*283. [an L. Hagenauer in Salzburg]

[280] Wienn den 30ten July 1768.


Sie haben alles wieder gut gemacht! – – Es war uns nur bange, ob nicht etwa von ihrem Hauße iemand unbäßlich wäre. Wir sind nun von dieser Seite um so Vergnügter, als wir sehen, daß Vielmehr das gute Wohlseyn und die Unterhaltung im Garten an diesem stillschweigen Ursache ware. Auf einer anderen Seite hingegen, nämlich unsern so langen Aufenthalt in Wienn betreffend, sind wir höchst miß-Vergnügt. ja, nichts als unsere Ehre hält uns zurücke, sonst würden wir bereits lange in Salzburg seyn. Denn wollten sie wohl, daß man in ganz Wienn sagen sollte, der Wolfgangl: hätte die opera nicht verfertigen können; oder sie wäre so elend ausgefallen, daß man sie gar nicht hätte aufführen können; oder er hätte Sie nicht gemachtsondern der Vatter x wollten sie, daß man mit kaltem Blute erwarten sollte, daß derley Verleumdungen in alle Länder ausgeschrieben würden. Würde dieses wohl zu unserer Ehre, ja würde es zur Ehre unsers gnädigsten fürsten seyn? Sie werden sagen: was sagt den Sr Mayestätt der Kayser dazu? – – Hier muß ich die Sache nur kurz berühren, denn ausführlich läst es sich nicht beschreiben. Doch sie werden es einsehen. Hätte ich alles gewust, was ich nun weis; und hätte ich Zufälle Vorschen können, die sich eräugnet haben, so würde der Wolfgangl: gewiß keine Note geschrieben haben, sondern längst zu Hause seyn. Das Theater ist Verbacht, oder Vielmehr einem gewissen Affligio überlassen; Dieser muß jährlich einige 1000 fl: an Leute bezahlen, die der Hof sonst bezahlen müste, der Kayser und ganze Kayserliche Familie zahlt nichts, ist frey. folglich hat diesem Affligio der Hof nicht ein Wort zu sagen, indem alles auf seine Gefahr gehet, und er nun wircklich in gefahr stehet, ins Verderben zu gerathen, wie sie hinnach gleich hören werden.

