142. Mozarteum.

[264] Wien 24. März 1781.

Ich habe Ihr Schreiben vom 20. dieses richtigst erhalten und daraus mit Vergnügen dero beyderseitige glückliche Ankunft und gutes Wohlseyn vernommen. Sie müssen es meiner schlechten Dinte und Feder verdanken, wenn Sie diesen Brief mehr buchstabiren als lesen können. Basta, geschrieben muß es doch seyn, und mein Herr Federschneider Hr. von Lirzer hat mich dermalen angesetzt. Ich kann Ihnen diesen, weil Sie ihn vermuthlich selbst besser kennen werden, nicht anders beschreiben, als daß er – glaub ich ein Salzburger ist und daß ich ihn mein Lebtag niemals als beym Robinig etwelchmal bey der sogenannten 11 Uhr Musik gesehen habe. Er hat mir aber gleich Visite gemacht und scheint mir ein sehr artiger und (weil er mir meine Federn geschnitten) höflicher Mensch zu seyn. Ich halte ihn für einen Secretair. – Wer mich auch mit einem Besuche überraschte war der Gilofsky, der Katherl ihr Bruder. Warum überraschte? – weil ich es ganz vergessen hatte daß dieser in Wien ist. Was ein fremder Ort einen Menschen gleich bilden kann! Aus diesem wird gewiß ein rechtschaffner braver Mensch, sowohl in seinem Metier als äußerlichem Betragen.

Was Sie mir vom Erzbischof schreiben, hat was seinen Ehrgeiz, meine Person betreffend, kitzelt, in so weit seine Richtigkeit, – allein was nützt mir alles dies? – von diesem lebt man nicht. Glauben Sie nur sicher, daß er mir hier gleich einem Lichtschirm ist. Was gibt er mir denn für Distinction? Hr. von Kleinmayrn, Bönike haben mit dem Erlauchten Graf Arco eine Extratafel; – das wäre Distinction wenn ich bey dieser Tafel wäre, – aber nicht bey den Kammerdienern, die außer dem ersten Platz beym Tisch die Lüster anzünden, die Thüre aufmachen und im Vorzimmer bleiben müssen, wenn ich darin bin – und bey den Herrn Köchen. Und dann, wenn wir wo hingerufen werden wo ein Concert ist, so muß der Hr. Angerbauer heraus passen, bis die Hrn. Salzburger kommen, und sie dann durch einen Lakai weisen lassen, damit sie hinein dürfen. Wie das der Brunetti so im Discours erzählt, so dachte ich, wartet nur bis ich[265] einmal komme. Als wir also letzthin zum Fürst Gallizin müssen, sagte mir Brunetti nach seiner höflichen Art: Tu, bisogna che sei qui sta sera alle sette, per andare insieme dal Principe Gallizin. L'Angerbauer ci condurrà. – Hò risposto: va bene – ma se in caso mai non fossi qui alle sette in punto, ci andate pure, non serve aspettarmi – sò ben dovè stà e ci verrò sicuro. – Ich ging also mit Fleiß, weil ich mich schäme mit ihnen wohin zu gehen, allein hin. Als ich hinauf kam stand schon Hr. Angerbauer da dem Hrn. Bedienten zu sagen, daß er mich hinein führen sollte. Ich gab aber weder auf den Hrn. Leibkammerdiener noch Hrn. Bedienten Acht, sondern ging grade die Zimmer durch in das Musikzimmer, denn die Thüren waren alle offen, – und schnurgerade zum Prinzen hin und machte ihm mein Compliment, wo ich dann stehen blieb und immer mit ihm sprach. Ich hatte ganz auf meinen Ceccarelli und Brunetti vergessen, denn man sah sie nicht, – die steckten ganz hinterm Orchester an die Mauer gelehnt und traueten sich keinen Schritt hervor. – Wenn ein Cavalier oder Dame mit dem Ceccarelli redet, so lacht er immer und redet so Jemand mit dem Brunetti so wird er roth und gibt die trockenste Antwort. – O ich hätte viel zu schreiben wenn ich all die Scenen die es schon dieweil ich hier bin und ehe ich kam wegen dem Erzbischof und Ceccarelli und Brunetti gegeben hat, beschreiben wollte. – Mich wundert nur daß sich der – des Brunetti nicht schämt; ich schäme mich anstatt seiner. – Und wie der Kerl so ungern hier ist, – das Ding ist ihm halt alles zu nobel, – so am Tisch – das glaub ich sind seine vergnügtesten Stunden. Heute hat der Prinz Gallizin den Ceccarelli zum Singen begehren lassen, das nächste Mal wird es wohl mich treffen. – Ich gehe heute Abends mit Hr. von Kleinmayrn zu einem seiner guten Freunde, zum Hofrath Braun, wo wir alle sagen daß er der größte Liebhaber vom Clavier sey. Bey der Gräfin Thun habe schon 2 Mal gespeist und komme fast alle Tage hin, das ist die charmanteste liebste Dame, die ich in meinem Leben gesehen und ich gelte auch sehr viel bey ihr. Ihr Herr ist noch der nemliche sonderbare, aber gutdenkende rechtschaffene[266] Cavalier. – Beym Grafen Cobenzl habe auch gespeist und das wegen der Gräfin v. Rumbeck, seiner Muhme, die Schwester vom Cobenzl in der Pagerie welche mit ihrem Herrn in Salzburg war.

