11.

Mißtöne.

[131] Mozart hatte den kommenden Tag eigenhändig, in einem kleinen Bündel zusammengepackt: seinen zweitbesten Anzug, nebst eines seiner feinen Hemden und Herrn Lange nach Neckarau in den »Schwanen« gebracht. Auch einen besseren Hut hatte er unaufgefordert beigelegt und freute sich nun herzlich, als sein neuer Bekannter so ausstaffirt aus des Schwanenwirths Kammer trat. Der bildschöne, junge Mann sah in der That sehr stattlich aus, und jetzt erst zeigte sich, wie fein und anmuthig er sich zu bewegen wußte.

Die Wirthin verschlang ordentlich mit triumphirenden Blicken die schöne Gestalt, und es war ausgemachte Sache, daß Lange jetzt allen unbewachten Frauenherzen sehr gefährlich werden konnte. Mozart aber freute sich über sein Werk wie ein Kind. Die edle, gute Seele war ja so uneigennützig, daß sie bei dem Anblick des fremden Mißgeschickes gar nicht an die eigenen schwierigen Lebensverhältnisse dachte.

Ach! hätte seine Mutter gewußt, was er hier im Uebermaß der Güte gethan, sie wäre verzweifelt, und zwar um so mehr, als sie der kluge Vater ja gerade dem Sohne mitgegeben, weil er dessen übertriebene Herzensgüte und Freigebigkeit neben seiner völligen Nichtachtung alles Geldes und Geldeswerthes kannte. Aber die gute Frau erfuhr die Sache erst, als sie nicht mehr zu ändern war, und nachdem sie Anzug und Hemd stundenlang gesucht und sich bis zur Nachhausekunft Wolfgangs über den Diebstahl die Augen roth geweint hatte. Was half es nun, daß sie die Hände über den Kopf zusammenschlug, Amadeus küßte sie so lange und war so zärtlich, sprach auch schön von Wiedergeben, daß die gute Mutter endlich schweigen mußte; aber sie ging doch noch den ganzen Tag herum und schüttelte den Kopf.

Freund Lange war unterdessen kreuzfidel. Von Mozart dem Intendanten vorgestellt, hatte er demselben durch sein gewinnendes Aeußere sogleich gefallen, und der Mann, der gestern das erste musikalische Genie seiner Zeit mit Achselzucken abgewiesen, engagirte heute ohne alles Weitere und nur auf eine kleine Probe hin, den ihm sonst ganz unbekannten Lange.[132]

Ein anderer Mensch wie Mozart würde sich sowohl durch dies Benehmen des Grafen Saviola, als auch durch diese Ironie des Schicksals auf's Tiefste getränkt und verletzt gefühlt haben. Amadeus nicht! .... seine Freude an Lange's Anstellung war von kindlicher Unbefangenheit, und als dieser nun – auf sein neues Engagement hin – auch noch um ein kleines Anlehen in Geld bat, so gab er ihm auch dies noch.

Aber wie stand es denn nun mit seinen eigenen Angelegenheiten? Er hatte sie über den neuen Bekannten ganz vergessen! .... vergessen, und doch galt es nur vor allen Dingen hier Rath zu schaffen. Aber da war freilich guter Rath theuer!

Von dem Churfürsten abgewiesen, lag allerdings die Weiterreise nach Paris am nächsten. Mozart hätte sich darüber auch – trotz der ungünstigen Jahreszeit – gar nicht besonnen, wenn .... ja wenn ihn sein Herz nicht an Mannheim gekettet hätte! Aber der Gedanke, sich jetzt schon wieder von Aloysia und der Familie Weber, die er so lieb gewonnen hatte, trennen zu müssen, war ihm unerträglich.

Wolfgang machte es also, wie wir Menschen es immer machen, wenn wir etwas thun sollen, und es doch nicht thun wollen! Er sah sich nach allen nur möglichen Entschuldigungsgründen um, warum er Mannheim jetzt noch nicht verlassen könne, und deren fanden sich genug, da das Benehmen des Hofes alle seine dortigen Bekannten empört hatte und machte, daß diese sich nur enger an ihn anschlossen. Cannabich versprach ihm Schüler; bei Hof-Kammerrath Serarius, einem anderen Freunde und Verehrer, sollte er und seine Mutter für die Zukunft freie Wohnung, bei Wendlings freien Tisch haben. Ein reicher Holländer endlich, der ein großer Musikfreund war, bot ihm zweihundert Gulden für drei kurze und leichte Clavier-Concerte und zwei Compositionen für die Flöte. Auch suchte man ihn zu veranlassen, einige Duette für Clavier und Flöte zu schreiben, die auf Subscription herausgegeben werden sollten. Das gab nun freilich Arbeit für wenigstens zwei Monate, und da die Anerbietungen ihm annehmbar zu sein schienen, (und sein Herz nicht von Mannheim lassen mochte) so entschloß er sich zu bleiben.52[133]