[280] Sr Mayestätt sagten unserm Wolfgangl: ob er nicht eine opera schreiben möchte. und daß allerhöchstdieselben ihn gerne beym Clavier die opera dirrigiren sehen möchten; Se Majestätt ließen solches auch demAffligio melden, der dann auch solches gegen bezahlung von 100. Duccaten mit uns richtig machte. Dieopera sollte anfangs auf Ostern gemacht werden; Allein der Poet1 war der erste, der es hinderte, indem er, um nur da und dort Veränderungen, die nothwendig waren, Vorzunehmen, es immer Verzögerte, so, daß man der Veränderten Arien erst zwey um Ostern von ihm erhalten konnte. Es wurde auf Pfingsten, und dann auf die Zurückkunft Sr Majestätt aus Ungarn festgesetzet. Allein, hier fiel die Larve vom Gesichte. – – – Dann unter dieser Zeit haben alle Compositores, darunter Gluck eine Hauptperson ist, alles untergraben, um den fortgang dieser opera zu hindern. Die Sänger wurden aufgeredet, das Orchester aufgehätzet, und alles angewendet um die Aufführung dieser opera einzustellen. Die Sänger. die ohnehin kaum die Noten kennen, und darunter ein und anderer alles gänzlich nach dem Gehöre lernen muß, sollten nun sagen, sie könnten ihre Arien nicht singen, die sie doch vorhero bey uns im Zimmer hörten, begnehmten, applaudirten, und sagten, daß sie ihnen recht wären. Das Orchester sollte sich nun nicht gerne von einem Knaben dirrigiren laßen etc. und hundert solche Sachen. Entzwischen wurde von einigen ausgesprengt, die Musick seye keinen blauen Teufel werth; Von andern, die Musick seye nicht auf die Worte, und wieder das Metrum geschrieben, indem der Knab nicht genug die jtalienische Sprache Verstehe. – – – Kaum hörte ich dieses, so bewies ich an den ansehnlichsten Orten, daß der Musick Vatter Haße, und der grosse Metastasio sich darüber erklären, daß diejenigen Verläumder, die dieses Aussprengen zu ihnen kommen sollen, um aus ihren Munde zu hören, daß 30. opern in Wieñ aufgeführet worden, die in keinem Stücke der Opera dieses Knaben beykommen, die sie beyde nicht anders als im höchsten Grade bewunderten. Nun hieß es, nicht der Knab, sondern der Vatter hat es gemacht. – – Hier fiel aber auch der Credit der Verläumder: [281] denn sie Verfiehlen ab uno extremo ad aliud. und hier fassen sie gleich im Pfeffer. Ich ließ den nächsten besten Theil der Wercke des Metastasio nehmen, daß Buch öffnen, die erste Aria, die in die hände fiel dem Wolfgangl: Vorlegen; er ergrief die feder, und schriebohne sich zu bedencken, in Gegenwart vieler Personen von Ansehen, die Musick dazu mit vielen Instrumenten in der erstaunlichsten Geschwindigkeit. Dieses that er beym CapellmeisterBono, beym Abbate Metastasio, beym Haße und bey titl: Herzogen von Braganza und fürsten von Caunitz. Entzwischen ist wieder eine andere opera ausgetheilt worden; und da nun nichts mehr zu widersprechen ist, so soll des Wolfgangl: seine gleich darauf gemacht werden. – – – Hundertmahl habe ich wollen zusammen packen und davon reisen; und wäre dieseopera eine opera seria, wäre ich den Augenblicke, ja den ersten Augenblick abgereist und hätte solche Sr hochfürstlichen Gnaden zu süßen gelegt: Allein, da es eine opera buffa ist, und zwar eine solche, die besondere caracters von Persone Buffe erfordert; so muß ich unsere Ehre hier retten, es koste was es wolle. Es stecket die Ehre unseres gnädigsten Landesfürsten ebenfals darunter. Sr Hochfürstlichen Gnaden habe keinen Lügner, keine charlatans, keine Leutbetrieger in ihren Diensten, die mit Vorwissen und gnädigster höchstderselben Erlaubnis an fremde Orte gehen, um den Leuten, gleich den Taschenspielern, einen blauen Dunst vor die Augen zu machen; Nein: sondern ehrliche Männer, die zur Ehre ihres fürsten und ihres Vatterlandes der Welt ein Wunder Verkündigen, welches Gott in Salzburg hat lassen gebohren werden. Ich bin diese Handlung dem allmächtigen Gott schuldig, sonst wäre ich die undanckbarste Creatur: und wenn ich iemals schuldig bin die Welt dieses wundershalben zu überzeugen, so ist es eben ietzt, da man alles, was nur ein Wunder heist lächerlich machet und alle Wundern widerspricht. Man muß sie demnach überzeugen: und war es nicht eine große freude und ein großer Sieg für mich, da ich einen Voltairianer2 mit einem Erstaunen zu mir sagen hörte: Nun habe ich einmahl in meinem Leben ein Wunder gesehen; daß ist [282] das erste! Weil nun aber dieses Wunder zu sichtbahrlich, und folglich nicht zu wiedersprechen ist; so will man es unterdrucken: Man will Gott die Ehre nicht lassen; man denckt: es kommt nur noch auf einige Jahre an, alsdann Verfällt es ins natürliche und hört auf ein Wunder Gottes zu seyn. Man will es demnach den Augen der Welt entziehen: und wie würde es sichtbarer, als in einer großen Volckreichen Statt durch ein öffentliches Specktakt? – – Aber sollen wir uns über fremde Verfolgungen wundern, da fast