*261. [an L. Hagenauer in Salzburg]

[252] à la Haye le 12. Decemb:

1765.


Monsieur.


Damit ich ihnen gleich Anfangs alle Sorge benehme, so sage ich ihnen, daß wir, Gott Lob, alle am Leben sind. – Ja ich kann fast sagen, daß wir alle gesund sind: denn unser lieber Wolfgangerl hat nun durch die Hilfe Gottes, auch seinen förchterlichen Strauß ausgestanden, und ist auf dem Wege der Besserung.

Kaum war meine Tochter 8. Täge aus dem Bette und hatte gelernet allein über den Stuben-Boden zu gehen; so überfiel den Wolfgangerl den 15. Novb: eine Unbässlichkeit, die ihn in Zeit von 4. Wochen in so elende Umstände setzte, daß er nicht nur absolute unkantbar ist, sondern nichts als seine Zarte Haut und kleine Gebeine mehr an sich hat, und nun seit 5. Tägen aus dem Bette täglich in einen sessl gebracht wird; Gestern aber und heute führten wir ihn ein paar mahl über das Zimmer, damit er nach und nach wieder die süße zu bewegen, und auch allein freystehen lernen möge. Sie möchten wissen was ihm gefehlet hat? das weiß Gott! ich bin müde ihnen Krankheiten zu beschreiben. Es fieng mit Hitzen an. Kein schwarzes Pulver hatten wir mehr. wir gaben ihm demnach nach Gewohnheit, 3. mahl hindereinander etwas Margrafen Pulver: allein es that keine Wirkung. Es schien eine Art eines hitzigen fiebers zu seyn; und es war es auch. Den 17ten ordinierte ihm der Medicus [...] Dieß mag nun den Hhi: Medicis nicht genug gewesen seyn. Montags den 18ten Veränderte Herr Professor Schwenke es [...] Davon muste man ihm alle 3. Stund einen Lösel voll geben. Und ie mehr ihm dieß transpiration machte, ie mehr sollte er trinken, nämlich wasser mit Brod und schwachen Thée. Den 23ten wurde ihm ein Clysma gegeben, und den Hhl: Medicis war sehr bange. Den 30ten war er sehr gefährlich; den 1. Decembris aber war er besser und dann lag er 8. Täge ohne ein Wort zu sprechen. Nun hieß es freylich, daß das fieber alles weg wäre. Allein nun möchte man gleichwohl zu sehen, [253] ob es möglich wäre die Verlohrnen Kräften zu erhollen. Dazu sollte ein Mixtur dienen. [...] Nach der Hand gaben wir ihm gesullzies Hirschhorn x. Mit einem Wort, nachdem er fast 8. Tag geschlaffen, und nichts gesprochen; so kammen endlich die Geister wieder etwas zu Kräften: alsdann sprach er tag und Nacht, ohne daß man wuste, was es ware. Nun aber (Gott Lob) gehet es gut. Unter seiner Kranckheit muste man immer für die Zunge sorg tragen, die die meiste Zeit wie Holz so trocken und unrein ware und oft muste gesäubert werden; die Lippen Verloren 3. mahl ihre Haut die Hart und schwarz wurde. Unsere Nachtwachten giengen wieder auf den nämlichen fuß fort, wie bey der Krankheit meiner Tochter. Es ist also eine große Gnade Gottes, daß wir, und sonderlich meine frau, dieses alles haben ausstehen können. Nun, gedult! was Gott sendet, daß muß man annehmen. Jetzt kann ich nichts anderes thun, als die Zeit erwarten, bis es dem Allerhöchsten beliebet meinem Wolfgang so viel Kräften zu geben, daß wir eine so wichtige Reise, und zu einer solchen Jahrszeit unternehmen können. Auf die Unkösten ist gar nicht zu gedencken, holl der Guck Guck das Geld, wenn man nur den Balg davon trägt. Übrigens darf ich ihnen unsere fernere Umstände nicht beschreiben, in denen wir uns seit 3. Monaten befanden, und wenn wir nicht eine ganz ausserordentliche Gnade Gottes gehabt hätten; so würden meine Kinder diese schweren Kranckheiten, und wir diese schwäre Zufälle nicht haben überstehen können.

Nun bitte sie folgende heilige Messen alsobald lesen zu lassen. nämlich: 3. bey dem heiligen Kindl zu Loreto. 1. zu Maria Plain. und 1. zu Passau auf dem Maria Hilf-Berg. 2. bey der heiligen Anna bey den P.P. Franciscanern in der Pfarrkirche. 1. zu Ehren der heiligen Walburgis, und 1. zu Ehren des heiligen Vincenty Ferrery. Das sind also 9. heilige Messen. Meine Tochter ist nun so wohl, daß man ihr nichts mehr von ihrer Kranckheit ansiehet. Ich hofe zu Gott, daß unser lieber Wolfgang sich auch in wenig Wochen erhollen wird; dann die Jugend kann sich bald wieder aufhelfen. Dem Herrn Adlgasser und herrn Spitzeder bin auf ihre Briefe Antwort [254] schuldig; ich werde nächster Täge bezahlen: meine dermahligen Umstände werden mich entschuldigen; bitte unser aller compliment. Die Krankheit meiner Kinder hat nicht nur uns, sondern alle unsere freunde hier in Betrübniß gesetzet, sonderlich die Krankheit unsers Wolfgang; dann meine Tochter kennet man hier noch nicht, weil sie den Tag nach unserer Ankunft schon erkranket ist. Wer aber meine freunde hier sind, kann ich nicht melden, weil man es für eine Großsprecherey halten möchte. [...]

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 252-255.
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