103. [an den Vater, Mannheim, 20. Dezember 1777]

[144] 1 Ich wünsche ihnen, allerliebster Papa, ein recht glückseeliges Neues jahr, und daß dero mir so werthe gesundheit täglich mehr zunimmt, und das zum Nuzen und zur freude Ihrer frau, und ihrer kinder; zum vergnügen ihrer wahren freunde, und zum troz und verdrus ihrer feinde! – – ich bitte sie mich das kommende jahr auch so vätterlich zu lieben, wie sie bishero gethan haben! ich meinerseits werde mich bemühen und befleissen die liebe eines so fürtreflichen Vatters immermehr zu verdienen; ich war mit ihren lezten schreiben, nemlich von 15t dez: recht herzlich zufrieden, weil ich daraus vernommen habe, daß sie sich gott lob und danck recht gut befinden. wir sind beyde auch mit der hülf gottes ganz wohlauf. mir kann es [144] ja gar nicht fehlen; denn ich mach gewis Comotion genug. ich schreibe izt dieses um 11 uhr nachts, weil ich sonst keine zeit habe. vor 8 uhr können wir nicht aufstehen, denn in unsern zimmer (weil es zu ebnererd ist) wird es erst um1/29 uhr tag. Dann ziehe ich mich geschwind an. um 10 seze ich mich zum Componiren, bis 12 uhr oder 1/21 uhr, dann gehe ich zum wendling, dort schreibe ich noch ein wenig bis 1/22 uhr, dann gehen wir zu tisch, unter dessen wird es 3 uhr; da muß ich in Mainzischen hof (wirtshaus) zu einen Holändischen officier2, um ihm in gallanterie und general bass lection zu geben, wofür ich wen ich nicht irre, 4 ducaten für 12 lectionen habe. um 4 uhr muß ich nach haus, um die tochter zu instruiren; da fangen wir vor 1/25 uhr niemahl an, weil man auf die lichter wartet. um 6 uhr gehe ich zum Cannabich und lehre die Madelle Rose; dort bleibe ich beym nachtessen, dann wird discurirt – – oder bisweilen gespiellt, da ziehe ich aber allzeit ein buch aus meiner tasche, und lese – – wie ich es zusalzburg zu machen pflegte. Ich habe geschrieben, daß mir ihr lezter brief viell freude gemacht hat; das ist wahr! nur eines hat mich ein wenig verdrossen – – die frage, ob ich nicht das beichten etwa vergessen habe? – – ich habe aber nichts dawider einzuwenden. Nur eine bitte erlauben sie mir: und diese ist, nicht gar so schlecht von mir zu dencken! ich bin gern lustig, aber seyen sie versichert, daß ich troz einem jedem Ernsthaft seyn kan. ich habe seit ich von salzburg weg bin (und auch in salzburg selbst) leute angetroffen, wo ich mich geschämt hätte, so zu reden und zu handeln, obwohlen sie 10, 20 und 30 jahr älter waren, als ich! – – ich bitte sie also nochmahl, und recht unterthänig, eine bessere Meinung von mir zu haben. an h: bullinger, meinem allerbesten freund, bitte meine Empfehlung, und einen recht freundschaftlichen Neu-jahrswunsch abzulegen. an alle gute freund und freundinen meine Empfehlung. NB: an P: Dominicus.3


Meine liebste Sallerl mein schazerl!

Meine liebste Nannerl mein schwesterl!

Ich thue mich halt bedancken, für deinen glückwunsch, Engel,

[145] und hier hast ein von Mozart, von den grobeinzign bengel,

ich wünsch dir glück und freude, wens doch die sachen giebt,

Und hof Du wirst mich lieben, wie Dich der woserl liebt;

ich kan Dir wahrlich sagen, daß er Dich thut verehren,

Er luf Dir ja ins foier, wens Dus thatst a begehren,

ich meyn ich mus so schreiben, wie er zu reden pflegt!

mir ist so frisch vor augen, die liebe die er hegt

für seine joli sallerl, und seine schwester Nanzerl!

ach kommt gschwind her ihr lieben, wir machen gschwind ein tanzerl,

es sollen leben alle, der Papa und d' mama,

die schwester und der bruder, huisassa, hupsasa!

und auch d' metress vom woferl, und auch der woferl selbst,

und das so lange lange – so lang als er noch krelbst,

so lang als er noch Prunzen, und wacker scheissen kan,

so lang bleibt er und d' Sallerl, und 's schwesterle voran.

ein saubers g'sindel – auweh! ich mus gschwind nach schlaraffen,

Und das izt gleich um 12 uhr; dann dort thut man schon schlaffen.


Wolfgang Amadé Mozart

Marie anna Mozart4

Fußnoten

1 Zu Anfang ein Brief der Mutter.


2 de la Potrie.


3 sc. Hagenauer.


4 Diese Unterschrift rührte auch von Wolfgang her. – Antwort des Vaters: 29. Dezember.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 146.
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