[166] »Am 15. October1 1780 wurde das neue Schauspielhaus, das der Fürst weit herrlicher und kostbarer wieder auferbauen ließ, von der Diwaldtischen Gesellschaft mit dem Trauerspiel ›Julius von Tarent‹ und einem dazu verfertigten Prolog eröffnet«. Es ist dies die einzige öffentliche Notiz über diesen Moment.2 Was die Oper betrifft, hilft uns das gedruckte Textbuch3 der Oper La fedeltà premiata (Die belohnte Treue), deren Aufführung vermuthlich dem Trauerspiel an einem der nächsten Tage folgte. Als Mitwirkende werden genannt:
Amaranta, donna vana, e
boriosaSigra. Teresa Tavecchia.
Nerina, ninfa volubile in
amore, innamorata diSigra. Costanza
LindoroValdesturla.
Lindoro, fratello di Amaranta,
addeto a servigi dal tempio,
innamorato prima di Nerina,
e poi di CeliaSgr. Leop. Dichtler.
Fillide, sotto il finto nome
di Celia, amante di FilenoSigra. Anna Jermoli.
Fileno, amante di FillideSgr. Gugl. Jermoli.
Conte Perruchetto, uomo
di umore stravaganteSgr. Benedetto Bianchi.
Melibeo, ministro del tempio
di Diana, innamorato
di AmarantaSgr. Antonio Peschi.
DianaSigra. Valdesturla.
[167] Die Handlung versetzt uns in die Ebene von Kuma. Die Nymphe Nerina hat sich der Göttin Diana geweiht und schmückt zum Zeichen ihres Gelübdes das Bild derselben mit einem goldenen Kreuz. Trotzdem verliebt sie sich in Lindoro, einen Diener des Tempels der Göttin, wirst nun das Kreuz in den nächst gelegenen Fluß, indem sie sich dadurch ihres Gelübdes entledigt glaubt und flieht mit ihrem Geliebten. Die erzürnte Göttin läßt die Pest über das Land kommen und verkündet dem trostlosen Volke durch Orakelspruch, daß zur Strafe einem im See hausenden Ungeheuer jährlich an einem bestimmten Tage ein Liebespaar zu opfern sei und dies so lange, bis sich Jemand an dessen Stelle freiwillig dem Tode weiht – dann erst werde Kuma wieder in Frieden leben. Die ganze Handlung ist durchkreuzt von Liebes-Intriguen; die Paare wechseln und ergänzen sich wie beim Spiel die Karten. Nur Zwei: Fillide (unter dem angenommenen Namen Celia) und Fileno lieben sich wahrhaft; jedes aber, durch den Schein irre geführt, wähnt sich betrogen. Melibeo, Diener des Tempels, in die stolze Amaranta verliebt und daher eifersüchtig auf seinen Nebenbuhler den leichtfertigen Grafen Perruchetto, weiß es so einzurichten daß er diesen mit Celia in einem Versteck zusammenführt. Sie werden entdeckt und trotz der Betheuerung ihrer Unschuld als Opfer für die Diana bestimmt. Im letzten Augenblicke bietet sich Celia's wirklicher Geliebter, Fileno, freiwillig als Opfer, um wenigstens die scheinbar Treulose zu retten. Der Götterspruch ist erfüllt. Die versöhnte Diana tödtet mit ihrem Pfeil den Bösewicht Melibeo und vereint die Liebenden. Alles findet daß die Freu de, durch Trauer und Schmerz erkauft, um so größer sei, preißt die Göttin Diana und fortan herrscht wieder Friede in Kuma.
In Constantia Valdesturla treffen wir abermals eine der bedeutenderen Sängerin, welche Mitte 1779 engagirt wurde und dann neben der ihr ebenbürtigen Bologna auftrat. Außer dem Decorationsmaler Travaglia ist zum erstenmale Luigi Rossi als »Erfinder der vorkommenden Ballets und Waffenkämpfe« genannt.
In deutscher Übersetzung wurde die Oper in Preßburg 1785–87 von der wiederholt erwähnten Kumpf'schen Gesellschaft des Grafen Joh. Nep. Erdödy aufgeführt;4 in Graz 1792 (11. Oct.) und 1793 (10. Jan.).5 Über die Wiener Aufführung werden wir später hören.
Diese Oper bietet ein besonderes Interesse dadurch, daß sich ihr Zusammenhang mit der Oper »Der Freibrief« von Fritz. (Fridolin) von Weber (Carl Maria von Weber's ältestem Stiefbruder) nachweisen läßt, die ihre Entstehung zweifellos jener Wiener Aufführung zu verdanken hat, zu welcher Zeit sich Franz Anton von Weber mit seinen Söhnen Fritz und Edmund[168] in Wien befand. Partitur, Text-, Arien- und Soufflirbuch, in ein und zwei Acten, einzeln oder zusammen, in Franz Anton v. Weber's oder Fritz v. Weber's Handschrift, mit Nennung Haydn's und auch Fritz v. Weber's als Componisten finden sich in Meiningen, Stuttgart, Dessau und Hamburg. Zu der Oper (auch als Operette oder Singspiel genannt) ist eine neue Handlung geschrieben, Mozart's Symphonie inEs-dur (Köchel Nr. 184) als Ouverture und dessen Terzett Mandina amabile (zu Bianchi's Oper La villanella rapita) als Einlage benutzt und einige Nummern von Haydn beibehalten. Das zugestutzte Werk wurde zunächst 1789 in Meiningen von Mitgliedern der v. Weberschen Familie unter dem Titel »Der Freybrief von Joseph Haydn« auf die Bühne gebracht. In einem Briefe von Fritz (Nov. 1809) an Carl Maria v. Weber, der damals in Stuttgart angestellt war, bittet er ihn, zu der Oper zwei Gesangnummern zu schreiben, was schon vor Empfang des Briefes geschehen war. Er hatte ein Tenor-Rondo (»Was ich da thu', das fragt Er mich?«) neu componirt und ein Duett (»Dich an dies Herz zu drücken«) aus seiner alten Jugendoper »Peter Schmoll« umgearbeitet.6 –
In diesem Jahre trat Haydn in Geschäftsverbindung mit der uns schon bekannten Kunst- und Musikalienhandlung Artaria § Co. Den Geschäftsbriefen,7 die zwischen beiden Theilen[169] gewechselt wurden, lassen sich mannigfache fördernde Details entnehmen. Überall spricht aus ihnen Haydn's Offenheit und Ehrlichkeit und ein ebenso bescheidenes als gerechtfertigtes Selbstbewußtsein. Haydn's Verhältniß zum Hause Artaria war ein freundschaftliches und herzliches, das nur ab und zu eine bald vorübergehende Störung erlitt. Ein solcher Fall traf einmal ein, als Artaria durch voreilige Ankündigung von Quartetten Haydn großen Schaden zufügte. »Dieser Schritt verursacht, daß unser ferner Handel unterwegs verbleiben wird«. Aber Haydn selbst lenkt wieder ein, indem er bald darauf schreibt: »Ich muß bekennen, daß ich meinen letzten Brief an Sie mit einem aufwallenden Geblüt geschrieben, nichts desto weniger hoffe ich daß wir gute Freunde bleiben werden .... die Sach ist nun so geschehen ein andermahl werden wir beede behutsamer seyn«. Einmal glaubte Haydn Grund zu finden, Artaria zürnen zu müssen und ersucht um Aufklärung »um mir meinen argwohn zu benehmen; ich wolte nicht, daß Sie mich dadurch auf immer disgutirten, zumahlen ich beständig Ihr guter Freund ware und verbleiben werde«. Wiederholt beweißt ihm Haydn, daß er trotz vortheilhafterer Anerbietungen von anderer Seite ihm den Vorrang lasse, glaubt es aber auch anerkennen zu müssen daß ihn Artaria anderen Componisten vorziehe. Als Haydn einmal einige Symphonien französischen Verlegern zuerst anbot und ihm Artaria deßhalb Vorwürfe gemacht haben mag, antwortet ihm Haydn: »Ich wäre ungerecht und undankbahr, wenn Ich ihre Freundschaft so platterdings auf die Seite setzte. ich werde nie vergessen daß Sie mir vor Viellen den Vorzug gaben, ohngeachtet ich wohl weiß, daß ich bisweillen denselben vor andern verdiente«. Und als Haydn selber Anträge stellt, da er »etwas Geld brauche« und Artaria neuerdings Arbeiten wünscht, antwortet Haydn: »Mein Fleiß über die 3 anverlangten Clavier Sonaten wird bürge seyn Ihre Freundschaft fernerhin zu erhalten«. Dieser Fall, daß Haydn etwas Geld brauchte. traf allerdings öfters ein und Artaria zahlte dann immer in vorhinein das Honorar oder doch wenigstens den von Haydn gewünschten Theil. Einmal klagt ihm Haydn auch daß ihn »die großen mit ihrer bezahlung so lange warten lassen«. Wer diese Großen waren, sagt ein späterer Brief: »ich habe hoffnung eine schuld von Sieben Jahren des Erzherzogs von Mayland [ Ferdinand] bezahlter zu erhalten«. Haydn's schon erwähnte[170] Klagen über Nachlässigkeit der Stecher wurden noch überboten von dem Ärger über die Unehrlichkeit der Copisten, welche unrechtmäßiger Weise geschriebene Musikalien verkauften. So z.B. dringt Haydn darauf, daß Artaria den Musikalienhändler Laugh (Lausch) vor den Bürgermeister citiren lasse, damit er gestehe, von wem er seine Quartette erhalten habe. »Herr von Augusti8 ist mein alter guter Freund und wird Ihnen hierinfals ganz sicher beystehen, so wie Er mir schon einmahl in eben einer solchen Affair beygestanden«. Haydn versichert bei seiner Ehre »daß solche von seinem Copisten, der der allerehrlichste Kerl ist, nicht sind copirt worden, sondern Ihr eigener Copist ist ein spitzbub, da er diesen Winter dem Meinigen 8 Species Ducaten anerboten, wan er ihm die 7 Worte zukommen ließe .... ungeachtet Sie alles in Ihrem Gewölb schreiben lassen, können Sie doch betrogen werden, weil die spitzbuben untenher a parte ein Notenpapier haben, worauf sie unbemerkt nach und nach die vor sich liegende stimme abstelen«. Auch Musiker, Tost und Breunig, fanden sich, die heimlich Werke von Haydn Artaria und Andern antrugen und dadurch Streitigkeiten verursachten. Conrad Breunig aus Mainz hatte bei Artaria schon 1779 6 Duette für Violine und Viola verlegt und stand in unangenehmer Correspondenz mit Haydn. Dieser forderte Artaria auf, ihn und sich selbst zu vertheidigen; »wie weiter aber Sie mich von Herrn Breunig entfernen, desto angenehmere Dienste werden Sie mir leisten«. Johann Tost der, wie wir gleich sehen werden, Haydn's Namen im Ausland mißbrauchte, war Violinist in der Esterházy'schen Kapelle von 1787–90. (Derselbe ist nicht zu verwechseln mit dem später zu nennenden Großhändler gleichen Namens.)
In der Chronik wurde schon darauf hingewiesen daß die Componisten, wenn sie ein Werk an eine bestimmte Firma verkauften, in vorhinein auswärtige Verleger von dem Erscheinen desselben benachrichtigten, die dann trachteten, dasselbe so bald als möglich zu erhalten, um dann mit dem Originalverleger concurriren zu können; sie abonnirten sogar darauf unter der Bedingung, die ersten Abdrücke zu erhalten, ehe noch das Werk[171] öffentlich ausgegeben und angezeigt wurde. Daher entstanden die Verdrießlichkeiten, die Haydn auch mit Artaria hatte, im Fall dieser mit der Versendung zögerte oder ein Werk zu früh anzeigte. Hummel in Berlin, Forster, Longman in London, Nadermann, Willmann, Sieber in Paris, Boßler in Speyer kommen hier wiederholt zur Sprache. Haydn schreibt Artaria gradezu bei Gelegenheit der Übersendung von Quartetten an Forster: »mir kan niemand verargen, daß, wan die Stücke gestochen sind, ich selbst noch trachte einigen gewinst zu erhalten, weil ich für meine werke nicht hinlänglich bezahlt bin, und weil ich eher ein Recht dazu habe als die übrigen Unterhändler. Hinführo werden Sie mit dem Accord zwischen uns behutsamer und schriftlich, ich aber für genugsame Bezahlung zu sorgen haben«. Daß Artaria sich später das alleinige Eigenthumsrecht durch Vollmacht zu sichern wußte, sahen wir schon früher und werden später nochmals solcher Fälle begegnen.
Das erste Werk, das Haydn bei Artaria verlegte, waren 6 Sonaten für Clavier (Verlagsnummer 7). »Sollten sie einen nutzbahren abgang haben, so wird mich derselbe künftighin durch mehrere arbeiten überzeugen«. Es folgten dann 6 Divertimenti (Verlagsn. 15); die ersten 12 Lieder (Verlagsn. 20); 6 Quartette (26 u. 27); 6 Symphonien, oder richtiger Ouverturen (33) etc.
Die erstgenannten 6 Clavier-Sonaten (f. 16–20, 3), widmete Artaria den Schwestern Franziska und Marianne v. Auenbrugger, Töchter des rühmlich bekannten Arztes und musikalischen Schriftstellers Leopold v. Auenbrugger aus Graz, dessen kunstsinnige Familie auch von Mozart (1773) und von Nicolai (1781) besucht wurde. Franziska wird schon 1766 zu den nennenswerthen Clavierspielerinnen Wiens gezählt.9 Nicolai10 sagt von ihr, sie spiele meisterhaft auf dem Clavier und singe mit reiner Intonation und wahrem Affect; ihre Stimme sei ein tiefer Sopran. Zinzendorf hörte sie 1782 bei Fürst Adam Auersperg die Rolle des Renaud in Righini's »Armida« singen (S. 162). Noch 1796 rühmt Schönfeld Stimme und Gesang der nunmehrigen Freiin von Zois. Marianne, die jüngere liebenswürdige Schwester fand Nicolai schon sehr leidend. Sie starb bald[172] darauf, am 25. Aug. 1782, im 23. Lebensjahre an der Abzehrung. Salieri, ihr Lehrer in Contrapunct, gab dann eine Claviersonate von ihr »primo et ultimo di Lei prodotto« mit einer Ode bei Artaria heraus, die er als »Freund und Bewunderer ihres seltenen Talentes« in Musik gesetzt hatte. Somit werden wir es erklärlich finden daß auch Haydn mit ungewöhnlicher Bewunderung von den Schwestern an Artaria schreibt: »Der Beyfall deren Freilen v. Auenbrugger ist mir der allerwichtigste, indem Ihre Spielarth und die ächte einsicht in die Tonkunst den größten Meistern gleichkommt: Beede verdienten durch öffentliche Blätter in ganz Europa bekannt gemacht zu werden«. Und wenn er vordem sagt: »übrigens hoffe ich mir mit dieser Arbeith wenigstens bey der einsichtsvollen weld Ehre zu machen«, so gesteht er selbst, daß er sich besondere Mühe gegeben. Auch suchte er der Sammlung durch eine aparte Idee einen gewissen Reiz zu verleihen, wobei er es jedoch für gerathen fand »um der Critic einiger Witzlinge auszuweichen«, Artaria aufzufordern, »auf der andern Seite des Titelblats folgendes unterstrichene beyzudrucken:
›Avertissement.
Es sind unter diesen 6 Sonaten zwey einzelne Stücke, in welchen sich etwelche Täcte einerley Idee zeigen: der Verfasser hat dieses um den Unterschied der Ausführung mit Vorbedacht gethan.‹
Dan ganz natürlich hätte ich statt diesen Hundert andere Ideen nehmen können; damit aber dem ganzen werke wegen einer vorbedachten Kleinigkeit (welche die Herrn Critiker und besonders meine Feinde auf der üblen seite nehmen könnten) kein Tadel ausgesetzt werden kan, derohalben glaube ich dieses avertissement, oder so etwas dergleichen beyzufügen, indem es sonst dem abgang hinderlich seyn könnte ich unterwerfe mich hierinfalls der einsichtsvollen meynung beeder Freilen v. Auenbrugger, an welche mein gehorsambster Handkuß erfolgt«.
Die Verlagshandlung glaubte Haydn's Hinweiß in folgender bestimmterer Form wiedergeben zu müssen:
Avertimento.
Tra queste sei Sonate vi si trovano due Pezzi che cominciano con alcune battute dell' istesso sentimento, cioè l'Allegro scherzando della Sonata No. II, e l'Allegro con brio della Sonata No. V. L'Autore previene[173] averlo fatto a bella posta, congiando però in ogn'una di esse la Continuazione del Sentimento medesimo.11
In dieses Jahr fallen die letzten kleineren Kirchencompositionen aus dieser Zeit (m. 20. 21). Faßt man diese seit 1771 entstandenen Stücke dieser Gattung zusammen, so ergiebt sich, im Vergleich zu den früheren, ein unleugbarer Fortschritt. Alles ist compacter und drängt den späteren großen Aufgaben zu. Kaum eine dieser Nummern zeugt von dem früheren, oft so sichtbar lästigen Zwang. Reichthum der Erfindung, Frische, feste Gliederung, Wohllaut und wirkungsvolle Stimmführung ist ihnen Allen eigen. Fortan tritt auf diesem Gebiete eine längere Pause ein. Erst die 90er Jahre bringen noch einige und zwar der gediegensten Compositionen dieser Richtung.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
2 Violoncellconcerte (e. 7. 8) in Abschrift erschienen.
Flötenconcert (e. 10) ditto.
Über den bisherigen Engkreis hinaus sehen wir Haydn's Ruf nun immer weitere Dimensionen annehmen. Die kaum erwähnten Namen führen uns nach Frankreich und England. In einem Briefe an Artaria (27. Mai 1781) gedenkt Haydn zum erstenmale seiner Verbindung mit Paris. Wir lesen: »Monsieur Le Gros, Directeur vom Concert spirituel schrieb mir ungemein viel schönes von meinem Stabat mater, so aldort 4 mahl mit größtem beyfall producirt wurde; die Herren hatten um die erlaubnuß dasselbe stechen zu lassen. Sie machten mir den antrag, alle meine zukünftigen werke zu meinem nahmhaften besten stechen zu lassen, und sie wunderten sich sehr, daß ich in der Singcomposition so ausnehmend gefällig wäre; ich aber wunderte mich gar nicht, indem sie noch nichts gehört haben; wan sie erst meine Operette L'Isola disabitata und meine letzt verfaßte Opera La fedelta premiata hören wurden: dan ich versichere, daß dergleichen[174] arbeith in Paris noch nicht ist gehört worden und vielleicht eben so wenig in Wienn; mein unglück ist nur mein aufenthalt auf dem lande«.
Le Gros,12 dem es stets darum zu thun war, für seine Concerte die ersten Künstler zu gewinnen, hatte sich offenbar auch an Haydn gewendet.13 Welchen Erfolg die Aufforderung hatte, werden wir gleich sehen; zuvor aber wird es nöthig sein, das dortige Terrain kennen zu lernen. Die Concerts spirituels, im J. 1725 durch Philidor gegründet, wurden im Schweizersaal der Tuilerien an solchen Tagen abgehalten, an denen keine Oper sein durfte. Jährlich fanden 24 statt; zur Aufführung kamen Instrumentalstücke und kirchliche Vocalcompositionen für Solo und für Chor. Le Gros war in der Reihenfolge der 8te Dirigent. Zu den Verdiensten, welche diese Concerte14 zur Förderung der Tonkunst überhaupt in Paris beitrugen, zählte auch ihr aneiferndes Beispiel zur Gründung ähnlicher Unternehmungen. So entstanden in 1770 die Liebhaber-Concerte (Conc. des amateurs) durch d'Ogni und Delahaye mit Gossec als Dirigent und dem bekannten Chevalier St. Georges als Solo-Violinist. Als die Gesellschaft 1780 in die Galerie Henry III. übersiedelte, nahm sie den Titel Concert de la Loge Olympique an und ihr Orchester bestand aus den zur Zeit besten Künstlern. Ein Jahr zuvor wurden erst Haydn's Symphonien durch den Violinisten Fonteski in Frankreich eingeführt.15 So groß war ihr Erfolg daß er die Directoren im J. 1784 ermuthigte Haydn aufzufordern, eigens für diese Concerte 6 Symphonien (a. 52–57) zu componiren, welche in Paris unter dem speciellen Titel Répertoire de la Loge Olympique veröffentlicht wurden.16 (Es war in[175] diesen Concerten, wo Cherubini zum erstenmale ein Werk von Haydn hörte und davon so mächtig ergriffen wurde, daß er ihn fortan wie einen Vater verehrte.) Haydn übergab seine Partitur einem Wiener Banquier, der beauftragt war, ihm das ausbedungene Honorar von 600 Francs auszuzahlen. Nach Aufführung der Symphonien verkauften die Directoren das Verlagsrecht um 1000 oder 1200 Francs und schickten Haydn auch diese Summe als Zeichen ihrer Verehrung.17
Jene Symphonien bildeten fortan den Grundstock der Pariser Programme und wurden auch in Wien rasch bekannt. Weitere Verbindungen ging Haydn mit den Musikalienhändlern Nadermann, Willman und Sieber ein. Nadermann kaufte 1783 drei Symphonien und im nächsten Jahre erbietet sich Haydn »abermals drei ganz neue, sehr fleißig bearbeitete Symphonien, sauber und correct geschrieben, für 15 Ducaten bis Ende November einzureichen« und im Fall der Annahme das von ihm »verlangte Clavierstück bei erster Gelegenheit zu übermachen«. In demselben Jahre hatte Willmann wegen Quartette mit Haydn unterhandelt und ihm mit der Pränumeration 100 Ducaten versprochen, wogegen aber Haydn Artaria den Vorzug ließ, obwohl mit nur 300 Gulden. In 1789 spricht Haydn von Symphonien, bei Sieber gestochen, der in rascher Folge deren 63 in Auflagstimmen herausgab.18 Später gab Le Duc, Nachfolger des Lachevardière, die bekannte Sammlung von 26 Symphonien in Partitur heraus, womit er die Deutschen überholte. Wie rasch sich die Pariser Verleger der ersten Quartette Haydn's bemächtigten und in Stich herausgaben, sahen wir schon früher (I. S. 333).
Haydn's Ruf stand in Paris bald so hoch daß man, um Werke wenig bekannter Componisten gangbar zu machen, seinen Namen selbst mißbrauchte. So erzählt Gyrowetz in seiner Selbstbiographie (S. 45), daß er in Paris dem Orchester in der Probe seine Symphonien vorlegte und eine derselben mit Befremden aufgenommen wurde, da sie bereits als eine Favorit-Pièce von Haydn bekannt war. Gyrowetz konnte zwar seine Autorschaft nachweisen, allein der Irrthum war nicht mehr zu[176] repariren. Er erfuhr dann vom Verleger Schlesinger daß dieser drei Symphonien, als von Haydn componirt, von einem Violinspieler. dem früher genannten Tost angekauft und herausgegeben habe, worunter auch die in Frage stehende gewesen war. – Nach Carpani19 hatte Haydn ein Jahr zuvor, ehe er die Einladung nach Paris erhielt, von dorther den Auftrag erhalten, eine Vocalcomposition zu schreiben im Stile Lulli's oder Rameau's. von welchen man auch gleich Muster beigelegt hatte. Sie wanderten natürlich zurück mit der Erklärung, wenn man etwas nach der Manier von Lulli oder Rameau verlange, möge man sich an diese selbst oder an ihre Schüler wenden; Haydn aber vermöge leider nur Haydn'sche Musik zu schreiben. –
Im August 1781 trat Haydn durch Vermittlung des englischen Gesandten in Wien, General Chs. Jermingham, in geschäftliche Verbindung mit William Forster in London, dem berühmten Geigenmacher, der sich nun auch mit Musikalienverlag abgab. Haydn's Name erscheint in englischen Zeitungen zuerst im J. 1765 (Ankündigung seiner ersten in Amsterdam gedruckten Quartette).20 In den 70er Jahren wurden seine Symphonien in den Concerten von J.C. Bach und Abel und in jener der Virtuosen Punto, Eichner und Lidl aufgeführt. Forster veröffentlichte 129 Werke von Haydn und zahlte, im Hinblick daß dieselben meistens schon in Wien und Paris gedruckt waren. anständige Honorare z.B. 20 Guineen für 6 Quartette (en régard au contrat); 70 Pfund Sterling für 20 verschiedene Compositionen. Die Symphonien sandte Haydn nicht in Partitur sondern in den einzelnen geschriebenen Auflagstimmen; Sendungen dieser Art betrugen bis über 2 Pfd. Stig. an porto. Auf Forster folgten Longman und Broderip, die am 1. Januar 1788 in der an diesem Tage zum erstenmale erschienenen Times21 3 dem Prinzen von Wales gewidmete Symphonien (op. 51) und die 7 Worte (als Quartett arrangirt) ankündigten. Verdrießlichkeiten gab es auch hier mit den beiden Firmen. Seinen »allerliebsten« Monsieur Forster wußte Haydn aber immer wieder[177] freundlich zu stimmen. »Ich bin zu ehrlich und rechtschaffen (schreibt Haydn), als daß ich Sie kränken oder Ihnen schädlich sein solle«. Einmal aber hatte Haydn aus Versehen einige Werke zweimal verkauft, was ihm bei seinem Besuche in London eine Vorladung vor Gericht und Erlag einer Geldstrafe zuzog.22
Vergebens suchte Lord Abingdon schon im Jahre 1783 Haydn zu bewegen, die Direction der damals gegründeten Professional-(Fachmusiker-) Concerte zu übernehmen. Er schlug die Bitte ab, machte sich aber anheischig, alles zu componiren, was man wünschte, wenn man ihm die Summe von 500 Pfd. Stig. geben wolle. So eröffnete denn Wilhelm Cramer als Dirigent das erste der genannten Concerte (19. Febr.) und zwar mit einer Symphonie von Haydn. Auch die Nobility (Adels-) Concerte brachten seine Symphonien und führten sein Stabat mater auf. Kein Virtuose durfte es unterlassen. sein Programm mit Haydn's Namen zu schmücken; seine Quartette aber wurden selbst im Musikzimmer des Prinzen von Wales gespielt, wobei der Prinz die Cellostimme übernahm. Man beabsichtigte sogar, um sowohl den Namen Haydn zu verewigen als auch einen Beweis zu liefern, wie hoch der Engländer an Ausländern Kunst und Genie schätze, Haydn ein Monument in der Westminster-Abtei zu errichten, die feierliche Aufstellung aber so lange zu verschieben, bis er selbst, von der englischen Nation eingeladen, in London eintreffen würde.23 Als der Concert-Unternehmer Salomon immer energischer den Fachmusikern entgegen trat, wendete auch er sich an Haydn aber ohne Erfolg. Um so drängender wurde die Gegenpartei mit Cramer an der Spitze und fast schien es dieser glücken zu wollen, was wir aus einem Briefe Haydn's an Forster ersehen, nach welchem es sich nur um eine Antwort von Cramer handelte, um Haydn für London zu bestimmen, wo ihm Forster bereits ein Quartier offerirt hatte. Der Opernunternehmer Gallini mochte damals ebenfalls auf Haydn gerechnet, haben, denn Haydn schrieb ihm im Juli 1787 einen Brief, seine Forderungen für Opern betreffend.24 Daß schließlich Salomon Sieger blieb, ist bekannt. –[178]
Außer in Frankreich und England stand Haydn's Name auch in Spanien schon jetzt in hoher Achtung. Hier hatte ihn der Dichter Yriarte25 einem, 1779 in Madrid erschienenen didaktischen Gedicht La Musica26 gefeiert. Dieses mit 6 allegorischen Kupfern gezierte Werk besingt in fünf gehaltreichen Gesängen mit poetischer Weihe die Tonkunst in ihrem ganzen Umfang. Der letzte Gesang rühmt den Werth der Musik bei Privat- und öffentlichen Festen, den Einfluß musikalischer Gesellschaften und preißt namentlich die Instrumentalmusik der Deutschen und ihre Componisten und insbesondere Haydn wegen der Eigenthümlichkeit und Neuheit der Erfindung in folgenden Versen:27
Dir, wunderbarer Haydn, Dir allein
Verlieh die reizende Camoene
Die Kunst stets neu und immer reich zu sein.
Dir lieh sie jene Zaubertöne
Die in das Ohr voll Überraschung schallen,
So oft erwiedert immer noch gefallen.
