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[255] Nancy ce 3ten octob: 1778


Mon trés cher Pére


Ich bitte sie um verzeyhung daß ich ihnen nicht inParis noch meine abreise gemeldet habe, allein, das Ding war überall mein vermuthen, meynen, und willen so übereilt, daß ich es ihnen nicht beschreiben kan; – den lezten augenblick habe ich noch meine Bagage anstatt zum Burreau der Diligence, zum graf Sückingen bringen lassen, und noch etliche täge inParis verbleiben wollen – und ich [255] hätte es bey meiner Ehre gethan, wenn ich nicht – auf sie gedacht hätte – denn ich wollte ihnen keinen verdruß machen; – von diesen sachen werden wir in Salzburg mit mehrer gelegenheit sprechen können; – Nur etwas; – stellen sie sich vor, der Mr grimm hat mir vorgelogen, daß ich mit der Dilligence gehen, und in 5 tägen zu strassburg anckommen werde; – den lezten Tag wuste ich erst, daß es ein anderer wagen ist, der schritt für schritt gehet, keine Pferde wechselt, und 10 täge braucht; – da können sie sich meinen zorn leicht vorstellen; – Doch liesse ich ihn nur bey meinen guten freunden aus, und bey ihm aber stellte ich mich ganz lustig und vergnügt; – als ich in wagen kamm, hörte ich die angenehme nachricht, daß wir 12 täge reisen werden; – da sehen sie die grosse vernunft des herrnBaron v: grimm! – um nur zu sparren schickte er mich mit diesem langsamen wagen, und dachte nicht darauf, daß die kösten doch auf das nemliche hinaus-laufen, indemm man öfter in wirthshäusern verzehren muß; – Nun, izt ist es schon vorbey; – Waß mich bey der ganzen sach am meisten verdrossen hat, ist, daß er es mir nicht gleich gesagt hat; – Er hat halt sich gesparrt, und nicht mir; denn er hat die reise (ohne Verpflegung) bezahlt – wenn ich aber noch 8 oder 10 täge in Paris geblieben wäre, so hätte ich mich im stande gesezt, meine reise selbst und gelegen machen zu können; – Ich habe nun 8 tage in diesen wagen ausgehalten; länger wäre ich es aber nicht im stande nicht wegen der strapaz, denn der wagen ist gut gehenckt, sondern nur wegen den schlafen; alle tage um 4 uhr weg, mithin um 3 uhr aufstehen; 2 mal habe ich die Ehre gehabt um 1 uhr nachts aufzustehen, weil der wagen um 2 uhr weg-gieng; sie wissen daß ich in wagen nicht schlafen kann – mithin könnte ich es ohne gefahr kranck zu werden, nicht so fortsetzen; – und dann, war einer unserer reise-gefährten sehr starck mit franzosen begabt; er laugnete es auch nicht – mithin, das ist schon genug für mich, um lieber, wenn es darauf ankommt die Post zu nehmen; das hat es aber nicht nöthig, denn ich habe doch das glück gehabt einen Mann darunter zu finden, der mir ansteht; einen teutschen; einen kaufmann, der zuParis wohnt, und mit Englischen waaren handelt; – Ehe wir in die [256] kutsche stiegen, haben wir uns schon ein wenig gesprochen; und von diesen augenblick blieben wir immer beysammen; – Wir speisten nicht mit der Compagnie, sondern in unsrer kammer, und schlaften auch so; – ich bin um diesen Mann auch froh, weil er viell gereiset ist, mithin die sache versteht – Dieser hat sich auch auf den wagen enuirt; und wir sind miteinand von Wagen weg, und gehen Morgen, mit einer guten gelegenheit, das nicht viell kost, nach strassburg; – dort hoffe ich einen brief von ihnen zu trefen, und dadurch meine weitere reise zu erfahren; – ich hofe sie werden meine briefe alle erhalten haben, ich habe die ihrigen richtig empfangen; ich bitte um verzeihung daß ich nicht viell schreiben kann, weil ich, wenn ich nicht in einer stadt bin wo ich gut bekandt bin, niemal gutes humors bin; – doch glaube ich, daß, wenn ich hier bekandt wäre, gerne hier bleiben würde, indemme die stadt in der thatcharmant ist; – schöne häuser, schöne breite gässe, und superbe Plätze; – nur noch etwas Muß ich sie bitten; – daß ich einen großen kasten in mein zimmer bekomme, damit ich alle meine sachen bey mir haben kann; – wenn ich das kleine Clavierl, daß der fischetti und Rust1 gehabt hat, zu meinem schreibtisch haben könnte, wäre es mir sehr lieb, indemme es mir besser taugt, als das kleine von stein; – neues bringe ich ihnen nicht viell mit von meiner Musique, denn ich habe nicht viell gemacht; – die 3 Quartetti und dasflauten Concert für den Mr de jean habe ich nicht, denn er hat es, als er nach Paris gieng in den unrechten kufer gethan, und ist folglich zu Mannheim geblieben; – er hat mir aber versprochen. daß er mir es, sobald er nach Mannheim kommen wird, schicken wird; – ich werde schon den wendling commission geben; – mithin werde ich nichts fertiges mitbringen als meine sonaten; – denn die 2 ouvertüren und diesinfonie Concertante hat mir der Le gros abkauft; – er meint er hat es allein, es ist aber nicht wahr; ich habe sie noch frisch in meinem kopf, und werde sie, sobald ich nach hause komme, wieder aufsetzen; – Die Münchner Commedianten werden nun natürlicher weise schon spiellen? – gefallen sie? – Gehen die leüte hinein? – von den Singspiellen wird [257] wohl das fischermädchen (la pescatrice von Piccini) oder das bauernmädchen bey Hof (La contadina in corte vonsacchini) das Erste seyn? – Die erste singerin wird die keyserin seyn; das ist das mädchen, wovon ich ihnen von München geschrieben – ich kenne sie nicht – ich habe sie nur gehört; – damals war sie das drittemal auf den theatre, und erst 3 wochen daß sie die Musique gelernt hat; – Nun leben sie recht wohl; – ich habe keine ruhige stunde, bis ich nicht wieder alles sehe, was ich liebe – Meine liebe schwester umarme ich von ganzem herzen, und ihnen küsse ich 1000mahl die hände und bin dero gehorsamster Sohn

Wolfgang Amadè Mozart2


meine Empfehlung an alle gute freunde und freundinen – besonders aber an unsern wahren und lieben freünd Bullinger.

Fußnoten

1 Der Salzburger Kapellmeister Jakob Rust.


2 Antwort des Vaters: 19. Oktober.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 258.
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