In der That gestaltete sich die nächste Zeit auch recht angenehm. Die Prinzessin von Weilburg-Oranien, die damals in Kirchheim-Boland wohnte und deren Vorliebe für Musik und dramatische Kunst allgemein bekannt war, lud Mozart zu sich ein. Er brachte in Gesellschaft Aloysia's und deren Mutter, die – ebenso wie Lange – auch geladen waren, acht glückliche Tage dort zu. Das war ein Musiciren, Declamiren, Aufführen von kleinen Opern und Lustspielen! und alles so nobel, so fein, so tactvoll und zugleich wieder mit so großer Freigebigkeit und Gastfreundschaft, daß man sich in das Elysium träumen konnte, zumal wenn man eine Geliebte, wie Aloysia, und einen Freund, wie Lange, zur Seite hatte. Auch im Weberschen Hause wurde das Leben immer angenehmer und behaglicher, wozu nicht wenig beitrug, daß Aloysia nun auch eine recht hübsche Gage vom Churfürsten bewilligt worden war, während sie das Publikum, als seinen Liebling, auf den Händen trug. Allerdings wurde dadurch Aloysia unmerklich und nach und nach der Haushaltung mehr entrückt. Die Proben und Aufführungen mehrten sich und die Anfängerin ward zur Hof-Sängerin.

Aber wenn dann auch Aloysia – durch die Proben oder durch Einladungen zu Hofe und in vornehme Cirkel verhindert – manchen Abend nicht mehr in dem kleinen, freundlichen Familienkreise zubringen konnte, so fand doch Mozart immer Constanze, die so ganz die alte geblieben war! die Seele des Hauswesens und doch dabei noch das kindliche, liebe, einfache Mädchen, mit dem tieffühlenden Herzen und dem offenen Sinn für alles Schöne und Gute. Bei ihr ward es denn auch Wolfgang immer so recht heimisch, still und behaglich. Es war ein ganz eigenthümlicher, glücklicher Friede, der mit ihrer Nähe über ihn kam. Indessen hätte ein feiner Beobachter fast dasselbe bei Constanze gefunden. War Aloysia zugegen, zog sich die Schwester still zurück; ja sie schien dann immer mehr mit der Haushaltung beschäftigt und kam dann selten in das Zimmer. War aber Aloysia nicht zugegen, so widmete sie sich mit zarter Aufmerksamkeit dem lieben Gaste; behauptete jedoch immer die mädchenhafteste Zurückhaltung, so daß Wolfgang gar manchmal über diese reizende Vereinigung von kindlicher Scheu und jungfräulicher Liebenswürdigkeit staunte.

Nur eines wollte Amadeus bei seinem jetzigen Aufenthalte in Mannheim nicht behagen: und dies war das regelmäßige Stundengeben. Dafür war denn auch freilich[134] seine freie geniale Seele nicht geschaffen. »Verwünscht sei das Schulmeistern!« rief er oft, wenn er von einem seiner Schüler kam, der sich in stümperhaftem »Lernen« auf dem Claviere fort zu arbeiten suchte.

In solchen Momenten fühlte er denn auch im tief Innersten seiner Seele, daß er sich in einer für sein großes Talent unpassenden Lage befand.53 Sein kühner Geist schwang gewaltig die Flügel, aber der Käfig war zu enge, um sie frei bewegen zu können. Es ergriff ihn dann wohl auch momentan Reue, daß er nicht gleich nach des Intendanten Antwort nach Paris gegangen, und Amadeus war verständig genug in diesem peinlichen Gefühle die Dornen zu erkennen, welche sich unter der Rosenkette einer allzufrühen Liebe bargen.

In einem solchen Momente schrieb er denn auch an seinen Vater: »Ich bin Compositeur und bin zum Capellmeister geboren, kann auch mein Talent im Componiren, welches mir der gütige Gott so reichlich gegeben hat (ich darf ohne Hochmuth so sagen, denn ich fühle es nun mehr als jemals), nicht so vergraben und das würde durch die vielen Scholaren der Fall werden. Das Opernschreiben steckt mir stark im Kopfe, französisch lieber als deutsch, und italienisch lieber als französisch und deutsch!«54

Versteht sich von selbst, daß der kluge Vater, der ohnedem keine Ahnung von Wolfgangs Verhältniß zu Aloysia hatte – in seinem umgehenden Briefe zur Weiterreise nach Paris rieth. Dennoch würde sich der junge Mozart schwerlich losgerissen haben, wenn nicht plötzlich zwei Ereignisse einen schrillen Mißton in sein Mannheimer Leben geworfen hätten.