Viel eher wird der Beifall sich verlieren
Der schönsten Töne, die die Herzen rühren,
Als Deine so erles'nen Melodien,
Durch Ausdruck, Kraft und edlen Styl
Bewundernswerth, sich dem Gefühl
Der Welt und ihrer Dankbarkeit entziehen. –
Umringen gleich Dich in den neuern Zeiten
So manche Meister hochgeehrt,
Muß doch vorherrschend Deiner Muse Werth
Weithin und glänzend Deutschlands Ruhm verbreiten.
Hier in Madrid, o Hoher! herrschet Deine
Musik im still sich übenden Vereine,
Und Deine Kunst ist unsrer Liebe Lohn;
Mit heilgem Lobe krönt Dich täglich schon
Der Beifall, der Dir laut entgegenschallt,
Vom Strand des Manzanares wiederhallt. –[179]
Auch von anderer Seite wurde Haydn von Spanien aus gehuldigt. Luigi Boccherini damals schon hoch geschätzt durch seine Kammermusik, die sich durch Gründlichkeit, melodische, leicht fließende, nur häufig allzu weiche Schreibweise auszeichnete,28 stand zur Zeit in lebhaftem Verkehr mit Artaria, bei dem er mehrere Werke29 verlegte. In einem seiner Briefe an Artaria (dat. Arenas, Febr. 1781) bittet er die Verleger, an Sigr. Giuseppe Haidn, der ihnen wahrscheinlich bekannt sein wird, in seinem Namen zu schreiben, daß er einer der leidenschaftlichsten Schätzer und Bewunderer seines Genius und seiner musikalischen Werke sei, die in hohem Grade jene Auszeichnung verdienen, die ihnen zu Theil wird.30 Artaria schickte den Brief an Haydn, der auch zu schreiben[180] beabsichtigte und sich deßhalb erkundigte wo dieser Ort Arenas [Provinz Santander] läge, kam aber nicht dazu und bat Artaria, bei gelegener Zeit demselben seinen »ergebensten Respect« auszudrücken.
Noch eine Auszeichnung empfing Haydn in dieser Zeit aus Spanien: der König (Karl III, gest. 1788) verehrte ihm »für einige überschickte Musikalien« eine goldene mit Brillanten besetzte Tabatière und zwar in der schmeichelhaftesten Art, indem der am kaiserl. Hofe accreditirte k. spanische Legationssecretär auf ausdrücklichen Befehl seines Monarchen das Geschenk unter Versicherung der steten vorzüglichen Gewogenheit des Königs Haydn persönlich in Esterház überreichte und über den Empfang nach Hofe berichten mußte.31 – Endlich noch hatte Haydn nebst der bekannten Kirchencomposition »Die sieben Worte Christi am Kreuze«, die bei ihm im J. 1785 für Cadix bestellt wurde, damals noch eine kleinere Arbeit zu liefern, deren er in einem Briefe (5. April) an Artaria erwähnt: »jene Quartette so ich dermahlen in der arbeith habe, und die helffte fertig, sind ganz klein, und nur mit 3 Stück, sie gehören nach spanien«.
Nach so vielen Zeichen der Anerkennung vom Auslande traf es sich gut, daß man zu gleicher Zeit auch in der Heimat Haydn eine Auszeichnung zutheil werden ließ. Im Juli dieses Jahres kündigten Artaria & Co. in der Wiener Zeitung an, daß sie in der Herausgabe ihrer großen Porträt-Sammlung von Monarchen und hohen Fürsten, Helden, Ministern, Gelehrten und vorzüglichen Künstlern dieser Zeiten, hauptsächlich aber von Personen des Vaterlandes fortfahren werden. Den Anfang hatten die Porträte der verstorbenen Kaiserin, Kaiser Joseph, Erzherzog Maximilian, Feldmarschall Graf von Lascy, Freiherr von Loudon, Feldmarschall-Lieutenant Graf v. Wurmser gemacht. Als Fortsetzung sollten nur die Porträte von dem gefeierten Dichter Michael Denis32 und von Joseph Haydn folgen. Haydn wurde[181] von J.E. Mansfeld33 gestochen und trägt als Unterschrift die Horaz'schen Worte:
Blandus auritas fidibus canores ducere quercus.34
Haydn war somit als Mann des Tages mitten hineingestellt unter die ausgezeichnetsten Männer seiner Zeit. Er dankte Artaria für die überschickten Exemplare, »ob aber solche abgehen? ist eine Neugierde. durch jene, so Sie mir überschickten, hatten bishero Bildhauer und Vergolder gewinnst«. Doch waren der Fürst und Haydn von der Ausführung erfreut und Letzterer bittet Artaria, ihn, wenn er nach Wien kommt »bey dem so verdienstvollen Herrn von Mansfeld aufzuführen«. –
Dem Porträt von Mansfeld ging, soviel bis jetzt bekannt ist, nur ein einziges aus jüngeren Jahren voraus. Es ist um 1770 von Lorenz Gutenbrunn auf Holz gemalt und stellt Haydn im Begriff zu componiren in stehender halber Figur dar, die linke Hand auf den Tasten eines Claviers ruhend, die rechte erhobene Hand eine Feder haltend. Es existirt von diesem Bilde ein unbedeutender Kupferstich und eine hübsche aber nicht ganz getreue Lithographie von Schiavonetti. – Das diesem Bande beigegebene Porträt fällt in die zweite Hälfte der 80er Jahre. Das Original in Miniatur, dem auch eine Haarlocke von Haydn beigefügt ist, ist in Aquarell auf Elfenbein gemalt und war ehedem im Besitz der Frau Josefa Freiin von Erggelet geb. von Henikstein, die es aus Haydn's eigener Hand empfing. Es blieb im Besitz dieser Familie, bis es im J. 1878 Frau Pauline Freiin[182] von Weckbecker (geb. Freiin v. Erggelet) dem Museum der Ge-Gesellschaft der Musikfreunde in Wien als Geschenk überließ.
Für den Herbst erwartete Kaiser Joseph hohe Gäste: den russischen Großfürsten Paul35 mit Gemalin, Herzog Fr. Eugen von Würtemberg mit Gemalin, begleitet von Prinz Ferdinand und Prinzessin Elisabeth von Würtemberg. Die Großfürstin Maria Feodorowna (geb. Prinzessin von Würtemberg und Schwester der Elisabeth), vermählt seit 18. Oct. 1776,36 wird von der Wiener Zeitung als eine »vorzügliche Schönheit« geschildert. Die hohe Frau nahm lebhaftes Interesse an Wissenschaft und Kunst und liebte und pflegte namentlich die Musik, während ihr Gemal einen regen Forschungsgeist bekundete. Die damals 15 jährige Prinzessin Elisabeth war die erklärte Braut des Erzherzogs Franz (nachmaligen Kaiser), dem sie am 8. Jan. 1788 angetraut wurde. Sie kam im Oct. 1782 wieder nach Wien, wohnte im Belvedere und empfing im angrenzenden Kloster der Salesianerinnen die Vollendung ihrer Erziehung. Mozart hatte vergebens gehofft, ihr Musiklehrer zu werden; im Gesang wählte der Kaiser statt seiner Salieri (»denn bei ihm ist nichts als Salieri«), im Clavier wurde ihm Georg Summer, ein wenig bekannter Lehrer (später Hoforganist) vorgezogen.37 Kaiser Joseph zeigte sich der Prinzessin sehr zugethan und war selbst, wie alle Welt sagte, ihr zu Liebe den Eltern entgegen gefahren; that gar zärtlich mit ihr, »küßte ihr unaufhörlich die Hände, eine nach der andern und öfters beide zugleich«. Ihre Eltern reisten als Graf und Gräfin von Gröningen, das großfürstliche Paar als Graf und Gräfin von Norden. Erstere waren am 10. Nov. angekommen. Am 16. Nov. gab ihnen Erzherzog Maximilian eine Musik bei sich, zu der auch Mozart geladen war und sich als Clavierspieler producirte. Am 22. Nov. traf das russische Paar ein und nun folgten eine Reihe wissenschaftlicher Besichtigungen, gesellschaftlicher Unterhaltungen und Theaterbesuche. Da man auf den hohen Besuch schon im Sommer vorbereitet war und derselbe[183] anfangs früher erwartet wurde, schrieb Mozart über Hals und Kopf an seiner »Entführung«, in der Hoffnung, vor dem hohen Paar mit etwas Neuem auftreten zu können. Dann hoffte er wieder, bei dieser Gelegenheit seinen »Idomeneo« in neuer Bearbeitung vorführen zu können. Da man aber schon zwei Opern von Gluck (»Alceste« ital., »Iphigenie auf Tauris« deutsch) bestimmt hatte, so wäre eine dritte für die Sänger zu viel gewesen und so mußte Mozart auch hier zurücktreten. Im Grunde verstand sich der Kaiser selbst nur ungern zu Gluck, denn von Herzen war er seiner Muse nicht sonderlich gewogen, so wenig wie der Bernasconi, Gluck's Lieblings-Sängerin, die auf ein Jahr mit 500 Ducaten engagirt war, dem Kaiser förmlich aufgedrungen wurde und nun doch beschäftigt werden mußte. Mit Mühe gelang es auch, ein Ballet zu Stande zu bringen, da dasselbe nach Noverre's Abgang aufgelöst worden war. Als Balletmeister wurde nun Crux auf kurze Zeit engagirt.
Sonntag den 25. Nov. gab der Kaiser in Schönbrunn ein großes Fest, dem die großfürstlichen und herzoglichen Gäste und Erzherzog Maximilian beiwohnten. Aufgeführt wurde im Schloßtheater Gluck's »Alceste« in italienischer Sprache; dann folgte ein maskirter Ball, zu dem 3–4000 Personen geladen waren. Man tanzte in mehreren Sälen Quadrille und andere Tänze in römischer Tracht, in ungarischer Nationaltracht (mit der eigenen Landesmusik), in tartarischer-, Matrosen- und sogenannten Straßburger Tracht; den Beschluß machte ein glänzendes Souper. –38 »Alceste« wurde am 3. 13. und 19. Dec. im National-Hoftheater in Gegenwart der Gäste wiederholt; dieselben besuchten ferner Gluck's »Iphigenie auf Tauris« (27. Nov., 9. Dec.), »die Pilgrimme von Mekka« (5. Dec.); »Orfeo« (ital., 31. Dec.), das beliebte Singspiel »die schöne Wienerin« (Musik von Umlauf), »Medea« (von Benda), »die eingebildeten Philosophen« (von Paisiello). – Am 14. Dec. wurden die Schauspieler von dem kaum erst (20. Oct.) eröffneten Leopoldstädter Theater und die französische Gesellschaft vom Kärnthnerthor-Theater nach Schönbrunn berufen, wo sie nach der Tafel Lustspiele aufführten. – Am 22. und 23. Dec. besuchte der Kaiser mit der Gräfin von Norden, Graf von Gröningen und Erzherzog Maximilian die jährliche[184] Akademie der Tonkünstler-Societät im Kärnthnerthor-Theater. Man hatte beabsichtigt, Haydn's seit 1775 nicht mehr gehörtes Oratorium »Tobias« aufzuführen, wählte aber dafür Hasse's »Sta. Elena al Calvario«. Die für die Societät wenig schmeichelhafte Abänderung haben wir früher (S. 86) kennen lernen.
Am 24. December wohnte die Gräfin von Norden dem vom Kaiser in seinem Salon veranstalteten Wettkampf zwischen Mozart und Clementi bei. Mozart beschreibt denselben seinem Vater (16. Jan. 1782): »Der Kaiser that (nachdem wir uns genug Complimente machten) den Ausspruch, daß er zu spielen anfangen sollte. ›La santa chiesa Catolica‹, sagte er, weil Clementi ein Römer ist. – Er präludirte und spielte eine Sonate, – dann sagte der Kaiser zu mir allons drauf los. – Ich präludirte auch und spielte Variationen, – dann gab die Großfürstin Sonaten von Paesiello her (miserable von seiner Hand geschrieben) daraus mußte ich die Allegro und er die Andante und Rondo spielen. – Dann nahmen wir ein Thema daraus und führten es auf 2 Pianoforte aus.« Mozart sagt dann noch daß der Kaiser sehr gnädig und, wie er aus sehr guter Quelle erfuhr, recht zufrieden mit ihm war. Er schickte ihm auch nach der Production 50 Ducaten »welche ich dermalen recht nöthig brauche«.
Dienstag den 25. Dec., am ersten Weihnachtstag, speiste der Kaiser mit den hohen Herrschaften und wohnte Abends mit ihnen einem, in den Gemächern der Gräfin von Norden veranstalteten großen Concerte bei. Es wirkten die vorzüglichsten in Wien anwesenden Künstler beiderlei Geschlechtes in diesem Con certe mit, von dem die Wiener Zeitung etwas unklar sagt »daß es den fürstl. Esterházy'schen Kapellmeister, den berühmten Herrn Joseph Haydn zum Verfasser hatte«, was faßt vermuthen läßt, daß, wenn nicht alle so doch die meisten Compositionen von Haydn waren. Das von ihm aufgelegte Streichquartett wurde von dem uns bekannten Luigi Tomasini aus Esterház und von den Wiener Künstlern Aspelmayer, Huber und Weigl gespielt und von der hohen Gesellschaft »mit gnädigsten Beifall beehrt«. Haydn »als Compositor« erhielt eine prächtige emaillirte mit Brillanten besetzte goldene Dose und jeder der genannten Herren eine goldene Tabatière. Während ihrer Anwesenheit in Wien hatte die Großfürstin auch einige Musik-Lectionen bei Haydn genommen und das Interesse das sie ihm erwieß, ließ bei ihm[185] eine so wohlthuende Erinnerung zurück daß er im Jahre 1802 der nun verwittweten Kaiserin ein Exemplar seiner 3 und 4stimmigen Gesänge, auf welche er selber großen Werth legte, übersandte und dafür mit einem Dankschreiben, in dem sie jener Musik-Lectionen gedachte, und einem kostbaren Ring beehrt wurde.
Wenn sich auch der Großfürst nicht in gleichem Maße für Musik interessirt haben mag. konnte er sich doch rühmen daß ihn der Kaiser einer besonderen Werthschätzung würdigte, indem er ihn bei Besichtigung seiner Musik-Bibliothek auch auf die eigens für ihn von seinem ehemaligen Hofkapellmeister Gaßmann componirten Quartette aufmerksam machte, wobei er mit Wehmuth bemerkte: »Dies sind noch Rosen von meines Gaßmann's Grab«. Der Kaiser schätzte denselben bekanntlich sehr hoch. Als sich dessen Frau nach seinem Tode weinend dem Kaiser zu Füßen warf, wurde auch er zu Thränen gerührt und äußerte: »Ich habe nicht nur einen vortrefflichen Künstler sondern auch einen der rechtschaffensten Männer verloren«.
Übrigens verging fast kein Tag, wo nicht die hohen Herrschaften es sich angelegen sein ließen, hervorragende Künstler und Gelehrte, wissenschaftliche Sammlungen und Anstalten kennen zu lernen und verlohnt es wohl, sie bei diesen Gängen, die uns einen raschen Einblick in das mannigfach aufstrebende damalige Wien gestatten, zu begleiten. So hören wir von Besuchen bei Gluck und Metastasio; Besichtigungen der Hofbibliothek, des botanischen Gartens, wo der Professor der Chemie und Botanik, Bergrath Niclas Joseph von Jacquin die nöthigen Erläuterungen gab; der Universität, wo die Gäste vom Rector magnificus Probst Ignaz Parhamer, vom Universitäts-Kanzler, Graf Edmund Maria v. Arzt und Reichsgrafen Vassegg, den Directoren, Dekanen und Professoren empfangen und in die verschiedenen Hörsäle geleitet wurden. Höchst lehrreich gestaltete sich auch der Besuch der Akademie der bildenden Künste auf der neuen Universität, wo die vornehmsten Meisterstücke der Maler- und Bildhauerkunst vorgewiesen wurden; der Besuch der Sternwarte, wo der Director Abt Maximilian Hell über seine Reise in Lappland berichtete, worauf dann der Kaiser selbst die Stelle des Lehrers übernahm und mit bewunderungswürdiger Einsicht den Gebrauch der vorhandenen herrlichen Instrumente erklärte, besonders jene, welche der Kaiser in diesem Jahre aus dem Museum[186] des verstorbenen Prinzen Karl von Lothringen hatte übertragen lassen; Besuche des anatomischen und medicinischen Museums, wo Professor Jos. Barth die vornehmsten anatomischen Präparate vorzeigte und die Operation des grauen Staares erklärte; der anatomischen und chemischen Hörsäle, wo Professor v. Jacquin Experimente vornahm; des Bibliothek- und Naturalien-Saales; jener Säle wo unter Leitung des Lehrers Johann Baptist von Hagenauer die antiken und modernen Statuen, Vasen und Ornamente besichtigt wurden. Schließlich wurde noch die Hof-Buchdruckerei des Edlen v. Trattnern in der Josephstadt, die Bilder-Gallerie des Fürsten Liechtenstein und jene im kaiserlichen Belvedere und Hofrath und Leibmedicus Joh. Ingenhouß besucht, der die neuesten Entdeckungen in der Physik erklärte. Auf Befehl des Kaisers erschien auch der Lehrer des Taubstummen-Instituts Dr. Joh. Friedrich Storck, Priester der erzbischöfl. Cur, mit seinen Zöglingen in den Gemächern der Gräfin von Norden und erklärte im Beisein des Kaisers seine Lehrmethode und nahm mit seinen Zöglingen Prüfungen vor.39
Am 3. Januar 1782 besuchten Graf und Gräfin von Norden nochmals eine Vorstellung der »Alceste« und reisten dann am folgenden Tage nach Italien. Der Kaiser begleitete seine Gäste bis Mürzzuschlag und seine liebenswürdige Aufmerksamkeit erstreckte sich dann noch bis ins Herz von Steiermark, indem er seinen Besuch durch den Grafen Chotek als Reichskommissarius begleiten und auf seine Kosten in Graz im Theater die Aufführung einer Opera buffa und einen Ball im Redoutensaal abhalten ließ.40 –
Im Jahre 1781 erschienen bei Artaria Haydn's erste »XII Lieder für das Clavier, gewidmet aus besonderer Hochachtung und Freundschaft der Freulen Francisca Liebe Edle v. Kreutznern«, I. Theil (o 1–12). Das schöne Titelblatt war von dem tüchtigen C. Schütz erfunden und gestochen und auch sonst »alles deutlich und rein gestochen (nicht gedruckt)«. Es sind die folgenden Lieder:
1. Das strickende Mädchen (Und hörst du kleine Phillis nicht).
2. Cupido (Weißt du mein kleines Mägdelein).
3. Der erste Kuß (Leiser nannt ich deinen Namen).
[187] 4. Eine sehr gewöhnliche Geschichte (Philint stand jüngst vor Bawets Thür).
5. Die Verlassene (Hör' auf mein armes Herz so bang zu schlagen).
6. Der Gleichsinn (Sollt' ich voller Sorg' und Pein).
7. An Iris (Ein Liedchen vom Lieben verlangst du von mir).
8. An Thyrsis (Eilt ihr Schäfer aus den Gründen).
9. Trost unglücklicher Liebe (Ihr mißvergnügten Stunden).
10. Die Landlust (Entfernt von Gram und Sorgen).
11. Liebeslied (So lang, ach! schon so lang).
12. Die zu späte Ankunft der Mutter (Beschattet von blühenden Ästen)41
Die Dedication nennt uns ein bisher unbekanntes Haus, dem wir weiterhin bei einem zweiten und größeren Werke Haydn's nochmals begegnen werden.
Mit den Liedern trat Haydn mit dem damals in Wien beliebten Componisten und Hof-Claviermeister Jos. Anton Steffan42 in die Schranken, der in den Jahren 1778–82 eine »Sammlung deutscher Lieder für Clavier« in 4 Abtheilungen bei Kurzböck herausgab, von denen sich die von ihm selbst componirten Abtheilungen (I. II. IV.) durch Einfachheit und Lieblichkeit auszeichnen und sehr beliebt wurden. Die Texte aus den damals besten Dichtern lieferte ihm sein Jugendfreund und Gönner Hofrath v. Greiner, an den sich auch Haydn wandte und dann dessen »Gutachten in Betreff des Ausdruckes« einholte. Wieder bittet Haydn um ein zweites Duzend »aber nur gute und mannigfaltige, damit ich dabey eine Wahl habe: dan es fügt sich, daß mancher Text eine wahre Antipatie wider den Compositor oder der Compositor wider den Text hat«. Haydn fürchtet auch daß eines der bereits fertigen Lieder (Nr. 12) »vielleicht wegen der strengen Censur nicht wird erlaubt werden mir wäre leyd darum, indem ich eine ausnehmend gut passende Aria darauf gemacht« Die Sorge war unnöthig; indem die Kritik sich milde zeigte, eingedenk der eigenen Worte des Dichters: »Es ist geschehen«! Im Juni 1781 waren die ersten 12 Lieder fertig und Haydn sang sie seinem Freunde Abbé Stadler, als dieser ihn zum erstenmale in Esterház besuchte, selbst am Clavier vor.[188]
Die Texte von Nr. 8, 9 und 10 wahren schon in der 3. Abtheilung obiger Sammlung deutscher »Lieder für das Klavier« von Leopold Hofmann43 benutzt worden, worüber Haydn an Artaria schreibt: »diese 3 lieder sind von Herrn Capellmeister Hofmann (unter uns) elendig componirt; und eben weil der Prahlhans glaubt, den Parnaß alleinig gefressen zu haben, und mich bey einer gewissen großen weld in allen Fällen zu unterdrucken sucht, hab ich diese nemblichen 3 lieder um der nemblichen groß sein wollenden weld den unterschied zu zeigen, in die Music gesetzt: ›Sed hoc inter nos‹«. Haydn schreibt dann weiter: »besonders aber bitte ich Euer Hoch Edlen diese Lieder niemanden zuvor abspielten oder singen oder gar aus absicht verhunzen zu lassen, indem ich selbst nach deren Verfertigung dieselbe in den critischen Häusern absingen werde: durch die gegenwart und den wahren Vortrag muß der Meister sein Recht behaupten. es sind nur lieder, aber keine Hofmanische Gassenlieder wo weder Idee, noch ausdruck, und noch viel weniger gesang herrschet«.
Haydn beabsichtigte ursprünglich, diese Sammlung Lieder aus besonderer Hochachtung der Mademoiselle Clair zu widmen. »Sie ist die Göttin meines Fürsten (schreibt Haydn) und Sie werden wohl einsehen, was dergleichen Dinge für Eindruck machen«! Auch sollten die Lieder erst am 19. November, als am »Namenstag dieser schönen« erscheinen. Bald aber heißt es: »mit der Dedication steh ich noch in Zweifel: ob ich es jener oder einer andern dediciren werde«.
Haydn war damals sehr eingenommen von diesen Liedern und meinte, daß dieselben »durch den mannigfaltigen natürlich schönen und leichten Gesang vielleicht alle bisherigen übertreffen werden«. Er verlangte 30 Ducaten Honorar, begnügte sich aber dann mit einem Ducaten per Stück »aber niemand solle darum etwas wissen«. –
Den 12 Liedern folgten 6 Streichquartette(d. 39–44), die ersten die Haydn bei Artaria verlegte. Er kündigte ihr baldiges Erscheinen schon im December dieses Jahres in der Wiener Zeitung also an: »Auch sind die 6 ganz neuen Quartette[189] dieses großen Mannes in größter Beschäftigung der Auflagen und hoffen es in ungefähr 4 Wochen herausgeben zu können«. Über diese voreilige Anzeige war Haydn, wie wir schon sahen, nicht wenig erzürnt. Er erlitt dadurch »bey Gott mehr als 50 Ducaten schade, indem ich viele Pränumeranten noch nicht contentirte und jene etwelchen auswärtigen gar nicht mehr überschicken kann«. Haydn sagt ferner daß er »aus bloßer Freundschaft und ferneren Vertrag« mit Artaria die Quartette nicht nach Berlin an Hummel schickte, der auch auf das Werk pränumeriren wollte d.h. um dasselbe nachstechen zu können. – Gleich der früheren Serie erhielt auch diese in der Berliner Ausgabe ihre eigene Bezeichnung: »Jungfernquartette«, nach einer weiblichen Figur auf dem Titelblatt. Allgemeiner aber sind sie als die »Russischen« bekannt, da sie vermuthlich in den Appartements der Großfürstin bei ihrem Wiener Besuche gespielt wurden und der Großfürst später von Artaria ein Exemplar entgegen nahm. Haydn schickte sie auch an den Prinzen Heinrich von Preußen (Bruder König Friedrich II.), der in Rheinsberg eine Kapelle und französische Oper unterhielt, worauf er folgenden, vom Maler Dies44 mitgetheilten Brief erhielt:
»Ich danke Denenselben für die mir überschickten Quartetten, welche mir ein großes Vergnügen machen. Beykommende Kleinigkeit, werden Dieselben, als ein Merkmahl meiner besondern Zufriedenheit annehmen; der ich übrigens mit Achtung verbleibe.
Ihr wohlaffectionirter
Heinrich.«
Berlin, den 4. Febr. 1784.
Die Kleinigkeit, die dem Briefe beigegeben war, bestand in einer goldenen Medaille und dem Bildnisse des Prinzen.
Von den, im Jahre 1781 gleichfalls bei Artaria aufgelegten Six Divertissements à 8 Parties concertantes(c. 8–13) liegen, wie früher erwähnt, Nr. 9, 10 und 11 in Haydn's Handschrift als Barytonstücke aus dem J. 1775 vor; auch Nr. 12 und 13 in Abschrift erhalten, gehören in diese Rubrik. Sie bilden eine der letzten Fälle, wo Haydn selbst diese Compositionen werth hielt, ohne wesentliche Veränderung auch dem Publikum zugängig zu machen.
Von den 5 Symphonien, die in dieses Jahr fallen, ist die erste (a. 40) La chasse betitelt. Sie wurde, wie die Tradition[190] erzählt, nach des Fürsten Rückkunft von Paris, wo er sich diesesmal längere Zeit aufgehalten hatte, vor ihm aufgeführt. Haydn benutzte als letzten Satz (welcher der Symphonie den Namen gab) die Einleitung zum 3. Akt seiner Oper La fedeltà premiata. Es ließe sich wohl annehmen daß dieser Satz dem Fürsten besonders gefallen haben mochte und ihm also Haydn durch die unerwartete Benutzung eine artige Überraschung zu bereiten gedachte.45 Haydn hat diese Symphonie auch selbst für Clavier arrangirt, in welcher Form sie noch in seiner Handschrift existirt und bei Artaria im Stich erschien. Der glücklichen Rückkunft des Fürsten zu Ehren wurde auch ein ChorG-dur 2/4 »Al tuo arrivo felice« gesungen, zu dem Haydn einen Satz aus einem Baryton-Trio verwendete, offenbar ein Lieblingsstück des Fürsten. In gleicher Weise wurde ein andermal die Wiedergenesung des Fürsten durch ein Barytonstück, D-dur 3/4, mit unterlegtem Text »Dei clementi« gefeiert.
Die sogenannte Cäcilienmesse, Haydn's siebente, C-dur (l. 7) läßt sich nur nach vorhandenen Auflagstimmen in dieses Jahr einreihen. In der Chronik wurde darauf hingewiesen daß diese Messe etwa für das in den Monat November fallende jährliche Fest der Cäcilien-Congregation bestimmt war. Dafür spricht auch der unverkennbar auf dieselbe verwendete Fleiß und Ernst, der im allzugroßen Eifer manche Nummer allzu lang werden ließ; dies mag auch die bedeutende Kürzung der Partitur (Breitkopf und Härtel Nr. 5) zufolge gehabt haben.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
4 Symphonien (a. 41–44) im Druck erschienen.
1 Waldhornconcert (e. 11) in Abschrift erschienen.
Im Jahre 1782 ereigneten sich drei Todesfälle, die Haydn, jeder in seiner Art, wohl recht nahe gegangen sein mochten.[191] In Wien verschied am 12. April der Dichter Metastasio im 84. Lebensjahre in demselben Gebäude (großes Michaelerhaus) das er seit 1735 nicht verlassen hatte und dessen Dach auch Haydn in seinen kümmerlichen Jünglingstagen beherbergt hatte. Haydn verdankte ihm damals (Bd. I. 162) eine gelehrige Schülerin in Marianne Martines und einen tüchtigen Lehrer in dem Italiener Porpora. Als Gegengabe hatte ihm Haydn mit L'Isola disabitata ein würdiges Denkmal der Erinnerung gesetzt.
