308. [an die Tochter in St. Gilgen]

[304] Salzburg den 2ten Junij 1785


Den 30ten May war um 4 uhr nachmittags auf einmahl so ein erschröckl: Sturmwind und Platzregen, daß alle gassen im augenblik in Wasser standen, der Wind hat aber das Donnerwetter in der größten geschwindigkeit über die Statt hinübergejagt; nun sind aber von den gegenden Lauff und Seekürchen x. x: die traurigsten Nachrichten da, wo alles getraid durch den schauer in Boden geschlagen ist, und seit dieser Zeit haben wir starke Wetterregengüsse, – in Bergen schnee, und erstaunlich kaltes Wetter, so daß fast überal eingeheitzt wird. Noch ist H: Vetter Pertl nicht zu sehen gewesen, – daß er aber dieser Täge noch hier war, weis ich, weil ihm habe nachfragen lassen. Die Hubernannerl und ihre schwester waren auch aufs Rathhaus beruffen, braf heruntergeputzt, und einen Tag ins Burgerstübt hinauf geschickt worden, wo sie auch zur näml: Zeit immer mehr gesellschaft, NB auch von weisen Hauben, bekammen. H: von Born war abends beym schifwürth angelangt, wurde gleich zum Fürsten, des andern Tags zur Tafel geladen, und nach Tisch der Dichter H: Blumauer, der mit ihm reiset, nach Hof zum Coffée. sie sind dann gleich [304] in die gastein fort, und werden sich erst in der Rückreise hier aufhalten. Es war natürl: weise immer H: B: Rheling bey ihm. Die Commoedianten spielten am Montage zum Letzten mahl mit Beleuchtung im Theater, undDedication zum geburtstage: den Tag darauf um 8 uhr morgens fuhr alles davon. Das lächerlichste war, daß in einem dialog, wo von gottlosen Leuten die Rede war, die Worte vorkam: Sie machten sich so Lustig, und es war ein solcher Lermen, als wäre des Teufelsgeburtstag. war das nicht dumm? sollten sie das nicht weggelassen haben, da die Comoedie dem Fürsten zum Geburtstag gewiedmet war? – – und das gemeine Publikum lachte erstaunlich! Die Commoedie selbst hatte einige gute Sachen: allein im ganzen wars schlecht, und der Karackter des Presidenten war einfältig und dumm geschildert. Kurz! es war ohnausstehliches Flickwerk: doch muß ich sagen, daß sie sich alle Mühe gaben, solches gut vorzustellen. –


Den 3ten Junij.


gestern war endlich einmahl bey H: v Treubach um seines Sohns Zeichnung und Mahlerey zu sehen; Die Zeichnungen sind wirklich für einen jungen Menschen, der, ohne wenige Lecktionen, die er beymLorenzoni nahm, aus purem genie arbeitet, recht vortrefflich, – und sollte er in der Mahlerey, farbenmischung, und Haltung unterwiesen werden, so kann was grosses aus ihm werden. Die schöne Freule spielt so schön, als sie selbst ist. – und wie ihr Lehrmeister. Das angenehmste und bequemste ist, daß man das, was sie spielt, nach Belieben in alle Tactsveränderungen bringen kann. Am Ende kam das nämliche Lied und Frage wegen der Niederkunft in Salzb: da sie mir sagt, sie hätten darüber mit euch gesprochen; und sie predigten mir beyde bis an die Stiege vor. Weil gestern die Procession nicht ausgehen konnte, war ich im Domm, und im Herausgehen, begegnete ich die Obersthofmeisterin, die in ihren Wagen steigen wollte, – da hörte ich die nämlichen fragen x: und ich beruhigt sie, da ich ihr sagte, daß alles geschehen werde, und du bald wieder hereinkommen wirst. H: Zahlmeister hat endlich einmahl gelegenheit gefunden [305] aus dem Salzb: Land hinauszureisen. Er wird am Sonntage auf dem Postwagen seinen Bruder nach München führen, und 8 Täge da bleib: Ich werde ihm Briefe mitgeben. Da wieder um den H: Pertl nachfragen ließ, mußte nun hören, daß er schon weg wäre. – ich dachte mir freilich schon immer, er werde vermuthlich selbst für ihn genug etwa hinaus zunehmen haben, und folglich nicht so leicht etwas mitnehmen könn:


Nun ist der Both mit Deinem Brief da. Hilf Himmel! was ist das vor ein Lermen, als wenn die größte Hungers noth, und Elend schon vor der Thür wäre. Wir wissen es so gut, als ihr in St. Gilgen, allein wegen einem schauer entsteht, und ist noch niemals eine so allgemeine theuerung entstanden. Es lebt immer noch der alte Gott! Ich werde wohl selbst nach St. Gilgen reisen müssen um eine Bußpredig vom wahren Vertrauen auf Gott zu halten. über das ist allezeit der Lermen von der Bauerschaft grösser, als die Sache selbst, um so mehr, als sie itzt gelegenheit nehmen zu sagen, daß bey Mannsgedenken kein solcher schauer war, als itzt, weil man nicht mehr zum gewitter Leitet. Kurz! Derjenige, welcher wegen iedem Unfahl, den gott schickt, so Lermt, zeigt wenig vertrauen auf gott, und wiegt oder berechnet die grosse gnade, die ihm gott täglich zuflüssen läßt, nicht gegen das bischen unglück ab, welches gott zu zeiten über uns kommen läßt: o, und die H: Bauern sind gleich bey der schneid, wegen dem Nachlassen x: und dann Millner und Böcker wegen dem Aufschlagen. – Nun muß dir bekennen, daß ich sehr übler Laune bin, da Du weder im ersten noch zweyten Brief etwas meldest, wenn Du etwa glaubst, daß Dich der H: Sohn hereinführen wird. Hätte ich vermuthen können, daß auch in diesen Brief nichts enthalten wäre, so würde ich nicht Dir, sondern dem Herrn Sohn geschrieben haben. Ich hoffe einmahl gewiß, daß er seinen Nahmenstag bey mir herinn zu bringen wird. allein dieser ist den 24ten erst. und dich erst dort hereinzuführen, würde zu viel gewagt seyn, da mir alle sagen, daß eine erste nie so gut rechnen kann, und gemeiniglich früher niederkommt: ich würde also, [306] wenns ihm recht ist, eher hinauskommen, und dich hereinführen, dann werden wir das vergnügen haben, den H: Sohn an seinem Nahmenstage hier zu sehen und mit einer Musik zu bedienen. Ich hoffe mit nächstem Bothen-tag darüber Antwort, da, in allem Falle den 13 oder 14ten hinauszureisen und dem H: Sohn ohngelegenheit zu machen gedenke. Nun küsse den H: Sohn und Dich, wie auch die Kinder von Hertzen und bin ewig euer redlicher Vatter

Mozart.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 304-307.
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