Schon in Kirchheim-Boland bei der Prinzessin von Oranien55 hatte Aloysia den jungen Lange näher kennen lernen, wie dies bei dem achttägigen Aufenthalte in einem und demselben Schlosse, ja bei gegenseitigem Zusammenwirken in den Concerten und Aufführungen gar nicht anders sein konnte. Ebenso sah sie ihn, als jetziges Mitglied der Mannheimer Bühne, sehr häufig, ohne jedoch hier mit ihm weiter in Berührung zu kommen. Obgleich nun Lange des jungen Mozarts Freund war, und alle Damen in der Stadt und[135] am Theater für ihn, als einen Adonis, schwärmten, so war der erste Eindruck, den er auf Aloysia gemacht, doch durchaus kein guter. Vater Webers einfache, stille und streng-sittliche Erziehung hatte in der Tochter Herzen die edelsten und würdigsten Grundsätze befestigt; in dem kleinen Hause an der Rheinbrücke war alles solide, streng geordnet und bürgerlich. Lange war nun – trotz der unbestrittenen hinreißenden Liebenswürdigkeit, die er entfalten konnte – von alle Dem gerade das Gegentheil. Sein Wesen erschreckte daher anfangs das Mädchen und beängstigte es, obgleich auch sie ihn, wie es ja nicht anders sein konnte, bildschön fand. Dazu kam der entschiedene und laut ausgesprochene Widerwillen, den Vater und Mutter gegen dieses »leichtsinnige Genie« hegten; denn Lange war noch keine vier Wochen in Mannheim, als auch schon die ganze Stadt von seinen tollen und leichtsinnigen Streichen und Abenteuern erzählte. Mozart selbst ward von den Eltern Aloysia's, ob seiner allzugroßen und übertriebenen Güte gegen den »Landstreicher,« ausgescholten, zumal Lange natürlich gar nicht daran dachte, den geliehenen Anzug, nebst Hemde und Geldvorschuß zurückzugeben. In das Webersche Haus durfte der junge Schauspieler also gewiß keinen Fuß setzen, und doch schien es Mozart nachgerade, als ob sein leichtfüßiger Freund ein Auge auf Aloysia geworfen hätte. Er suchte ihr in dem Theater und auf der Straße zu begegnen, wann er konnte, und zeigte sich, vermochte sie einem Zusammentreffen nicht auszuweichen, in der ganzen Fülle seiner bezaubernden Heiterkeit.

Freilich gab Aloysia dazu nicht im allerentferntesten Veranlassung; sie ging Lange sogar entschieden aus dem Wege und beobachtete gegen ihn noch weit mehr Zurückhaltung als gegen jeden anderen Menschen. War damit aber festgestellt, daß der neue »Adonis« nicht endlich doch durch seine Schönheit und bezaubernde Liebenswürdigkeit ein noch so unerfahrenes Mädchenherz gewinnen werde? Und Wolfgang fühlte recht gut, wie weit er, in der äußeren Erscheinung, hinter dem Freunde zurückstand. So kam es denn, daß sich, ohne alle Veranlassung von Aloysia's Seite, dennoch eine leise Regung von Eifersucht in Wolfgangs Herz einschlich. Eifersucht aber ist – wie einer unserer geistreichsten Schriftsteller sagt – die Hyponchondrie der Liebe. Sie, die selbst Jupiter auf dem Gipfel seiner Macht beschränkte, hat[136] tausend Augen, und sieht mit denselben oft noch weit mehr, als wirklich zu sehen ist. Von ihr also ging der eine Mißton aus, der Wolfgangs Verhältnisse in Mannheim unangenehm berührte. Aber zu den Regungen der Eifersucht sollte sich nun auch noch ein Zweifel gesellen, der die bisherige Harmonie in Mozarts Seele ganz aus dem Gleichgewichte brachte.

Amadeus trug die schöne Brieftasche, die er zu Weihnachten auf so geheimnißvolle Weise erhalten, als ein theures Pfand der Liebe, stets bei sich. Dennoch hatte er bis jetzt der Mahnung des damals beiliegenden Zettels aus Pietät Rechnung getragen und nicht nur gegen Jedermann über dies ihm so liebe Geschenk geschwiegen, sondern sogar – was gewiß viel heißen will – desselben nie mit einem Worte gegen Aloysia erwähnt. Es war ja der Wunsch des »treuen Herzens.« Heute aber überkam ihn in dieser Beziehung eine Versuchung, der er nicht wiederstehen konnte.