Ein nicht minder ernster Trauerfall war der Tod der verwittweten Fürstin Maria Anna Louise Esterházy. War doch ihr Gemal, Fürst Paul Anton derselbe, der Haydn zu seinem Vice-Kapellmeister ernannte. Die Fürstin war Zeuge aller Wandlungen der Musikkapelle seit jener Zeit; sie sah das Alte versinken und den frühlingsverheißenden Übergang einer freier athmenden Musik aufkeimen und deren Schöpfer zu sein, konnte sich Haydn mit gerechtem Stolze rühmen. Die Fürstin starb am 4. Juli, 71 Jahre alt und wurde in der Fürstengruft zu Eisenstadt beigesetzt.46
Zwei Monate früher, am 1. Mai, starb auch Marie Therese, des Grafen Nicolaus Erdödy Tochter, vermählt seit 10. Jan. 1763 mit Paul Anton, ältesten Sohne des Fürsten Nicolaus Esterházy. Abermals ein Wachruf an Haydn; hatte er doch zu dieser Vermählung sein erstes größeres Werk, das Schäferspiel Acis e Galatea componirt (I. 232). –
Im Herbst dieses Jahres besuchten Graf und Gräfin von Norden auf ihrer Rückreise nach Petersburg abermals Wien. Der Kaiser war ihnen bis Ems entgegen, gefahren. Die Ankunft erfolgte am 4. October. An demselben Abend besuchten sie das National-Hoftheater wo die Oper La Contadina in corte von Sacchini gegeben wurde. Der Kaiser gab ihnen abermals ein Fest in der Orangerie in Schönbrunn, wozu die ganze Wiener Aristokratie geladen war. Am 13. Oct. war große Tafel im Augarten, wobei die Kaiserliche Kammermusik sich hören ließ. Fürst Auersperg veranstaltete ihnen ebenfalls am 11. Oct. ein glänzendes Fest in seinem Palais vor dem Burgthor. Der Garten war[192] prachtvoll illuminirt und auf dem Haustheater wurde die Oper Armida von Righini von Damen und Cavalieren aufgeführt. Mozart war diesmal glücklicher; er konnte ihnen seine am 16. Juli zum erstenmale gegebene Oper »Die Entführung aus dem Serail« vorführen »wo ich (wie er dem Vater schreibt) für gut befunden, wieder an das Clavier zu gehen und zu dirigiren; theils um das ein wenig in Schlummer gesunkene Orchester wieder aufzuwecken, theils um mich (weil ich eben hier bin) den anwesenden Herrschaften als Vater von meinem Kinde zu zeigen«. Auch außerdem besuchten die russischen Gäste fast allabendlich das Theater, wo meistens Lust- und Singspiele gegeben wurden. Auch wiederholten sie ihre Besuche auf der Hofbibliothek und im Belvedere. Am 19. October erfolgte die Abreise. »Der Kaiser hatte sich diesmal kühl gegen die Gäste verhalten, die Conversation war oft trocken, langweilig und einige Monate später konnte er seinem Bruder melden, daß die Correspondenz mit dem Großfürsten erloschen sei«.47
Aus einer brieflichen Mittheilung Haydn's an Artaria ersehen wir daß der Fürst hoffte, die hohen Gäste in Esterház empfangen zu können. Haydn schreibt: »Was aber die Clavier-Sonaten mit einer Violine [Trios] betrifft, werden Sie noch sehr lang in geduld stehen müssen, indem ich nun eine ganz neue wellsche Opera zu verfassen habe, indem der Großfürst und Seine Gemahlin, und vielleicht Sr Maj. der Kaiser zu uns herab kommen wird«. Es dürfte nicht unwahrscheinlich sein, daß die hohen Gäste die kühlere Aufnahme zu rascherer Abreise veranlaßte und somit auch der beabsichtigte Ausflug nach Esterház unterblieb, wodurch wir um ein jedenfalls glänzendes Fest gekommen sind, das einzige und letzte obendrein, das in den achtziger Jahren stattgefunden hätte. –
Die Oper, welche Haydn in Arbeit hatte, die vorletzte die er für die fürstliche Bühne schrieb, war Orlando Paladino (Ritter Roland), Libretto von Nunziato Porta. Das gedruckte Textbuch48 unterließ es diesmal nicht, den erwarteten Gästen gegenüber[193] mit Stolz auf den »berühmten« fürstl. Kapellmeister hinzuweisen. Es traten folgende Personen auf:
Orlando, paladinoMons. Specioli.
Pasquale, scudiero d'OrlandoMons. Moratti.
Angelica, regina del CattaiMadame Bologna.
Medoro, amante d'AngelicaMons. Braghetti.
Rodomonte, re di BarbariaMons. Negri.
Eurilla, pastorellaMadame Specioli.
Alcina, magaMlle. Valdesturla.
Licone, pastoreMons. Dichtler
CaronteMons. Dichtler
Ritter Orlando, in Angelica, Königin von Cattai verliebt, welche sich mit ihrem Geliebten, Medoro, verborgen hält, zieht mit seinem Knappen Pasquale, einem fei gen Pralhans, aus, sie aufzusuchen. Rodomonte, König der Berberei, macht sich gleichfalls auf den Weg, um sie vor Orlando, der auf die Macht seiner Waffen pocht, zu schützen. Er erfährt durch Fischer ihren Aufenthalt und bietet seinen Schutz an. Angelica fleht zur Zauberin Alcina, welche Orlando in einen eisernen Käfig versetzt. Sobald er wieder frei ist, erneuert er seine Nachstellungen. Angelica verzweifelt, will sich ins Meer stürzen, wird aber von Medoro zurückgehalten. Beide entfliehen, von Orlando verfolgt. Wieder hilft Alcina: ein Ungeheuer vertritt ihm den Weg und er wird in einen Stein verwandelt. Wir stehen am Fluß Lethe, Charon wartet in seiner Barke, in der Ferne erblickt man das Elysium. Orlando schläft auf einem Felsen und spricht im Traume; er glaubt sich in die Unterwelt versetzt und seufzt nach Angelica. Auf Alcina's Geheiß streicht ihm Caronte die Stirne und nimmt ihm damit die Erinnerung an die Vergangenheit. Er erwacht und fühlt sich seiner wahren Ritterpflicht wiedergegeben, befreit Angelica und den für sie kämpfenden Medoro von einer Schaar Wilden. Beide, Angelica und Medoro, sind nun am Ziel ihrer Wünsche und auch für Pasquale schlägt die Stunde: er reicht der wohlhabenden Fischerin Eurilla die Hand.
Zwei der bedeutenderen Sängerinnen der fürstlichen Bühne, Valdesturla und Bologna traten hier zum erstenmale zusammen auf. Die Besetzung war auch außerdem sorgfältig gewählt und nebstdem für die Schaulust durch reichen Costume- und Decorationswechsel gesorgt. Es fehlte selbst an einer ungewöhnlichen Effektscene nicht: der Schildknappe Pasquale erschien im 2. Akt geharnischt zu Pferde und sang eine bombastisch klirrende Arie.49 »Ritter Roland« ist die bis dahin einzige Oper Haydn's, die, wenn auch nicht vollständig, in gestochenem Clavierauszug (Simrock) erschien und die auch überhaupt die meiste[194] Verbreitung gefunden hat. Es fanden Aufführungen statt: in Preßburg (im Carneval 1787) im Schauspielhause und im gräfl. Erdödy'schen Theater von der Kumpf'schen Operngesellschaft;50 in Prag (1791);51 in Wien ins Deutsche übertragen von Gierschek (9. Jan. 1792) im Schikaneder-Theater;52 in Brünn53 (1791 und 92); in Mannheim54 (1792, 5. August und bis Ostern 1794 7 mal repetirt); auf dem Schloßtheater zu Pillnitz und im Hoftheater zu Dresden55 (1792); in Frankfurt a/m56 (1793 und 94); in Graz57 (1793 u. 94); in Berlin im Nationaltheater58 (1796, 6 mal); in Augsburg59 (1802); in Hamburg60 (1805, 31. März und 3. April).
In diesem Jahre erschienen bei Artaria 6 Ouverturen, fälschlich als Symphonien bezeichnet (b. 2–7). Nr. 2 und 6 sind die Einleitungen zu L'Isola disabitata und La vera Costanza, Nr. 7 zu »Tobias«.61 »Ich versichere Sie (schreibt Haydn an Artaria) daß Sie bey dieser Herausgabe, welche wegen Kürze der Stücke den stich sehr wohlfeil machen, einen nahmhaften gewinnst machen werden«. Ursprünglich war die Sammlung auf 5 Stücke berechnet, für welche Haydn 25 Ducaten Honorar verlangte; auch machte er Artaria auf dessen Anfrage zu wissen »daß man stat Sinfonie, overture sezen soll, so ist Ihr zweifl gehoben«. Die Sache zog sich aber derart in die Länge, daß Haydn fortfährt: »ich bin der Verzögerung wegen verdrießlich[195] geworden, weil ich für diese 5 Stück von einem andern Verleger 40 Ducaten haben könnte, und Sie machen so viele weitläufigkeit von einer sache, was Ihnen bey so kurzen Stücken 30fachen Nutzen verschaffet: machen Sie also der sache ein Ende und schicken mir entweder Music, oder Geld« .... Man sieht, Haydn verstand es auch, kategorisch zu reden.
Gleichzeitig erschien bei Artaria eine Cantate für eine Singstimme »Ah come il cuore mi palpita« und eine Arie »Or vicina a te mio cuore« mit Orchesterbegleitung. Die Cantate (n. 1) fand in Cramers Magazin der Musik eine 42 Seiten lange Besprechung unter dem Titel: »Über die Schönheit und den Ausdruck der Leidenschaft in einer Cantate von Jos. Haydn«. Sie ist von Carl Friedrich Cramer in Kiel selbst verfaßt, der einen Abdruck auch an Haydn schickte, was dieser Artaria mit Befriedigung mittheilt. Die Arie (n. 2) scheint zu der früheren OperL'Incontro improviso neu componirt zu sein.
Wir stehen nun vor Haydn's achter, der wohlbekannten »Mariazeller Messe« (l. 8), in der Partitur-Sammlung von Breitkopf und Härtel Nr. VII. Dieselbe wird unter allen bisher genannten Messen Haydn's am häufigsten aufgeführt. Das Autograph, das nach mehrfachem Besitzwechsel endlich im Stifte Göttweig eine Ruhestätte fand, trägt auf dem Umschlage von des Autors Hand die Aufschrift: Missa Cellensis, fatta per il Signor Liebe de Kreutzner, composta di me Giuseppe Haydn 1782. Es ist dasselbe Haus »dem Haydn, wie wir zuvor gesehen, seine ersten 12 Lieder dedicirte.« Der Besteller der Messe war Anton Liebe Edler von Kreutzner, Militär-Verpflegs-Oberverwalter.62 Dessen Großvater, Benjamin Liebe, war General-Gewaltiger unter dem Commando des Prinzen Eugen von Savoyen und wurde 1706 vor dem Feinde erschossen; der Vater, Franz Anton, diente als Unter-Offizier im Alexander-Würtemberg Regiment; zwei Brüder hatten Offiziersrang. Anton Liebe wurde 1757 bei Ausbruch des Krieges als Militär-Verwalter angestellt. In Folge der Verdienste der Familie und der eigenen wurde er nach 24jähriger Dienstzeit auf sein Ansuchen am 20. März 1781 in den Adelstand mit obigem Prädikat erhoben.63 Unwillkürlich werden[196] wir hier zu der Vermuthung gedrängt daß der edle Verpflegs-Oberverwalter bei der zu hoffenden Erhebung in den Adelstand das Gelübde ablegte, dem gnadenreichen Wallfahrtsort Mariazell in Steiermark ein Dankopfer in Form einer Messe zu bringen und somit die Veranlassung zu einem Werke bot, das noch heute nach fast hundert Jahren in ungeschwächter Frische dasteht. Es war die einzige Messe, die Haydn auf Bestellung, und die einzige, die er für einen auswärtigen Ort schrieb, obendrein für einen Ort, der ihn an eine launige Episode aus seiner Jugendzeit erinnern mußte.64
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
4 Symphonien (a. 45–48) im Druck erschienen.
1 Sextett Es-dur (c. 14) in Abschrift erschienen.
Im Jahre 1783 hören wir Haydn zum erstenmale über seinen Nasen-Polyp, ein Erbübel seiner Mutter, klagen (I. S. 210). Er mußte sich in Eisenstadt vom Wundarzte bei den Barmherzigen Brüdern den Polypen so oft unterbinden lassen, als sich dieser tiefer senkte und ihm das Athmen erschwerte. Diesmal griff das Übel Haydn besonders an; er schreibt an Artaria: »mein wiederholter unglücklicher zustand, nemblich die gegenwärtige operation eines Polyp in der nase verursachte, daß ich bishero zur arbeith ganz unfähig war; Sie müssen danenhero wegen denen liedern noch 8 oder höchstens 14 Täge gedulden, bis mein geschwächter Kopf mit Gottes Hülfe seine vorige stärke erlanget«. Bei Haydn's erstem Aufenthalt in London bot sich ihm eine günstige Gelegenheit, von seinem Feinde befreit zu werden. Der berühmte Chirurg John Hunter, mit dem Haydn sehr befreundet war, wollte ihn beim Abschiedsbesuche gewaltsam zu einer Operation zwingen; Haydn aber ergriff die Flucht und nahm lieber den ungebetenen Gast mit ins Grab.65
Um die Zeit der Wiedergenesung Haydn's schickte ihm Artaria Compositionen von Clementi (vermuthlich die damals bei ihm erschienenen Sonatenop. 7 und 9, Verlagsnummer 32 und 36). Haydn erwiederte: »für die Clavier-Sonaten von Clementi[197] sage ich verbundensten Dank, sie sind sehr schön. solte der Verfasser in wienn seyn, so bitte bey gelegenheit an denselben mein Compliment«. Haydn lernte Clementi in London näher kennen; beim Abschiede verehrte ihm derselbe einen mit kunstvollem Silberbeschlag geschmückten Becher aus Cocosnuß. Noch später, als Clementi sich in London mit Musikalienverlag befaßte (erst in Verbindung mit Longman und Broderip, dann allein), trat Haydn auch in geschäftlichen Verkehr mit ihm.
Am 15. September feierte zu Wien im Fürst Liechtenstein'schen Palais Fürst Nicolaus Esterházy,66 Sohn des Paul Anton (aus erster Ehe mit Marie Therese, des Grafen Nicolaus Erdödy Tochter) seine Vermählung mit Marie Josephine Hermenegild, (jüngst geborene Tochter des verstorbenen Fürsten Franz Joseph Liechtenstein); den Trauungsakt vollzog der Cardinal Fürst Batthyáni Primas von Ungarn.67 Haydn sollte in dem jungen Fürsten im J. 1794 seinen vierten und letzten Herrn aus dem Hause Esterházy begrüßen und in der jungen Fürstin eine ihm besonders wohlgewogene Gönnerin schätzen lernen. Wir werden Beide im genannten Jahre näher kennen lernen. Nicolaus war der erste Sohn dieses Hauses der als Fürst getraut wurde, indem erst kurz zuvor, am 21. Juli, Kaiser Joseph sämmtlichen Descendenten dieser Linie den Fürstentitel verlieh, dessen bisher, seit 23. Mai 1712, nur die Erstgeborenen und Majoratsherrn theilhaftig gewesen waren.68
Eine schon im J. 1779 in Abschrift vorhandene Symphonie (a. 39) kam erst jetzt (in Auflagstimmen und arrangiert für Clavier) bei Artaria heraus. Haydn schreibt darüber an den Verleger: das lezte oder 4. Stück [Presto 2/4] dieser Sinfonie ist für das Clavier nicht praticable [wegen der vielen Triolen auf Einer Note], ich finde es auch nicht für nöthig, dasselbe beyzudrucken: »das wort Laudon [recte Loudon]69 wird zur beförderung[198] des Verkauffes mehr als zehen Finale beytragen«. Und wirklich erschienen nur die drei ersten Sätze, während auch der ursprüngliche vierte Satz in einer engl. Ausgabe (aus den J. 1784) von Tindal zu finden ist. Der siegreiche Held Loudon war damals in Aller Mund und selbst Schikaneder verherrlichte ihn in einem Liede.70
Als eine der frühesten Verlagswerke F.A. Hofmeister's und in äußerst bescheidenem Stich erschien in diesem Jahre ein Orchesterstück als OuvertureD-dur (b. 9), welches nach Anlage und Charakter weit eher als letzter Satz einer Symphonie zu betrachten ist. Das Stück gab Hofmeister damals auch für Clavier allein arrangirt heraus.71
Haydn's letztes, in diesem Jahre componirtes Violoncellconcert D-dur (e. 9) dessen Autograph noch erhalten ist, soll für seinen Freund Anton Kraft aus der fürstlichen Kapelle bestimmt gewesen sein, den auch Beethoven bei seinem Tripelconcert im Auge hatte.72 Es ist das einzige, sogar in 2. Auflage in Druck (bei André) erschienene Violoncellconcert Haydn's.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
Arie »Dice benissimo« (n. 3), Eintagsnummer zur Oper La Scuola de Gelosie von Salieri, im Druck erschienen.
Wir kommen nun zu Haydn's letzter, für das fürstliche Theater verfaßten Oper. Die Original-Partitur73 der Armida trägt die Jahreszahl 1783 und wird wohl im letzten Viertel dieses Jahres geschrieben worden sein. Die erste Aufführung war gegen Ende Februar 1784, denn Haydn spricht in einem Briefe an Artaria schon von der zweiten Aufführung, die Sonntag den[199] 29. dieses Monats statt fand. Nach dem bei Sieß in Oedenburg gedruckten Textbuch74 traten folgende Personen auf:
Armida, maga, nipote
d'IdrenoLa Sigra Metilde Bologna.
Rinaldo, guerriero del
campo di GoffredoIl Sigr. Prospero. Braghetti.
Idreno, rè di Damasco,
zio d'ArmidaIl Sigr. Paolo Mandini.
Zelmira, damigella
d'ArmidaLa Sigra Costanza Valdesturla.
Ubaldo, guerriero del
campo di GoffredoIl Sigr. Antonio Specioli.
Clotario, guerriero del
campo di GoffredoIl Sigr. Leopoldo Dichtler.
Idreno, König von Damaskus, hält Kriegsrath, um sich von dem ihn belagernden Heere der Kreuzritter zu befreien und verspricht seine schöne, in Zauberkünsten erfahrene Nichte Armida demjenigen zur Frau, der es zuerst wagt, gegen den Feind zu ziehen. Rinaldo, der stärkste Held im christlichen Lager, den Armida durch List und Verführung in ihrer Nähe gefangen hält, gelobt, in Liebe zu ihr entbrannt, diesen Preis zu erringen und gegen seine eigenen Leute zu ziehen. Wiederholt ermahnen ihn Ubaldo und Clotario, zwei seiner Waffenbrüder, zur Umkehr. Als letzten Versuch und kräftigen Gegenzauber hält ihm Ubaldo seinen Diamantschild vor. Rinaldo schwankt: hier die Liebe dort die Pflicht und Ehre. Das Rechtsgefühl siegt, er kehrt ins Lager zurück. Armida folgt ihm selbst dahin, bleibt aber unerhört. In ihrem Zauberwald treffen wir sie wieder. Vergebens ruft sie all' ihre Künste zu Hülfe, Rinaldo zeigt sich standhaft; auch gelingt es ihm, mit dem Schwert einen Streich gegen den mitten im Walde befindlichen Myrthenbaum zu führen, worauf der Wald verschwindet und Damaskus im offenen Felde erscheint. Das Heer ist in vollem Marsch. Verzweifelt sucht Armida noch einmal Rinaldo wankelmüthig zu machen aber er folgt den Kriegern, versprechend, nach beendigtem Kriege zu ihr zurückzukehren, worauf Armida ohnmächtig in Idrenos Arme sinkt.
Das Textbuch weicht in mehreren Punkten von der bekannten Erzählung ab, um (wie die Vorrede sagt) die nöthigen theatralischen Auftritte zu verschönern. Die Besetzung war eine vorzügliche und mußte diese einzige ernste Oper von Haydn (wenn man L'Isola disabitata nicht als Oper gelten lassen will) den besten Eindruck gemacht haben. Auch Haydn schien zufrieden, denn er schreibt an Artaria daß die Oper zum zweitenmale »mit allgemeinen Beyfall aufgeführt wurde« und fügt noch bei: »Man sagt es seye bishero mein bestes Werk«. Er beabsichtigte auch,[200] Armida im Druck herauszugeben, doch müsse sich Artaria gedulden, »indem ich es gerne der Weld in ihrer ganzen Gestalt zeigen möchte«. Dazu kam es wohl nicht, doch erschienen mehrere Arien in Stich bei Artaria. Aufführungen der Oper in deutscher Sprache waren in Preßburg 1785, 16. Oct. von der Kumpf'schen Gesellschaft auf dem gräflich Erdödy'schen Theater, wobei der Kaiser zugegen gewesen sein soll, der aber an demselben Tage das Ritterfest des Maria-Theresien-Ordens in Wien beging; in Wien im Schikaneder Theater 1797 als Akademie zum Vortheile des Orchesters; in Turin, Jan. 1805 im Carneval bei Eröffnung des Theaters.75
Im Nationalhoftheater kam am 28. und 30. März 1784 Haydn's Oratorium Il Ritorno di Tobia als Akademie der Tonkünstler-Societät zur Wiederausführung. Haydn hatte das Werk zum Theil umgearbeitet und wie wir früher sahen, 2 neue Chöre dazu geschrieben, von denen der sogenannte »Sturmchor«D-moll (m. 14) mit unterlegtem lateinischen Text (Insanae et vanae) als Offertorium in Kirchen und als Motette mit deutschem Text; »Im Augenblick entschwindet«)76 in Concerten noch heute oft gesungen wird. Haydn dirigirte persönlich und hatte vortreffliche Solisten: Sigra Anna Storace, Katharina Cavalieri, Therese Teyber, Karl Friberth und Sgr. Steffano Mandini. Der damaligen Sitte gemäß wurde zwischen den beiden Abtheilungen ein Concert gespielt; am ersten Abend von dem irischen Violin-Virtuosen Abraham Fisher, am zweiten Abend von Freyhold, Flötisten der Kapelle des Curfürsten von Mainz.
Im Sommer empfing Haydn den Besuch zweier Männer, Kelly und Bridi, die eigens aus Wien kamen, ihm persönlich ihre Verehrung zu bezeugen. Der, Irländer Michael Kelly,77 Mitglied der italiänischen Oper in Wien und damals 20 Jahre alt, war kurz zuvor in Italien auf den bedeutenderen Bühnen mit Beifall aufgetreten. Er konnte also Haydn ebensowohl über die Opernverhältnisse Italiens als auch über Englands Musikleben Auskunft geben, zwei Länder, die damals Haydn besonders interessirten; zudem war er von Mozart gerne gelitten und wußte[201] natürlich auch über die italiänische Oper in Wien, über Personal und Programm genaue Auskunft zu geben, also Stoff genug zu anregendem Meinungsaustausch. Der schon in der Chronik genannte Giuseppe Ant. Bridi, ein damals sehr junger wohlhabender Kaufmann aus Roveredo (später Wiener Großhandlungs-Gremialisi) war wegen seiner ungewöhnlichen Bildung und seines musikalisch geschulten Singtalentes in allen seinen Kreisen Wiens sehr geschätzt und, gleich Kelly, ein Freund und Verehrer Mozart's. Schönfeld nennt (1796) ihn als Dilettanten geradezu »die Krone aller unserer Tenoristen« dessen sanfte melodische Stimme aus dem Herzen schöpft und zum Herzen spricht. In seinem reizenden Park zu Roveredo erbaute er später einen Tempel der Harmonie, indem er den größten Männern der Tonkunst Denkmäler mit Inschriften, verfaßt von J.B. Beltramo, gelehrtem Priester in Roveredo, aufstellte.78 Jene auf Haydn lautet:
JOSEPHUS HAYDENUS
NATIONE GERMANUS
VEL. OB. EIVS · MODOS. MVSICOS
DE · DEO · CREANTE
DEQVE · CHRISTO · IN · CRVCE · LOQVENTE
TOTO · ORBE · CLARISSIMVS
Decessit. a. MDCCCVIIII.
Kelly und Bridi verlebten drei höchst angenehme Tage bei Haydn. Sie fuhren in seiner Gesellschaft mit fürstlicher Equipage rundum, all' die malerischen Umgebungen »dieses Paradieses auf Erden« (denn für ein solches hielt es Kelly, wie er eigens betont) kennen zu lernen; sahen und bewunderten die Künstler die einstimmig des Fürsten Edelmuth und übergroße Güte priesen, sowie ihn auch seine Beamten vergötterten. Kelly nennt ausdrücklich Eisenstadt (statt Esterház) als Ort seines Besuches79 und spricht nur obenhin, gleichsam vom Hörensagen von der italiänischen Oper, von deutscher und französischer Komödie und vom Marionettentheater,80 hatte also keiner eigentlichen Opernvorstellung[202] beigewohnt, über die er sich doch gewiß näher geäußert haben würde. Der Fürst hatte zwar Ordre gegeben, daß sich Haydn des fürstlichen Wagens bediene, allein er selbst war offenbar abwesend und hatte also das Personal Ruhetage. Kelly's übriger Ortographie Wiener Ortsnamen entsprechend81 dürfen wir also kaum fehlgehen, wenn wir den Besuch nach Esterház (»abounding in wood and water, and all Kinds of game«) verlegen.
In diesem Jahre kam Franz Anton von Weber (nachmals der Vater des Carl Maria v. W.) nach Wien,82 um seine Söhne Fritz und Edmund, im Alter von 23 und 18 Jahren, zur höheren Ausbildung in der Musik einem Manne von Ruf zu übergeben. Seine Wahl fiel auf Haydn und dieser übernahm die jungen Leute um ein angemessenes Honorar (je 150 Ducaten).83 Hatte Anton seiner Vaterpflicht somit Genüge geleistet, so dachte er nun auch an sich. Seit einem Jahre Wittwer bemächtigte sich des 50 jährigen Mannes plötzlich wieder die Liebe im Anblick der reizenden siebzehnjährigen Genovefa v. Brenner. Sie war von ihren Eltern (aus Oberdorff bei Kaufbeuern in Bayern) ebenfalls zur musikalischen Ausbildung nach Wien gebracht worden und Weber's Söhne hatten in dieser Familie bereits eine angenehme Heimat gefunden als der Vater, einem etwaigen Bruderzwist vorbeugend, das Herz der Tochter für sich selbst eroberte und sie am 20. Aug. 1785 zum Traualtar führte. Daß v. Weber seinen Aufenthalt auch musikalisch ausnutzte, sahen wir in Betreff der Haydn'schen Oper »Die belohnte Treue« schon früher. Im Jahre 1788 kam Franz Anton wieder nach Wien, um seine Söhne von Wien abzuholen. Fritz, der später der erste Musiklehrer seines Halbbruders Carl Maria wurde, war auf Haydn's Verwendung am 1. April als Violinist in die fürstl. Kapelle aufgenommen worden, die er nun, nach wenigen Monaten, schon im[203] September wieder verließ. Edmund, den Haydn besonders schätzte, widmete seinem Lehrer später 3 Streichquartette (op. 8, Augsburg bei Gombart & Co.) und Haydn wiederum wahrte sich das Andenken in dem Schüler in folgendem Stammbuchblatt:
Fürchte Gott – Liebe deinen Nächsten – und Deinen
Meister Joseph Haydn so Dich von Hertzen lieb hat.
