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[87] Mailand, den 15. Decbr. 1770.


Am 12ten war die erste Probe mit Instrumenten, aber nur mit 16 Personen, um zu sehen, ob Alles correct geschrieben ist. Den [87] 17ten ist die erste Probe mit ganzem Orchester, welches in 14 Prim- und eben so vielen Secund-Violinen, 2 Clavieren, 6 Contrabässen, 2 Violoncellen, 2 Fagotten, 6 Violen, 2 Oboen und 2 Flautraversi, welche, wo keine Flauti dabey sind, allezeit mit 4 Oboen mitspielen, 4 Corni di caccia und 2 Clarini, folglich in 60 Personen besteht.

Bevor die erste Probe mit dem kleinen Orchester gemacht wurde, hatte es nicht an Leuten gefehlt, welche mit satyrischer Zunge die Musik schon zum Voraus als etwas Junges und Elendes ausgeschrieen, und so zu sagen prophezeyet, da sie behaupteten, daß es unmöglich wäre, daß ein so junger Knabe, und noch dazu ein Teutscher, eine italienische Oper schreiben könnte, und daß er, ob sie ihn gleich als einen großen Virtuosen erkannten, doch das zum Theater nöthigeChiaro ed oscuro unmöglich verstehen und einsehen könnte. Alle diese Leute sind nun von dem Abend der ersten kleinen Probe an verstummt und reden nicht eine Sylbe mehr. Der Copist ist ganz voll Vergnügen, welches in Italien eine gute Vorbedeutung ist, indem, wenn die Musik gut ausfällt, der Copist manchmal durch Verschikkung und Verkaufung der Arien mehr Geld gewinnt, als der Kapellmeister für die Composition hat. Die Sängerinnen und Sänger sind sehr zufrieden und völlig vergnügt, absonderlich die Prima Donna und Primo uomo wegen des Duetts voller Freude. Der Primo uomo sagte: »daß, wenn dieses Duett nicht gefalle, er sich noch einmal wolle beschnäzeln lassen. Basta! Nun kömmt es auf die Caprice des ganzen Publicums an. In der Sache selbst ist uns außer der wenigen eiteln Ehre nicht viel daran gelegen. Wir haben Vieles in dieser wunderlichen Welt schon unternommen, und Gott hat uns allezeit beygestanden. Nun stehen wir am Ranfte dieses wegen einiger Umstände eben nicht so geringen Unternehmens, und Gott wird auch jetzt mit uns seyn.«

Am heil. Stephanstage, eine gute Stunde nach Ave Maria, könnt Ihr in Gedanken den Maestro Don Amadeo beym Clavier im Orchester, mich aber oben in einer Loge als Zuseher und Zuhörer Euch vorstellen oder einbilden, und ihm in Gedanken eine glückliche Production wünschen, auch deßwegen ein paar Vater unser beten.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 87-88.
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