225. [an L. Hagenauer in Salzburg]

[186] Monsieur mon tres cher ami


An dem Fest des hl: Francisci sind wir nachmittag um halbe 5 Uhr von Lintz mit der sogenannten Wasser = ordinaire abgereiset, und selbigen tag bey finsterer Nacht um halbe 8 Uhr in Matthausen angelanget. Den folgenden Erchtag Mittags kamen wir nach Ips, wo 2 Minoritten und ein Benedictiner, die mit uns auf dem schif waren, hl: Messen lasen, unter welchen unser Woferl sich auf der Orgel so herumtummelte und so gut spielte, daß die P: P: Franziscaner, die eben mit einigen Gästen bey der Mittagstafl sassen, samt ihren gästen das Essen verliessen, dem Chor zuliessen, und sich fast zu Todt wunderten. Nachts waren wir zu Stein, und am Mittwoch langten wir um 3 uhr in Wieñ an; wo wir um 5 uhr das Mittag [186] und Nachtmahl zugleich einbrachten. Wir hatten auf der Reise beständig Regen und viel wind. Der Wolfgangl hatte schon in Lintz einen Cartharr, und aller Unordnung, frühen aufstehen, unordentlichen Essen und trincken wind und Regen ohngeacht blieb er, Gott Lob, gesund. Aus dem Strudl und Wirbl macht man mehr, als an der sache selbst ist. Davon seiner zeit mündlich das mehrere. Bey dem anlanden war schon der Bediente des h: Gilowsky zugegen, der in das schiff kam und mich dann in das Quartier führte. wir eylten aber bald einem Wirthshause zu, um unsern hunger zu stillen; nachdem wir vorhero unsere Bagage in dem Quartier in sicherheit und Ordnung gebracht. Dahin kam dann auch h: gilowsky uns zu empfangen. Nun sind wir schon 3 täge hier und wissen noch nicht wo die Sonne in Wienn aufgeht: denn bis diese Stunde hat es nichts als geregnet und unter einem beständigen Wind zu zeiten ein wenig geschnien, daß wir so gar ein bischen schnee auf den Dächern sahen. Dabey war es auch, und ist wirklich noch wo nicht rechtschaffen kalt, doch rechtschaffen frostig. Eins muß ich sonderheit: anmerken, daß wir bey der schanzlmauth ganz geschwind sind abgefertiget und von der Hauptmauth gänzlich dispensirt worden. Daran war auch unser h: Woferl schuld: dann er machte also gleich seine Vertraulichkeit mit dem h: Mautner zeigte ihm das Clavier, machte seine Einladung, spielte ihm auf dem Geigerl ein Menuet, und hiemit waren wir expediert. Der Mautner bath sich mit der grösten Höflichkeit die Erlaubniß aus uns besuchen zu därffen, und notierte sich zu diesem Ende unser Quartier. Bis itzt sind wir, ohngeacht des abscheulichsten Wetters, schon bey einer Accademie des graf Collalto gewesen, dann hat die Gräfin von Sinzendorf uns beym Graf Wilschegg, und den 11ten Bey Sr Excellenz dem Reichsvice Canzlern Graf v Colloredo aufgeführt, wo wir die Ersten Ministers undDames des Kays: Hofes zu sehen und zu sprechen die gnade hatten: nämlich; den ungarischen Canzler GrafPalfi und den böhm. Canzler graf Coteck samt dem Bischof Esterhazy und eine Menge die ich nicht alle merken Konnte. Alles sonderheit: die Dames waren sehr gnädig mit uns. Die zukünftige brauth des T: h: graf [187] Leopold Künburg hat meine Frau selbst angeredet und ihr gesagt, daß sie nach Salzb: sich verheyrathen wird. Es ist eine hipsche, freundliche Dame, mittelmässiger Grösse. sie erwarthet ihren geliebten dieser täge in Wienn. Die Grafin v Sinzendorf ist sehr bemühet für uns, und alle Dames sind in meinen Bueben verliebt. Nun sind wir schon aller Orten im Ruff. und als ich alleine den 10ten in der opera war, hörte ich den Erzherzog Leopold aus seiner Loge in eine andere hinüber eine Menge sachen erzehlen, daß ein Knab in Wieñ seye und so trefflich das Clavier spielte x x: selbigen abend noch um 11 uhr erhielt ich befehl den 12ten nach schönbrunn