Estoras den 22 May 1788.84
Wiederum konnte sich der Fürst von Esterház nicht trennen, obwohl die Hälfte des Theaters theils krank theils abwesend war. Noch am 20. Nov. klagt deßhalb Haydn, sich bei Artaria entschuldigend, daß er dadurch mit der Arbeit aufgehalten sei und nur trachten müsse, den Fürsten zu unterhalten. Dieser lange Aufenthalt mußte Haydn diesmal um so verdrießlicher sein, da er sicher schon davon benachrichtigt sein mußte, daß man in Wien eine seiner Opern zur Aufführung vorbereitete. Ob er schließlich doch noch zu rechter Zeit von Esterház wegkam, bleibt dahingestellt. –
Wir wissen aus der Chronik (S. 127) daß am 5. Nov. im Schauspielhause nächst dem Kärnthnerthore die Gesellschaft des Schikaneder und Kumpf eine Reihe von Schau- und Lustspielen, Singspielen und Opern begann und daß sie zu den besseren zählte. Sonnabend den 18. Dec. kam nun auch Haydn's Oper »Die belohnte Treue« zur Aufführung. »Das Haus war um 6 Uhr so voll, daß, ungeachtet des großen Raumes, mehr als 600 Personen wieder zurück mußten«.85 Der Kaiser, der die Vorstellungen dieser Gesellschaft wiederholt besucht hatte, war auch an diesem Abend mit seinem ganzen Hofstaat zugegen. »Bei der vortrefflichen Musik eines Heiden, und der richtigen Vorstellung derselben, konnte es dem Stücke an allgemeinem Beifall nicht fehlen. Sie wurde Montag den 20. dieses wiederholt«.86 Die Einnahme am ersten Abend (bei ausverkauftem Hause) betrug 713 fl., welche Summe nur einmal, bei Paisiello's »König Theodor« überschritten wurde (752 fl.). Die Gesellschaft ging[204] dann nach der 31. und letzten Vorstellung87 (6. Feb. 1785) nach Preßburg zu Graf Erdödy.
In diesem Jahre gab nun auch Artaria das am meisten bekannte Clavierconcert D-dur von Haydn (i. 3) heraus, »das einzige das bisher in Stich erschienen ist«. (?) Als Vorlage diente die Mainzer Ausgabe Nr. 7 (Schott) und diese wieder »copié d'apres le Journal de pieces de clavecin de Mr. Boyer à Paris«. Im März 1785 kündigte auch Torricella dieses und noch ein zweites früheres Concert »von dem berühmten Herrn Joseph Haydn« an. Dies letztere G-dur (i. 2) war vordem in Amsterdam, London und Paris in Stich erschienen. Mit obigem Concert, dessen letzter Satz uns lebhaft ins Ungerland versetzt, schloß Haydn zu rechter Zeit dieses Feld seiner Thätigkeit ab, es an Mozart abtretend; dafür aber entschädigte er reichlich durch seine nun folgenden Clavier-Sonaten und Trios.88
Wir finden gleichzeitig in der Wiener Zeitung auch die Anzeige einer »Sammlung neuer Tanz-Menuetten«, für Violin primo, secondo, Basso und abwechselnden blasenden Instrumenten, obligat, und nicht obligat, erst verfaßt für die Kunsthandlung Artaria Comp. Schon seit 12 Jahren sind von Herrn Haydn keine Tanz-Menuetten herausgegeben worden, nun werden diese wohl willkommen sein!89 – Diesen folgten, »XII neue deutsche Tänze für das Clavier gesetzt, welche in dem kleinen Redouten-Saal in Wien aufgeführt wurden«.
Das zweite Dutzend Lieder 13–24 erschien in diesem Jahre ohne Dedication. Einige Nummern waren schon 1781 fertig; damals verlangte Haydn von Artaria »3 neue zärtliche Texte, weil fast alle die übrigen von einen lustigem ausdruck seyn; der Inhalt[205] kann auch traurig seyn, damit ich schatten und licht habe, wie bey den ersten zwölf«. Es sind folgende 12 Lieder:
1. Warnung an Mädchen (Jeder meint, das holde Kind).
2. Ernst und Scherz (Lachet nicht Mädchen).
3. An die Geliebte (O liebes Mädchen, höre mich).
4. Lieb um Liebe (Wüßt' ich daß du mich lieb).
5. Gebet zu Gott (Dir nah' ich mich, nah' mich dem Throne).
6. Frohsinn und Liebe (Auch die Sprödeste der Schönen).
7. Trauergesang (O! fließ ja wallend fließ in Zähren).
8. Zufriedenheit (Ich bin vergnügt, will ich was mehr).
9. Das Leben ist ein Traum (Das Leben ist ein Traum).
10. Lob der Faulheit (Faulheit, endlich muß ich dir).
11. Minna (Schon fesselt Lieb' und Ehre mich).
12. Am Grabe meines Vaters ( Hier sein Grab bei diesen stillen Hügeln).90
Ein einzelnes Lied schrieb Haydn in den 80er Jahren in Folge der Aufforderung einer Offizierstochter aus Coburg. Der eingeschickte Text (20 Strophen!) schilderte in einem wirklichen Erlebnisse die Schlauheit eines Pudels, der einen weggelegten Thaler richtig aufzufinden wußte. Die Einsenderin, die in einen Hauptmann, den Besitzer des Pudels, verliebt war, hoffte durch eine Überraschung ihn fester an sich zu ketten und da er ein Verehrer Haydn's war, bat sie nun diesen, das kleine Abenteuer in Musik zu setzen, doch bemerkte sie zugleich daß sie arm sei und daher hoffe, daß er sich mit dem beigelegten Ducaten begnügen werde. Haydn schrieb das Lied, schickte es sammt dem Ducaten an die Schöne ab, erbat sich aber scherzweise von ihr ein Paar Strumpfbänder zur Strafe dafür daß sie daran zweifelte, ein Componist könne einer Dame nicht auch ohne Eigennutz gefällig sein. »Die Bänder, aus rother und weißer Seide mit einer gemalten Guirlande und Vergißmeinnicht kamen richtig an und Haydn bewahrte sie sorgfältig bei seinen Juwelen auf«.91 Das harmlose Lied, B-dur 2/4 (o. 25), beginnt »Die ganze Welt will glücklich sein« und erschien in Wien und Leipzig unter dem Titel Der schlaue Pudel (Der schlaue und dienstfertige Pudel, auch Pudelromanze).[206]
Im Jahre 1784 versuchte sich Haydn einmal auch als Selbstverleger. Er ließ (wie früher schon angedeutet) »3 neue nicht sehr schwere Claviersonaten (f. 21–23) auf seine eigenen Kosten schön stechen«, und gab sie der Buchhandlung Rudolf Gräffer in Commission. »Diesen Sonaten einiges Lob beizulegen (sagt die Ankündigung), hält man für Uberfluß, da der Name des berühmten Herrn Verfassers schon hinlänglich für alles was Neuheit, Ordnung, Kunst und Geschmack vermag, bürgt«.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
3 Symphonien (a. 49–51) im Druck erschienen.
1 Clavier-Trio (h. 2) in Autograph vorhanden.
Im Jahre 1785 begrüßt uns Haydn als Freimaurer – für einen Mann von seiner Denkungsart in religiösen Dingen ein gewiß für Viele unerwartetes Vorkommniß. Der Orden der Freimaurer stand in Wien in den achtziger Jahren in voller Blüthe; die angesehensten Stände, Staatsmänner, Gelehrte und Künstler, Grafen, Domherrn und Hofprediger gehörten dem Orden an. Mozart war Mitglied der Loge »Zur gekrönten Hoffnung« und mit ganzer Seele dem Orden ergeben, der ihn zu so mancher ernsten Composition anregte und dessen Einfluß selbst noch in die »Zauberflöte« hinüber reicht. Mozart hatte sogar den Gedanken gefaßt, eine eigene geheime Gesellschaft »Die Grotte« zu gründen und die Statuten dazu entworfen.92 Die am 16. März 1780 gegründete achte und letzte Loge »Zur wahren Eintracht« wurde die berühmteste, welche auch ein eigenes Journal für Freimaurer herausgab. Sie zählte bis 1785 bei 200 Mitglieder, unter denen die Hofräthe v. Born, v. Greiner, Sonnenfels, Graf Saurau, die Dichter Denis, Blumauer, Alxinger etc. In diesem Jahre anerkannte auch Kaiser Joseph den Freimaurer-Orden unter der Bedingung gewisser Reformen und stellte ihn unter den Schutz des Staates.93 Ferner mußten die acht bis dahin bestandenen Logen auf drei reducirt werden,[207] was im December geschah und wozu Mozart zwei Compositionen schrieb.94
Was Haydn bewog, dem Orden beizutreten. beruht nur auf Vermuthung. Vielleicht war es sein Freund und Gönner v. Greiner, in dessen musikalischen Hause er ein stets willkommener Gast war, der ihn zur Aufnahme anregte. Jedenfalls trat er in dieselbe Loge »Zur Eintracht«, welcher dieser angehörte. Mit welchem Verlangen Haydn der Aufnahme entgegen sah, bezeugt ein Brief an den Grafen Anton v. Appony. Haydn schreibt am 2. Febr 1785 aus Esterház: »Eben gestern erhielte ich ein schreiben von meinem künftigen Pathe Herrn v. Webern,95 daß man mich verflossenen Freitag [28. Jan.] mit sehnsucht erwartete, um meiner aufnahm, welcher ich mit schmerzen entgegen sehe, zu befördern, da ich aber durch nachlässigkeit unserer Husären das Einladungsschreiben nicht zu gehöriger Zeit erhalten habe, so hat man diese unternehmung bis künftigen Freytag [4. Febr.] verschoben. O wäre heute schon dieser Freytag? um das unsägliche Glück zu genießen unter einem Zirkel so würdiger Männer zu seyn«.96
Wir können annehmen daß an dem erwähnten 4. Februar Haydn's Aufnahme stattfand, die unter folgender, auf die Macht der Harmonie sinnreich anspielende Ansprache erfolgte.97
Über die Harmonie. Bey der Aufnahme des Br. Hxxn.
Eine Rede von Br. Hxzxxr.
....... »Ihnen, neu aufgenommener Br. Lehrling! die Vorzüge des himmlischen Wesens, Harmonie, insbesondere anpreisen, Ihnen, der Sie seine Allgewalt in einem der schönsten Fächer des menschlichen Wissens so genau kennen, Ihnen, dem[208] diese liebenswürdige Göttin einen Theil der süßen Zauberkraft abgetretten hat, mit der Sie manchen Sturm der Seele besänftigt, Schmerz, und Wehmuth in stillen Kummer wiegt, melancholische, trübe Stunden kürzt, das Herz des Menschen zur Freude stimmt, und nicht selten selbst seinen Geist zu den erhabensten Gefühlen emporführet, Ihnen mit Anzüglichkeit ihre Reize zu schildern, würde überflüssiges Bemühen seyn. Ich begnüge mich, wenn ich durch mein kleines, unvollkommenes Gemälde – Skizze möchte ich sagen – wenn ich durch diese brüderliche Unterredung bei Ihnen den Vorsatz erweckt habe, Ihrer trauten Freundin – auch hier in diesem – für Sie, mein Bruder! neuen Wirkungskreise unwandelbar treu zu bleiben.
Noch glücklicher ist mein Zweck erreicht, noch glücklicher mein Wunsch erfüllet, wenn ich zur Überzeugung meiner Brüder von der Unentbehrlichkeit dieser Fundamentaltugend ächter Maurerey einigen Beytrag geleistet, und die Aufmerksamkeit, womit Sie bisher jedem Winke der himmlischen Huldgöttin gefolget sind, gefördert, befestiget habe«.
Ob Haydn in diesem Kreise das fand, was er gewünscht und erwartet hatte, ob sein Eintritt in den Orden irgend von Einfluß auf seine Sinnesart gewesen, darüber erfahren wir auch nicht das Mindeste. –
Wenn man vom Stephansplatz in die Große Schulerstraße einbiegt, gelangt man zur Rechten unmittelbar vor dem Gasthof »Zum König von Ungarn« an ein vier Stockwerk hohes, ziemlich schmales Haus, dessen Fensterreihe (zwei Doppelfenster und ein einfaches) eine fast ununterbrochene Fläche bildet. Der rückwärtige Theil des Hauses macht Front in die Kleine Schulerstraße (jetzige Domgasse), ist doppelt so breit und zählt vier Doppelfenster. Gegenüber steht der Trienterhof, ein großes in die Blutgasse einmündendes geistliches Eckgebäude. Das erstgenannte Haus war in jener Zeit (1785) Eigenthum der Familie Camesina und trug die Nummer 846 (heute 8). Im ersten Stockwerk zählt der vordere Theil ein großes geräumiges Zimmer und ein allerliebstes Cabinet; der rückwärtige Theil besteht aus zwei großen Zimmern, durch ein kleineres getrennt. Die Küche und zwei kleine Cabinette liegen im Verbindungsgang. Der Hofraum ist schmal und fast düster zu nennen. Wir denken uns der Anlage nach im vorderen Theil das Empfangszimmer (Salon) nebst[209] Studiercabinet, und rückwärts die Familienzimmer. Hier war es wo Mozart zu Michaelis 1784 eingezogen war (bereits sein vierter Wohnungswechsel seit seiner Verheirathung) und wo Anfangs 1786 dessen Nozze di Figaro entstand. Vordem aber, im Febr. 1785 empfing hier Mozart seinen Vater, der damit den Salzburger Besuch des Sohnes sammt Frau (1783) erwiederte. Mit welch' gemischten Empfindungen mag der Vater nach Verlauf von zwölf Jahren die alte Kaiserstadt wieder begrüßt haben. Es war sein vierter Besuch: das erstemal (1762) mit seiner Frau und seinen zwei »Wunderkindern« (Wolfgang und Marianne); das zweitemal (1767) mit ebendenselben, wo sich Wolfgang bereits als Kirchencomponist öffentlich producirte; das drittemal (1773) mit Wolfgang allein, den Kopf voller Pläne, mit denen er geheim that und jetzt, längst schon ein Wittwer, allein und mit fast widerstrebendem Gefühl das Haus des Sohnes betretend, dessen eheliche Verbindung nicht nach seinem Sinne war. Und nun schreibt der Vater am 14. Febr. an die Tochter in Salzburg: »Am Freitag (11. Febr.) um 1 Uhr waren wir in der Schulerstraße Nr. 846 im ersten Stock. Daß dein Bruder ein schönes Quartier mit aller zum Haus gehörigen Auszierung hat, mögt Ihr daraus schließen, daß er 460 fl. Hauszins zahlt«.98 Mit dem Tage der Ankunft begann auch der Rundgang von Concert zu Concert, von Oper zu Oper. Noch an demselben Abend besuchte der Vater Wolfgangs erstes Subscriptionsconcert im Saale der Mehlgrube, in dem der Sohn »ein neues vortreffliches Clavierconcert« spielte. Es war das bekannte D-moll Concert (Köchel 466), das Mozart in Gegenwart des Vaters spielte. Sonntag war der Vater in der Akademie der italiänischen Sängerin Sigra Laschi, wo der Sohn »ein herrliches Concert spielte das er für die Paradies nach Paris gemacht hatte« und wo der Vater, gut postirt, alle Abwechslung der Instrumente so vortrefflich hörte, daß ihm »vor Vergnügen die Thränen in den Augen standen«. Dann war wieder ein Concert wo Wolfgang »das neue große Concert in Dmagnifique« spielte; dann eine Hausakademie beim Salzburger Agenten von Ployer und so ging es fort.
Am 25. April, nach einem Aufenthalt von über zehn Wochen, verließ der Vater Wien, das er nicht mehr sehen sollte.99 Er[210] schien befriedigt von dem wenigstens damals scheinbar geordneten Hauswesen und freute sich seines kleinen immer freundlichen Enkels Carl, doch wurde die Stimmung gegen die Frau nicht günstiger. Dafür aber haftete er mit Freude und Bewunderung an den künstlerischen Leistungen Wolfgangs und schwelgte mit gerechtem Vaterstolz in dem großen Beifall, der dem Sohne bei jedem Auftreten zutheil wurde.100
Was uns diesen denkwürdigen Besuch so interessant macht, ist Leopold Mozart's Begegnung mit Haydn. Sie fand in Mozart's Wohnung am nächstfolgenden Tage von Leopold's Ankunft, am 12. Februar statt. Leopold schreibt darüber in dem erwähnten Briefe (14. Febr.) nach Hause:101 »Am Samstag war abends Herr Joseph Haydn und die zwei Barone Tindi bei uns, es wurden die neuen Quartette gemacht, aber nur die 3 neuen, die er zu den andern 3 die wir haben, gemacht hat, – sie sind zwar ein bischen leichter, aber vortrefflich componirt.102 Herr Haydn sagte mir: ›Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und dem Namen nach kenne; er hat Geschmack, und überdieß die größte Compositionswissenschaft.‹« – Otto Jahn103 läßt diesem Ausspruche die schönen Worte folgen: »L. Mozart wußte die Bedeutung eines solchen Zeugnisses aus diesem Munde zu würdigen, er fand darin die Bestätigung des Glaubens und der Überzeugung, für welche er die beste Kraft seines Lebens geopfert hatte, eine solche Anerkennung des Sohnes war der schönste Lohn für diesen Vater – es war der Silberblick seines Lebens«.
Mozart konnte Haydn gewiß nicht schöner danken als durch die Zueignungsschrift dieser sechs Quartette, die er ihm als die Frucht einer langen und mühevollen Arbeit übergiebt, gleichwie ein Vater seine Kinder einem bewährten Freunde von hohem Ansehen und Ruf anvertraut, daß er sie nachsichtig aufnehme,[211] beschütze und vertrete.104 – Hier mehr denn irgendwo zeigt sich uns das edle Verhältniß zwischen Haydn und Mozart als Künstler und als Mensch. Obwohl dieselbe Bahn wandelnd und in so verschiedenem Lebensalter, war ihnen doch der Neid, die Eifersucht fremd. Jeder ehrte die Verdienste des Andern und strebte denselben nachzueifern, ohne seiner eigenen Selbstständigkeit dabei etwas zu vergeben. Zahlreich und längst bekannt und gewürdigt sind die Belege für diese gegenseitige Hochschätzung. Als man mit Mozart über obige Dedication sprach, sagte er: »Das war Schuldigkeit, denn von Haydn habe ich gelernt, wie man Quartette schreiben müsse«. Nie sprach er ohne die lebhafteste Bewunderung von ihm. »Keiner (sagt er) kann alles, schäckern und erschüttern, Lachen erregen und tiefe Rührung und alles gleich gut als Haydn«. »Es war rührend (erzählt Niemetschek), wenn er (Mozart) von den beiden Haydn oder andern großen Meistern sprach: man glaubte nicht, den allgewaltigen Mozart, sondern einen ihrer begeisterten Schüler zu hören«. Nicht minder bekannt sind Mozart's Äußerungen gegen Leopold Koželuch, der in seiner Gegenwart an Haydn's Quartette mäckelte. »Herr! (antwortete er ihm einst) und wenn man uns[212] Beide zusammenschmilzt, wird doch noch lange kein Haydn daraus«. Und als bei einer anderen Gelegenheit Koželuch meinte, »das hätte ich nicht so gemacht«, entgegnete ihm Mozart. »Ich auch nicht, und wissen Sie warum? weil weder Sie noch ich auf diesen Einfall gekommen wären«.
Und nun Haydn dagegen! Wie freimüthig nahm er Mozart bei jeder Gelegenheit in Schutz. Als man nach der ersten Wiener Aufführung des Don Giovanni in einer Gesellschaft dies und jenes an der Oper auszusetzen fand und auch Haydn um seine Meinung gefragt wurde, sagte er: »Ich kann den Streit nicht ausmachen, aber das weiß ich, daß Mozart der größte Componist ist, den die Welt jetzt hat«. Und ein andermal: »Wenn Mozart auch nichts anderes geschrieben hätte als seine Violinquartette und das Requiem, würde er allein dadurch schon unsterblich geworden sein«. Auch später versäumte er keine Gelegenheit, wo er Mozart'sche Musik hören konnte und pflegte zu betheuern, daß er nie eine Composition von ihm gehört habe, ohne etwas zu lernen. Und mit Thränen in den Augen versicherte er noch im Alter, Mozart's Clavierspiel könne er in seinem Leben nicht vergessen »das ging an's Herz«. Als er in London Mozart's Tod erfuhr, schrieb er an seinen Freund Puchberg in Wien: .... »ich war über seinen Tod eine geraume Zeit ganz außer mir und konnte es nicht glauben, daß die Vorsicht so schnell einen unersetzlichen Mann in die andere Welt fordern sollte« .... Und an seine Freundin v. Genzinger: »die nachwelt bekommt nicht in 100 Jahren wieder ein solch Talent«! Beim Musikalienhändler Broderip aber in Gegenwart Dr. Burney's um seine Meinung befragt, ob ein Ankauf der hinterlassenen Manuscripte Mozart's rathsam sei: »Kaufen Sie dieselben unbedingt (erwiederte Haydn voll Eifer). Er war in Wahrheit ein großer Musiker. Ich werde oft von meinen Freunden damit geschmeichelt, einiges Genie zu haben, doch er stand weit über mir«. Wie schön sich Haydn weiterhin über Mozart ausspricht, als er aufgefordert wurde, für Prag eine Oper zu schreiben, werden wir bald hören. Schwer hält es, von diesem reinsten Bunde echter Künstlernaturen sich zu trennen, von Künstlern, die hocherhaben über dem gewohnten Alltags-Treiben dieselbe edle Gesinnung eint – für alle Zeiten ein leuchtendes Beispiel wahrer Größe. –[213] Am 9. August 1785 vermählte sich der vor drei Jahren zum Wittwer gewordene Fürst Paul Anton Esterházy, Sohn des regierenden Fürsten Nicolaus, zum zweitenmale. Seine jetzige Gemalin war die jüngste, am 20. Febr. 1769 geborene Tochter des Grafen Otto Philipp von Hohenfeld und der Gräfin Therese von Kinsky. Auch bei dieser Gelegenheit nahm Haydn, wie schon früher, einen Barytonsatz zu Hülfe, F-dur 3/4, den er zu einem Chor mit den Worten »Vivan gl'illustri Sposi« einrichtete. Fürst Anton folgte seinem Vater Nicolaus im J. 1790 in der Regierung, löste die Musikkapelle auf, behielt aber Haydn als titulirten Kapellmeister bei. Da Haydn dann nach London ging und auch vor seiner zweiten Reise nicht lange in Wien blieb, kam er in fast gar keine Berührung mit diesem seinen dritten Herrn, dessen Tod (22. Jan. 1794) er in London erfuhr.105
Die schon erwähnte Composition Haydn's »Die sieben Worte Jesu am Kreuze« fällt in dieses Jahr (1785). Er selber schreibt darüber im März 1801:106 »Es sind ungefähr funfzehn Jahre, daß ich von einem Domherrn in Cadix ersucht wurde, eine Instrumentalmusik auf die sieben Worte Jesu am Kreuze zu verfertigen. Man pflegte damals alle Jahre während der Fastenzeit in der Hauptkirche zu Cadix ein Oratorium aufzuführen, zu dessen verstärkter Wirkung folgende Anstalten nicht wenig beytragen mußten. Die Wände, Fenster und Pfeiler der Kirche waren nehmlich mit schwarzem Tuche überzogen, und nur Eine, in der Mitte hängende große Lampe erleuchtete das heilige Dunkel. Zur Mittagsstunde wurden alle Thüren geschlossen; jetzt begann die Musik. Nach einem zweckmäßigen Vorspiel bestieg der Bischof die Kanzel, sprach eines der sieben Worte aus und stellte eine Betrachtung darüber an. So wie sie geendiget war, stieg er von der Kanzel herab, und fiel knieend vor dem Altare nieder. Diese Pause wurde von der Musik ausgefüllt. Der Bischof betrat und verließ zum zweyten, drittenmale u.s.w. die Kanzel, und jedesmal fiel das Orchester nach dem Schlusse der Rede wieder ein. Dieser Darstellung mußte meine Composition angemessen seyn. Die Aufgabe, sieben Adagio's wovon jedes gegen zehn Minuten[214] dauern sollte, aufeinander folgen zn lassen, ohne den Zuhörer zu ermüden, war keine von den leichtesten; und ich fand bald, daß ich mich an den vorgeschriebenen Zeitraum nicht binden konnte.«
Während Haydn darüber nachdachte, wie er sich dieses Auftrages am besten entledigen könnte, empfing er den Besuch seines Freundes Abbé Stadler. »Er fragte auch mich (erzählt Stadler in seiner Autobiographie) was ich davon hielte. Ich antwortete: Mir schien es am rathsamsten, wenn anfangs über die Worte eine anpassende Melodie gesetzt würde, die hernach nur durch Instrumente ausgeführt würde, in welcher Art zu setzen er ohnehin Meister wäre. Er that es auch, ob er aber nicht selbst schon früher dies zu thun willens war, weiß ich nicht«.
Haydn mußte wohl mit seiner Ausführung zufrieden gewesen sein, denn, wie Griesinger erzählt (S. 33) erklärte er öfters diese Arbeit für eine seiner gelungensten.
Die noch vorhandenen ursprünglichen Auflagstimmen geben uns Aufschluß über die erste Bearbeitung, die Haydn später im Wesentlichen beibehielt, nur sehen wir hier jede Nummer durch ein längeres von einer Baßstimme gesungenes Recitativ über die Worte der einzelnen Sätze eingeleitet.
In dieser Form finden wir die Aufführung dieses Werkes das erstemal erwähnt in Zinzendorf's Tagebuch. Er schreibt (26. März 1787): »Le soir chez le Poe Auersperg au concert de Hayden sur les 7 paroles de notre Seigneur sur la croix«.(Zinzendorf befand sich in einer Loge zusammen mit den Familien Kinsky, Rothenhan, Buquoi.) »La seconde du Paradis, la derniere du dernier soupir me parut bien exprimé«. Die nächste Aufführung bringt uns mit einem, durch Mozart's Requiem genugsam bekannten Manne zusammen. Ein Reisender, der in 1787 Wien besuchte, schreibt: »Von musikalischen Academien habe ich blos einer beym Grafen Walsegg beygewohnt, wo Haydn's unsterbliches Werk, seine sieben Kreuzesworte, vollständig aufgeführt wurden«.107
Der Ruf der »Sieben Worte« drang rasch ins Ausland; es werden Aufführungen erwähnt aus Bonn (30. März 1787) vom Concertmeister Reicha bei Hofe veranstaltet; aus Breslau[215] (1788, Februar und März) in den Concerten des J.A. Hiller (d.h. einzelne Sätze daraus); aus Berlin (1793, 23. März) im Liebhaberconcert. In London, wohin Haydn das Werk in 1787 an Forster verkauft hatte, führte es Haydn selbst am 30. Mai 1791 auf und wiederholte es im Beneficeconcert des zehnjährigen Violinvirtuosen Clement. – In Auflagstimmen erschien das Werk in 1787 zuerst bei Artaria108 (op. 47) und in rascher Folge in Berlin, Paris. London und Neapel. Unmittelbar darauf erschien ein Arrangement für Quartett (op. 48), von Haydn selbst verfaßt und eines für Clavier allein (op. 49), über welches Haydn an Artaria schreibt: »unter andern belobe ich den Clavierauszug welcher sehr gut und mit besonderem Fleiß abgefaßt ist«.
Was Haydn bewogen haben mag, die für das Streichquartett arrangirten Sätze als ebenso viele Sonaten unter die Zahl seiner Original-Quartette aufzunehmen, ist unerklärlich. Ebenso unbegreiflich bleibt es, daß man dies Vorgehen in fast allen Quartett-Ausgaben Haydn's beibehalten hat. – Wie tief der Eindruck war, den die Sieben Worte in ihrer ursprünglichen Gestalt hervorriefen, spricht zunächst aus einer gleichzeitigen Besprechung des Werkes, obwohl nur nach dem Clavierauszug.109 Haydn selber sagte, als er das Werk Forster anbot: die letzten Worte des Erlösers am Kreuze seien »durch Instrumentalmusik dergestalt ausgedrückt, daß es den Unerfahrensten den tiefsten Eindruck in seine Seele erweckt«.
