27.

Die »Entführung aus dem Serail«.

[302] Mozarts Oper: »Die Entführung aus dem Serail« war vollendet und ging ihrer Aufführung entgegen; aber neben den freundlichen Hoffnungen des Meisters zischte – im Staube kriechend – die alte Schlange des Neides. Salieri spielte im Vereine mit den übrigen in Wien lebenden Italienern und Feinden Mozarts in Oesterreichs Kaiserstadt gerade dieselbe Rolle, die einst Fioroni in Mailand übernommen hatte. Aber er war dabei so schlau und vorsichtig, daß Wolfgang Amadeus auch nicht die leiseste Ahnung von dieser Falschheit überkam.

Im Gegentheil hielt er Salieri nach wie vor für seinen besten Freund. Und war es ein Wunder, daß Wolfgang Amadeus Mozart eine Masse von Feinden hatte?

Außer seinem täglich wachsenden Ruhme – und die Gerüchte von der bezaubernden Musik der »Entführung« erfüllten schon lange vor der Aufführung die Stadt – machte man ihm auch seine etwas herb schmeckende Freimüthigkeit und seine Vorliebe für das Kritisiren, welche sich so offen wie sein ganzer Charakter kund gab, und welche er auch in Gesellschaft nicht zurückzuhalten vermochte, zum Vorwurfe. Sprach er sich doch gegen Jedermann ohne Unterschied ganz freimüthig aus, als ob sein ungemeines Talent nicht an und für sich schon tödtliche Beleidigung genug für alle diejenigen gewesen wäre, deren Werke und Spiel er tadelte.[302]

Unter den italienischen Meistern aber, die damals in Wien lebten, gab es schon welche, die mit Salieri weit genug blickten, um einzusehen, daß Mozart ihr Verderben werden müsse; daß seine neue deutsche Oper, die schon jetzt so viel von sich sprechen machte, der erste Streich sei, den er gegen die Universal-Monarchie der italienischen Oper führe, und daß die Deutschen, von ihm geführt, ihnen zuletzt ebenso den musikalischen Scepter aus den Händen winden würden, wie die Vorfahren derselben Italien den Scepter der Welt geraubt hatten. Die Wunden, welche man auf diese Weise dem italienischen Nationalstolze schlug, mußten tief und unheilbar sein, zumal er sich aus seinen letzten Verschanzungen vertrieben und in seiner Eigenliebe an der verwundbarsten Stelle getroffen sah.

Was aber das Erbärmlichste war, viele deutsche Musiker, welche die einfältige Eitelkeit besaßen, auf Mozart eifersüchtig zu sein, machten mit den Italienern gemeinschaftliche Sache. Hätten doch diese armen, kleinlichen Seelen auf Gluck und Haydn gesehen, wie hätten sie sich schämen, wie eines Anderen belehrt werden müssen. Und zu all' diesen Gehässigen kamen nun auch die italienischen Sänger und Sängerinnen, die natürlich ebenfalls für den Untergang der italienischen Oper, als der Quelle ihrer Existenz, bangten, und sich daher um ihre Maestri pro aris et focis schaarten.93

Alle diese Menschen zusammen, nebst ihrem Anhange, bildeten nun eine feindliche Phalanx gegen Wolfgang Amadeus, an dessen Spitze – freilich in Unsichtbarkeit eingehüllt – Salieri stand.

Aber warum verharrte Salieri denn in dieser Verborgenheit und suchte den verhaßten Nebenbuhler nicht mit Gewalt zu vertreiben? – Warum? – Weil Salieri ein schlauer Italiener, ein feiner Weltmann war. Muß man denn gleich immer zu den äußersten Mitteln schreiten? So lange es heutigen Tages der Haß unter den sogenannten gebildeten Menschen vermeiden kann, geht er dramatischen Katastrophen aus dem Wege. Man ergeht sich vielleicht im Geheimen mit stiller Befriedigung an dem Gedanken, wie angenehm es sei, den verhaßten Feind vergiften zu können, ohne daß es die Welt merke; aber man hütet sich doch, eine solche That zu begehen; – einmal, weil es immer gefährlich bleibt, und[303] dann – weil es eigentlich in unseren aufgeklärten Zeiten gar nicht nöthig ist, soviel zu wagen. Die Feinde grüßen sich, sprechen miteinander, drücken sich herzlich die Hände und flüstern einander in die Ohren; .... es sind gute Bekannte, Zunftgenossen, Mitbrüder in Apollo, selbst Freunde.

