114. Mozarteum.

[203] Nancy 3. Oct. 1778.

Ich bitte Sie um Verzeihung, daß ich Ihnen nicht in Paris noch meine Abreise gemeldet habe. Allein das Ding war über all mein Vermuthen, Meinen und Willen so übereilt, daß ich es Ihnen nicht beschreiben kann. Den letzten Augenblick habe ich noch meine Bagage anstatt zum Bureau[203] der Diligence zum Graf Sickingen bringen lassen, und noch etliche Tage in Paris bleiben wollen. Und ich hätte es bei meiner Ehre gethan, wenn ich nicht – auf Sie gedacht hätte; denn ich wollte Ihnen keinen Verdruß machen. Von diesen Sachen werden wir in Salzburg mit mehrer Gelegenheit sprechen können. Nur etwas; – stellen Sie sich vor, der Mr. Grimm hat mir vorgelogen, daß ich mit der Diligence gehen und in 5 Tagen zu Straßburg ankommen werde; – den letzten Tag wußte ich erst, daß es ein anderer Wagen ist, der Schritt für Schritt geht, keine Pferde wechselt und 10 Tage braucht; – da können Sie sich meinen Zorn leicht vorstellen. Doch ließ ich ihn nur bey meinen guten Freunden aus und bey ihm aber stellte ich mich ganz lustig und vergnügt. Als ich in den Wagen kam, hörte ich die angenehme Nachricht, daß wir 12 Tage reisen werden; – da sehen Sie die große Vernunft des Herrn Baron von Grimm! – Um nur zu sparen schickte er mich mit diesem langsamen Wagen und dachte nicht darauf, daß die Kosten doch auf das nemliche hinaus laufen, indem man öfter in Wirthshäusern verzehren muß. Nun, jetzt ist es schon vorbey. Was mich bei der ganzen Sache am meisten verdrossen hat, ist, daß er es mir nicht gleich gesagt hat. Er hat halt sich gespart und nicht mir; – denn er hat die Reise (ohne Verpflegung) bezahlt, – wenn ich aber noch 8 oder 10 Tage in Paris geblieben wäre, so hätte ich mich in Stand gesetzt, meine Reise selbst und gelegen machen zu können.

Ich habe nun 8 Tage in diesem Wagen ausgehalten, länger wäre ich es aber nicht im Stande, – nicht wegen der Strapatze, denn der Wagen ist gut gehenkt, sondern nur wegen dem Schlafen. Alle Tage um 4 Uhr weg, mithin um 3 Uhr aufstehen! Zweimal habe ich die Ehre gehabt um 1 Uhr nachts aufzustehen, weil der Wagen um 2 Uhr wegging. Sie wissen daß ich im Wagen nicht schlafen kann; mithin könnte ich es ohne Gefahr krank zu werden, nicht so fortsetzen, – und dann war einer unserer Reisegefährten sehr stark mit Franzosen begabt. Er läugnete es auch nicht; mithin das ist schon genug für mich, um lieber, wenn es darauf ankommt, die Post zu nehmen. Das hat es aber nicht nöthig;[204] denn ich habe doch das Glück gehabt, einen Mann darunter zu finden, der mir ansteht, – einen Deutschen, einen Kaufmann, der zu Paris wohnt und mit englischen Waaren handelt. Ehe wir in die Kutsche stiegen, haben wir uns schon ein wenig gesprochen, und von diesem Augenblick an blieben wir immer beisammen. Wir speisten nicht mit der Compagnie, sondern in unserer Kammer, und schliefen auch so. Ich bin um diesen Mann auch froh, weil er viel gereist ist, mithin die Sache versteht. Dieser hat sich auch auf dem Wagen ennuyirt und wir sind mit einander vom Wagen weg und gehen morgen mit einer guten Gelegenheit, die nicht viel kostet, nach Straßburg. – Ich bitte um Verzeihung, daß ich nicht viel schreiben kann, weil ich, wenn ich nicht in einer Stadt bin, wo ich gut bekannt bin, niemals guten Humors bin. Doch glaube ich, daß wenn ich hier bekannt wäre, gerne hier bleiben würde, indem die Stadt in der That charmant ist, – schöne Häuser, schöne breite Gassen und superbe Plätze.

Nur noch um etwas muß ich Sie bitten, – daß ich einen großen Kasten in mein Zimmer bekomme, damit ich alle meine Sachen bei mir haben kann. Wenn ich das kleine Clavierl, das der Fischietti und Rust gehabt hat, zu meinem Schreibtisch haben könnte, wäre es mir sehr lieb, indem es mir besser taugt als das kleine von Stein. – Neues bringe ich Ihnen nicht viel mit von meiner Musik, denn ich habe nicht viel gemacht. Die 3 Quartetten und das Flötenconcert für den Mr. Dejean habe ich nicht; denn er hat es, als er nach Paris ging, in den unrechten Koffer gethan und ist folglich zu Mannheim geblieben. Mithin werde ich nichts Fertiges mitbringen als meine Sonaten [mit Violine]. Denn die 2 Ouvertüren und die Sinfonie concertante hat mir der Le Gros abgekauft. Er meint, er hat es allein; es ist aber nicht wahr, ich habe sie noch frisch in meinem Kopfe und werde sie, sobald ich nach Hause komme, wieder aufsetzen.

Die Münchener Comödianten werden nun natürlicherweise schon [in Salzburg] spielen. Gefallen sie? – Gehen die Leute hinein? – Von den Singspielen wird wohl »das Fischermädchen« (La pescatrice von Piccini) oder »das Bauernmädchen bei Hof« (La contandina in corte von Sacchini)[205] das Erste sein? – Die erste Sängerin wird die Keiserin sein; das ist das Mädchen, wovon ich Ihnen von München geschrieben, – ich kenne sie nicht, ich habe sie nur gehört. Damals war sie das dritte Mal auf dem Theater und erst 3 Wochen daß sie die Musik gelernt hat [vgl. S. 51 f.]. – Nun leben Sie recht wohl. Ich habe keine ruhige Stunde, bis ich nicht wieder alles sehe, was ich liebe. – –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 203-206.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Mozarts Briefe
Mozarts Briefe