Nachdem Haydn das Werk an Artaria und Forster verkauft hatte, nahm er Anstand, es auch noch in Paris abzusetzen, »erstens (wie er an Artaria schreibt), weil ich dadurch die Herren von Cadix, welche doch die grund ursache dieser Sonaten sind, und mich darum bezahlten, sehr beleydige, zweytens, wurden die Herren Franzosen dadurch noch mehr beleydiget, wan ich mir ein werk bezahlen ließe, was in 3 wochen öffentlich in stich erscheint«.110[216]
Soviel einstweilen von diesem Werk in seiner Urform. Die Genesis desselben vervollständigend, wenden wir uns nun, obwohl der Zeit vorgreifend, schon jetzt der uns geläufigeren cantatenmäßigen Umarbeitung des Werkes für Gesang zu. Die eigentliche Entstehung derselben ist in ein misterioses Halbdunkel gehüllt. Haydn selber sagt in obigem Vorbericht kurzweg: »Erst später wurde ich veranlaßt, den Text unterzulegen.« Neukomm gibt in seinen Notizen zu Dies folgende Erläuterung: »Auf seiner zweiten Rückreise aus England ging Haydn über Passau, wo er zu übernachten beschlossen hatte. Er erfuhr bei seiner Ankunft daß gerade für diesen Abend die Aufführung seiner Sieben Worte angesetzt sei und daß der dortige Hofkapellmeister begleitende Singstimmen zu diesem Werke componirt habe. Haydn war mit der Aufführung zufrieden, setzte aber dieser seiner Erzählung (mit seiner gewöhnlichen Bescheidenheit) ganz einfach bei: ›die Singstimmen, glaube ich, hätte ich besser gemacht‹. Gleich bei seiner Ankunft in Wien unternahm und vollendete Haydn diese erklärende Zugabe der Singstimmen, zu welcher Bearbeitung Baron van Swieten den deutschen und Carpani den italiänischen Text (eine freie Übersetzung) besorgten.« – Hier wäre also zum erstenmale van Swieten als Verfasser des deutschen Textes genannt, der nach anderer Version einem Domherrn in Passau111 und wiederum dem erzbischöflichen Hofrath Fried berg in Salzburg zugeschrieben wird.112 Letztere Quelle sagt, daß Friedberg den Text Michael Haydn übergab, der zu dem fertigen Instrumentalen die Singstimmen hinzufügte und die Arbeit an seinen Bruder abschickte, dem dieselbe so sehr gefiel daß er sie mehrmals aufführte und als seine eigene Arbeit ausgab – eine Behauptung die hinlänglich durch die noch vorhandene Partitur in Joseph Haydn's Handschrift widerlegt ist. – Die Aussage Neukomm's über Passau ist im Kern der Sache nicht ganz unbegründet. Haydn mochte immerhin im Januar 1794 auf der Hinreise nach London (nicht Rückreise von dort) in Passau von einer Bearbeitung[217] seines Werkes gehört und sich den Text verschafft haben.113 Ein noch vorhandenes vergilbtes Textheft ist im Stande, das Räthsel annähernd zu lösen. Der Titel lautet: »Die Worte Christi am Kreuze. Eine Kantate«. Eine Anmerkung zum Schlusse sagt: »Diese Grabmusik wird am Charfreytage in der hohen Domkirche zu Passau um halb 7 Uhr Abends gehalten«. Die Eintheilung ist wie bei Haydn und der Text der 7 Abschnitte im Wesentlichen, verschiedene Abweichungen abgerechnet, derselbe. Der »Schlußchor« jedoch (bei Haydn »das Erdbeben« betitelt) hat einen großen Vorzug vor diesem, indem er das Werk versöhnend abschließt.114 – Daß Haydn diesen Original-Text als Grundlage zu seiner Bearbeitung benutzte, ist ersichtlich aus seiner handschriftlichen Partitur, in der sich zahlreiche Stellen aus jenem Texthefte vorfinden, die theils von Haydn's, theils von einer fremden Hand (van Swieten?) in die neue Leseart umgeschaffen wurden. Jedem Satze hat Haydn einen kurzen vierstimmigen Gesang im Choraltone mit einem der Ausrufe Christi vorangehen lassen.115 Neu ist ferner der zwischen der 4. und 5. Nummer eingeschaltete Instrumentalsatz für Blasinstrumente allein, ein meisterhaft gearbeitetes Stück, das nach Werth und Ausdruck etwa der Mozart'schen Maurerischen Trauermusik an die Seite gesetzt werden kann.
Man wäre versucht, eine in Eisenstadt im Oct. 1797 stattgefundene Aufführung in dieser bekannten Umarbeitung für Gesang als die erste anzunehmen, wenn nicht ein zufällig noch erhaltenes Textheft, gedruckt in Wien bei Matthias Andreas Schmidt k.k. Hofbuchdrucker, vorläge, das die Jahreszahl 1796 trägt und vermuthlich zu einer Aufführung diente, die im März dieses Jahres in fürstlichen Räumen abgehalten wurde, zu denen uns abermals Zinzendorf den Weg öffnet. Er schreibt 1796, 27. März: »De nouveau au concert. Toujours la 7me parole, Vater, ich[218] befehle – me plait le plus et d'avantage que Es ist vollbracht«.116 Da Zinzendorf zuvor wiederholt der Concerte bei Fürst Lobkowitz gedenkt, hat wohl auch diese Aufführung in dessen Palais stattgefunden und gingen derselben mehrere voraus, wie Zinzendorf's Bemerkung zu entnehmen ist. Die zunächst erwähnte Aufführung führt uns also nach Eisenstadt, wo sie nach dem Tagebuch Rosenbaum's117 im Theatersaal des fürstlichen Schlosses zur Zeit des Besuches des Palatin von Ungarn und in Gegenwart vieler hohen Gäste am 27. Oct. 1797 stattfand. Therese Gaßmann, die ältere Tochter des im Jahre 1774 verstorbenen Hofkapellmeisters Florian Gaßmann, eine Schülerin van Salieri und nachmalige Frau des Rosenbaum, sang die Sopranpartie. Die Zahl der Gäste war groß, denn Rosenbaum vertheilte 1000 Exemplare des in Oedenburg gedruckten Textes. Die nächste Aufführung war in Wien am 1. und 2. April 1798 in der Akademie der Tonkünstler-Societät. Haydn selbst dirigirte und wird auf dem Anschlagzettel eigens als »Mitglied dieser Tonkünstler-Gesellschaft« angeführt, nachdem sich am 11. Dec. 1797 die Direction von der ihm angethanen Schmach durch unentgeltliche Aufnahme gereinigt hatte. Auch hier sang die Gaßmann und neben ihr Antonie Flamm »eine geschickte Altistin«, Enkelin des Michael Spangler, bei dem Haydn nach seiner Verstoßung aus dem Capellhause von der Straße weg Unterkunft gefunden hatte.118 Welche Gefühle mögen Haydn bei dieser Aufführung durchstürmt haben! Hier eine Gesellschaft, die ihm zur Versöhnung die Hand reicht; dort die Enkelin eines Mannes, der ihm einst wie ein Schutzengel erschienen war – Haydn selbst damals Bettgeher auf einer Dachkammer, jetzt ein von der ganzen musikalischen Welt gefeierter Mann! – Von den folgenden Aufführungen in Wien seien noch erwähnt: im Dec. 1803 zum Besten der Spitalbürger (4000 Gulden Einnahme); im April 1806 für die Theater-Armen; im März 1809 im Leopoldstädter Theater zum Vortheil der dortigen Choristen. DieConcerts spirituels führten das Werk viermal im[219] Landständischen Saale auf. Eine der letzten gottesdienstlichen Aufführungen war in der Alt-Lerchenfelder Kirche, wobei der Bruder Franz Schubert's, Schottenpriester P. Hermann (Anton) die Zwischenpredigten hielt.
Wie rasch sich das Werk, nachdem es bei Breitkopf und Härtel 1801 in der neuen Form erschienen war, auswärts in großen und kleinen Städten verbreitete, zeigen Aufführungen in Bückeburg (1802 am Charfreitage); im Landstädtchen Kirchheim unter Teck im Würtembergischen (1802) und zwar durch Dilettanten und Mitglieder des Hofstaates der Herzogin Franziska, Wittwe des Herzogs Karl; in Braunschweig (1802) 10 Aufführungen, theils in der Kirche, theils im Concertsaal; in Berlin (1802) in der Jerusalem- und in der Garnisons-Kirche; in Leipzig (1802, 1803) unter Schicht, 1805 in der Neukirche und 1808 in der Kirche und im Concert; in Ratiborschitz, einem böhmischen Bergstädtchen (1803), in Neapel (1805) im Hause eines vornehmen Kunstkenners; in Rudolstadt (1810 am Charfreitag in der Stadtkirche); in Köln (1815, am Charfreitag) etc. Sämmtliche Berichte bestätigen die feierliche Wirkung, die das Werk hervorbrachte. Die letztgenannte Kölner Aufführung hielt sich an die alte Vorschrift, indem der Dom nach Art der Sixtinischen Kapelle in Rom nur durch ein in der Höhe schwebendes colossales Kreuz magisch beleuchtet war und die ernste Feier durch geschlossen gehaltene Thüren nicht gestört wurde. Auch die andere Vorschrift, nach welcher der Prediger von der Kanzel herab (die er besser gar nicht verläßt) vor jedem Musikstück die Bedeutung der nachfolgenden Worte auseinandersetzt, wurde hie und da, z.B. in Rudolstadt, in Eisenstadt und (wie oben erwähnt) in Wien beobachtet. In diesem Falle hat man besondere Rücksicht darauf zu nehmen daß der Priester sich möglichst kurz fasse und Predigt und Musik unmittelbar ineinander greifen.119
Für Tanzmusik hatte Haydn in diesem Jahre besonders gesorgt. Torricella kündigte in der Wiener Zeitung auf[220] Subscription an: »12 Menuetts ganz neu und sehr schön, nebst verschiedenen andern, welche im Casino in dem von Trattnerischen Freyhof in den ausgeschriebenen und bestimmten Bällen producirt worden«. Ferner bei Lausch: »12 Menuetts mit Trios nebst 6 deutschen Tänzen vollständig mit Trompeten und Pauken« für das Clavicembalo. Artaria gab in Stich heraus: »XII Menuets pour le Clavecin ou Piano-Forte«, und Six Allemandsa plusieurs instruments.
Drei Clavier-Trios (h. 2, 3, 4) componirte Haydn damals für die Gräfin Marianne Viczay. Sie war eine geborene Gräfin Grasselcovics, ihre Mutter, Maria Anna, die Tochter des Fürsten Nicolaus. Die Gräfin wohnte zur Zeit120 auf einem Gut des Vaters, Groß-Losing (Nazy Lózs) unterhalb Groß-Zinkendorf und nicht sehr entfernt von Esterház. Das Trio Nr. 2 ist schon 1784 erwähnt, Nr. 3 aus dem J. 1785 ist in Autograph erhalten. Alle drei erschienen auch als Streich-Trios.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
2 Clavier-Trios (h. 5, 6), Nr. 5 im Autograph erhalten.
Im Jahre 1786 griff Haydn noch einmal zum Baryton. Friedrich der Große war am 17. August zu Sanssouci gestorben und die Componisten wetteiferten, ihm, der sein Lebelang ein so großer Freund der Tonkunst gewesen, durch deren Sprache einen Nachruf zu weihen. So im Norden Zelter, dessen Cantate am 25. Oct. in der Garnisonskirche zu Berlin aufgeführt wurde,121 Reichardt's Trauercantate am 24. Jan. 1787 im Opernhause daselbst;122 im Süden Joseph Haydn die schon früher123 erwähnte Cantate »Deutschlands Klage auf den Tod Friedrich des Großen«, für Sologesang mit Baryton-Begleitung, mit den Worten beginnend:[221] »Er ist nicht mehr! Tön' traurend, Baryton! Tönt, laute Klagelieder«! Ohne Zweifel wurde Haydn zu dieser Composition durch sein ehemaliges Orchestermitglied Karl Franz (Bd I. 267) angeregt, der eine Reise nach Deutschland beabsichtigte, wo er sich mit dieser Cantate in zweifacher Hinsicht, durch den Gegenstand selbst und durch den Namen des Componisten vortheilhaft einzuführen hoffte. Wir sahen schon, daß er dieselbe in Leipzig am 4. Febr. 1788 im Gewandhausconcert durch die Sängerin Valdesturla (vordem in Esterház, nun verehelichte Schicht) vortragen ließ und sie auf dem Baryton begleitete und daß er in demselben Jahre das Musikstück in Nürnberg öffentlich selbst sang und begleitete.
In diesem Jahre erhielt Haydn vom König Ferdinand IV. von Neapel den Auftrag, ihm eine Anzahl Stücke für die Leier zu componiren. Außer seiner Leidenschaft für die Jagd hatte der König nur noch Interesse für Musik und speciell für die Leier, die er meisterhaft spielte. Sein Lehrer war der kaiserliche Legationssecretär Hadrara, der auch ein fertiger Clavierspieler war. Als Pleyel sich im J. 1782 vier Monate in Neapel aufhielt, mußte auch er für den König Compositionen für die Leier (darunter Concerte für 2 Liren) schreiben124 und mag diesen auf Haydn aufmerksam gemacht haben. Haydn componirte 5 Concerte (e. 12– 16) zu 3 und 4 Sätzen für 9 Instrumente für je 2 Liren, Clarinetten, Violen, Waldhörnern sammt Baß) die er später theilweise anderwärts benutzte, die beiden Liren durch Flöte und Oboe ersetzend. Die Compositionen müssen dem Könige gefallen haben, denn er lud Haydn ein, nach Neapel zu kommen, was auch Haydn versprach und im folgenden Jahre die Absicht hatte auszuführen. Im J. 1790 werden wir Haydn abermals mit Compositionen für die Leier beschäftigt sehen.
Die 6 Symphonien (a. 52–57) sind die früher erwähnten Pariser, unter dem Titel Répertoire de la Loge Olympique[222] erschienen. Nr. 54 ist in Autograph erhalten. Drei haben Beinamen erhalten: Nr. 52 –l'Ours, wegen dem Brummbaß im letzten Satz; Nr. 53 – la Poule; Nr. 55 – la Reine, vielleicht eine Lieblingsnummer der Königin.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
3 Claviersonaten (f. 24–26), im Druck erschienen.
1 Tenorarie, »Ah, tui senti amico« (n. 4) componirt zu Ifigenie in Tauride von Traetta, in Abschrift erhalten.
1 Arie »Sono Alcina« zur Oper L'Isola d'Alcina von Gazzaniga, in Autograph erhalten.
Im Jahre 1787 erfüllte endlich Haydn die an ihn schon 1783 ergangene öffentliche Aufforderung »der ihn ehrenden deutschen Violinisten«125 und gab abermals 6 Quartette (d. 45–50) heraus, deren Composition Haydn schon in 1784 begonnen haben mochte. Er schrieb damals (5. April) an Artaria wegen Contract und willigte ein in die zugesagten 300 Gulden »ohngeachtet ich jedesmahl durch meine Quartette mit dem Pränumeration mehr denn 100 Ducaten erhielte, und welches mir auch Herr Willmann zu geben versprache«. Artaria müße aber »in Geduld stehen bis Ende July«; außer 12 Exemplaren verlangt Haydn noch »eine willkürliche Dedication«. Für diese hatte sich Artaria den König Friedrich Wilhelm II. ausersehen. In 1787 erwähnt Haydn wiederholt derselben, so am 27. Febr., wo er ein Schreiben des k.pr. Residenten Jacoby citirt, der ihm schreibt: »W as hat es mit den Stücken von Ihrer Composition für eine Bewandniß, welche Herr Artaria nach Berlin an den König zu übersenden vorhabens ist? ich möchte darüber gerne deroselben aufschluß haben, und bitte darum ergebenst«. Worauf Haydn an Artaria: »Ich hoffe ja nicht, daß Sie etwa diese Sonaten [die Sieben Worte] werden als quartetten, noch mit allen stimmen Sr. Majestät dediciren werden, weil es wieder alle Raison wäre, sondern ich glaube, daß es die neuen quartette angehen werde, welches ich belobe, so. Sie es willens sind«. Ferner am 21. Juni: »Wegen der Dedication der Quartette an Sr. Maj. den König von Preußen wäre es mir am liebsten, wenn Sie selbst durch jemanden[223] vernünftigen in Wienn dieselbe aufsetzen ließen, aber kurtz, und bindig. am besten könnte Ihnen der Minister Herr v. Jacobi dazu verhülflich seyn«. Nun aber theilt Dies (S. 71) folgendes Schreiben mit:
»Sr. Majestät von Preußen etc. gereichet die abermahlige Attention, die der Hr. Kapellmeister Haydn, Höchst Deroselben, durch Übersendung von sechs neuen Quartetten, bezeigen wollen, zu ganz besonderm Wohlgefallen, und es ist ohne Zweifel, daß Allerhöchst Dieselben, von jeher die Werke des Hrn Kapellmeisters Haydn zuschätzen gewußt, und jederzeit schätzen werden. Um es Demselben thätig zu beweisen, übersenden Sie ihm beykommenden Ring, als ein Zeichen Höchst Dero Zufriedenheit, bleiben Ihm auch in Gnaden gewogen«.
Potsdam den 21. Aprill 1787.
F. Wilhelm.
Für obige Quartette konnte, wie das Datum zeigt, das Geschenk nicht erfolgt sein; die »abermahlige Attention« läßt fast vermuthen daß Haydn dem König zuvor die neuen 6 Pariser Symphonien überschickte, die ein Reisender im Belvedere-Garten in Wien gehört haben will (S. 149) und sie als ein dem König dedicirtes Werk anführt. Artarias Ausgabe führt die Dedication nicht, wohl aber die von Hummel in Berlin (dédiés à S. Maj. Frédéric Guillaume II, roi de Prusse, oeuvre XXIX, Verlagsnummer 636). Und doch schreibt Haydn am 2. Mai 1787 an Artaria: »Sie werden mit nächsten erfahren von einem Present, welches ich ganz unverhofft von sehr großen überkommen habe«, was sich doch wohl auf des Königs Geschenk beziehen dürfte. – Jedenfalls aber freute sich Haydn des Ringes (Diamantring von 300 Ducaten an Werth, wie Gerber angiebt) und soll ihn bei besonderen Anlässen während der Arbeit am Finger getragen haben. Der König war ein Freund und Beschützer der Musik und als Schüler des älteren Duport selbst ein tüchtiger Violoncellspieler. Wie freudig er Mozart, Dittersdorf, Naumann, Rosetti aufnahm und glänzend honorirte, ist bekannt. Boccherini ernannte er zu seinem Kammercomponisten mit lebenslänglichem Jahresgehalt. Beethoven widmete ihm seine zwei Sonaten op. 5, die er selbst bei Hofe mit Duport gespielt hatte. Haydn war entweder von ihm eingeladen worden, seinen Rückweg von London bei der zweiten Reise über Berlin zu nehmen oder er wünschte selbst, ihn persönlich kennen zu lernen.
Haydn hatte in diesem Jahre ernstlich die Absicht, der Einladung des Königs von Neapel nachzukommen und Italien zu[224] besuchen, wie wir aus einem an Forsterin London gerichteten Schreiben (dat. 8. April) ersehen: »Ich verhoffte Sie zu Ende dieses Jahres selbst zu sehen, da ich aber bis jetzo von Herrn Cramer noch keine antwort erhalten, werde ich mich für diesen Winter nach Neapel engagiren«.
Dahin kam Haydn nun freilich nicht; dagegen wartete seiner ein unverhoffter Antrag aus Böhmens Hauptstadt. Der große Erfolg, den Mozart's Don Giovanni in Prag errungen (die erste Aufführung war am 29. Oct. 1787), mochte einen Freund Haydn's, der mit ihm seit langer Zeit in Briefwechsel stand, ermuntert haben, ihn zu bewegen, sein Talent gleichfalls auch einmal für Prag zu verwenden. Der Briefsteller war der Verpflegs-Oberverwalter Roth, der einigemal im Jahre große musikalische Akademien in seinem Hause gab, wobei auch Symphonien von den ersten Meistern aufgeführt wurden.126 Haydn's Antwort, auf die schon hingedeutet wurde, ist zuerst in Niemetschek's Mozart-Biographie erhalten und seitdem oft citirt worden als würdiges Zeugniß von Haydn's hohem Sinn. Haydn schreibt:
»Sie verlangen eine Opera buffa von mir. Recht herzlich gern, wenn Sie Lust haben, von meiner Singkomposition etwas für sich allein zu besitzen. Aber um sie auf dem Theater zu Prag aufzuführen, kann ich Ihnen diesfalls nicht dienen, weil alle meine Opern zu viel an unser Personale (zu Esterház in Ungarn) gebunden sind, und außerdem nie die Wirkung hervorbringen würden, die ich nach der Lokalität berechnet habe. Ganz was anders wäre es, wenn ich das unschätzbare Glück hätte, ein ganz neues Buch für das dasige Theater zu komponiren. Aber auch da hätte ich noch viel zu wagen, indem der große Mozart schwerlich jemanden andern zur Seite haben kann.
Denn könnt' ich jedem Musikfreunde, besonders aber den Großen, die unnachahmlichen Arbeiten Mozarts, so tief und mit einem solchen musikalischen Verstande, mit einer so großen Empfindung, in die Seele prägen, als ich sie begreife und empfinde: so würden die Nationen wetteifern, ein solches Kleinod in ihren Ringmauern zu besitzen. Prag soll den theuern Mann fest halten – aber auch belohnen; denn ohne dieses ist die Geschichte großer Genien traurig, und giebt der Nachwelt wenig Aufmunterung zum fereneren Bestreben; weßwegen leider so viel hoffnungsvolle Geister darnieder liegen. Mich zürnet es, daß dieser einzige Mozart noch nicht bey einem kaiserlichen oder königlichen Hofe engagirt ist! Verzeihen Sie, wenn ich aus dem Geleise komme: ich habe den Mann zu lieb«.127[225]
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
2 Symphonien (a. 58, 59) für Paris componirt; Nr. 59 in Autograph erhalten.
1 Sopranarie »Chi vive amante«, schickte Me. Saffi, verm. Nencini nach Modena.
1 Baßarie »Un cor si tenero in petto« (n. 5) in Autograph erhalten.
Zu den Männern, welche einem wahren Haydn-Cultus trieben, zählten v. Mastiaux in Bonn und Exner in Zittau (in Sachsen). Beide legten sich eine förmliche Bibliothek an und kauften alles auf, was sie an Compositionen von ihrem Liebling habhaft werden konnten. Ersterer trat auch mit Haydn in lebhafte Correspondenz. von Mastiaux Hofkammerrath des Kurfürsten von Köln, geboren 1726 auf dem Schlosse Junkerrath (Grafschaft Blankenheim), war seit seiner Jugend halbblind. Er fand in der Musik sein einziges Vergnügen, spielte Clavier, Violine, Violoncell und wußte auch mit den gebräuchlichsten Blasinstrumenten umzugehen. Seine fünf Kinder waren alle musikalisch gebildet und namentlich die Tochter war eine der besten Pianistinnen Bonns. Wöchentlich gab v. Mastiaux ein Hausconcert, das er mit seiner eigenen reichen Musikalien-Sammlung versah. »Von I. Haiden ist er ein Anbeter und wechselt mit ihm Briefe«, so berichtet Neefe aus Bonn.128 v. Mastiaux starb 1798 zu Bonn.
August Christian Exner, hochverdienter Kauf- und Handelsherr, hatte sogar einen eigenen Musiksaal zu Orchester-Produktionen erbaut. Sein reicher Vorrath an Musikalien blieb durch die Sorgfalt der Söhne und Erben erhalten, welche dieselbe dem Gymnasial-Chor der Vaterstadt schenkungsweise überließen.
Von den drei, in dieses Jahr (1788) aufgenommenen Symphonien ist die dritte (a. 62) die bekannte Kinder-Symphonie. Wie sie entstand? Nun – das kleine Ding spricht für sich selbst und willig folgen wir der Tradition. Wir sehen den aufgeputzten Jahrmarkt und die Landleute von Nah und Fern, ihren Bedarf für Familie und Haus einzukaufen. Für Groß und Klein[226] ist gesorgt, für Küche, Keller und Wohnzimmer. Es ist ein wüstes Durcheinander; Jeder preist seine Waare, Jeder sucht und findet, was er für sich und Andere brauchen kann. Der Bursche denkt an seine Liebste und diese an ihn, der Mann auf die Frau und diese an die Kinder. Und an diesen ist kein Mangel. Sie begaffen die Wunder nicht nur, sie greifen auch keck zu und was halbwegs tönt und Geräusch macht, ist ihnen am liebsten. Die Buben voran läßt der Eine den Kukuk rufen, der Andere bläst in die Trompete, ein Dritter hat die Orgelhenne (Nachteule) entdeckt, ein Vierter bearbeitet die Schnarre (Ratschen) und den Cymbelstern; die Trommel aber überlärmt alle. Haydn (denn er ist selbstverständlich unter der Menge) ist in bester Laune; aber am meisten erfreuen ihn die Kinder, die so voller Lust in sein Fach pfuschen. Er kauft Jedem sein Lieblingsstück und schließlich für sich selbst ein ganzes Septett – alle genannten Instrumente, denn bereits hat sich in ihm der Schalk gerührt. Zu Hause angekommen stellt er seine Sammlung in Reihe und Glied auf, nimmt Feder und Papier zur Hand, fügt den Instrumenten als verbindenden Kitt Baß und zwei Violinen hinzu und läßt nach gethaner Arbeit einen Theil seines Orchesters für den kommenden Morgen zu einer wichtigen Probe einladen. Sie dauerte diesesmal ungewöhnlich lange, da die sonst so taktfesten Musiker vor Lachen zum erstenmale in ihrem Leben gleich zu Beginn umwarfen und immer wieder neu beginnen mußten. Das war Haydn's Kinder-Symphonie – das Spiel der Marionette auf Instrumente übertragen. Die ursprünglichen Auflagstimmen129 tragen die Bezeichnung Sinfonia Berchtolsgadensis, nach dem bekannten Marktflecken in Bayern, der von jeher sich durch seine Kinderspielwaaren auszeichnete.
Die Kinder-Symphonie (franz. Symphonie burlesque oder d'enfants, auch la foire des enfants; engl. the Toy) erheiterte manche gesellige Kreise. J.E. Eberwein schrieb dazu einen Prolog,130 in dem Haydn nach dem gedachten Orte selbst versetzt wird.[227] In Berlin ließ sie Zeune, Director des Blinden-Insti tuts, zur Vorfeier der Weihnachten (1840) von seinen Zöglingen spielen, die sich erhaben gedruckter Noten bedienten.131 Beim Banket, das dem Musikfeste in Lausanne in 1823 folgte, wurde die Symphonie von Jünglingen in Kinderkleidung aufgeführt.132 Bei einem Narrenfest in Kroll's Wintergarten in Breslau (1830) dirigirte die Symphonie Musikdirector Wolf mit dem Dreschflegel und die Musiker ließen ebenso ihrer Laune freien Lauf.133 In einem Concerte, das 1843 zu Wien für den alten Gyrowetz veranstaltet wurde, wirkten bei der Symphonie Hofopernkapellmeister Otto Nicolai, Dr. A.J. Becher, Violoncellvirtuose Merk, Violinspieler Holz, Professor Fischhof, Dichter Bauernfeld, Pianist Evers, Baron Lannoy, unter Leitung eines Miniatur-Kapellmeisters am hohen Dirigentenpult.134
Die zweite Symphonie (a. 61) ist die erst in neuester Zeit bekannter gewordene sogenannte Oxford-Symphonie, urspünglich für Paris componirt. Als Haydn im J. 1791 von London aus nach der altberühmten Universitätsstadt Oxford reiste, um das Diplom zu seiner Ernennung als Ehren-Doctor persönlich in Empfang zu nehmen, traf er zu spät ein, um von einer mitgebrachten neuen Symphonie die nöthigen Proben abhalten zu können; er wählte daher jene vorräthige ältere, der von da an obige Bezeichnung beigelegt wurde.
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
1 Symphonie (a. 60), für Paris componirt.
2 Arien »Dica pure chi vuol dire«, und »Signor voi sapete« (n. 6, 7), Einlagen zu Martin's OperUna cosa rara, im Druck erschienen.
1 Tenor-Arie »Se tu mi sprezzi« (n. 8), in Autograph vorvorhanden.
Im Jahre 1789 erschienen fast gleichzeitig bei Artaria und Au Magasin de Musique 6 Quartette von Haydn (d. 51–56) [228] dediés à Monsieur Jean Tost. Die nächstfolgenden 6 Quartette (d. 57–62) im J. 1790 componirt, tragen dieselbe Dedication. Diese beiden Serien, im Privatgebrauch kurzweg »die Tost'schen« genannt, blieben lange Zeit die beliebtesten Quartette und stellte man ihnen nur die Mozart'schen zur Seite. Indem wir hier einem Manne wiederholt eine Auszeichnung zutheil werden sehen, deren sich selbst Grafen und Fürsten nur einmal rühmen konnten, verlohnt es wohl, denselben näher ins Auge zu fassen.