Man sieht sich und besucht sich gegenseitig, wie Mozart Salieri sah und besuchte, der ihn stets auf die herzlichste Art empfing. Der Teufel verliert aber bei diesem Verfahren doch nichts gegen das frühere, wo Dolch und Gift noch mehr Mode waren. Denn .... statt den Menschen physisch zu morden, wird er jetzt moralisch um's Leben gebracht!

Diese Kunst aber verstanden, wie wir bereits wissen, Mozarts Feinde vortrefflich, und sie gingen, von Salieri geführt, in ihren Machinationen mit so vieler strategischer Kunst zu Werke, daß unser Freund nur die Folgen davon empfand, ohne daß es ihm gelang, den geheimen Umtrieben recht auf die Spur zu kommen.

Bis jetzt freilich waren nur erst die Minen gelegt. Mozart schrieb im Auftrage des Kaisers, – Joseph II. verehrte sein Talent und liebte seine Person. – Wien war begeistert für ihn! Da war ein entscheidendes Auftreten noch nicht zu wagen. Fuhr man aber consequent in den Verleumdungen fort, mit welchen man begonnen, und zu welchen Mozarts unbefangenes und unvorsichtiges Wesen so viel Veranlassung gab, so konnte man sicher sein, ihm bald den Boden der kaiserlichen und der Volksgunst unter den Füßen hinweggezogen zu haben.

Die neue Oper: »Belmonte und Constanze« oder »Die Entführung aus dem Serail« kam also nach Hindernissen verschiedener Art endlich zur Aufführung94, und wurde mit rauschendem Beifalle aufgenommen. Man war entzückt von dieser herrlichen Musik, der Jubel wollte nicht enden und die meisten Stücke mußten da capo gesungen werden.95 Eine ziemlich verzweigte Cabale war allerdings doch schon diesmal zu bemerken, nur konnte sie es nicht wagen, ihre Mißtöne durch die allgemein erschallenden Applause und Bravos hören zu lassen. Die Ueberzahl der Gutgesinnten war zu bedeutend,[304] als daß man ihr ungestraft hätte entgegentreten können. Die Neider trösteten sich aber mit der Hoffnung, ein andermal eher durchzudringen.96

Unter ungeheuerem Zudrange wurde nun die neue Oper schon in den ersten vierzehn Tagen viermal gegeben. Wer war glücklicher, als Amadeus? Entzückt schrieb er an seinen alten Vater; – innig flehte er diesen an, ihm nun auch die Einwilligung zu seiner Verheirathung mit seiner geliebten Constanze zu geben, da es ihm ja nun nicht mehr fehlen könne. Und siehe! der alte gute Vater willigte ein. Aber – o Schmerz und Verzweiflung! – – Constanzens Mutter blieb auch jetzt bei ihrem Entschlusse: Mozart – so sehr sie ihn schätzte und so sehr sie selbst diese Liebe freute – doch nur dann die Hand der Tochter zu bewilligen, wenn er in der That eine feste Anstellung, die ihn und eine Familie zu ernähren vermöge, aufzuweisen habe.

Mozart war außer sich! – Auch er hoffte ja sicher auf eine Anstellung bei dem neu zu errichtenden deutschen Theater – – aber – – wie lange konnte denn diese noch auf sich warten lassen. Kaiser Joseph II. hatte wenigstens bis jetzt noch kein Wort darüber geäußert. Und konnte diese Oper – konnte »die Entführung aus dem Serail,« die so voll süßer Gefühle, voll schmachtender Liebe war, das Herz der Mutter nicht rühren, – was dann?

Wolfgang Amadeus war eben voll Verzweiflung aus dem »Auge Gottes« – dem Hause, in welchem Webers wohnten – getreten. Die Mutter hatte mit Milde, aber auch mit ebensoviel Entschiedenheit ihr letztes Wort gesprochen; Constanze, in Thränen schwimmend, sich von Amadeus getrennt.

Es war schon spät am Abend, der aber nach der drückenden Hitze des Tages, kaum eine Spur von Labung brachte.