Nun ist meine Hauptabsicht hier daß ich mit schöner Manier zum Kaiser komme, denn ich will absolument daß er mich kennen lernen soll. Ich möchte ihm mit Lust meine Oper durchpeitschen und dann brav Fugen spielen, denn das ist seine Sache [S. 87 f.]. O, hätte ich gewußt, daß ich die Fasten nach Wien kommen würde, hätte ich ein kleines Oratoire geschrieben und zu meinem Vortheil im Theater gegeben, wie es hier alles macht. Ich hätte leicht vorher zu schreiben gehabt weil ich die Stimmen alle kenne. Wie gern gäb ich ein öffentliches Concert wie es hier der Brauch ist, aber – es wird mir nicht erlaubt, das weiß ich gewiß. Denn, stellen Sie sich vor, – Sie wissen daß hier eine Societät ist, welche zum Vortheil der Wittwen von den Musici Academien gibt; alles was nur Musik heißt spielt da umsonst, – das Orchester ist 180 Personen stark – kein Virtuos der nur ein bischen Liebe des Nächsten hat schlägt es ab darin zu spielen, wenn er von der Societät darum ersucht wird. Denn man macht sich auch so wohl beym Kaiser als beym Publikum darum beliebt. – Starzer hatte den Auftrag mich darum zu bitten und ich sagte es ihm gleich zu, doch mußte ich zuerst meines Fürsten Gutachten darüber vernehmen – und ich hatte gar keinen Zweifel, weil es eine geistliche Art und unentgeldlich nur um ein gutes Werk zu thun ist; er erlaubt es mir nicht. Die ganze Noblesse hier hat ihm dieses übel genommen. Mir ist es nur wegen diesem leid, – ich hätte kein Concert, sondern (weil der Kaiser in der Proscen.-Loge ist) ganz allein (die Gräfin Thun hätte mir ihr schönes Steiner Pianoforte dazu gegeben) preludirt, ein Fuge – und dann die Variationen Je suis Lindor gespielt. Wo ich noch das so öffentlich gemacht habe, habe ich den größten Beyfall erhalten, weil es so gut gegen einander absticht und weil Jeder – was hat; aber pazienza.

Fiala gilt um 2000mal mehr bey mir daß er nicht unter einem Ducaten spielt. – – Ist meine Schwester noch nicht[267] ersucht worden? – sie wird ja hoffentlich 2 begehren. – Denn mir wäre nicht lieb, wenn wir die wir uns alle so von der ganzen Hofmusik in allem unterscheiden, nicht auch es in diesem Falle thäten, denn wollen sie nicht, so sollen sie es bleiben lassen, und wollen sie sie haben, so sollen sie in Gottes Namen zahlen. – Ich werde diese Tage zu Mademoiselle Rosa gehen und Sie werden gewiß mit Ihrem feinen Minister zufrieden sein, – ich will die Sache so fein angreifen, wie der Weiser, als man seiner Frau ihrer Mutter die Sterbglocke litt. –

Apropos wie steht es denn mit dem Präsent vom Churfürsten? ist was geschickt worden? – waren Sie bevor Sie abgereist sind bey der Baumgarten? [S. 235 f.]

Den 28. März. Ich bin mit dem Brief nicht fertig geworden, weil mich Hr. von Kleinmayrn zum Concert bey Baron Braun in der Kutsche abgeholt hat, – mithin schreibe ich jetzt daß mir der Erzbischof erlaubt hat in dem Wittwenconcert zu spielen, denn Starzer ist zur Academie beym Gallizin gegangen und er und die ganze Noblesse haben ihn so gequält, bis er es erlaubt hat. – Bin ich so froh. – Ich habe dieweil ich hier bin 4 Mal zu Hause gespeist, – es ist mir zu früh und man ißt gar zu schlecht. Nur wenn es recht schlecht Wetter ist, dann bleibe ich zu Hause wie heute par exemple.

Schreiben Sie mir doch was neues in Salzburg passirt, denn man hat mich entsetzlich darum gefragt, – die Herrn haben mehr Begierde nach Salzburger Neuigkeiten als ich. –

Die Mara ist hier, – sie hat vergangenen Dienstag eine Academie im Theater gegeben. – Ihr Mann hat sich nicht dürfen sehen lassen, sonst hätte das Orchester nicht accompagnirt, weil er in die Zeitungen gedruckt hat, in ganz Wien sey kein Mensch im Stande ihm zu accompagniren.

Hr. v. Moll hat mir heute eine Visite gemacht – ich werde morgen oder übermorgen auf ein Frühstück zu ihm gehen und die Oper mitnehmen. – Zum Hrn. v. Aurnhammer und dessen dicken Frl. Tochter werde sobald das Wetter besser ist, gehen. Der alte Fürst Colloredo (bey dem wir eine Musik hatten) hat jedem von uns 5 Ducaten[268] gegeben, – die Gräfin Rumbeck habe zur Schülerin. Hr. v. Mesmer (der Normalschulinspector) sammt seiner gnädigen Frau und Sohn empfiehlt sich. – Sein Sohn spielt magnifique, nur daß er aus Einbildung schon genug zu können, faul ist, – hat auch viel Genie zur Composition – ist aber zu träg sich damit abzugeben – das ist seinem Vater nicht recht. Adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 264-269.
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