Johann Tost war Großhandlungs-Gremialist in Wien, ein großer Musikfreund und selbst ein vorzüglicher Violinspieler der, gleich dem Großhändler v. Häring, manchen Meister auf diesem Instrument beschämen konnte.135 Wo die Tonkunst rief, war auch Tost zur Hand. Als der geniale Violinist Brid getower am 24. Mai 1803 ein Concert im Augarten gab, stand Tost dem höchsten Adel zunächst mit 12 Billets auf der Subscriptionsliste.136 Als die Musik-Dilettanten Wiens sich 1812 zu einem großen Concerte vereinigten zur Unterstützung der dürftigsten Bewohner des Schlachtfeldes von Aspern, leitete er die Violinen. »Hohes Lob (schrieben damals die Vaterl. Blätter137 gebührt ebenfalls Herrn v. Tost als Director des Orchesters. Ausgedehnte musikalische Reisen, große Kenntniße und gereifte Erfahrung sowie der richtigste Vortrag als Violinspieler haben schon längst diesem ächten Musikfreunde einen ausgezeichneten Platz unter den ersten Künstlern angewiesen«. Und als nun unmittelbar nach diesem Concerte die Mitwirkenden die ersten Schritte thaten zur Verwirklichung eines zu gründenden Musik-Dilettanten-Vereines (die jetzige Gesellschaft der Musikfreunde), war auch Tost unter den so ernannten Bevollmächtigten zur Wahl des größeren Ausschusses. Der Violinspieler Wenzel Krumpholz, einer der frühesten und enthusiastischsten Verehrer Beethoven's, widmete Tost ein Musikstück »Abendunterhaltung für eine Violine«; Franz Weiß, Kammermusikus bei Fürst Rasoumowsky, einer der Bevorzugten, der unter Schuppanzigh in des Fürsten Palais Beethoven's Quartette zuerst kennen lernte, widmete Tost 3 Quartette op. 1; ebenso Spohr ein Quintett op. 33. Nr. 1. Louis Spohr gab damals[229] in Wien 2 Concerte Dec. 1812 und Jan. 1813) im kleinen Redoutensaale und führte sein Oratorium »Das jüngste Gericht« (21. und 24. Jan. 1813) im großen Redoutensaale auf. Mit Tost schloß er ein eigenthümliches Bündniß: er verpflichtete sich, gegen ein angemessenes Honorar auf 3 Jahre Tost alles zu überlassen, was er in dieser Zeit componiren würde oder auch schon componirt in Manuscript vorräthig hatte. Spohr mußte ihm die Partituren einhändigen und durfte auch keine Abschrift zurückbehalten. Dagegen bewilligte Tost, daß während dieser Zeit jedes beliebige von ihm verwahrte Werk aufgeführt werden dürfe und zwar so oft wie möglich, aber nur in seiner Gegenwart. Vorzugsweise wünschte Tost Werke die sich für Privatzirkel eigneten, als z.B. Quartette, Quintette für Streichinstrumente oder auch gemischte Kammermusik. Tost gestand selbst, daß er dabei den Zweck im Auge habe, neue Bekanntschaften im Handelsstande anzuknüpfen und überhaupt sein Ansehen zu heben.138
Soweit über Tost als Musikfreund. Das Leben dieses Mannes erweckt aber auch in socialer Hinsicht unsere Theilnahme. Es ist ernst genug. Tost war aus Ungarisch-Hradisch in Mähren gebürtig, heirathete 1790 ein wohlhabendes Mädchen, vermehrte sein Vermögen während des Krieges durch beträchtliche Lieferungsgeschäfte für die Armee und wurde Inhaber einer Tuchappretur-Anstalt in Iglau und Tuchfabrik zu Stecken in Böhmen. Tost ließ sich nach dem Tode seiner Frau 1799 in Wien nieder, wurde Hausherr und kam 1801 bei der N.-Ö. Landesregierung ein um Aufnahme ins Großhandlungs-Gremium, mit Hinweis, daß er 1000 Webstühle und 50000 Menschen beschäftige und mit Vorlage von Danksagungsschreiben von 10 böhmischen Ortschaften, die ihn als Wohlthäter priesen. – Die Sonne Tost's leuchtete ihm bis 1813; von da an ging es mit ihm rasch abwärts. In diesem Jahre verlangte er von der Tonkünstler-Societät ein Capital gegen Sicherstellung, das ihm aber verweigert wurde. Tost & Co. wandern nun in den nächsten Jahren mit ihrem Comptoir von Straße zu Straße. Tost's erster öffentlicher Gesellschafter (Ladislaus Freiherr v. Schlieber) war längst gestorben; ihm folgte der zweite (Karl Partsch). Nun sah sich Tost einer Vorladung gegenüber zur Erklärungs-Abgabe seines Activ- und[230] Passivbestandes, denn er hatte schon durch mehrere Jahre kein Großhandlungsgeschäft betrieben und keine Handlungsbücher geführt. Er verschwindet aus Wien und wird dem bestehenden Gesetze gemäß, nach welchem eine Handlungs-Befugniß nicht länger als ein Jahr unbenutzt bleiben darf, seines Handlungsrechtes für verlustig erklärt. Dagegen erklärt er von Ofen aus, daß er gegründete Hoffnung habe, neue Verbindungen anknüpfen zu können, seine Schuldenlast zu tilgen, die rückständigen Steuern zu zahlen und demnach um Rücknahme seiner Cassirung bittet. Vergebens. Das Merkantil- und Wechselgericht weist seine Vorstellung zurück: das Handlungsrecht des priv. Großhändlers Johann Tost wird definitiv als erloschen erklärt. – Neun Jahre später hören wir von dem Sohne, Karl Tost. Er war Großhandlungs-Associé, hatte sich 1814 im April vermählt, wurde nach wenigen Tagen Wittwer und sah sich vom Unglück, das den Vater betroffen, in Mitleidschaft gezogen. Sein letzter Stand war Hofmeister. Als solcher wurde er, wie er ging und stand, im Salonfrack im J. 1827 ins Strafhaus in die Leopoldstadt abgeführt und starb daselbst nach zwei Jahren am Schlagfluß. Seine »Effecten« (Frack und weiße Cravate) wurden licitando für 40 Xr. verkauft; an baarem Arbeitsgeld hinterließ er 1 Gulden 331/2, Xr.139 – So endete dies einst so blühende Haus!
Im Juni 1789 wurde Haydn mit einem Schreiben von der wiederholt genannten Dame Edle von Genzinger aus Wien überrascht. Dem Schreiben war der Clavierauszug eines Andante von Haydn's Composition beigeschlossen, den die Übersenderin nach der Partitur selbst verfertigt hatte und nun um dessen Gutachten bittet. Die Familie v. Genzinger wohnte seit Anfang der 80er Jahre im Schottenhof.140 Peter Leopold Edlerv. Gen zinger, der Weltweisheit und Arzneikunde Doctor, wurde am[231] 29. Jan. 1780 für seine großen Verdienste von Maria Theresia in den österreichischen Adelstand erhoben; er war im J. 1793 Rector Magnificus der Universität und starb am 8. Mai 1805 im 69. Lebensjahre.141 Als er 1784 die Gemahlin des Grafen Palm von schwerer Krankheit befreite, ernannte ihn der Graf zu seinem beständigen Hausdoctor mit 2000 Gulden Jahresgehalt und sicherte seiner Frau eine Pension von 1500 Gulden.142 Früher schon war er Leibarzt des Fürsten Nicolaus Esterházy, wodurch er mit Haydn in häufige Berührung kam. Seine Gattin, Maria Anna Sabina, geborene Edle von Kayser, war eine kunstsinnige und namentlich in der Musik wohlerfahrene Dame. Zur Zeit, da Haydn mit ihr in Briefwechsel trat, war sie Mutter von 6 Kindern, von denen Josephine und Franz die ältesten (geb. 1774 und 75) waren. Josephine, welche den Dr. Joh. Pitteri aus Triest heirathete, ist dieselbe, welche Haydn bitten läßt, ihn »bei jeder Gelegenheit als Ihren unwürdigen Meister anzunehmen« und auch sonst in seinen Briefen öfters erwähnt. – »Singt meine gute Freyle Pepi bisweilen die arme Ariadne«?143 schreibt er aus London. Und früher aus Esterház: »Daß meine liebe Arianna im Schottenhof Beyfall findet ist für mich entzückend, nur recomandire ich der Fräulein Peperl die Worte, Chi tanto amai gut auszusprechen«. Und wiederum: »Meine gute Freyle Peperl wird sich (hoffe ich) durch öfteres absingen der Cantate auch des Meisters erinnern, besonders bey reiner aussprache und genauer Vocalisirung, dan es wäre eine Sünde, wenn eine so schöne stimme in der brust versteckt bliebe, ich bitte Derohalben um ein öfteres lächlen, sonst geht mir ganz gewiß etwas vor. DemMons. François empfehle ich mich ebenfalls in sein musikalisches Talent; wan Er auch im schlafröckl singt, es geht doch immer gut, ich werde zur aufmunterung öfters etwas neues übermachen«. Marianne Edle von Genzinger starb am 26. Jan. 1793, 38 Jahre alt und wurde auf dem Währinger Friedhofe begraben.144[232]
Der Familie des sehr beliebten Damen-Doctors begegneten wir schon in der Chronik unter jenen, die der Tonkunst mit Vorliebe huldigten. Wenn Haydn nach Wien kam, war er dort an der Tafel ein willkommener Gast, ließ der Tochter von seinen Erfahrungen im Gesange profitiren, sich von der Mutter auf dem Clavier vorspielen und setzte sich selbst als Ausübender zum Quartett. Ganz besonders aber fühlte er sich von der feingebildeten Frau des Hauses angezogen, während sie nicht minder in ihm den Künstler und vortrefflichen Menschen verehrte. Obiges Schreiben führte zu einer regen Correspondenz zwischen Beiden, deren Veröffentlichung wir Dr. Th. von Karajan verdanken.145 Welch' scharfer Contrast im Vergleich zu Haydn's zur Zeit ja noch immer bestehenden Stellung Signora Polzelli gegenüber!
Wie wahrhaft glücklich sich Haydn in diesem Familienkreise fühlte, wie ihm die Zeit seines Besuches immer nur allzu rasch verflog, sprechen seine Briefe hinlänglich aus. Saß er dann wieder in Esterház, fühlte er um so peinlicher dessen Einöde. Dann klagt er wohl der »allerbesten, gütigsten« Freundin sein Leid »das Herz voll der Erinnerung vergangener edler Tage – ja leider vergangen – und wer weiß, wan diese angenehmen Tage wieder kommen werden! diese schönen Gesellschaften, wo ein ganzer Kreis Ein Herz, Eine Seele ist – alle diese schönen musikalischen Abende – welche sich nur denken und nicht beschreiben lassen – wo sind alle diese Begeisterungen? – weg sind sie – und auf lange sind sie weg«. Nur schwer versucht er dagegen, den Gedanken an so manche Widerwärtigkeiten mit dem Ausruf zu bekämpfen: »Nun in Gottes Namen: es wird auch diese zeit vorüber gehen und jene wieder kommen, in welcher ich das unschätzbare Vergnügen haben werde, neben Euer Gnaden am Clavier zu sitzen, Mozart's Meisterstücke spielen zu hören und für so viele schöne Sachen die Hände zu küssen«. Kein Wunder, daß er auch in London, wo ihm doch von allen Seiten gehuldigt wurde, selbst in einem der liebenswürdigsten Familienkreise und mitten in der schönen Natur des Genzinger'schen Hauses mit Sehnsucht gedachte. Dabei liegt ihm alles daran, daß die Reinheit seiner Gesinnung im Auge der Freundin keinen Makel erfahre, weßhalb er, als ein Brief an sie verloren[233] ging, sie versichert, daß seine Freundschaft und Hochachtung, so zärtlich dieselbe auch sei, niemals strafbar sein werde. Marianne beabsichtigte im J. 1790 Haydn in Esterház zu besuchen, doch kam es nicht dazu. Noch einigemal sendet sie ihm Arbeiten und ist überglücklich, daß Haydn sie so günstig aufnahm und sogar des Druckes würdig erklärte. Haydn dagegen schickte ihr seine neuesten Compositionen zur Einsicht, beabsichtigte eine Symphonie für sie zu schreiben (die aber erst in London zur Ausführung kam) und bestimmte ebenso eine Sonate auf ewig für sie allein.
Mehr aber als alle diese Zeichen achtungsvoller Zuneigung sagt uns ein »Abschiedslied«(o. 26.), das Haydn vor seiner Abreise nach London der Freundin widmete. Er öffnet uns darin in Wort und Ton ohne Rückhalt sein Herz. Und wie in den schlichten Worten, so spricht sich mehr noch in den Tönen eine sanfte, keusche Wehmuth aus, eine Stimmung die uns deutlich verräth, was Marianne dem scheidenden Freunde gewesen. In vier Strophen weiht der Sänger der besten Freundin dies kleine Angebinde der Freundschaft und Achtung. Dürfte er das Schicksal lenken, immer bliebe er bei ihr. Doch es ist des Menschen Loos: kaum, daß man sich kennt, muß man auch wieder scheiden. Selig wären seine Tage ihr zur Seite hingeschwunden. Sie möge sein gedenken, auch wenn Meer und Land sie trennen; dann auch dauere fort der Freundschaftsbund. Ewig wird sein Herz sich nach ihr sehnen; seinem Blick entschwunden, kann ihn nichts erfreuen. Des Schicksals Schlüsse, wie so hart und wehmuthsvoll. »Nimm den letzten uns'rer Küsse. Freundin! ach, so lebe wohl«!146
In einem Briefe Haydn's an Artaria (15. Nov. 1789) lesen wir: »es war die vorige woche Herr Bland ein Engländer bey mir (nämlich in Esterház); Er wollte mir verschiedene Stücke abnehmen, Er erhielt aber in Rücksicht Ihrer keine Note«. So unbedingt aber ließ sich der Engländer nicht abfertigen; schon am 11. Januar 1790 erhielt Haydn einen Brief aus London,[234] worin Mr. Bland um Clavier-Trios ansucht. Wiederum läßt Haydn Artaria den Vorzug, verlangt aber bis zum nächsten Morgen (Haydn war damals in Wien) zu wissen, ob Artaria 3 Trios »jede wie gewöhnlich per 10 Ducaten« annehmen will. Bland's Hauptabsicht bei seinem Besuche war, Haydn zu der so oft in Anregung gebrachten Reise nach England zu bestimmen und er scheint darin nicht ohne Einfluß gewesen zu sein, zum mindesten seinem Nachfolger, Salomon, die Schritte erleichtert zu haben. Mit Bland wurde Haydn später enger befreundet. Bei seiner Ankunft in London stieg er bei ihm ab (45. Holborn, vis-à-vis Chancery-Lane in der City); dort erschien auch sein von T. Hardy gemaltes und in Kupfer gestochenes Porträt und schon früher gab Bland verschiedene Werke von Haydn heraus, darunter das Stabat mater und die Cantate Arianna a Naxos, von der ihm Haydn in Esterház das Autograph geschenkt hatte. Bland, der in späteren Jahren sein Geschäft an Mr. Purday verkauft hatte, besuchte einst als 90jähriger Greis sein ehemaliges Gewölbe und erzählte dem Besitzer daß er der Erste war, der nach Deutschland hinüberging, um Haydn für die Salomon-Concerte zu gewinnen.147 Auch bestätigte er die bekannte Anekdote, daß er bei seinem Besuche Haydn gerade vor dem Spiegel antraf, um sich zu rasiren. »Ach! Mr. Bland (rief er aus, denn er litt unter seinen eigenen Händen Höllenqualen), hätte ich doch ein gutes Paar englischer Rasirmesser, mein bestes Quartett würde ich darum geben«. Rasch eilte Bland in den nahe gelegenen Gasthof, holte seine eigenen Messer und übergab sie Haydn, der ihm hocherfreut dagegen ein eben fertig gewordenes Quartett (Nr. 5 der Tost'schen) übergab, das seitdem unter der Bezeichnung »Rasirmesser-Quartett« bekannt ist.
Drei Clavier-Trios (h. 7, 8, 9) hatte Artaria schon im August 1788 bestellt. Am 26. October schreibt Haydn: »Um Ihre 3 Clavier-Sonaten besonders gut zu componiren, ware ich gezwungen, ein neues forte-piano zu kauffen«. Er rechnete dabei auf Vorschuß von Artaria, an den er sich weiterhin bittend wendet: »nun da es Ihnen schon längst bekannt seyn wird, daß auch denen gelehrten zu zeiten das Geld mangelt, unter welchen es auch jezo[235] mich betrifft« und ersucht ihn daher, ihm 31 Species-Ducaten vorzustrecken und auszuzahlen an den Orgel- und Instrument-Macher Wenzl Schanz. Ende März 1789 sendet er an Artaria die dritte Sonate »welche ich also nach ihrem geschmack mit Variazionen ganz neu verfertigte (nämlich Nr. 7. der zweite Satz). bitte, alle 3 baldmöglichst zum stich zu befördern, weil schon viele mit schmerzen darauf warten«. Am 5. Juli hatte Haydn die Trios sammt einer Fantasie schon gedruckt in Händen, »nur bedaure ich, daß hie und dort einige fehler mit eingeschlichen sind, welche nunmehro nicht mehr abgeändert werden können, weil sie schon verschickt und zum verkauf hindan gegeben worden. es ist immer schmerzlich für mich, daß noch kein einziges Werk unter Ihrer aufsicht fehlerfrey ist. Sie hatten mir sonst vor der Herausgabe immer den allerersten abdruck eingesandt und Sie thaten vernünftig« ..... und so geht die Klage weiter.
Die eben erwähnte in bester Laune geschriebene Fantasia (k. 4), welche noch heuzutage in Concerten gespielt wird, instrumentirte der Musikdirector Ignaz Ritter von Seyfried und benutzte sie als Ouverture zu dem seinerzeit in Wien, Berlin und andern Städten oft gegebenen Singspiel »Die Ochsenmenuet«, mit Musikstücken von Haydn ausgestattet.148
Ein nicht minder bekanntes Capriccio (k. 3) über das Volkslied »Ich wollt' es wäre Nacht«, bietet Haydn am 29. März in folgender selbstgefälliger Weise Artaria an: »Ich habe bey launigter stunde ein ganz neues Cappriccio für das forte piano verfaßt, welches wegen geschmack, seltenheit, besonderer ausarbeitung ganz gewiß von Kennern und Nichtkennern mit allen beyfall muß aufgenohmen werden. Es ist nur ein einziges stuck, etwas lang, aber nicht gar zu schwer; nachdem Sie immer von meinen werken den vorzug haben, so biete ich es Ihnen dar für 24 Ducaten: der Preiß ist etwas hoch, aber ich versichere Sie einen Nutzen davon zu schöpfen«. Am 6. April sendet er Assecuranz-Quittung und Capriccio »mit gänzlicher Versicherung daß es keine andere Seele aus meiner Hand empfangen solle. Es ist[236] mir aber leyd, daß ich vermög meiner Arbeith von diesen 24 ⌗ keinen Kreutzer nachlassen kan«.
In dieses Jahr fällt auch die Composition der schon erwähnten Arianna a Naxos(n. 9), einer umfangreichen Cantate für eine Singstimme mit Clavierbegleitung (Rec.: Teseo mio ben. Arie: Dove sei mio bel tesoro). Die seit Monteverde von vielen Componisten (namentlich von Benda) mit Vorliebe benutzte Sage schildert den Moment, wo Ariadne an felsiger Meeresküste erwachend, in der Ferne Theseus' Schiff mit vollen Segeln davoneilen sieht. Haydn's Composition, eine hochdramatische Opernscene, drängt nach Instrumentation und wurde in dieser Gestalt vom Kapellmeister G.A. Schneider149 in Berlin bei der Gedächtnißfeier Haydn's im Sept. 1809 und später auch in München, Leipzig und anderwärts mit Beifall aufgeführt. Ihre häufigen Auflagen in Deutschland, Frankreich, England, Italien (in Wien bei Artaria) sprechen für ihre Beliebtheit. »Abgesehen von den Oratorien, ist sie mir die liebste Gesangs-Composition (sagte Rossini zu Hiller),150 namentlich ist das Adagio darin sehr schön« (und er begann ein gutes Stück davon zu singen). Daß Haydn selbst seiner »lieben Arianna« mit Vorliebe gedenkt, sahen wir bereits. Die Musik mußte einmal sogar als Basis zum Schlußact von Vigano's Ballet »Otello« dienen, das 1818 in Mailand aufgeführt und zu diesem Zweck eigens instrumentirt und hie und da der Action anpassend erweitert wurde.151
Weitere Compositionen aus diesem Jahre:
1 Claviersonate (f. 27) im Druck erschienen.
1 Sopran-Arie »Infelice sventurata« (n. 10) in Autograph
Im Januar 1790 verlebte Haydn glückliche Tage in Wien, deren Nachhall noch in seinem nächsten Briefe aus Esterház nachklingt. Und wiederum war es das v. Genzinger'sche Haus, das ihn festhielt. Am 29. war daselbst Quartett-Abend, zu dem ein »Pater Professor« (wohl von den Schotten) und der ausgezeichnete[237] Violinist, Großhändler v. Häring eingeladen waren. »Herr v. Häring (schreibt Haydn am 23. Jan. an seine Freundin) schätzte sich glücklich mir dißfalls dienen zu können, um so viel mehr, da ich Demselben die aufmerksamkeit, und alle die übrigen schönen Verdienste von Euer Gnaden abschilderte. nun wünsche ich mir nichts als einen kleinen beyfall«. Es wurden also Haydn'sche Quartette und wohl die neuesten (die Tost'schen) durchgenommen. Ferner sehen wir Haydn wiederholt an der Seite Mozart's, der damals vollauf beschäftigt war mit seiner Oper Così fan tutte, deren erste Aufführung Dienstag den 26. im National-Hoftheater stattfand. Am 19. (Dienstag) schreibt Mozart an Puchberg, seinem Freunde und steten Helfer in der Noth: »Morgen ist die erste Instrumental-Probe im Theater – Haydn wird mit mir hingehen – erlauben es Ihre Geschäfte, und haben Sie vielleicht Lust der Probe auch beyzuwohnen, so brauchen Sie nichts als die Güte zu haben, sich Morgen Vormittag um 10 Uhr bei mir einzufinden, so wollen wir dann alle zusammen gehen«.152 Und dann wieder: »Donnerstag (14. oder 21.) aber lade ich Sie (aber nur Sie allein) um 10. Uhr Vormittag zu mir ein, zu einer kleinen Oper-Probe; – nur Sie und Haydn lade ich dazu«.153 Daß Haydn auch der ersten Aufführung der Oper beiwohnte, darf man wohl für gewiß annehmen, sowie er auch einer der Aufführungen von Le Nozze di Figaro (8. Jan. oder 1. Febr.) besucht haben muß, deren Melodien ihn noch nach der Rückkehr in Esterház des Nachts im Traume umschwebten. Nur allzu rasch eilten diese sonnigen Tage vorüber. Nochmals erfolgte eine Einladung für den 2. Februar in den Schottenhof, allein Haydn mußte ablehnen, denn – »morgen kehre ich wieder zur traurigen Einsamkeit!«
Treten wir unterdessen dem oben und schon früher (S. 213) genannten Manne, dessen Gefälligkeit Haydn auch in Geldangelegenheiten in Anspruch nahm154 und der seinen Namen in Mozart's Lebensgange in so schöner Weise verewigt hat, etwas näher.
Puchberg's Großvater, Johann Mathäus, geb. 1670 in Franken, machte sich zu Anfang des 18. Jahrhunderts durch[238] Güterankauf in und um Krems an der Donau ansässig und starb daselbst am 5. Mai 1753. Sein Sohn Johann Michael wurde Syndikus in Zwettel und erduldete als Geißel im Krieg gegen die verbündeten Baiern und Franzosen harte Gefangenschaft. Sein sechstes Kind, Johann Michael, geb. 21. Sept. 1741, ist unser in Rede stehender Puchberg. Derselbe erwarb sich frühzeitig wissenschaftliche Kenntnisse, erlernte das höhere Merkantil- und Fabrikfach, wurde Director der k.k. priv. Niederlage des Michael Saliet, heirathete die Wittwe desselben und trat mit ihr in ein ordentliches Handlungsbündniß. In dieser Stellung unterstützte er viele Fabrikanten aus seinem beträchtlichen Vermögen und wurde Großhandlungs-Gremialist. Nach dem Tode seiner Frau (1784) heirathete er Anna Eckert. Aus seiner ersten Ehe stammte eine Tochter, Josepha, geb. 1781, aus der zweiten Ehe ein Sohn, Xaver, geb. 1788. Dies war der Bestand der Familie zur Zeit, als Mozart und Haydn mit Puchberg verkehrten. Mit seinem älteren Bruder, Franz Xaver, der 30 Jahre lang in Passau eigene Handlung geführt hatte. kam Puchberg im Jan. 1793 bei der Regierung ein um Verleihung des Adelsstandes mit dem Prädikat Edler von und zwar in Berücksichtigung der eigenen sowie der Vorfahren Verdienste und des Umstandes, daß ihre Familie ohnedies altadeligen Herkommens sei, das Diplom aber verloren gegangen sei. Erstgenannter Johann Mathäus hatte nämlich, ein seltener Mann, vor seinem Tode alle auf seinen Adel bezüglichen Urkunden vernichtet, indem er erklärte, wer von seinen Nachkommen nach dieser Auszeichnung verlange, solle sich dieselbe durch eigene Verdienste erwerben. So sehen wir denn auch seinen zweiten Sohn, Johann Mathias, k.k. Hofrath († 1788) im J. 1780 in den Ritterstand erhoben. Im April 1794 wurde die Michael Saliet'sche Niederlags-Handlung aufgelöst und Puchberg als selbstständiger privilegirter Großhändler erklärt. Acht Jahre später lesen wir: »Vermöge Regierungsdecret dat. 30. März 1802 ist diese Großhandlung kassirt worden«. In derselben Zeit am 22. März, starb auch der ältere Bruder.155
Wir folgen nun Haydn nach Esterház. Er fühlt sich sehr unglücklich. »Da sitze ich in meiner Einöde (schreibt er am[239] 9. Februar an Marianne) – verlassen – wie ein armer Waiß – fast ohne menschlicher Gesellschaft« ... und nun folgt ein langes Register voll Klagen – »selbst mein Forte piano, daß ich sonst liebte, war unbeständig, ungehorsam, es reizte mich mehr zum ärgern, als zur beruhigung« – und, wo möglich, steigerte noch der fatale Nordwind und das übel bestellte Kosthaus Haydn's üble Laune.
Doch es blieb nicht lange Zeit zu Klagen. Am 25. Februar verschied zu Eisenstadt die Gemalin des Fürsten Marie Elisabeth, mit der er seit dem Jahre 1737 vermählt war, nach langwieriger Krankheit im 72. Lebensjahre.156 »Dieser Todesfall (schreibt Haydn am 11. März an Marianne) drückte den Fürsten dergestalt darnieder, daß wir alle unsere Kräfte anspannen mußten, Hochdenselben aus dieser schwermuth herauszureißen; ich veranstaltete demnach die ersteren 3 Tage abends große Cammermusic, aber ohne gesang. Der arme Fürst verfiel aber bey anhörung der ersten Music über mein Favorit Adagio in D in eine so tiefe Melancoley, daß ich zu thun hatte, Ihm dieselbe durch andere Stücke wieder zu benehmen. wir spielten schon den 4. Tag opera, den 5. Comedie, und endlich wie gewöhnlich die täglichen Spectacul, beorderte zugleich die alte operaL'amor artigiano von Gaßmann einzustudiren, weil sich der Herr kurz vorhero geäußert hatte, sie gerne zu sehen und machte dazu 3 neue Arien« .....
Es folgen noch sieben Briefe Haydn's an Marianne, der letzte vom 15. August datirt. Es mögen nicht die angenehmsten Monate gewesen sein, die er in Esterház verlebte. Seine Klagen, seine trübe Stimmung von damals haben wir schon früher (S. 35) kennen lernen. In diese Zeit fällt die Composition der schon erwähnten Sonate Es-dur (f. 28) die im Auftrag seiner »Gebieterin der Mademoiselle Nanette« für Marianne bestimmt war, zu der Haydn aber eigentlich nur das Adagio neu componirte, was die Bestellerin freilich nicht wissen durfte »weil Sie sich ansonst andere begriffe von mir machen könnte, welche mir nachtheilig seyn könnten ich muß sehr behutsam seyn, um Ihre gnade nicht zu verliehren«. Haydn spielte ihr die Sonate in Gegenwart[240] des Fürsten vor und erhielt als Zeichen des Beifalls aus ihren Händen eine goldene Tabaksdose zum Geschenk. »Schade (schreibt Haydn später) daß diese kleine goldne Dose, so Sie mir gegeben, und getragen hat, so voller fleck ist, vielleicht kan ich sie in wienn ausbessern lassen«.