Mozart war es unerträglich. Seine schönsten Hoffnungen lagen abermals zertreten vor seinen Füßen ..... Er hätte die Welt zertrümmern können! Und zu dem Aerger über der Mutter Eigensinn und der daraus entspringenden namenlosen inneren Unbehaglichkeit, kam nun auch noch die äußere hinzu. Moralisch und physisch war die Atmosphäre, die ihn umgab, niederdrückend und kaum zu athmen.[305]

Es war dies einer jener Momente, in welchem man sich, wenn man poetisch denkt, Jupiters Blitz wünscht, um die ganze Welt zu zerschmettern; oder auch irgend Jemand zum Durchprügeln; – oder einen Kometen, der in demselben Augenblicke auf unsere Erde losführe und sie in tausend Stücke sprengte!

Wolfgang Amadeus wünschte dies alles auf einmal. Er wußte in der That nicht wohinein, wohinaus! Freilich war Constanze dadurch noch nicht für immer für ihn verloren, aber doch für jetzt! Und er wollte, er konnte nicht mehr länger ohne die Geliebte sein!

Aerger, Zorn und Hitze trieben den Schweiß in dicken Tropfen auf seine Stirne. Er lechzte nach Kühlung – nach irgend etwas Wildem .... nach irgend einem Exceß, als Blitzableiter des inneren Aufruhrs. Er hätte ein paar Flaschen Champagner hinunterstürzen können, um sich mit Willen zu berauschen und den Aerger hinabzuspülen und zu vergessen. Aber seine Stimmung war nicht darnach, die Freunde aufzusuchen. Er stürmte daher fort .... hinaus! .... wohin, wußte er selbst nicht!

Endlich blieb er vor einem Volksgarten stehen, der feenhaft illuminirt war, und aus dem Lachen und Jubel ihm entgegenschallte. Aber nicht diese hatten seine Füße plötzlich wie mit Zauber umstrickt, sondern die Töne einer fernen Musik. Es war ein ganz neuer reizender Ländler, den man dort spielte.

»Der ist von Haydn!« – rief Mozart nach einigen Minuten – »oder ich will meinen Kopf verlieren!«

Und jetzt trat eine wirklich nette Scene ein. Das Märchen von dem Magnetberge erzählt, daß, wenn sich jenem Berge ein Schiff nähere, alles, was daran von Eisen sei, durch die Gewalt des Magnets so stark angezogen werde, daß es, trotz aller widerstrebenden Banden, nach dem Berge hinfliegen müsse. So ging es jetzt mit Mozart. Es war ihm in diesem Augenblicke gewiß nichts verhaßter, als Lachen, Jubel, vergnügte Menschen und Illumination und doch kam er – die Hand lauschend an das Ohr haltend – immer einige Schritte näher. Haydns Musik übte eine magische Anziehungskraft auf ihn. Alles andere vergessend und nur Ohr für diese lieblichen Töne, näherte er sich langsam, Schritt vor Schritt, durch einen dunkelen Nebengang, dem Mittelpunkte[306] des Gartens, an welchem sich, unter einem chinesischen Pavillon, das Orchester befand. Jetzt stand er vor ihm. Daß neben ihm die vergnügungssüchtigen Wiener und Wienerinnen lustig zechten, schmausten, scherzten und lachten, bemerkte er nicht. Mozart hörte nur, und wiegte, im glücklichen Vergessen alles Unangenehmen, beifällig den Kopf nach dem Takte. Erst als die Musik schwieg und er tüchtig mit applaudirt hatte, bemerkte er, wo er war.

»Verwünscht!« – murmelte er mit finster zusammengezogenen Augenbrauen – »wo bin ich da hingekommen!«

Und eben wollte er sich umdrehen und den Ort verlassen, der so gar nicht zu seiner jetzigen Gemüthsstimmung paßte, als dicht neben ihm ein Champagnerpfropf mit lautem Knalle aufflog. Unwillkürlich wandte sich Amadeus um aber er glaubte, der Schlag müsse ihn treffen, er stand vor Lange, der mit einem lustigen und überraschten: Mozart! von seinem Tische auffuhr und Wolfgang entgegeneilte.

Es giebt Tage im Leben, wo einem Alles verkehrt geht, und Unangenehmes sich auf Unangenehmes häuft; – Unglückstage, an welchen, legt man sich in's Bett, um ja jedem weiteren Unfall zu entgehen, sicher die Decke einfallen und einen todtschlagen oder doch verletzen würde.

Ein solcher Tag schien heute für Mozart im Kalender zu stehen. Unangenehmeres hätte ihm ja gar nicht begegnen können, als jetzt Lange – den er in München glaubte – hier zu treffen: Lange, der ihm seiner Zeit Aloysia's Liebe entzogen, der diese unglücklich gemacht und gerade dadurch Schuld daran war, daß Constanzens Mutter ihm die Hand der Geliebten vorenthielt, bis er eine solide Anstellung habe.