zu kommen. Den andern tag aber erhielt ich neuen Befehl den 13ten dahin zu gehen, weil am 12ten das fest Maximiliani, folglich ein unruhiger galla tag war, dann, wie ich höre, will man die Kinder gelegentlich hören. Hauptsächlich erstaunet alles ob dem Bueben, und ich habe noch niemand gehört, der nicht sagt, daß es unbegreiflich seye Der h: Baron Schell oder Ehemalige Lulu bemühet sich sehr für mich, und er erkennet mit dankbarem gemüthe die Gnaden, die er in Salzburg genossen. Bitte gelegentlich nebst meiner Empfehlung T: h: v chiusolis solches anzurühmen. T: h: graf Daun haben mir auch an h: Baron Schell ein schreiben mitgegeben. Er macht mir gute Hofnung, daß ich vergnügt von Wienn abreisen werde. Es scheint auch also; indem uns der Hof eher zu hören verlanget, bevor wir uns gemeldet haben. Denn der Junge grafPalfi gieng eben durch Linz als unser Concert anfangen sollte, Er machte der Gräfin v Schlick seine Aufwartung, diese erzehlte ihm von dem Knaben, und bewegte ihn, daß er die Post vor dem Rathshause halten ließ und mit der Gräfin in das Concert kam. Er hörte es mit Erstaunen an, und erzehlte es mit vielem Lermen dem Erzherzog Joseph, dieser erzehlte es der Kayserin. So bald es nun bekannt ware, daß wir in Wienn waren, so kam der Befehl, daß wir nach Hofe Kommen sollen. sehen sie, das ist der Ursprung. Das vorhergehende schrieb ich den 11ten mit dem vesten vorsatz, den 12ten wenn wir von schönbrunn kommen, wie es abgeloffen, zu berichten. Allein wir musten von schönbrunn schnurgerade zum Prinz von Hildburghausen fahren; es überwogen demnach 6 Duccatten die [188] Expedition des Briefes. Ich nehme das Vertrauen zu der Frau Hagenauerin und verspreche mir von ihrer freundschaft so viel Gütte, daß Sie den Glückwunsch zu ihrem Nahmenstage auch itzt und zwar so kurz annehmen wird, daß ich nur sage, wir werden Gott bitten, daß er Sie sammt allen den ihrigen in die spätheste Jahre gesund erhalten, und seiner Zeit uns alle in den Himmel auf ein Brandlspiel auf ewig einladen und aufnehmen wolle. Nun läßt die zeit mehr nicht zu in Eyl zu sagen, als, daß wir von den Mayestäten so ausserordentlich gnädig sind aufgenohmen worden, daß, wenn ich es erzehlen werde, man es für eine fabl halten wird. genug! Der Woferl ist der Kayserin auf die schooß gesprungen, sie um den Halß bekommen, und rechtschaffen abgeküßt. kurz wir sind vor 3 uhr bis 6 uhr bey bey ihr gewesen und der Kayser kam selbst in das andere zimmer heraus mich hineinzuhollen, um die Infantin auf der Violin spielen zu hören. Den 15ten schickte die Kayserin durch den geheimen Zahlmeister, der in galla vor unser Hauß gefahren kam, 2 kleid: eins für den buben und eins fürs Mädl. so bald der Befehl kommt, müssen sie bey Hofe erscheinen, und der geheime Zahlmeister wird sie abhohlen. Heut um 1/23 uhr müssen sie zu den 2 Jüngsten Erzherzogen. um 4 Uhr zum graf Palfi ungar: Canzler. Gestern sind wir bey dem Graf Caunitz und vorgestern bey der gräfin Küntzgin und dan späther beym Graf v Ulefeld gewesen. wir sind schon auf 2 täge wieder verstellt. sagen sie es zur gnade aller Orten, daß wir, Gott Lob, gesund und glücklich sind, ich Empfehle mich und bin der alte

Mozart.


bitte der Frau Doctor Niderlin von unserm wohlseyn Nachricht geben zu lassen. NB schicken sie mir keine Briefe mehr ein, sondern öffnen und lesen sie solche nur, denn ich muß sonst für unnötige briefe viel Postgeld ausgeben: sie sehen dann schon, was nothwendig ist. der ganzen Welt mein Compliment. Wienn den 16ten oct: 1762

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 186-189.
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