Er hatte bei Webers zu Mittag gegessen: Aber trotz des gesundes Appetits, den er sonst zu diesen einfachen Mahlzeiten mitzubringen pflegte, schmeckte es ihm nicht, auch war er einsylbiy geblieben, so daß sich eine Mißstimmung nicht verkennen ließ. Mozart hielt diese Mißstimmung aber auch für sehr begründet; denn er hatte erfahren, daß Lange diesen Morgen auf der Probe seiner angebeteten Aloysia ein allerliebstes Blumensträußchen überreicht habe. Das Geschenk eines feinen Bouquets mitten im Winter war nun allerdings etwas auffallend und vielsagend. Dabei wußte er freilich ebenso wenig, wie sehr Aloysia sich geweigert, es anzunehmen, als er ahnen konnte, daß Lange es keineswegs für dieselbe absichtlich angeschafft, sondern – als Andenken an ein süßes Rendez-vous mit einer allerliebsten Dame vom Hofe – heute morgen erst mitgebracht. Aber um Erforschung der näheren Umstände bekümmert sich Eifersucht nie. Der leiseste Verdacht macht sie gegen alle Vernunft blind und öffnet ihr eine Welt des Argwohns.

Mozart hatte die Sache wenigstens verstimmt und zweifelhaft gemacht. Als er daher nach dem Essen mit Aloysia und Constanze einen Augenblick allein im Zimmer war, kam ihm der Gedanke: die Geliebte an jenen seligen Weihnachtsabend zu erinnern.[137]

Er trat daher mit ihr in eine Fensternische, um von Constanzen, die den Tisch abdeckte, nicht gehört zu werden und sagte:

»Sie frugen mich eben, warum ich heute bei Tisch so still gewesen sei?«

»Ja!« – versetzte Aloysia mit der ihr eigenen Freundlichkeit. – »Man ist das gar nicht an Ihnen gewöhnt.«

»Nun denn,« – flüsterte Mozart, – »wissen Sie, daß Sie mich durch die Annahme des Sträußchens aus Lange's Hand recht gekränkt haben?«

»Das wäre mir sehr leid!« – versetzte Aloysia und der Ton ihrer Stimme bewies die Wahrheit dieses Ausspruches. – »Aber ich konnte es, ohne ihn gerade zu zu beleidigen, nicht abweisen. Geweigert habe ich mich lange.«

»Wenn Sie noch so dächten, wie an dem Weihnachtsabend .....«

»Amadeus?! ....«

»Und wenn Sie wüßten, wie heilig ich Ihr liebes, süßes Geschenk halte?«

»Mein Geschenk?«

»Nun, ich habe bisher geschwiegen, wie mir das ›treue Herz‹ gebot; aber in dieser Stunde lassen Sie mich desselben gedenken. Es hat mich so unendlich glücklich gemacht ....«

»Ja, was denn?«

»Nun, mein Gott!« – sagte Mozart leise – »die schöne Brieftasche, die mir Ihre liebe Hand gestickt, und die Sie mir am Weihnachtsabend so geheimnißvoll sandten.«

»Eine Brieftasche?« – wiederholte Aloysia halblaut.

»Ja! O verstellen Sie sich nur nicht!« – bat Amadeus.

»Nein!« – rief jene mit der größten Unbefangenheit – »das thue ich auch nicht. Aber von einer Brieftasche weiß ich kein Wort.«

»Wie?« – rief jetzt Mozart, sich vergessend, indem er dieselbe aus der Brusttasche zog. – »So wollen Sie wirklich dies, Ihr eigenes Geschenk verleugnen?«

Aber in diesem Momente schraken Beide zusammen. Constanze hatte eine Schüssel zur Erde fallen lassen, die unter lautem Krachen in viele Stücke zerbrach. Jetzt stand sie bleich und zitternd an einen Stuhl gelehnt. Als aber Mozart auf sie zuging, und sie die Brieftasche noch in seiner Hand gewahrte, wich die Blässe plötzlich einer dunklen Gluth. Sie[138] hatte nicht mehr die Kraft, aufrecht zu stehen und sank weinend auf einen Stuhl.

»Sie sind erschrocken, liebe Constanze!« – sagte Mozart jetzt theilnehmend.