Mozart machte daher zu der Bewillkommnung auch eine so sauer-süße und grämliche Miene, daß Lange lachend frug: ob er Leibschmerzen habe?

Amadeus, ohnedem ärgerlich und gereizt, sagte ihm hierauf kurz und bündig die Wahrheit, und daß das Unglück, welches er über Aloysia gebracht, nun auch sein Lebensglück zu zerstören drohe.

Aber Lange verlor seinen Humor nicht. Er nöthigte Mozart niederzusitzen, was dieser – um nicht auffällig zu werden – annehmen mußte. Schenkte ihm ein Glas des perlenden Schaumweines ein und sagte dann:[307]

»Das ist vortrefflich!«

»Wie so?« – entgegnete Wolfgang finster. – »Was ist vortrefflich? Etwa Ihr Benehmen gegen meine Schwägerin? oder mein Unglück, das Sie verschuldet?«

»Einmal, daß ich Sie treffe, mein lieber Schwagerin spe!« – sagte Lange mit dem Ausdruck so wahrer Freude, daß Mozarts Aerger bedeutend nachließ. – »Ich bleibe nämlich nur wenige Tage hier und hätte Sie sonst wohl schwerlich getroffen. Zweitens: daß ich Ihnen selbst meinen Glückwunsch zu dem glänzenden Siege darbringen kann, den Sie mit Ihrer ›Entführung‹ gefeiert, – und endlich, daß mir der Zufall vielleicht gerade günstig ist, Ihnen zu vergelten, was Sie einst in Mannheim für mich gethan.«

»Lassen wir das.«

»Nicht doch! Gedenken Sie noch unseres Zusammentreffens in Neckarau

»Warum nicht. Es war für mich ein Tag, wie der heutige.«

»Wie so?«

»Meine schönsten Hoffnungen waren zertreten. Ich hatte auf meine Bewerbung um eine Stelle am Churfürstlichen Hofe eine abschlägige Antwort erhalten, und war voll Verdruß nach Neckarau gelaufen, wie heute hierher.«

»Wie das klappt!« – rief Lange. – »Kellner, noch eine Flasche Champagner, .... aber von demselben!«

»Ich trinke nicht mehr!« – sagte Mozart.

»Was?« – entgegnete Lange in seinem bekannten komischen Pathos, in dem er so hinreißend sein konnte: – sagt Hamlet nicht:


»Der König bringt die Nacht am Schenktisch hin,

Trinkt zu, und windige Hofgunstpilze taumeln;

Und wie er Züge Rheinweins niederschlürft,

Verkündet im Triumph Trompet und Pauke

Den ausgebrachten Trunk.«


»Ihr seid der Töne König, Mozart! – Dies Glas dem Genius Eurer edlen Kunst!«

Lange hatte dies so launig gesagt und Amadeus so freundlich dabei angeblickt, daß dieser lächelnd anstieß.

Als beide die Gläser ausgeschlürft, frug der Erstere:

»Und was gedenken Sie nun, in Beziehung auf Constanze, zu thun?«

Mozart zuckte die Achseln: »Ich weiß es wahrlich nicht.«[308]

»Wie?« – rief Lange, indem er seine Hand auf Mozarts Arm legte und diesem so fragend in das Antlitz schaute, als habe er etwas Unglaubliches gesagt: – »Sie wissen wirklich nicht, was Sie jetzt thun sollen? Sie .... der ›Constanze und Belmonte‹ oder ›die Entführung aus dem Serail‹ componirt hat .... Sie wissen dies nicht?«

»Was hat meine Oper damit zu schaffen?«

»Was sie damit zu schaffen hat? Sie sollen sie selbst aufführen .... praktisch ... im Leben! Belmonte Mozart sein und Ihre Constanze statt aus dem Serail aus dem ›Auge Gottes‹ entführen.«

»Tollheit!« – rief Mozart, nahm sein Glas und trank es aus.

