117. Mozarteum.

[213] Mannheim 12. Nov. 1778.

Ich bin hier den 6. glücklich angelangt, und habe alle meine guten Freunde auf eine angenehme Art überrascht. Gott Lob und Dank, daß ich wieder in meinem lieben Mannheim bin! Ich versichere Sie, wenn Sie hier wären, so würden Sie das nämliche sagen. Ich wohne bei der Mad. Cannabich die nebst ihrer Familie und allen guten Freunden fast vor Freude außer sich kam, als sie mich wieder sah. Wir haben uns noch nicht ausgeredet, denn sie erzählt mir all die Historien und Veränderungen, die seit meiner Abwesenheit vorbeigegangen. Ich habe noch, so lange ich hier bin, nicht zu Hause gespeist, denn es ist recht das Geriß um mich; mit Einem Wort, wie ich Mannheim liebe, so liebt auch Mannheim mich, und ich weiß nicht, ich glaube, ich werde doch noch hier angestellt werden! Hier, nicht in München, denn der Churfürst wird, glaube ich, gar gern wieder seine Residenz in Mannheim machen, indem er die Grobheiten von den Herrn Bayern unmöglich lange wird aushalten können. Sie wissen, daß die Mannheimer Truppe in München ist? Da haben sie schon die zwei ersten Actricen, Mad. Toscani und Mad. Urban ausgepfiffen und war so ein Lärm, daß sich der Churfürst selbst über die Loge neigte und sch machte, – nachdem sich aber kein Mensch irre machen ließ, hinab schickte und aber der Graf Seeau, nachdem er einigen Officieren sagte, sie sollten doch kein so Lärm machen, der Churfürst sehe es nicht gerne, zur Antwort bekam, sie seien um ihr baar Geld da und hätte ihnen kein Mensch zu befehlen. – Doch was ich für ein Narr bin! dieß werden Sie schon längst durch unsern *** wissen.

Nun kommt etwas. Ich kann hier vielleicht 40 Louisd'or gewinnen! Freilich muß ich 6 Wochen hier bleiben oder längstens[213] 2 Monat. Die Seilerische Truppe ist hier, die Ihnen schon par Renommée bekannt sein wird. Herr von Dalberg ist Director davon. Dieser läßt mich nicht fort, bis ich ihm nicht ein Duodrama componirt habe, und in der That habe ich mich gar nicht lange besonnen, denn diese Art Drama zu schreiben, habe ich mir immer gewünscht. Ich weiß nicht, habe ich Ihnen, wie ich das erste Mal hier war, etwas von dieser Art Stücke geschrieben? Ich habe damals hier ein solch Stück 2 Mal mit dem größten Vergnügen aufführen gesehen; in der That, mich hat noch niemals etwas so surprenirt! Denn ich bildete mir immer ein, so was würde keinen Effect machen. Sie wissen wohl, daß da nicht gesungen, sondern declamirt wird und die Musik wie ein obligirtes Recitativ ist. Bisweilen wird auch unter der Musik gesprochen, welches alsdann die herrlichste Wirkung thut. Was ich gesehen, war »Medea« von Benda. – Er hat noch eine gemacht, »Ariadne auf Naxos«, beide wahrhaftig vortrefflich. Sie wissen, daß Benda unter den lutherischen Capellmeistern immer mein Liebling war. Ich liebe diese zwei Werke so, daß ich sie bei mir führe. Nun stellen Sie sich meine Freude vor, daß ich das, was ich mir gewünscht, zu machen habe! Wissen Sie, was meine Meinung wäre? Man solle die meisten Recitative auf solche Art in der Oper tractiren und nur bisweilen, wenn die Worte gut in der Musik auszudrücken sind, das Recitativ singen.

Man richtet hier auch eine Académie des amateurs auf, wie in Paris, wo Hr. Fränzel das Violin dirigirt, und da schreibe ich just an einem Concert für Clavier und Violine. Meinen lieben Freund Raaff habe ich noch hier angetroffen, er ist aber den 8. von hier weg. Er hat mich hier sehr gelobt und sich um mich angenommen, und ich hoffe er wird es in München auch thun. Wissen Sie, was der verfluchte Kerl Seeau hier gesagt hat? Meine Opera buffa zu München [vgl. S. 36 ff.] sei ausgepfiffen worden. Unglücklicher Weise hat er es an einem Ort gesagt, wo man mich gar zu sehr kennt. Mich ärgert aber nur die Keckheit, indem die Leute, wenn sie nach München kommen, just das Gegentheil erfahren können. Ein ganzes bayerisches Regiment ist hier,[214] und da ist mit hier die Fräulein de Pauli; wie sie mit ihrem dermaligen Namen heißt, weiß ich nicht; ich war aber schon bei ihr, denn sie hat gleich zu mir geschickt. O, was ist doch für ein Unterschied zwischen den Pfälzern und Bayern! Was das für eine Sprache ist! wie grob! Und die ganze Lebensart schon! Ich habe wahrlich Sorge, wenn ich wieder das hoben und olles mit einander hören werde, und das gestrenge Herr!

Nun leben Sie recht wohl, und schreiben Sie mir bald; nur die einfache Adresse an mich, denn auf der Post wissen sie schon wo ich bin! Hören Sie nur, wie mein Name hier bekannt ist; es ist gar nicht möglich, daß hier ein Brief für mich verloren geht. Mein Bäsle hat mir geschrieben und anstatt pfälzischen Hof fränkischen Hof. Der Wirth hat den Brief gleich zum Hrn. Hofkammerrath Serrarius geschickt, wo ich das vorigemal logirt habe. Was mich bei der ganzen Mannheimer und Münchner Geschichte am meisten freuet, ist, daß der Weber seine Sache so gut gemacht hat; sie kommen nun auf 1600 Fl., denn die Tochter hat allein 1000 Fl. und ihr Vater 400 und dann wieder 200 als Souffleur. Der Cannabich hat das meiste dabei gethan, es war eine ganze Historie, wegen Graf Seeau; wenn Sie es noch nicht wissen, so will ich Ihnen nächstens schreiben.

Ich bitte Sie, liebster Vater, machen Sie sich diese Sache zu Salzburg zu Nutzen und reden Sie so viel und stark, daß der Erzbischof glaubt, ich werde vielleicht nicht kommen und sich resolvirt mir bessern Gehalt zu geben; denn hören Sie, ich kann nicht mit ruhigem Gemüth darauf denken, der Erzbischof kann mich gar nicht genug bezahlen für die Sclaverei in Salzburg! Wie ich sage, ich empfinde alles Vergnügen, wenn ich gedenke Ihnen eine Visite zu machen, aber lauter Verdruß und Angst, wenn ich mich wieder an diesem Bettelhof sehe! Der Erzbischof darf mit mir gar noch nicht den Großen, wie er es gewohnt war, zu spielen anfangen, – es ist gar nicht unmöglich, daß ich ihm eine Nase drehe! – gar leicht, und ich weiß gewiß, daß Sie auch Theil an meiner Freude nehmen werden. Adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 213-215.
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