dergleichen in dem Geburtsort dieses Kindes geschehen? – – welche schande! welche Unmenschlichkeit! Nun werden Sie sich noch wundern, warum Titl: der fürst Caunitz und andere große, ja Sr Majestät der Kayser selbst nicht befehlen, daß die opera aufgeführt wird. Erstlich können sie es nicht befehlen, weil es pur das interesse des Sgr Affligio (den einige Graf Affligio heissen) betrifft: 2do würden sie es ihm zu einer anderen zeit respective befehlen: allein da der fürst Caunitz, wieder den Willen Sr Majestätt dem Affligio beredet hatdaß er französische Comödianten hat kommen lassen die ihn jährlich über 70000 fl: kosten, und die ihn nun (da sie den Zulauf nicht haben, den man gehoffet) in Untergang bringen, und er Affligio, die Schuld auf den fürstCaunitz wältzet, dieser fürst hingegen sich Hofnung machte den Kayser dahin zu bewegen, daß er an dem französischen Theater belieben haben, und [die] Unkösten ihm Affligio ersetzen sollte; so liessen Sr Mayestätt der Kaiser sich viele Wochen gar in keinem Specktakt sehen. Sehen sie den Verdrüßlichen Umstand, der sich zu gleicher Zeit eräugnen muste; und der auch dazu half, daß Affligio sich leicht bereden ließ die opera des Wolfgangl: vom Halß zu schieben, und die 100 Duccaten im Sack zu behalten; und die anderer Seits Verhinderte, daß aus furcht des Ersatzes der 70000 fl: gulden niemand mit einem scharfen und befehlenden Nachdruck mit Affligio sprechen wollte. Entzwischen ist doch alles dieses unter der Hand geschehen. Affligio schob den Verzug der opera auf die Sänger, und sagte, sie könnten und wollten solche nicht singen; Die Sänger hingegen schoben es auf dem Affligio, und gaben vor, er hätte gesagt, und sich gegen solche erkläret, daß er solche nicht aufführen[283] werde: Sie könnten sich ia ein und anderes ändern lassen. Es soll also aufgeführt werden. Sollte nun aber ein neue Hinderniß sich äußern, das sich ietzt zeigen muß; so werde ich meine Klage an Se Majestätt den Kayser und die Kayserin gelangen lassen, und eine solche genugthuung verlangen, die unsere Ehre vor ganz Wienn und der ganzen ebrlichen Welt rettet; denn es würde keine Ehre für uns, ja für den Hof zu Salzburg seyn, wenn wir uns durch den uns verfolgenden Neid so platterdings abtreiben, und den Boshaften Platz ließen nach unserer Abreise dem unwissenden Publico vorzusagen (wie es bereits geschechen) daß der Wolfgangl: die opera gar nicht zu stande gebracht habe, oder daß sie so schlecht ausgefallen, daß man solche gar nicht habe aufführen können xx Sehen sie, wie man sich in der Welt durchraussen muß. Hat der Mensch kein Talent; so ist er unglücklich genug: hat er Talent, so verfolget ihn der Neid nach dem Maase seiner Geschicklichkeit. Über alles dieses was ich ihnen nun erzehlet habe, fällt ietzt eine Sängerin, die Bernasconi, in einen starcken Cartharr, und dieBaglioni ist auch nicht gar wohl: Dieses verhindert und verschiebt wiederum die Sache wenigst auf 3. Wochen; so, daß ich mit dem äußersten Verdruße, dergleichen ich auf unsern Reisen keinen gehabt habe, den Ausgang dieser Verhaßten Sache abwarten muß. alle vernünftigen Menschen müssen mit Schaam bemercken, daß es eine Schande für unsere Nation ist, daß wir teutsche einen Teutschen zu unterdrücken suchen, dem fremde Nationen durch die gröste Bewunderung, ja durch öffentliche Schriften haben gerechtigkeit widerfahren lassen. Allein mit Gedult und Standhaftigkeit muß man die Leute überzeugen, daß die Wiedersacher boßhafte Lügner, Verläumder und Neidische Creaturen sind, die über ihren Sieg in der saust lachen würden, wenn man sich erschrecken, oder ermieden ließe, und aus Verdruß davon reisete: Um so mehr, als solche Leute in Wieñ, die etwa eine Prinzessin oder einen Kayserl: Printzen zu unterweisen haben, ja auch diejenigen, die nur die hiesige Luft einschlucken, schon Stolz genug sind, weil hier der Sitz des Kaysers ist, Leute, die auswärtigen fürsten dienen, mit Verachtung anzuschauen, und von auswärtigen fürsten höhnisch und [284] niederträchtig zu sprechen. Nun, glaube ich, wissen sie meine Umstände; – – und dennoch habe es nur überhaupts erzehlet. Ich würde auch diese Begebenheit an Sr hochfürstlichen Gnaden unsern gnädigsten Herrn selbst berichtet haben, wenn ich höchstdieselbe mit einer so langen Geschichte von wichtigern Sachen zu stöhren, nicht Anstand genohmen hätte. Wir empfehlen uns Ihro hochwürden und Gnaden gnädigen Herrn Beicht Vater alle, und bitten er möchte uns Sr hochfürstlichen Gnaden zu füßen legen. Herr Joseph wird aus dieser Nachricht sehen, daß meine feinde in Salzburg es gut mit uns meinen, da sie aussprengen, der Wolfgangl: hätte 2000 fl. für die opera bekommen. [...]

Fußnoten

1 Marco Coltellini.


2 F.M. Grimm.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 285.
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