»Natürlich nicht in die weite Welt!« – sagte Lange lächelnd. – »Zu irgend einer bekannten Familie, dort lassen Sie sich trauen und damit ist die Sache abgemacht. Ich kenne meine Schwiegermama. Sie ist unerbittlich, so lange Sie bitten .... und so gefügig wie ein guter Diplomat bei einem fait accompli.«

Mozart schüttelte den Kopf:

»Das hieße Constanze compromittiren. Außerdem ist die Mutter in der letzten Zeit sehr fest geworden.«

»Das heißt eigensinnig

»Sie können's auch so nennen; aber sie meint es doch immer gut dabei. Nein! ich mag sie nicht kränken.«

»Und dann?«

»Muß ich wohl auf eine Anstellung warten.«

»Ich gratulire!« – rief Lange hier lachend. – »Wissen Sie, wie Morton im ›Fürsten knecht‹ sagt:


›Warten macht Scharten,

Warten macht alt,

Ueber das Warten

Manch' Herz wird kalt.‹«


»Wir lieben uns aufrichtig und treu.«

»Zweifle nicht im Mindesten. Wie lange aber – darf ich wohl fragen – warten Sie nun schon auf eine Anstellung?«

Wolfgang Amadeus biß sich auf die Lippen. Dann sagte er:

»Ich habe meine Oper im Namen des Kaisers geschrieben und Joseph II. hat mir versprochen ....«[309]

Aber Lange füllte die Gläser und summte durch die Lippen:


»In der Jugend, da hatt' ich ein Lieb, lieb' Lieb,

O mich däuchte das Liebeln genehm:

So die Zeit zu verbringen, so wie ich es trieb,

O mich dünkt, wohl war es bequem.

Nun hat mich das Alter, der schleichende Dieb,

Mit den knöchernen Klauen umspannt,

Bald hat er mich von der Erde geschifft,

Als hätt ich sie nimmer gekannt.«


»Lassen Sie Hamlets Todtengräber sein Liedchen« – sagte jetzt Mozart. – »Ich bin noch jung und Kaiser Joseph wird Wort halten.«

Aber Lange fuhr in seiner Weise fort:


»Wort halten? – schlimmes Ding

Ist Wort doch Wind, ist Laut, ist Schall,

Ist Münz' aus Luft geprägt –

Ein Hauch – ein Nichts im All!«


Mozart ließ jetzt, da es ihm peinlich war, sich von Lange regaliren zu lassen, auch eine Flasche Champagner kommen, obgleich ihn der im Aerger und in der Aufregung getrunkene Wein zu erhitzen begann. Zugleich suchte er ein anderes Gespräch anzuknüpfen, aber Lange unterbrach ihn und sagte:

»Lieber Mozart, ich muß noch einmal auf meinen Vorschlag zurückkommen. Ich bin grenzenlos leichtsinnig, das ist wahr, – aber ich bin deshalb nicht undankbar. Glauben Sie mir dies?«

»Ja!«

»Nun haben Sie nur aber nicht nur seiner Zeit in Mannheim große Freundschaft erwiesen, – ich habe auch manches Unrecht bei Ihnen gut zu machen, namentlich die Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die durch mich zwischen Sie und Constanze geschoben sind.«

»Das wird unmöglich sein.«

»Nichts in der Welt ist unmöglich!« – rief Lange heiter – »wenn man nur Muth, List und Keckheit besitzt. Sie erinnern sich vielleicht des Spruches, der mein Leben regiert: ›Man muß sich nicht den Sachen, sondern die Sachen sich unterwerfen.‹ Das heißt also auf Ihre Lage angewandt: Sie müssen nicht so thöricht sein, mit Ihrem Liebesglück warten zu wollen, bis es dem Schicksal beliebt, Ihnen die Heirath fein bürgerlich möglich zu machen; – nein, den Teufel auch! ein so genialer Kerl wie Sie, der heirathet und nimmt sich sein[310] Liebes- und Lebensglück mit kecker Hand selbst, und dann muß Mama ›Ja!‹ sagen, auch wenn's dem eigensinnigen Schicksal gefällt, die Anstellung noch etwas warten zu lassen!«

Mozarts Kopf schwindelte. Er stürzte auf's Neue ein Glas Champagner hinab, dann rief er:

»Bei Gott! Sie haben nicht Unrecht!«

»Nun sehen Sie!« – fuhr Lange fort – »da will ich denn mein Unrecht gut machen. Vertrauen Sie mir und in wenig Tagen ist Constanze ihr liebes Weibchen.«

»Topp!« – rief jetzt Mozart und die Gläser klangen – »auf eine glückliche Entführung aus dem Auge Gottes!«

Quelle:
Heribert Rau: Mozart. Ein Künstlerleben. Berlin 4[o.J.], S. 302-311.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Fräulein Else

Fräulein Else

Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.

54 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon