*249. [an L. Hagenauer in Salzburg]

[234] London den 28 May 1764


Monsieur!


[...] Vielleicht gar nach Engelland und Holland? Nach Engelland zu gehen, ware ich bey meiner Abreise aus Salzburg nur halb entschlossen: Alleine, da alle Welt auch in Paris uns angelegen hat, nach London zu gehen, so habe mich gleichwohl entschlüssen müssen; und nun sind wir mit der Hilfe Gottes da: allein nach Holland gehen wir nicht, das kann ich dieselbe versichern. Ich bin zwar versichert im Haag z.E. 2. bis 300. Duccaten geschwind einzunehmen: doch weis ich auch, daß die Kösten ganz außerordentlich sind; das Volck, und überhaupts die Holländer sind ein bischen grob. Und überhaupts zu sagen, sollte man aller Orten im Winter seyn um seine Pfeiffen recht zu schneiden; und das ist glatterdings unmöglich. [...] Den 27. aprilis waren wir von 6. bis 9 Uhr bey der Königin und dem König1 in St James Park in Queens Palace, das heist: in St. Jakobs Park in der Königiñ Pallast. Wir waren also schon den 5ten Tag nach unserer Ankunft am Hofe. Das present war zwar nur 24. guinée, die wir gleich im herausgehen aus des Königs zimmer empfingen, allein die gnade, mit welcher so wohl Sr Majestätt der König als Königin uns begegnet ist unbeschreiblich. Kurz zu sagen: beyder gemeinschaftlicher Umgang und beyder freundschaftliches Weesen lies uns gar nicht mehr denken, daß dieß der König und die Königin von Engelland wären; Man hat [234] uns an allen Höfen noch ganz ausserordentlich höflich begegnet: allein diese Art, die wir hier erfahren, übertrifft alle die andern: 8 Tage darauf giengen wir in St: James Park spazieren; der König kam mit der Königin gefahren: und obwohl wir alle andere Kleider anhatten, so erkannten sie uns doch, grüsten uns nicht nur, sondern, der König öffnete das fenster und neigte das Haupt heraus und grüste lachend mit Haupt und Händen im Vorbeyfahren uns, und besonders unsern Master Wolfgang. [...]

Wir haben übrigens die meiste Bagage bey herrnBanquier Hummel in Paris gelassen. sonderheitlich haben wir alle Tobattieren, und 2. Uhren und andere Kostbare Sachen [...] alda gelassen [...]

Mr: Grimm, unser geschworner freund, der alles für uns in Paris gethann hat, hat zum Abschied, über alle seine Guthaten, noch der Nannerl eine Goldene Uhr und dem Wolfgang ein Obstmesser, wie man in Paris beym Confect zu haben pflegt, Verehret, dessen das Häst von Perlmutter in Gold gefast ist, und das 2. Klingen hat, nämlich eine von Gold und die zweyte von Silber. Ich habe auch noch in einer goldenen Tabattier alda 7. Stück doppelte Louis d'or liegen: und für 200 Louis d'or die ich Hl: Turton und Baur behändiget, habe einen Creditbrief für 4000 und 8. Hundert Livres in handen; Gegenwärtigen Brief habe schon vor 8. Tagen absenden wollen; allein ich war gehindert, und theils wollte ich einige Neuigkeiten abwarten. Ich kann aber nichts anders berichten, als daß wir den 19ten May abermahls Abends von 6 bis 10. Uhr beym König und der Königin waren, wo niemand als die zwey Prinzen des Königs Bruder, und der Prinz der Bruder der Königin zugegen waren. Bey dem Austritte aus dem Zimmer wurden mir abermahl 24 guinees gereichet: wenn es alle 3. oder 4. Wochen so kommt; so kann mans erleiden. Nun werden wir ein so genanntes Benefit oder Concerto al nostro profitto den 5ten Juny haben. Es ist eigentlich iezt keine Zeit mehr dergleichen Concert zu halten, und man kann sich wenig Nutzen davon Versprechen, weil es außer der Zeit ist, und weil die Unkösten eines solchen Concerts auf 40. guinees sich beläuffet: Allein, da den 4ten des Königs Geburtstag ist, und folglich [235] viele Noblesse vom Lande in die Statt kommt; so mus man es wagen und von diesen Augenblick profitieren, und sich bekannt zu machen. Die Person zahlt einen halben guineé, und wenn es im Winter wäre, so könnte ich sicher auf 600. Personen, folglich auf 300. guinees Zehlen: dermahl aber gehet alles in die Gärten und auf das Land. Basta! es wird schon gut werden, wenn wir nur mit der Hilfe Gottes gesund bleiben, und wenn Gott nur unsern unüberwindlichen Wolfgang gesund erhält. Der König hat ihm nicht nur Stücke vom Wagenseil, sondern vom Bach2, Abel3, und Händl vorgelegt, alles hat er prima vista weggespielt. Er hat auf des Königs Orgel so gespielt, daß alle sein Orgelspielen weit höher schätzen als dasClavier spiellen. Dann hat er der Königin eine Aria, die sie Sang, und einem Flautroversisten ein Solo accompagnirt. Endlich hat er die Violon stimme derHändlischen Arien (die Von ungefehr da lagen) hergenommen, und hat über den glatten Baß die schönste Melodie gespiellet, so, daß alles in das äußerste Erstaunen gerieth. Mit einem Worte; das, was er gewust, da wir aus Salzburg abgereist, ist ein purer Schatten gegen demienigen, was er ietzt weis. Es übersteiget alle Einbildungskraft. Er empfehlet sich vom Clavier aus, wo er eben sitzt, und des Capellmaisters Bachs Trio durchspieltet, sammt uns, und es Vergehet kein Tag, wo er nicht wenigst 30. mahl von Salzburg und seinen und unseren freunden und Gönnern spricht. Er hat ietzt immer eine Opera im Kopf, die er mit lauter jungen Leuten in Salzburg aufführen will. Ich hab ihm schon oft alle junge Leute zusammen zehlen müssen, die er zum orchester aufschreibet, darunter Herr Kolb, und Hl: Ranftel öffters erwehnet wird. [...]

Fußnoten

1 Georg III.


2 Joh. Christian Bach.


3 K. Fr. Abel (1725–1787), Kammermusiker der Königin Sophie Charlotte.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 236.
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