Mitten hinein in diese letzte Zeit in Esterház erhielt Haydn eine Einladung des Fürsten Oettingen-Wallerstein, im Laufe des Jahres auf seine Kosten zu ihm nach Ludwigsburg in Würtemberg zu kommen, »indem hochderselbe ein so großes Verlangen trage, mich persöhnlich zu kennen (angenehme aufmunterung für meinen schwachen Geist). ob ich mich aber zu dieser Reise werde resolviren können, ist eine andere Frage?« Der Einladung war beigelegt »eine ganz niedliche, 34 Ducaten schwere, goldene Tabattier«. Allerdings mochte der Fürst, der auf seinem Schlosse eine ansehnliche Musikkapelle unterhielt,157 gewünscht haben, Haydn's persönliche Bekanntschaft zu machen, da er und seine Kapelle ihn längst in seinen Werken verehrten. Rosetti obendrein, der, wie wir sahen (S. 104) längere Zeit in Esterház war und nun des Fürsten Kapelle dirigirte, mag das Verlangen, ihn zu sehen, noch mehr angefacht haben. –
Die Tage in Esterház waren gezählt. Wohl wurden auch jetzt noch einige Mitglieder für die Oper engagirt (Giuseppe Amici und Pietro Majeroni im März, Therese Melo im Juli, Philippo Martinelli am 1. August), doch es sollten die letzten sein, denn am 28. September verschied zu Wien nach kurzer Krankheit im 76. Lebensjahre Fürst Nicolaus Esterházy.158 – Es war derselbe Fürst, bei dem Haydn (wie er 1776 schrieb) »zu leben und zu sterben« wünschte und dessen er noch im Greisenalter als seines »gütigen und großmüthigen« Herrn gedachte.[241] Dagegen gab ihm aber auch der Fürst einen Beweis von Werthschätzung, denn er vermachte ihm testamentarisch eine lebenslängliche Pension von Tausend Gulden und »dereinst seiner Wittwe die Hälfte« (welcher Fall glücklicher Weise nicht zur Ausführung kam). Außer Haydn erhielten noch Luigi Tomasini 400 und der Sänger Leopold Dichtler 300 Gulden lebensl. Pension.
Fürst Anton (geb. 11. April 1738), der nun die Regierung antrat, hatte keine Neigung für Musik. Er entließ sofort die ganze Kapelle und behielt nur die Feldmusik (Harmonie) in Diensten, die auch bald darauf in Preßburg im Vereine jener des Fürsten Grassalkovics bei der Krönung (15. Nov.) und im April 1791 in der Akademie der Tonkünstler-Societät sich mit einem Tonstück von Druschetzky für 21 blasende Instrumente producirte. Haydn und Tomasini blieben übrigens in ihrer Stellung und wurde ihnen von 1. Novbr. an zu ihrer Pension noch 400 Gulden jährlicher Gehalt angewiesen. Haydn hatte damit nur die Verpflichtung, seinen Titel als fürstlicher Kapellmeister beizubehalten – ein General ohne Armee, der aber nun mit seiner Muße frei schalten und walten konnte.
Noch ein einzigesmal erlebte Esterház einen kurzen Nachglanz seiner alten Tage. Es war am 3. August 1791 beim Installirungsfest des Fürsten in der Erbwürde eines Obergespans der Oedenburger Gespanschaft. Haydn wurde dazu von London zurückberufen, konnte aber natürlich nicht abkommen. »Ich erwarte nun (schreibt er an Marianne) meine entlassung, hoffe aber anbey daß mir Gott die Gnade geben wird, durch meinen fleiß diesen Schaden in etwas zu ersetzen«. An seiner Statt wurde sein Pathenkind, Joseph Weigl, damals Kapellmeister im Hoftheater, beauftragt, eine von Abbate Casti gedichtete Cantate Venere e Adonis zu componiren. Bei der Aufführung sangen die Mitglieder der Hofoper: Mlle Giuliani, Mme Busani, die Herren Calvesi und Adamberger. Außerdem waren an drei aufeinander folgenden Tagen Oper, Ball, Beleuchtung des Schlosses und Parks und Feuerwerk von Stuwer. Die Erzherzoge Franz, Karl und Leopold und eine Menge Adel wohnten dem Feste bei; die Installation vollzog der Palatin, Kardinal Fürst Primas von Ungarn.159 Der Fürst war über Haydn's abschlägige[242] Antwort wohl ungehalten, empfing ihn aber nach seiner Rückkehr doch nur mit dem einzigen Vorwurf: »Haydn! Sie hätten mir vierzigtausend Gulden ersparen können«.
Wir nehmen Abschied von Esterház. Der Besucher von heutzutage wird kaum noch durch irgend ein Zeichen daran erinnert, daß hier in einer Reihe von Jahren Fest an Fest sich reihte, daß der glänzendste Adel hier einem der kunstsinnigsten und reichsten Fürsten huldigte; daß nicht nur die Tonkunst sondern die Künste überhaupt mitten in einer flachen, eintönigen Gegend gepflegt wurden. Wohl steht noch das reizende Palais, aber seine Kunstschätze von ehedem wanderten nach Wien, Eisenstadt und dem Bergschlosse Forchtenstein. Die kostbar ausgestatteten Räume stehen theils leer theils sind sie zu Kanzleien verwendet. Das Schauspielhaus wurde 1870 abgetragen, die zierlichen Pfeiler und Gesimse wurden von Spekulanten zu profanen Zwecken verwendet. Das Marionetten-Theater wurde zu einer Fabrik umgewandelt, die Marionetten-Figuren sowie die Garderobe der Oper kaufte 1798 um 1000 Gulden die Gräfin von Klutscheszky. Das Musikgebäude diente einige Zeit zur Aufstellung von Webstühlen und später zu Beamten-Wohnungen. Der kunstvoll angelegte Garten ist jeden Schmuckes beraubt; die Springbrunnen sind versiegt, die Treibhäuser verschwunden; die Lustgebäude sind der Erde gleichgemacht und der baumreiche, weit ausgedehnte Park wurde Stück um Stück gelichtet und zum Anbau von Feldfrüchten verwendet und selbst die weit umfassende Mauer erleichtert in ihrem Verfall jedem Anwohner den Eintritt. »In der Lesch« sagt nun der gemeine Mann, womit er bedeutet, daß er in diesem Revier gewesen, wo einst die ersten Cavaliere und Damen in lauschigen Gängen gewandelt und lange Reihen von fürstlichen Equipagen die Gäste von Lusthaus zu Lusthaus führten. Das Leben ringsum spiegelt die Einförmigkeit eines abgelegenen Stück Landes und selbst der See, der einst fast bis zu den Thoren des Schlosses reichte, ist in seinen Ufern weit zurückgetreten, als wolle er andeuten, daß er hier nichts mehr zu suchen habe. Wohin auch der Blick sich wendet: Alles mahnt an die Vergänglichkeit irdischer Pracht und Herrlichkeit. –
Haydn war nun frei, die Welt stand ihm offen. Nach Wien! Wo anders hin konnten seine ersten Gedanken gerichtet sein? Einstweilen nahm er dort Wohnung im Hause des Johann Nepomuk[243] Hamberger, kaiserl. Beamten »ein sehr guter Freund von mir (schreibt Haydn), ein Mann von langer Statur und Haus-Herr von der Meinigen« (Provincialismus statt »meiner Frau«). Das Haus war still und ruhig gelegen auf der damaligen sogenannten Wasserkunst-Bastei, mit der Aussicht auf das mit üppigen Kastanien-Alleen bepflanzte Glacis.160 Haydn mußte es in Esterház sehr eilig gehabt haben, denn er ließ (wie er von London aus an die Polzelli schreibt) alle seine Sachen zurück, wohl in der Voraussetzung, sie bei gelegener Zeit abzuholen. Dazu aber sollte es nicht kommen, denn kaum glaubte er, sich als sein eigener Herr zu fühlen, als er auch schon einen Antrag erhielt, die Kapellmeisterstelle beim Fürsten Anton Grassalkovics zuübernehmen. Er lehnte dankend ab, sah sich aber nur zu bald durch ein weit gefährlicheres Anerbieten auf die Probe gestellt. Während er eines Tages bei der Arbeit saß, ließ sich ein Fremder bei ihm anmelden und stellte sich mit den Worten vor: »Ich bin Salomon von London und komme, Sie abzuholen. Morgen werden wir einen Accord161 schließen«.
Salomon,162 der schon erwähnte Violinspieler und Concertunternehmer, erzählte nun Haydn, daß er auf der Rückreise von Italien, wo er Sänger für die italiänische Oper in London engagirt hatte, in Köln zufällig in einem Zeitungsblatt die Nachricht von dem Tode des Fürsten las, worauf er unverzüglich[244] nach Wien geeilt sei. So stand nun Haydn dem Manne selbst gegenüber, dem er so oft aus Rücksicht für den Fürsten die Reise nach London abgeschlagen hatte. Dies Haupthinderniß war nunmehr beseitigt und Salomon hatte klug berechnet, jedes weitere Bedenken durch seine persönliche Einwirkung zu beheben.
Gar so rasch sollte es aber doch nicht abgehen. Haydn stimmte zwar zu, obwohl auch jetzt noch zögernd und nur unter der Bedingung, daß der Fürst seine Einwilligung zur Reise gäbe, aber die Vorbereitungen erforderten Zeit und Haydn hatte eben jetzt eine Arbeit für den König von Neapel übernommen, der sich in Wien befand und dem er sie selbst überreichen sollte.
Damit stehen wir vor einem seltenen Fest, das bereits am 19. September in Wien stattgefunden hatte – eine dreifache Vermählung bei Hofe: Erzherzogin Marie Clementine mit dem Kronprinzen Franz von Neapel (durch den Erzherzog Karl vertreten), die neapolitanischen Prinzessinnen Marie Therese und Ludovika Louise mit den Erzherzogen Franz (nachmals Kaiser Franz II,) und Ferdinand, Großherzog von Toscana. König Ferdinand von Neapel und seine Gemalin, Erzherzogin Karoline waren in Begleitung ihrer beiden Töchter am 15. September in Wien angekommen. Abends besuchte der König und seine Schwester, die Kaiserin Marie Ludovika, das National-Hoftheater, wo zum erstenmale die Oper La Caffettiera bizzarra von Jos. Weigl aufgeführt wurde. Am 17. war im Rittersaal der Burg die Verlobung der Erzherzogin Clementine (Erzherzog Franz als Stellvertreter des Bräutigams); am 19. die Vermählung in der Augustiner Hof- und Pfarrkirche; am 20. Aufführung der OperAxur von Salieri, wobei der ganze Hof erschien.163 Zur Feier der Vermählung war während der offenen Tafel im Redoutensaale ein großes Concert unter Salieri's Direction. Die Sängerinnen Cavalieri und Calvesi und die Oboisten Gebrüder Stadler ließen sich hören; eine Symphonie von Haydn war dem Könige so bekannt, daß er häufig mitsang. Seiner Vorliebe für die Leier wurde schon gedacht; auch die Königin war als Tochter der Kaiserin Maria Theresia musikalisch gebildet. Im Gesang war Mancini ihr Lehrer. Daß Salieri gerade eine Symphonie von Haydn gewählt hatte, mag absichtlich geschehen[245] sein, da er wohl wissen mußte, daß sowohl Kaiser Leopold als auch der König ihm gewogen waren. Mozart war gänzlich ignorirt worden, was ihn tief schmerzte.
In Marie Therese, der nachmaligen Kaiserin, gewann Haydn eine neue Gönnerin. Sie hatte große Empfänglichkeit für Musik, sang vortrefflich und interessirte sich für jede neue Erscheinung im Gebiete der Kunst überhaupt. Beethoven widmete ihr sein Septett; Eybler wurde von ihr beauftragt, ein Requiem zu schreiben; Michael Haydn, den sie zweimal nach Hofe beschied, mußte eine Messe und ein Requiem für sie schreiben und vermuthlich war auch Joseph Haydn's Theresien-Messe für sie bestimmt. Sie besuchte regelmäßig die Akademien der Tonkünstler-Societät, hörte Haydn's »Sieben Worte«, die zwei großen Oratorien und verlangte auch (wie wir gesehen) nach der Partitur des »Tobias«. Was damals von Haydn erschien, befand sich fast alles in einzelnen Exemplaren in der Kaiserlichen Musikalien-Sammlung und rührte ohne Zweifel noch von der Kaiserin her.
Der König reiste mit seiner Gemalin (als Graf und Gräfin von Castellamare) am 24. September von Wien ab, wohnte am 9. October in Frankfurt a. M. der Krönung Leopold's als deutschen Kaisers und am 15. Nov. in Preßburg der Königskrönung bei und war am 20. November wieder in Wien.
Unterdessen hatte Haydn alle Vorkehrungen zur Reise getroffen und war ihm Salomon nicht von der Seite gewichen. Und er hatte alle Ursache dazu, denn fast scheint es, als sei jener im letzten Augenblick noch wankelmüthig geworden. Hören wir einen Correspondent aus Wien, der darüber am 16. Febr. 1791 nach London schreibt:164 »Niemals würde Salomon den Herrn Hayden, dieses große unnachahmliche Genie, aus der ruhigen Sphäre einer häuslichen Genügsamkeit herausgeangelt und ihn beredet haben, von seinem dermaligen Fürsten, Anton Esterházy unter was immer für einen Vorwande die Erlaubniß anzusuchen sich zu entfernen: nur Ihr glückliches Schreiben165 an den Herrn General Jerningham (engl. Gesandten) allein wirkte Wunder zum größten Erstaunen des musikalischen Cirkels dieser Stadt, und[246] jeden befremdete ein so unverhoffter Entschluß, dem der philosophische Karakter dieses ersten Virtuosen nicht unbekannt war. Welchen Dank ist Ihnen nicht unsere musikalische Welt schuldig, mein Bester, für Ihren letzten Besuch in Wien und für diesen wundervollen, glücklichen Brief«!
Der »Accord« mit Salomon war also geschlossen. Die Bedingungen, die Salomon für eine Saison einging, waren folgende: 300 Pf. Stig. für eine Oper für den Impressario Gallini; 300 ditto für 6 Symphonien und 200 ditto für deren Verlagsrecht (copy right; 200 ditto für 20 neue, in ebensoviel Concerten von ihm dirigirte Compositionen; 200 ditto als Garantie für ein Beneficeconcert. Salomon hatte hiervon im Voraus als Sichersleitung 5000 Gulden beim Banquier Fries & Co. zu erlegen. – Als Reisegeld hatte Haydn 500 Gulden vorräthiges Geld; dazu entlieh er vom Fürsten 450 Gulden. Eine Schatulle mit Staatspapieren, die er nicht angreifen wollte, übergab er Frau v. Genziger zur Aufbewahrung. Nach Maler Dies (S. 76) hätte Haydn auch um 1500 Gulden sein Haus in Eisenstadt für Reisezwecke verkauft, worüber aber jede Bestätigung fehlt und fehlen muß, da er seit 1778 nicht mehr als Hauseigenthümer genannt wird.
Endlich fühlte sich Salomon insoweit sicher, daß er es wagen konnte, Haydn's Reise nach England öffentlich anzeigen zu können. Er schrieb am 8. Dec. nach London an John Baptist Mara, den Gemal der berühmten Sängerin Mara und ersuchte ihn, die beigelegte Ankündigung im Morning Chronicle einrücken zu lassen, wo sie auch am 29. Dec. erschien. Wir lesen (hier deutsch wiedergegeben):
Wien, Mittwoch den 8. Dec. 1790.
Haydn's Ankunft.
»Herr Salomon, der nach Wien reiste, um den berühmten Herrn Haydn, Capellmeister Sr. Hoh. des Fürsten Esterházy, für England zu engagiren, benachrichtigt den hohen und höchsten Adel verehrungsvoll, daß er in der That ein Übereinkommen mit diesem Herrn unterzeichnet hat, in Folge dessen Beide in wenigen Tagen sich auf die Reise begeben werden und hoffen vor Ende des Monats in London zu sein. Herr Salomon wird alsdann die Ehre haben, den Freunden der Musik einen Plan zu Subscriptions-Concerten vorzulegen und hofft derselbe deren Zustimmung und Unterstützung zu erhalten.«
Haydn hatte die vom Könige von Neapel bestellten Stücke, 7 Notturni für 2 Liren (c. 15–21) längst fertig und um Audienz nachgesucht, die aber wiederholt verschoben wurde. Endlich sah[247] er sich mit seiner Arbeit dem Könige gegenüber. »Gut (sagte der König), übermorgen werden wir sie probiren«. Worauf Haydn: ›Eben an diesem Tage werde ich nach England abreisen‹. »Wie! (rief der König) und Sie versprachen mir doch, nach Neapel zu kommen« – womit er mürrisch das Zimmer verließ. Haydn wartete eine Weile, unschlüssig, ob er bleiben oder gehen solle. Endlich kam der König zurück. Sein Unwillen hatte sich gelegt; er gab Haydn ein Empfehlungsschreiben an den neapolitanischen Gesandten Fürst Castelcicala, nahm ihm das Versprechen ab, wenigstens nach seiner Rückkehr von London nach Neapel zu kommen und schickte ihm nachträglich eine kostbare goldene Dose.
So stand denn Haydn an einem ernsten, entscheidenden Wendepunkt seines Lebens: hier Neapel, wo er vielleicht in der Oper aufgegangen wäre – dort London, das seine höchste Entwicklung und Popularität besiegeln sollte.
Denken wir uns nun zurück in's Jahr der Übersiedlung Haydn's von Eisenstadt nach Esterház: den Baum, den wir damals in üppig grünem Laubwerk verließen – längst schon hat er seinen Blüthenflor abgeschüttelt. Hochstämmig, in voller Kraft steht er da, die Äste segenbringend belastet mit kerniger Labung. Kein Einzelner mehr erfreut sich seines Besitzes – er gehört der Welt. Und sie kommen von Nah und Fern und einem Jeden bietet er sein Theil und Alle blicken dankend zu ihm auf und preisen Stamm und Frucht. –
Außer den erwähnten Notturni für zwei Liren sind noch einige Compositionen aus diesem Jahre zu nennen. Obenan die Symphonie in Es (a. 63), die letzte vor den 12 Londoner Symphonien. Es ist dieselbe, die Haydn von London aus so oft und so dringend von Frau v. Genzinger begehrt. Er befürchtete sogar einen Verlust von 20 Pfd. Stlg., im Falle sie nicht zu rechter Zeit einträfe. Endlich, im März 1792, nach Verlauf von vollen 14 Monaten, kam sie an und fast gleichzeitig zweimal: zuerst in Auflagstimmen durch Hofrath v. Kees, der sie in Verwahrung hatte und nach Brüssel schickte, wo sie liegen blieben, dann in Partitur, welche Marianne besorgt hatte. Dies war Haydn um so lieber, da er es für nöthig hielt, vieles für die Engländer abändern zu müssen. – Nach längerer Pause sehen wir Haydn auch wieder dem Tanze huldigen und wieder war es Artaria, an den er schreibt: » .... hingegen müssen Sie auch,[248] um meine Schuld bey Ihnen zu tilgen, die 12 neuen sehr prächtigen Menuets und 12 Trio für 12 Ducaten übernehmen«. Wo Haydn nicht Zeit und Lust hatte, ließ er für dergleichen Andere für sich eintreten. So schreibt er an den jungen Eybler166 (22. März 1789): »Nun, bester Freund, bitte ich für mich 3 neue Tanzmenuette, aber jedweden mit einem Trio begleitet, zu componiren, die Ursache meiner Bitte werde ich Ihnen bei Gelegenheit selbst entdecken, sage unterdeß nur so viel, daß diese 3 Menuette für einen meiner besten Freunde bestimmt sind«. – Die Variationen (k. 5) gehören zu den letzten kleinen Stücken, die Haydn in Wien componirte. Artaria mochte besorgt sein daß Haydn wegen der Abreise keine Zeit mehr übrig bliebe und so mußte er sich schriftlich verbindlich machen: »Ich Endes-Unterschriebener verspreche und verpfände mich, Herrn Artaria heut über 8 Tage die 6 neuen Variazionen für das Forte piano einzuhändigen. Wienn den 22. Nov. 1790«. – Die 3 Clavier-Trios (h. 10–13) sind dieselben, welche (wie wir früher sahen) Haydn für 135 Gulden als alleiniges Eigenthum an Artaria verkaufte und darüber einen Schein ausstellte. – Die schon erwähnte Sonate (f. 28) »welche aber in keine andere Hände kommen darf« hatte Haydn in Auftrag seiner »Gebieterin der Mademoiselle Nanette« (auf Veranlassung des Fürsten) für Frau v. Genzinger componirt. Die Sonate blieb aber nicht in den Händen der Freundin. Haydn schreibt darüber: »ich erschrack nicht wenig, als ich die unangenehme nachricht von der Sonate lesen mußte. bey Gott! ich wolte lieber 25 Ducaten verlohren haben, als diesen Diebstahl zu erfahren«. Haydn hatte sie selbst (wie früher erwähnt) vor dem Fürsten und der Nanette gespielt und »zweifelte anfangs der schwierigkeit wegen über dieselbe einigen beyfall zu erhalten«. Sie war schon ein Jahr zuvor für Marianne bestimmt und »nur das Adagio habe ich erst ganz neu dazu verfertigt, welches ich aber Euer Gnaden auf das allerbeste anempfehle; es hat sehr viel zu bedeuten, welches ich Euer Gnaden bei gelegenheit zergliedern werde; es ist etwas mühsam, aber viel Empfindung«.[249]
Weitere Compositionen aus diesem Jahre;
6 Streichquartette (d. 57–62), in Autograph vorhanden.
3 Arien, Einlage in Gaßmann's: L'amore artigiano; darunter Tenorarie »Da che pensa a maritarmi« (n. 11), in Autograph erhalten.
1 Lied »Trachten will ich nicht auf Erden«(o. 27), in Autograph vorhanden. Es ist am Vorabend von Haydn's Abreise componirt und Haydn schien dieser Umstand wichtig genug, ausnahmsweise am Schlusse des Liedes das volle Datum (14. Dez. 1790) beizusetzen.
Abschiedslied(o. 26), für Frau von Genzinger componirt.
Der Tag der Abreise, Mittwoch der 15. December, war angebrochen. Daß Mozart nicht fehlen würde, war vorauszusehen. Salomon hatte schon Tags zuvor beim Abschiedsmahle vorläufig mit ihm verabredet, daß er nach Haydn's Rückkehr unter ähnlichen Bedingungen nach London kommen sollte. Wie schwer mag Mozart der Tag geworden sein! War ihm doch eben von London kurz zuvor vom Director der italiänischen Oper das Anerbieten gestellt worden, von Ende Dec. 1790 bis Ende Juni 1791 seinen Aufenthalt in London zu nehmen und in dieser Zeit wenigstens zwei heitere oder ernste Opern zu schreiben, wofür ihm 300 Pfd. Stlg. geboten wurden nebst dem Vortheil, für die Professional-(Fachmusiker-) oder andere Concerte (mit Ausnahme der übrigen Theater) schreiben zu können.167 Mozart, der wiederholt aus eigenem Antrieb nahe daran war, nach England zu gehen und nur dem Vater zu Liebe die Reise unterließ, hätte diesesmal die Gelegenheit gewiß mit Freuden ergriffen, wenn er nicht im Augenblick gegründete Hoffnung gehabt hätte, in Wien selbst bei Hof eine höhere Anstellung als bisher zu finden. Getäuschte Hoffnung! Er blieb unberücksichtigt und sah obendrein seinen Lieblingsplan verscherzt.
Haydn hatte man von allen Seiten von der Reise abzuhalten gesucht. Man machte ihm Vorstellungen, daß er noch nie über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus gekommen sei und bereits in einem Alter stehe, in dem das ungewohnte Reisen[250] doppelt beschwerlich falle, worauf Haydn zuversichtlich die bündige Antwort gab: »Ich bin aber noch munter und bei guten Kräften«. Auch Mozart hatte Bedenken und meinte gutmüthig: »Papa! Sie sind nicht für die große Welt erzogen und reden zu wenig Sprachen.« Worauf Haydn: »Aber meine Sprache versteht man in der ganzen Welt«.
Der Augenblick der Trennung war gekommen. Haydn und Mozart waren bis zu Thränen gerührt, am meisten Mozart. Tief bewegt und voll Besorgniß für Haydn ergriff er dessen Hände beim Abschied und sagte ahnungslos: »Ich fürchte, mein Vater, wir werden uns das letzte Lebewohl sagen«!
Der Wagen fuhr davon. Noch einmal grüßte Haydn zurück, dann war er verschwunden .....
Mozart stand allein – der beste, der rechtlichste Freund hatte ihn verlassen – – sein liebes Auge sollte ihn nie mehr wiedersehen –!
1 Es war der Namenstag der Kaiserin, die bald darauf, am 20. Nov., verschied. Gewiß hatte der Fürst, ein eifriger Patriot und Verehrer der Kaiserin, gerade diesen Tag gewählt.
2 Taschenbuch für die Schaubühne. Gotha 1781. S. CLII.
3 La Fedeltà premiata, dramma giocoso per musica, da rappresentarsi nell' apertura del nuovo teatro di S.A. il Principe Nicolo d'Esterházy di Galantha, l'autumno dell' anno 1780.
4 Gotha, Th. Kal. 1788, S. 195.
5 Journal d. Luxus u. d Moden.
6 Ausführliches (wozu ich die Haydn'schen Daten lieferte) ist mitgetheilt von F.W. Jähns. Allg. Mus. Ztg. 1876, Nr. 48. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien besitzt in ihrem Archiv eine Partitur mit dem Titel »Alessandro il Grande. Opera seria in 3 atti dal. Sig. Gius. Haydn«. Eine dritte Hand schrieb auf den Schild: »1780 comp. mit dem Titel La fedeltà premiata, daher in seinem Verzeichniß seiner Opern kein Alessandro«. Selbst eine nur oberflächliche Untersuchung zeigt daß hier eine arge Fälschung vorliegt. Mit der genannten Oper hat dieser Alessandro gar nichts gemein. Die Arien sind von verschiedenen Copisten geschrieben (auch gedruckte Nummern sind dabei) und durch nachträgliche Recitative lose verbunden, die ursprünglichen Personennamen sind ausradirt oder unkenntlich gemacht. Von Haydn sind in diesem Conglomerat 2 Arien aus Armida und die Cantate »Ah come il core mi palpita«. Der Rest ist von verschiedenen Componisten, die aber nicht genannt sind. Auch die Außenseite der Partitur ist absichtlich in altem Zuschnitt gehalten. Es existiren mehrere Abschriften dieser gefälschten Partitur auf öffentlichen Bibliotheken, gleichwie von dem früher genannten Oratorium »Abramo ed Isacco« (S. 71) und der Oper Calypso abbandonata (S. 126).
7 Es liegen deren 70 im Original vor, von denen etwa die Hälfte veröffentlicht ist, Siehe Nohl, Musikerbriefe.
8 Johann Georg Augusti war Vice-Bürgermeister des Civil- und Criminal-Senates von 1788 bis 1801. (Siehe C. Weiß, Geschichte der Stadt Wien Bd II. S. 399.)
9 Hiller's Wöchentl. Nachrichten, 13. Stück.
10 Nicolai, Reise IV. S. 554.
11 Nachricht. Unter diesen Sonaten befinden sich 2 Stücke, welche mit dem gleichen Gedanken beginnen, nämlich das All° scherz. der Sonate II, und das All° con brio der Son V. Der Verfasser bemerkt im Voraus, dies absichtlich gethan zu haben, verändert jedoch in jedem Satze die Fortsetzung desselben Gedankens.
12 Le Gros, geb. zu Monampteuil 1739, gest. zu La Rochelle 1793, war Sänger der großen Oper in Paris und seit 1777 Director der concerts spirituels bis zu deren Auflösung in 1791.
13 Mozart componirte für diese Concerte die dreisätzige Symphonie in D. (Köchel, Nr. 297).
14 Sie gingen in 1791 ein, wurden aber 1805 erneuert. Ihnen reihten sich die in 1828 unter Habeneck entstandenen noch heute blühenden Concerts du Conservatoire an.
15 Nach Fétis schon 1770 durch den Verleger Sieber in den Conc. des Amateurs.
16 Grove, Dictionary of Music and Musicians, vol. I. p. 385. Siehe auch Fêtis, Curiosités hist. de la mus. p. 332 ff.
17 Fétis, Curios. hist. p. 334.
18 Deldevez, Curiosités musicales, p. 28.
19 Le Haydine, p. 222.
20 Pohl, Haydn in London, S. 89 f.
21 The Times, or daily Universel Register, printed logographically. 3 d. Es war eine Fortsetzung des am 13 Jan. 1785 eingegangenen London Daily Universel Register. (The fourth Estate. by F. Knight Hunt, 1850.)
