*275. [an L. Hagenauer in Salzburg]

[267] Wienn den 23. Jänner 1768.


[...] Das neueste so ich (nebst unser aller, Gott Lob, guter gesundheit) ihnen zu berichten habe, ist, daß wir Dienstags den 19ten Nachmittags von halbe 3. Uhr bis halbe 5. Uhr bey Sr Mayestätt der Kayserin waren. Se Mayestätt der Kayser kamen heraus in das Vorzimmer, wo wir warteten, bis die höchsten Herrschaften den Coffée genommen hatten, und führten uns selbst hinein. Es war gegenwärtig, nebst dem Kayser und der Kayserin Majestätt der Prinz Albert aus Sachsen, und alle Erzherzoginnen; Ausser diesen höchsten Herrschaften aber keine Seele. Es würde zu lange seyn ihnen alles zu schreiben, was hier gesprochen worden, und was alles geschechen. Überhaupts muß ich nur sagen, daß Sie sich unmöglich vorstellen können, mit was für einer Vertraulichkeit Se Mayestätt die Kayserin mit meiner frau sprach und sich theils wegen den Blattern meiner Kinder, theils wegen den Umständen unserer großen Reise x. unterhielt; sie im Gesicht über die Wangen strich, und bey den Händen drückte; Da entzwischen Se Majestätt der Kayser mit[267] mir mit dem Wolfgangerl: von der Musick x und vielen anderen Sachen sprach und der Nannerl sehr oft die Röthe ins Gesicht trieb. Mündlich seiner Zeit das mehrere; denn sie kennen mich. Ich lieb nicht Sachen zu schreiben, die mancher hinter dem ofen sitzender aufgeblasener Gogelhopf (das ist eine schwäbische Benennung) für Lügen halten würde. Sie müssen aber dessentwegen, und dieser Leutseligkeit und freundschaftlich ganz außerordentlichen Beschänkung [nicht] schlüßen. Ich wenigst kann mir aus allen, was hier sehe, und aus allem den dermahligen Wienerischen Umständen nichts günstiges vorstellen. Doch sind dieß alles Sachen die die Zeit lehren muß, und davon man besser mündlich sprechen kann. Meine frau und Kinder empfehlen sich, und ich bin der alte.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 267-268.
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