine Melodie. – Ja sie besann sich eine ganze Viertelstunde und es kam nichts. Da schrieb ich also 4 Tacte von einem Menuett und sagte zu ihr: »Sehen Sie, was ich für ein Esel bin, jetzt fange ich einen Menuett an und kann nicht einmal den ersten Theil zu Ende bringen, – haben Sie doch die Güte und machen Sie ihn aus.« Da glaubte sie, das wäre unmöglich. Endlich mit vieler Mühe kam etwas an Tag, ich war doch froh, daß einmal etwas kam. Dann mußte sie den Menuett ganz ausmachen, das heißt, nur die erste Stimme. Über Haus habe ich ihr nichts anderes anbefohlen, als meine 4 Tacte zu verändern und von ihr etwas zu machen, einen andern Anfang zu erfinden, wenn's schon die nämliche Harmonie ist, wenn nur die Melodie anders ist. Nun werde ich morgen sehen, was es ist.

Ich werde nun bald, glaube ich, die Poesie zu meiner Oper on deux acts bekommen; dann muß ich sie erst dem Director Mr. de Vismes präsentiren, ob er sie annimmt; da ist aber kein Zweifel nicht, denn Noverre hat sie angegeben und dem Noverre hat de Vismes seine Stelle zu danken. Noverre wird auch bald ein neues Ballet machen und da werde ich die Musik dazu setzen. Rudolf (der Waldhornist) ist hier in königlichen Diensten und mein sehr guter Freund, er versteht die Composition aus dem Grund und schreibt schön. Dieser hat mir die Organistenstelle angetragen zu Versailles, wenn ich sie annehmen will, sie trägt das Jahr 2000 Livres, da muß ich aber 6 Monate zu Versailles leben, die übrigen 6 zu Paris oder wo ich will; ich glaube aber nicht, daß ich es annehmen werde, ich muß guter Freunde Rath darüber hören. 2000 Livres ist doch kein so großes Geld; in deutscher Münze freilich, aber hier nicht; es macht freilich das Jahr 83 Louisd'or und 8 Livres, das ist unseriges Geld 915 Fl. und 45 Kr. (das wäre freilich viel), aber hier nur 333 Thaler und 2 Livres, das ist nicht viel, es ist erschrecklich, wie geschwind ein Thaler weg ist! Ich kann mich gar nicht verwundern, wenn man aus dem Louisd'or nicht viel hier macht,[157] denn es ist sehr wenig; 4 so Thaler oder ein Louisd'or, welches das nämliche, sind gleich weg. Nun adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 155-158.
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