236. [an L. Hagenauer in Salzburg]

[210] schwetzingen den 19ten Julij 1763


Monsieur!


Da ich in Ludwigsburg schrieb; so getrauete ich mir nicht beyzusetzen, daß das Soldaten-weesen alda bis zur Ausschweifung getrieben wird. Denn, in der that, 12 bis 15000 Soldaten, die täglich ganz unglaublich nett gebuzt einhergehen, ja wegen der von der feinsten Leinwand gemacht haargleichen Stifletten und Hosen kaum gehen können, sind zum Ernste zu wenig und zum Spaß zu kostbar, folglich zu viel. Den 12ten haben wir endlich um 8 uhr morgens die uns schon um 4 uhr frühe versprochene Postpferd bekommen und sind über Entzweiungen (einem ganz lutherischen miserablen [210] ort) abends in Bruchsal angelangt. wir haben auf dieser tag-reise angenehme gegenden und viel vergnügen wegen eines guten freundes, der von Augsp: aus uns ungefehr nachkam, gehabt. DieResidenz in Bruchsal ist sehenswürdig. Die zimmer sind vom allerbesten Geschmack; nicht viele zimmer, aber so edl, unbeschreiblich reitzend und kostbar, daß man nichts angenehmers sehen kann. von da sind wir nicht nach Manheim; sondern schnurgerad nach schwezingen gegangen, wo der Hof im Sommer ist. Ausser der Reccommendation die ich von Wieñ an den Music-Intendant Baron Eberstein in handen hatte, waren wir schon durch den Prinz v zweybrücken alda angesagt, und der Prinz Clemens von Bayern schickte uns noch ein eigenhändiges Reccommendationsschreiben an die Churfürstin von Manheim zu den 3 Mohren nach Augspurg nach. Gestern ward eigens Accademie wegen uns anbefohlen. Dieß ist erst die zweyte Accademie die seit dem May hier ist gehalten worden. Sie dauerte von 5 Uhr abends bis nachts 9 Uhr. Ich hatte das vergnügen nebst guten Sängern und Sängerinen einen bewunderungswürdigen Flutotraversisten Mr: Wendling zu hören, und das Orchester ist ohne widerspruch das beste in Teutschland, und lauter Junge Leute, und durch aus Leute von guter Lebensart, weder Säuffer, weder spieler, weder liederliche Lumpen; so, daß so wohl ihreConduite als ihre production hoch zuschätzen sind. Meine Kinder haben ganz schwetzingen in Bewegung gesetzet: und die Churf: Herrschaften hatten ein unbeschreibliches vergnügen, und alles gerieth in verwunderung. So bald wir hier weg kommen, gehen wir nach Frankfurt. abzugeben bey h: Johann Georg Wahler auf dem Römerberg. – – Nun hoffe ich, daß Sie werthester freund sowohl als dero liebste Frau Gemahlin und sonderl: angehörigen in besten wohlseyn sich befinden wer den: gleichwie wir alle, Gott Lob und Dank, noch keine viertlstund krank waren. wir sagen viellmahl: Nun soll uns die frau Hagenanerin sehen. in gewissen Umständen nämlich, wo wir ganz besondere Landsübliche Sachen mitmachen müssen; die von den unsern sehr unterschieden sind, und wie viele merkwürdige ganz sonderbare sachen sehen wir, die wir ihr auch zu sehen wünschten. [211] wir sind nun wirklich immer in orten, wo 4 Religionen sind. nämlich Catholisch, Lutherisch, Calvinisch, und Juden. schwezingen ist ausser der Menge der Hofleute meist Calvinisch; Es ist nur ein Dorf, hat 3 Kirchen, eine Catholische, lutherische, und Calvinische: und so ist es durch die ganze Pfalz. Merkwürdig ist; daß wir von Wasserburg aus bis itzt kein Weichbrunnkrügl nimmer in unserm zimmer hatten. Denn, wenn die Örter gleich Catholisch sind, so bleiben derley sachen doch schon weg, weil viele Lutherische fremde auch durchreisen, und folglich sind die zimmer schon so eingericht, daß alle Religionen darinn wohnen könnten. Man sieht auch in den schlafgemächern selten etwas anders als ein paar Landschaften oder dasPortrait eines alten Kaysers x: gar selten ein Crucifix. Die fastenspeisen bekommt man sehr hart, sie machen solche auch sehr schlecht, denn alles frist fleisch; und wer weis was sie uns gegeben haben. Basta! wir haben keine schuld! unser Gastgeber hier ein Calvinist. gut, daß es nicht lange dauert. Nun muß ich schlüssen, es ist Zeit in die Französ: Comoedie, die sonderheit: wegen der Ballets und Music unverbesserlich ist. ich hoffe in Franckfort etwas von ihnen zu lesen. Leben sie alle wohl und gesund, an alles Links, rechts, hinten und Vorn meine Empf: specialiter an T: gnaden h: Beichtvatter, Madame de Robini x: und bin der alte

Mozart.


In dem band der von der Madame Haffnerin vNurnberg übermachten Musik: sind 6 Stück: œuvres melées. öffnen sie es, und geben sie eins davon dem h: Adlgasser nebst meinem Compliment. Meine Frau und Kinder empf: sich insbesonders dero ganzen Hauß, Madame v Wohlhaupt et Madame v Scheürer x:

P:S: bey Geisslingen, göppingen und um selbe gegend sahen wir alles getreid vom schauer in boden geschlagen. zwischen den 13 na und 14 hatten wir inbruchsal ein solches erstaunliches Donnerwetter, daß ich mich dergleichen keines in meinem Leben erinnere. Meine Kinder hörten es zum Glück nicht, obwohl es nach mitternacht anfieng, und morgens um 3 uhr am allerheftigsten war; sie schliessen so gut. Das Wetterleuchten war ohnaus gesetzt, dann schlag [212] auf schlag und dieß die ganze Nacht durch: das, was mir am meisten im Kopf lag, waren die Häuser, wo man nichts als Holz sieht, und man bey feuersgefahr, nur geschwinde zum fenster hinausspringen muß. ehe wir nach Constatt kamen fuhren wir bey einem in flammen annoch stehenden Hauß vorbey, so vom Donner entzindet ward. sonst hat uns auf dem weeg, Gott Lob, niemals ein Donnerwetter erwischt. Übrigens muß ich noch unsern Salzburger-Land zum trost sagen, daß auch in allen diesen Gegenden, so bald es geregnet hatte, auch eine ungewöhnliche kälte zu spieren ware.

Mit dem geld ist es ganz zum erstaunen übl. schon in bruchsall nimmt man die bayr: thaler nicht anders als für 2 f 24 x. Die 25gr sind 24 x xx: Der Duggatten gilt nur 5 f, die bayr. 12er will man kaum für 10 xr haben. da doch in augsp: der Duccaten für 5 f 20 bis 24 x kann ausgebracht werden. h: Provino hat sich sonderlich distinguirt, und hat mir an verschiedene Örter die schönste Creditbrief ohngebetten mitgegeben. so daß ich so wohl vom h: Calligari als von ihm mit allem, was nötig ist, versehen bin.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 210-213.
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