»Ja!« – versetzte diese leise – »der Fehlgriff ..... mit der Schüssel meine ich!«

»Nun!« – rief Aloysia – »das ist ja kein so entsetzliches Unglück!«

»Doch!« – rief Constanze in einem ganz eigenen unendlich schmerzlichen Tone und verließ rasch das Zimmer.

Mozart und Aloysia sahen sich betroffen an: sie begriffen die Schwester nicht. Wolfgang aber ging Wichtigeres im Kopfe herum, er kam daher auf sein Gespräch zurück und sagte:

»Aloysia! Ich frage Sie auf Ihr Ehrenwort: ist diese Brieftasche von Ihnen oder nicht?«

»Sie ist nicht von mir!« – entgegnete diese bestimmt.

»Aber, mein Gott! ....«

In diesem Augenblicke trat die Mutter wieder ein und das Gespräch war abgeschnitten. Mozart blieb von dem Moment an noch stiller als vorher und verließ bald das Haus. –

»Also nicht von Aloysia?!« – rief er, auf seinem Zimmer angekommen, und ging mit großen Schritten auf und ab: – »Aber von wem dann?«

Plötzlich blieb er überrascht stehen, – es fiel ihm Constanzens sonderbares Benehmen wieder ein. War es doch schon auffallend, daß dem sonst so vorsichtigen Mädchen eine Schüssel aus der Hand geglitten, ..... und dann ihr Erbleichen und Erröthen .... ihr Antworten und Forteilen? .... und das alles in dem Momente, in dem Mozart die verhängnißvolle Brieftasche herausgezogen ......

»Unmöglich!« – rief er jetzt. – »Sollte sie von ihr sein?«

Er fand keine Antwort; nur ein namenlos unbehagliches Gefühl bemächtigte sich seiner. In demselben Augenblicke brachte der Postbote einen Brief von Salzburg: der Vater bestand mit aller Energie auf der schleunigsten Weiterreise nach Paris.

Da ward es Amadeus plötzlich helle vor den Augen. Es kam ihm vor, als habe die Stimme des Schicksals gesprochen – – als rufe sein Genius: »Ja! fort nach Paris![139] Dort in der Weltstadt, die dir schon einmal zugejubelt, dort ist dein Platz! Du liebst Aloysia und sie liebt dich wieder. Bewahre ihr die Treue .... aber vergiß über die Liebe die Sendung nicht, die dir von Gott geworden

Und sein Entschluß war gefaßt. Vater Weber, Canabich, Wendling und die übrigen Freunde konnten ihn jetzt nicht mehr tadeln, und so ungern sie den lieben Gast verloren, sahen sie doch Alle ein, daß der junge Mozart zu etwas anderem geboren sei, als in Mannheim an »Stundengeben« zu vertrocknen. Weber namentlich bestärkte ihn in seinem Vorhaben, indem er nicht undeutlich durchblicken ließ, daß Amadeus, der ihm jetzt schon fast zum Sohne geworden, sobald er eine Stellung in der Welt einnehme, die die Gründung einer Haushaltung zulasse, als Schwiegersohn doppelt willkommen sei.

Schmerzlich freilich war der Abschied von der Geliebten; aber die heiligsten Schwüre von beiden Seiten garantirten ja eine glückliche, stolze Zukunft. Constanze war seit jenem Unfall mit der Schüssel unwohl, Wolfgang mußte ihr also – in Begleitung der Mutter und der Schwester – an ihrem Bette Lebewohl sagen. Sie that es mit Herzlichkeit; aber jener Schleier sanfter Wehmuth, der so häufig über ihr lag, war jetzt noch tiefer herabgesunken. Wolfgang zitterte, als er ihr die Hand reichte und wußte doch nicht warum, Sie hielt sie einen Moment fest, drückte sie leise – und preßte dann ihr Haupt in die Kissen.

»Ich weiß nicht, was das ist!« – sagte die Mutter im Herausgehen – »das Kind war nie nervös und jetzt erfaßt sie Alles so gewaltig.«

Zwei Stunden später waren Mozart und seine Mutter auf dem Wege nach Paris. Lange, auf einem feurigen Rappen an der Seite des Wagens reitend, gab ihnen, da sie über Frankfurt gingen, bis nach dem lieben Heidelberg das Geleite. Hier hatte dieser schon im Ritter ein »fameuses Frühstück« im Voraus bestellt. Gläser klangen, Witze sprudelten, – noch einmal gedachte man lachend des Zusammentreffens in Neckarau .... und dann ..... ein »Hoch auf die Zukunft!« und fort nach links und rechts.

Quelle:
Heribert Rau: Mozart. Ein Künstlerleben. Berlin 4[o.J.], S. 131-140.
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