22 Pohl, Haydn in London, S. 93 f.
23 Cramers Mag. d. Musik. 1784, S. 194. Wienerblättchen 1784, 1. Juni.
24 Dieser in ital. Sprache geschriebene Brief, 2 Seiten umfassend, wurde im Juli 1872 in London in einer Auction verkauft.
25 Don Thomas de Yriarte, geb. 18. Sept. 1750 zu Orotava auf der Insel Teneriffa, gest. zu Puerto de Sancta Maria in Andalusien.
26 La Musica, poema por D. Thomas de Yriarte, con superior permisso: en Madrid en la Imperenta Real de la Gazeta. 1779. 3. Aufl. 1789. Übersetzungen: La Musique, poëme, traduit par J.B.C. Grainville, et acc. de notes par Langlé. Paris, an VIII. –Music, a didactic Poem, transl. by John Belfour. London 1807. – La Musica, poema, tradotto da Gius. Carlo de Ghisi. Firenze, 1868.
27 Sólo á tu númen, Háyden prodigioso,
Las Musas concedieron esta gracia
De ser tan nuevo siempre, y tan copioso,
Que la curiosidad nunca se sacia
De tus obras mil veces repetidas.
Antes serán los hombres insensibles
Del canto á los hechizos apacibles,
Que dexen de aplaudir las escogidas
Cláusulas, la expresion, y la nobleza
De tu modulacion, ó la estra ñeza
De tus doctas y harmónicas salidas.
Y aunque á tu lado en esta edad numeras
Tantos y tan famosos Compatriotas.
Tú solo por la Música pudieras
Dar entre las naciones
Vecinas, ó remotas
Honor á las Germánicas regiones.
Tiempo há que en sus privadas Academias
Madrid á tus escritos se aficiona,
Y tú amor con tu enseñanza premias;
Miéntras él cada dia
Con la inmortal encina te corona
Que en sus orillas Manzanáres cria.
28 Puppo, Violinist und Orchesterdirector in Neapel, nannte Boccherini »die Frau Haydn's«, damit treffend den beiderseitigen Charakter ihrer Compositionen bezeichnend.
29 Die ersten bei Artaria verlegten Werke waren: 6 Quartette, Baron du Beine gew. op. 18; 6 ditto, op. 23; Concert für Violoncell, op. 34; 6 Trios für 2 Violinen und Baß op. 37.
30 Spero mi faranno un favore, che io stimeró moltis mo ed è che se alcuno di lor Sigri (come è probabile) conoscesse il Sigr. Giuseppe Haidn, scrittore da me, e da tutti aprezzato al Maggior segno, gli offra i miei rispetti, dicendoli che sono uno de i suoi più appasionati stimatori, e ammiratori insieme del suo Genio, e Musicali componimenti dei quali qui si fà tutto quel apprezzo, che in riyor di Giustizia si maritano.
31 Wiener Zeitung 1781. Nr. 80.
32 Michael Denis, geb. 1729 zu Schärding, gest. 1800, 29. Sept. zu Wien als Hofrath und Custos der Hofbibliothek.
33 Joh. Ernst Mansfeld, geb. zu Prag 1738, 14. Juli, gest. zu Wien 1796, 22. Febr., Zögling der k.k. Akademie der bild. Künste, k.k. Stempelgraveur a. d. Schule des J.M. Schmuzer. Von ihm existiren auch vorzüglich gestochene Porträte von Metastasio, Sir Robert Murray Keith (großbr. Gesandter in Wien), Joh. Thomas v. Trattnern, obige Grafen Hadik und Lascy etc. Ein zweiter Mansfeld, Joh. Georg, war k.k. Hof-Antikencabinet-Zeichner, Kupferstecher und Inhaber einer Schriftgießerei; er war zu Wien geboren 1763 und starb daselbst 1817. Von J.G. Mansfeld le jeune existirt Mozart's Porträt, Brustbild in Profil nach Posch, Artaria 1789.
34 Vollständiger:
Tibi, qui possis
Blandus auritas fidibus canoris
Ducere quercus
In amicitiae tesseram.
35 Er bestieg nach dem am 7. Nov. 1796 erfolgten Tode der Kaiserin Katharina als Paul II. den russischen Thron und starb am 11. März 1801 eines gewaltsamen Todes.
36 Des Großfürsten erste Frau, gest. 26. April 1776, war eine Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Darmstadt.
37 Mozart's Briefe 1781 Aug. – Dec. – Jahn, Mozart I. 634 ff.
38 Wiener Zeitung Nr. 95.
39 W. Ztg. 1781. Nov., Dec.
40 W. Ztg. 1782, Nr. 1–9.
41 In der neuen Ausgabe bei C.F. Peters, Nr. 1351, her. von Alfred Dörffel sind aufgenommen: Nr. 3, 5, 6, 7, 8, 10 (bei Peters: Nr. 12, 27, 15, 28, 30, 26).
42 Geboren 1726 zu Kopidlno in Böhmen.
43 Hofmann war damals Chordirector bei St. Peter, später Domkapellmeister. Die ersten 24 Lieder sind von Karl Triberth, unserm ehemaligen Sänger in Esterház, nun Kapellmeister in Wien; die letzten 6 sind von Hofmann.
44 Biograph. Nachrichten, S. 70.
45 In Haydn's Katalog ist sowohl der Anfang der Symphonie als auch obiger letzter Satz als selbstständige Symphonie thematisch verzeichnet – ein Beweiß, wie wenig die oft citirte Zahl seiner Symphonien (118) mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Sind doch auch seine Ouverturen ebenfalls in diese Rubrik aufgenommen. Partitur und Auflagstimmen erschienen in jüngster Zeit bei Rieter-Biedermann (Nr. 5).
46 La bonne Princesse d'Esterhazi est morte hier au convent d'Eisenstadt a 11e du soir. (5. Juillet.) Zinzendorf spricht später auch über ihr Vermögen und ihre Vermächtnisse sowie über ihr wohl erhaltenes Aussehen (à 70 ans elle avait l'air d'en avoir cinquante).
47 Ad. Wolf »Fürstin Eleonore Liechtenstein«. Nach Briefen und Memoiren ihrer Zeit. 1875. S. 184.
48 Orlando Paladino, dramma eroicomico in tre atti, musica del celebre Sigr. Giuseppe Haiden. Da rappresentarsi nel teatro d'Esterhazi. l'anno 1782.
49 Vittoria! Vittoria! Trombette suonate le glorie cantate del grande Pasqual.
50 Gotha. Th. Kal. 1788, S. 195.
51 ditto 1792, S. 304.
52 Mozart's Schwägerin, Josepha Hofer, sang die Angelika, Schack den Roland, Gerl den Rodomonte.
53 Journal d. Luxus u. d. M.
54 Theater Kal. Mannh. 1795. S. 38 und 74; Journ. d. Lux. 1792: 5 Aug. mißfiel; 2. Sept. mit zweckmäßigen Abänderungen; 6. Sept. auf hohes Begehren; 18. Nov. auf höchsten Befehl. 1793. 14. Apr. auf höchsten Befehl. »Mit jeder Vorstellung wächst der Beifall dieser Oper«. 29. April in Gegenwart des Königs von Preußen.
55 Allg. Mus. Ztg. 1799. Nr. 22.
56 Tasch. s. Th. Mannh. 1795. S. 99. Journal d. Luxus u. d. Moden.
57 Journal d. Luxus u. d. Moden.
58 L. Schneider, Gesch. d. Oper u. d. Opernh. in Berlin 1852, S. 277. Goth. Th.-Kal. 1799. S. 261.
59 Mus. Taschenb. auf d.J. 1805. her. von Mann. S. 198.
60 Berl. Mus. Ztg. von J.F. Reichardt. 1805. Nr. 39.
61 Diese Ouverture ist auch unter der eigenthümlichen Bezeichnung »Saul« bekannt. Die Auflagstimmen erschienen bei Simrock.
62 Hof- und Staats-Schematismus.
63 Adels-Archiv. Nachkommen desselben leben noch heute in Wien.
64 Vergl. Bd. I. S. 121.
65 Pohl, Haydn in London, S. 210.
66 Fürst Nicolaus war geboren am 12. Dec. 1765; die Fürstin am 13. April 1768.
67 Wiener Zeitung, Nr. 76.
68 Der erste Fürst des Hauses war Paul, seit 8. Dec. 1687; vgl. Bd. I. S. 204.
69 Ernst Gideon Freiherr von Loudon, geb. 10. Oct. 1716 zu Trotzen in Liefland, trat 1742 in öster. Dienste und starb 14. Juli 1790 zu Neutitschein in Mähren. Er wurde in Hadersdorf bei Wien in dem Grabmal beigesetzt, das er sich selbst hatte erbauen lassen.
70 Sieg der beiden Helden Laudon und Coburg nebst der Danksagung des Herrn Schikaneder an das verehr. Publicum. Lied: All' Augenblick hört man was neues in der Welt, Besonders von unsern Soldaten im Feld ....
71 In neuester Zeit in Partitur und Auflagstimmen bei Rieter-Biedermann erschienen.
72 Thayer, Beethoven's Leben. II. S. 299.
73 Bibliothek der Sacred Harmonie Society in London. Haydn schickte die Oper nach London als Ersatz für den unvollendeten Orfeo.
74 Armida, dramma eroico. Da rappresentarsi nel teatro di S.A. il Sigr. Principe regnante Nicolò Esterhasi de Galantha. Posto in musica del Sigr. Maestro Hayden. l'anno 1784.
75 Goth. Th.- Kalender 1787, S. 201.
76 Wiener Zeitung 1785. Nr. 84.
77 Kelly debutirte in der ersten Vorstellung der ital. Oper am 22. April 1784.
78 Eine Beschreibung des Ortes giebt das Werkchen:Brevi notizie intorno ad alcuni piu celebri compositori di musica. Rovereto 1827.
79 Reminiscenses, vol. I. p. 221.
80 Französische Vorstellungen hatten nie statt gefunden und die Marionette war längst in Ruhestand versetzt.
81 Hantz Garden (Augarten), Luxemburg (Laxenburg), Grauben Street (Graben), Canatore Theatre (Kärnthnerthor-Theater).
82 Ein Mitglied dieser Familie war in Wien 17 Jahre früher gestorben. Wir lesen im Wiener Diarium 1766, Nr. 99: Gest. am 5. Chrisim. d. Hochedelgeb. Hr. Carl Friedrich v. Weber, S. reg. herzogl. Durchl. zu Württemberg-Stuttgard geh. Cab. Secr. u. S. Hochf. Durchl. v. Thurn u. Taxis wirkl. Hofrath, auch k. Reichspostmeister zu Canstadt in Schwaben, beim schwarz Adler auf d. Laimgrube, alt 33. (Im Todtenprotokoll als am 4. Dec. gest.)
83 Max Maria v. Weber, Carl Maria v. Weber, ein Lebensbild Bd. I. S. 15.
84 Das Stammbuch besitzt Heckel in Mannheim. Dr. Johannes Brahms hatte die Güte, mir eine Photographie obligen Blattes während seines Aufenthaltes in Ziegelhausen bei Heidelberg zuzusenden.
85 Wiener Zeitung, 22. Dec.
86 Wienerblättchen, 22. Dec.
87 Die Einnahmen der 31 Vorstellungen betrugen 11786 Gulden, die Unkosten im Ganzen 7856 Gulden.
88 Das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde besitzt aus der Sammlung des Cardinal-Erzbischofs, Erzherzog Rudolph, 9 Cadenzen von Haydn in Abschrift. Clementi gab bei J. Cappi (Verlagsn. 430) heraus: Musique caracteristique ou Collection de Preludes et Cadances pour le Clavecin ou P.F. comp. dans le style de Haydn, Mozart, Kozeluch, Sterke & Vanhal. (Auch Clementi selbst ist vertreten.) In Haydn's Manier sind 2 Präludien und 1 Cadenz.
89 Sie sind auch bei Artaria als Racolta de (14) Menuetti Ballabili per vari instrumenti erschienen.
90 In der Peters-Ausgabe, Nr. 1351, sind aufgenommen: Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11 resp. Nr. 13–16, 20–23 (bei Peters: Nr. 16, 29, 31, 24, 14, 11, 9, 8, 23).
91 Die Erzählung ist bei Dies (S. 115 ff.) und Griesinger (31 f.) ausführlich wiedergegeben. Das Autograph ist noch vorhanden.
92 O. Jahn, Mozart, Bd II, S. 91.
93 Wiener Zeitung. Nr. 102.
94 Lied mit Chor und Orgel zur Eröffnung der Freimaurerloge ; dreistimmiger Chorgesang mit Orgel zum Schluß. (Köchel Nr. 483 und 484.)
95 Daß dieß der früher genannte Franz Anton von Weber war, ist fast wahrscheinlich. Lesen wir doch von einem »maurerischen Beglaubigungsbrief« aus Wien. (Max Maria v. Weber, ein Lebensbild. Bd I. S. 22.)
96 Ich verdanke die Kenntniß dieses sowie eines früher (S. 23) erwähnten Briefes der Güte des Herrn Grafen Alexander v. Appony.
97 Journal für Freymaurer. Als Manuskript gedruckt für Brüder und Meister des Ordens. Herausgegeben von den Brüdern der zur wahren Eintracht im Orient von Wien. Zweyter Jahrgang. Zweytes Vierteljahr. 5785. Seite 175. ff.
98 Der jetzige dreifache Zins entspricht der Summe von damals.
99 Während seines Besuches hatte sich Leopold Mozart durch den Einfluß des Sohnes bewegen lassen, in den Freimaurerorden einzutreten, dem der Sohn bereits angehörte.
100 Ausführliches über diesen Besuch, siehe Jahn, Mozart Bd II, S. 8 f.
101 Nach dem Original mitgetheilt von L. Nohl, Neue Zeitschrift f. Musik, 1870, Nr. 40.
102 Diese letzteren 3 Quartette in B, A, C (Köchel, Nr. 458, 464, 465) waren componirt 1784. 9. Nov., 1785, 10. und 14. Januar.
103 Mozart, Band II, S. 9.
104 Al mio caro amico Haydn.
Un padre, avendo risolto di mandare i suoi figli nel gran mondo, stimò doverli affidare alla protezione e condotta d'un uomo molto celebre in allora, il quale, per buona sorte, era di più, il suo migliore amico. Eccoti dunque del pari, uom celebre ed amico mio carissimo, i sei miei figli. Essi sono, è vero, il frutto d'una lunga e laboriosa fatica, pur la speranza fattami da più amici di vederla, almeno in parte, compensata, m'incoraggisce e mi lusinga, che questi parti siano per essermi un giorno, di qualche consolazione. Tu stesso, amico carissimo, nell' ultimo tuo soggiorno in questa capitale me ne dimostrarsti la tua soddisfazione. Questo tuo suffragio mi anima sopra tutto, perchè io te li raccomandi e mi fa sperare, che non ti sembreranno del tutto indegni del tuo favore. Piacciati dunque accoglierli benignamente ed esser loro, padre, guida ed amico! Da questo momento io ti cedo i miei diritti sopra di essi, ti supplico però di guardare con indulgenza i difetti, che l'occhio parziale di padre mi può aver celati, e di continuar, loro malgrado, la generosa tua amicizia a chi tanto l'apprezza, mentre sono di tutto cuore il tuo sincerissimo amico
Vienna il 1° settembre 1785.
W.A. Mozart.
Die 6 Quartette erschienen zuerst bei Artaria Comp. als op. 10, Verlagsn. 59, unter dem Titel: Sei Quartetti per due Violini, Viola e Violoncello. Composti e dedicati al Signor Giuseppe Haydn, maestro di cappella die S.A. il principe d'Esterhazy etc. dal suo amico W.A. Mozart.
105 Die ihn überlebende Wittwe vermählte sich am 28. Jan. 1799 mit Karl Philipp Fürst von Schwarzenberg, k.k. Feldmarschall, der am 15. Oct. 1820 starb.
106 Vorbericht zu der bei Breitkopf und Härtel erschienenen Partitur.
107 Cramer's Mag. f. Mus. 1789. S. 51. – Eine Aufführung in demselben Jahre »in der Schloßkirche zu Wien« (Gerber, Lexikon 1790, S. 612; Siebigke, Mus. ber. Tonk. 1801) ist nicht nachweisbar.
108 Der Titel lautet: Musica instrumentale sopra le ultime Parole del nostro Redentore in croce, o siano 7 Sonate, con un Introduzione, ed al fine un Teremoto, per due Violini, Viola, Vcllo, Flauti, Oboe, Corni, Clarini, Timpani, Fagotti e Contrabasso.
109 Musikal. Real-Ztg., Speier 1788. 1. Stück. S. 1 ff.
110 Über die Art wie Haydn »bezahlt« wurde, hat sich folgende Anekdote erhalten: Haydn wartete lange auf das Honorar. Endlich kommt eine kleine Kiste an. Haydn läßt sie durch den Diener öffnen und findet zu seinem Erstaunen – eine Chokolade-Torte. »Was soll ich mit einer Torte machen«, murrt er fast unwillig. Indem er sie aber anschneidet, um dem Diener ein Theil zu geben, rollen ihm eine Reihe blanker Ducaten entgegen.
111 Griesinger, S. 33.
112 Wiener Allg. Mus. Ztg. 1813. Nr. 17.
113 Der Componist war nicht zu ermitteln, auch das Werk selbst existirt nicht mehr. Übrigens theilte mir Domkapellmeister F. Milosch gütigst mit, daß noch bei seiner Ankunft (1830) alljährlich am Charfreitag eine Grabmusik aufgeführt wurde.
114 Haydn's Textworte, beginnend: »Er ist nicht mehr«, sind. hier Rammler's, »Tod Jesu« (als Oratorium componirt von Graun) entnommen, von diesem recitativisch für eine Singstimme, von Haydn aber als Chorsatz behandelt.
115 Die Ausrufe findet man: I. II. VII – Lukas, Kapitel 23; III. IV – Johannes, Kap. 19; IV – Matthäus, Kap. 27.
116 Es sind Nr. 7 und 6, hier nach der Überschrift erwähnt. Nr. 7 richtiger: Vater! In deine Hände empfehle ich meinen Geist.
117 Das Tagebuch dieses, schon Bd I, S. 245. Anm. 39 erwähnten fürstl. Esterházy'schen Beamten wird uns im letzten Bande häufig als willkommene Quelle dienen.
118 Band I, S. 117 f.; Antonie Flamm S. 119 f.
119 Haydn's Vorgänger in dieser Compositionsgattung waren: Ludwig Senfl (vergl. Monatshefte f. Musikgeschichte, 1876, Nr. 12. S. 149). Joh. Glück (Allg. Wiener Mus. Ztg. 1843. S. 105); Heinrich Schütz (neu her. von Carl Riedel, 1873); Christoph Gottlieb Schröter (Hiller, Lebensbeschreibung berühmter Männer. S. 254). Nach Haydn: Graf Castelbarko; Jos. Lutz; Gounod, Mercadante, Th. Dubois (Paris 1870).
120 Geboren 1739, vermählt 1758, gest. 1811 zu Preßburg.
121 Dr. W. Rintel, C.F. Zelter, Berlin 1861. S. 155.
122 H.M. Schletterer, Joh. Friedrich Reichardt, 1865, Bd I, S. 464.
123 Band I, S. 257 und 267. Der Text steht (wie S. 267 angegeben) i. d. Boßlerischen Musik. Realzeitung s. d.J. 1788, Nr. 8, S. 47. Von der Cantate hat sich wenigstens der Singpart in Abschrift erhalten, wie mir Herr A. Quantz in Göttingen gütigst mittheilte, der dieselbe der Hofbibliothek in Berlin überließ.
124 Cramer's Mag. f. Musik, 1789. S. 15. Ein Reisender schrieb damals: »Wer dies Instrument nur vom Bauer hat spielen hören, sollte kaum glauben, daß sich etwas gescheutes darauf hervorbringen ließe, am wenigsten etwas von Wirkung, welches reizen könnte, auf Virtuosität es anzulegen. Dies Instrument ist aber wirklich einiger Behandlung fähig. Herr Pleyel der nie eine Leyer in der Hand gehabt hatte, entdeckte beim bloßen Berühren derselben gleich einige neue Nüancen und daran zu machende Verbesserungen«.
125 Die Notiz aus Königsberg steht in Cramer's Mag. f. Musik. I. S. 583.
126 Schönfeld, Jahrbuch der Tonkunst für Wien und Prag, S. 140.
127 Haydn konnte damals (der Brief ist im Decbr. geschrieben) noch nicht wissen, daß Mozart am 7. Dec. zum kais. Kammermusikus – freilich nur mit achthundert Gulden Jahresgehalt (!) – ernannt worden war.
128 Cramer's Mag. d. Mus. 1783. S. 388; 1787. S. 1386.
129 Man findet auch Pfeife und Triangel hinzugefügt. Die Stimmung der Instrumente ist folgende: Kukuk –G und E (nach diesen werden die Violinen und der Baß gestimmt); Trompete und Trommel – G; Wachtel – F. Allegro und Menuet erfordern mäßige Bewegung wegen dem Kukuk; das letzte Stück ist 3 mal zu spielen, zuerst Moderato, dann Allegro, zuletzt Presto.
130 Verlag Hofmeister, als Zugabe zu dem Clavier-Arrangement.
131 A.W. Mus. Ztg. 1841. S. 40.
132 Allg. Mus. Ztg. XXV. S. 670.
133 Dr. W. Viol, Aus dem Leben eines alten Organisten .....
134 Allg. Mus. Ztg. 1843. Nr. 9.
135 Vaterl. Blätter f. d. öst. Kaiserst. 1808. S. 53.
136 Thayer, Beethoven II. 390.
137 Nr. 100, 12. Dec.
138 Spohr, Selbstbiographie, I. S. 182.
139 Akten d. k.k. N.Ö. Merkantil- und Wechselgerichts. – Handlungs-Gremien-Schema von Wien. – Handelsstand-Kalender. – Handlungs-Gremium- und Fabriken-Adreßbuch. – Landesgerichts-Archivs-Akten.
140 Ein umfangreiches, dem Benedictiner-Stift gehöriges Gebäude, das sich der Kirche »Unserer lieben Frau zu den Schotten« anschließt. Es war das erste Mönchskloster in Wien, im 12. Jahrh. von Markgraf (sp. Herzog) Jasomirgott für schottische Benedictiner Mönche erbaut, an deren Stelle später deutsche Mönche dieses Ordens traten. Kloster und Kirche brannten bei der Türkenbelagerung 1683 ab, wurden 1690 wie der hergestellt. Das jetzige Klostergebäude wurde 1827–32 ganz neu aufgebaut.
141 Todtenprotokoll und Pfarr-Register.
142 Wienerblättchen 1784, 28. April.
143 Arianna a Naxos.
144 Pfarrregister und Todtenprotokoll. Bei des Vaters Tode lebten von den Kindern nur noch Josepha, Franz (Praktikant bei der N.-Ö. Regierung) und Peter Leopold (Fähndrich in einem Infanterie-Regiment). Letzterer starb 1807.
145 Haydn in London 1791 und 1792. Wien, Karl Gerold's Sohn 1861.
146 Ich verdanke die Kenntniß dieses bis jetzt gänzlich unbekannten Liedes durch Vermittelung des Herrn F. Wessely, Musikalienhändlers in Wien, der Güte des Besitzers, Herrn Anton Ruthner, der dasselbe von dem einstigen Pfarrer in Seefeld (Flecken in Oesterreich u. d. Enns) und dieser von Frau v. Genzinger selbst erhielt. Der als ein schon sehr bejahrter Mann geschilderte Besitzer war eigens vom Lande in die Stadt gefahren, um auf das Lied aufmerksam zu machen und ist seitdem spurlos verschwunden.
147 Mitgetheilt von C.H. Purday, engl. Componist und Sänger, in The Leisure Hour, 1880, Augustheft dieser Londoner Monatschrift.
148 Die erste Aufführung dieses Singspiels, dem eine durchaus erdichtete Anekdote zugrunde liegt, fand statt zum Benefice Seyfried's im Theater an der Wien am 13. Dec. 1823. Schon 1812 wurde in Paris nach derselben Idee ein Vaudeville von Hofmann aufgeführt: Haydn ou le Menuet du boeuf.
149 Bei Simrock in Auflagstimmen erschienen.
150 F. Hiller, Aus dem Tonleben unserer Zeit, Bd. II, S. 30.
151 Allg. Mus. Ztg. XX, Nr. 16.
152 G. Nottebohm, Mozartiana, S. 57.
153 Nottebohm, Mozartiana, S. 64.
154 Haydn schreibt am 20. Juni 1793 aus Eisenstadt an die Polzelli; »Spero che tu avrai ricevuto due cento fiorini spediti dal Sig. Buchberg, e forse gli altri cento, in tutto 300 fiorini.«
155 Adels-Archiv; K.F.B. Leupold, Allg. Adels-Archiv, Wien 1789; Handlungsschema; Acten des Landesgerichts.
156 Wiener Zeitung Nr. 19. Die Fürstin war am 21. März 1718 geboren und eine Tochter des Reichsgrafen Ferdinand von Weißenwolf.
157 Über des Fürsten Musikkapelle siehe Schubart, Ideen zu einer Aesthetik der Tonkunst. S. 166. – Schubart's Leben und Gesinnungen, her. von L. Schubart, S. 92. – Musik. Realztg. f. d.J. 1788, Bd I, S. 52.
158 Die Wiener Zeitung vom 29. Sept. schreibt: »Gestern den 28. d. M. verstarb alhier nach einer kurzen Krankheit d.h. R. Reichsfürst Nicolaus Esterhazy de Galantha. Sr. K. Maj. wirkl. gh. Rath und Kämmerer, Ritter d. g. Vlieses, Kommandeur d. mil. Maria Theresia Ordens, Generalfeldmarschall, Oberster und Inhaber eines ungar. Infanterieregiments, im 76. J. seines Alters. Der Leichnam wird nach Eisenstadt geführt und in die dasige fürstl. Esterhazy'sche Familiengruft beygesetzt.« Fürst Nicolaus, Sohn des regierenden Fürsten Joseph Anton (gest. 1721), war geboren zu Wien am 18. Dec. 1714.
159 Wiener Zeitung, Nr. 64 und 65.
160 v. Karajan, Haydn in London, S. 15. Das Haus wurde 1805 umgebaut und trägt heute (1881) die Nummer 15, Eingang von der Seilerstätte. Hier war es, wo Beethoven zuerst im Nov. 1792 als Schüler Haydn's ein- und ausging.
161 In dieser Weise erzählt in »Orpheus«, Musik. Taschenbuch, 1841, biogr. Skizze S. 345 ff. Des Wortspiels mit »Accord« und der ganzen überraschenden Scene erinnerte sich Haydn stets mit großem Vergnügen.
162 Johann Peter Salomon, geb. 1745 zu Bonn, machte sich frühzeitig als tüchtiger Geiger bekannt. Nach einer Anstellung als Concertmeister des Prinzen Heinrich von Preußen wandte er sich über Paris nach London, wo er 1781 im Coventgarden-Theater zum erstenmale auftrat und von da an seinen bleibenden Aufenthalt in England nahm. Er starb 28. Nov. 1815 zu London. Sein von Hardy gemaltes Porträt erschien in Stich von Facius bei Bland. Ein zweites von Lonsdale schenkte S. dem Museum seiner Vaterstadt. Beethoven schrieb bei der Kunde seines Todes an Ferdinand Ries (28. Febr. 1816): »Salomon's Tod schmerzt mich sehr, da er ein edler Mensch war, dessen ich mich von meiner Kindheit erinnere«. Ausführliches siehe Pohl, Haydn in London, S. 73–85.
163 Wiener Zeitung Nr. 74 u. d. folgenden Nummern.
164 Musikal. Korresp. d. teutschen Filarm. Gesellschaft 1791. Nr. 7.
165 Ohne Zweifel ist der früher genannte Mr. Bland gemeint.
166 Jos. Eybler, später Hofkapellmeister, wurde 1787 von Haydn an Artaria empfohlen, damit dieser 3 Cla vier-Sonaten »die gar nicht übel gesetzt sind« in Verlag übernehme.
167 Nottebohm, Mozartiana, S. 67 f.
Buchempfehlung
Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro